Protocol of the Session on January 20, 2000

Herr Gürth, der Antrag bezog sich auf jene sozialen Gruppen, die durch die Absenkung der Sozialversicherungsbeiträge nicht entlastet werden. Empfänger von Lohnersatzleistungen, Rentner, Studenten und Sozialhilfeempfänger sind davon besonders betroffen. Aber auch andere Gruppen der privaten Haushalte sind betroffen. Das haben Sie, Herr Gürth, auch gesagt.

Die Erhöhung jeder indirekten Steuer - das wiederum haben Sie nicht gesagt - verschärft die soziale Schieflage, weil die steuerliche Belastung der unteren Einkommensgruppen im Verhältnis zu ihrer Einkommenshöhe bei einer indirekten Steuer stärker ansteigt als die Belastung der oberen Einkommensgruppen. Also sind auch die Empfänger niedriger Löhne und Gehälter hiervon stärker betroffen.

Herr Gerhards sprach damals, am 8. Oktober 1999, von einem Denkfehler in unserem Antrag und verwies auf die steuerlichen Entlastungen dieser sozial schwachen Gruppen im Steuerpaket der Bundesregierung. Ich wiederhole hier meine Frage an Herrn Minister Gerhards bzw. in Vertretung an Herrn Minister Gabriel: Was ist das für eine Politik, die mit steuerlichen Entlastungen für die niedrigen Einkommensgruppen hausieren geht, diese dann aber mit der Öko-Steuer wieder wegnimmt?

Warten wir also die Ergebnisse der Ausschußberatungen ab. Wichtig wird es sein, meine Damen und Herren, daß in den Ausschußberatungen die Doppelbelastungen, nämlich die direkten und die indirekten, von den Preiserhöhungen im Nahverkehr bis zu den absehbaren Insolvenzen im Bereich des Mittelstandes, zur Debatte stehen.

Meine Damen und Herren! In der Landtagssitzung am 12. März 1999, also ein halbes Jahr früher, brachte ich für die PDS-Fraktion einen Änderungsantrag zu dem

CDU-Antrag mit der Überschrift „Sachsen-Anhalt gegen die Einführung der sogenannten Öko-Steuer“ ein, der dann auch beschlossen wurde. Mit diesem PDSÄnderungsantrag wurde die Landesregierung schon damals beauftragt, auf Bundesebene für die Kompensationsregelung einzutreten.

Diese Aktuelle Debatte, meine Damen und Herren, wäre doch eine Möglichkeit gewesen, darüber Rechenschaft abzulegen, was in dieser Hinsicht getan worden ist.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Richtig!)

Ich kann es Ihnen vorwegnehmen oder anschließend sagen: Nichts haben Sie getan.

Nun nutze ich die Möglichkeit, um ein bißchen fundamentale Kapitalismuskritik zu üben, die, denke ich, in diesem Zusammenhang notwendig ist.

(Herr Scharf, CDU: Sie kritisieren fundamental und stimmen im Detail immer zu!)

Die Differenz zwischen den Benzinpreisen - es geht also um die Kraftstoffpreise - von März 1999 und Anfang Januar 2000 beträgt rund 40 Pfennige. Davon gehen 14 Pfennige zu Lasten der Öko-Steuer und der damit verbundenen Anhebung der Mehrwertsteuer. Der Rohölpreis hat sich in diesem Zeitraum verdoppelt, das ist zumeist bekannt. Nach meinen Berechnungen macht das pro Liter Kraftstoff eine Kostensteigerung von etwa 15 Pfennigen aus.

Rohöl wird international nur in Dollar gehandelt, auch das ist bekannt. Demnach spielt auch der Kurs des Dollars zur D-Mark eine Rolle. Der Dollar ist zur D-Mark bzw. zum Euro in diesem Zeitraum um etwa 5 % angestiegen. Das macht etwa 1 Pfennig pro Liter aus.

Summieren wir das: 14 Pfennige plus 15 Pfennige plus 1 Pfennig ergeben 30 Pfennige. Bis zu 40 Pfennigen bleibt eine Differenz von 10 Pfennigen pro Liter, die in die Kassen der Mineralölkonzerne fließen.

Meine Damen und Herren! Das ist Kapitalismus pur. Das ist ein Schulbeispiel für das Funktionieren von Preiskartellen. Das kann man in Vorlesungen verwenden unter dem Stichwort Oligopolsituation. Das ist eine schamlose Ausnutzung der Öko-Steuer zur Preistreiberei und zur Erzielung von Extraprofiten.

(Zustimmung von Herrn Metke, SPD, und von Herrn Steckel, SPD)

Das Praktikum zur Kapitalismustheorie, das wir seit 1990 durchführen, konnte das Kapitalismusbild der Sozialisten nicht überzeugender nachweisen, als man es mit diesem Beispiel tun kann.

Bei der heutigen Umsatzlage - auch das muß gesagt werden - fahren die Mineralölkonzerne bei 1 Pfennig pro Liter einen zusätzlichen Profit von insgesamt 700 Millionen DM ein. Bei den genannten 10 Pfennigen wären das also 7 Milliarden DM. Es ist doch schon ein schönes Sümmchen, meine Damen und Herren, das am Schluß aus den Taschen der Bürger in die Konzern-taschen wandert.

Ich will zum Schluß noch folgendes sagen - meine Redezeit ist zu Ende -:

Sie haben noch eine Minute.

Die Grünen haben sich zur Jahreswende dazu geäußert und die Preispolitik der Mineralölkonzerne gebrandmarkt. Daß Sie, meine Damen und Herren, daß die Sozialdemokratische Partei hierzu schweigt, ist für mich außerordentlich merkwürdig; denn Sie, meine Damen und Herren von der SPD, und Ihre bei aller Detailkritik richtige Öko-Steuerreform werden von den Mineralölkonzernen politisch attackiert und mißbraucht. An Ihnen und Ihrer Öko-Steuerreform bleibt diese Preistreiberei schließlich hängen und nicht an den Mineralölkonzernen. Ich rate Ihnen: Wehren Sie sich, auch im Interesse der Bürger. - Schönen Dank.

(Zustimmung bei der PDS)

Professor Trepte, würden Sie noch eine Frage von Herrn Gürth beantworten?

Bitte schön.

Herr Abgeordneter Trepte, ich habe zwei Fragen. Die erste Frage lautet: Wie beurteilen Sie den Umstand, daß die Landesregierung einen Landtagsbeschluß ignoriert, mißachtet und im Bundesrat gegen den Willen des Landtages für die Einführung einer Öko-Steuer stimmt, die vor allem die neuen Bundesländer, sozial schwache Haushalte und in der Wirtschaft vor allem die kleinen und mittleren Unternehmen überproportional belastet?

Die zweite Frage bezieht sich auf den Antrag der PDS, der schon die Zustimmung der SPD im Finanzausschuß bekommen hat. Halten Sie es für verantwortbar, daß wenn Ihr Antrag eine Mehrheit findet - diese Mehrbelastungen, die vor allem für sozial schwache Haushalte entstehen, auf die Träger der Sozialhilfe, nämlich auf die Landkreise, abgewälzt werden?

Herr Abgeordneter, die Antwort auf die erste Frage lautet: Kritisch.

Die Antwort auf die zweite Frage lautet: Lassen Sie uns im Wirtschaftsausschuß abschließend darüber diskutieren. Natürlich muß eine Kompensation der zusätzlichen Belastung der Kommunen vorgenommen werden, wenn wir das so machen sollten.

(Zustimmung bei der PDS)

Meine Damen und Herren! Wir sind damit am Ende der Debatte. Beschlüsse zur Sache werden gemäß § 46 Abs. 6 der Geschäftsordnung nicht gefaßt. Damit sind alle Themen im Rahmen der Aktuellen Debatte beraten. Der Tagesordnungspunkt ist damit abgeschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 5 auf:

Fragestunde - Drs. 3/2556

Entsprechend § 45 der Geschäftsordnung des Landtages findet auf Antrag monatlich eine Fragestunde statt. Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, liegen in dieser Drucksache insgesamt fünf Kleine Anfragen für die Fragestunde vor.

Frage 1 stellt der Abgeordnete Herr Wiechmann von der Fraktion der DVU. Sie betrifft die Auswirkungen der Öko-Steuerreform in Sachsen-Anhalt.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie wirkt sich die vom Deutschen Bundestag zum 1. Januar 2000 beschlossene und in Kraft gesetzte weitere Öko-Steuer kostenmäßig auf den Personennah-, Personenfern-, Werksnah-, Werksfern-, Güternah- und Güterfernverkehr sowie die Mittel- und Kleinbetriebe, die nicht als besonders energieintensiv eingeordnet und damit nicht privilegiert sind, im Lande Sachsen-Anhalt aus?

2. Was gedenkt die Landesregierung angesichts der durch die weitere Öko-Steuer verursachten erheblichen finanziellen Belastungen bei Rentnern, Ruhestandsbeamten, Arbeitslosen, Sozialhilfeempfängern und in der Umschulung befindlichen Arbeitnehmern, die nicht Privilegierte bei der Senkung der Lohnnebenkosten sind, zu tun, um die monatlichen finanziellen Einbußen der vorgenannten Personenkreise in Sachsen-Anhalt auszugleichen?

Bevor ich Herrn Minister Gabriel für die Landesregierung das Wort erteile, begrüße ich, auch in Ihrem Namen, Schülerinnen und Schüler des Ökumenischen Domgymnasiums Magdeburg ganz herzlich. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Herr Minister, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst zu den kostenmäßigen Auswirkungen der zweiten Stufe der ökologischen Steuerreform auf die kleinen und mittelständischen Betriebe in Sachsen-Anhalt, die nicht dem produzierenden Gewerbe zuzuordnen sind, also nicht von ermäßigten Steuersätzen sowie von der Vergütungsregelung bei der Strom- und Mineralölsteuer profitieren.

Hervorzuheben ist erstens, daß die Anhebung der Steuersätze für Energie für alle Unternehmen nur den Stromund Kraftstoffverbrauch betrifft. Dagegen wird die Mineralölsteuer für den besonders bedeutsamen Kostenfaktor Heizstoffe nicht weiter erhöht.

Da hinsichtlich des Kraftstoffverbrauchs wie schon bisher für die Unternehmen des produzierenden Gewerbes keine Steuervergünstigungen greifen, könnte demnach auf die in der Frage angesprochenen Klein- und Mittelbetriebe nur bezüglich der Stromsteuer eine im Verhältnis zu den begünstigten Wirtschaftszweigen höhere Belastung zukommen.

Der Kostenanstieg durch die in den Jahren 2000, 2001, 2002 und 2003 in Schritten von je 0,5 Pfennig je Kilo

wattstunde ansteigende Stromsteuer sowie die in Schritten von je 6 Pfennig je Liter ansteigende Mineralölsteuer führt in der Breite auch bei den Klein- und Mittelbetrieben nicht zu Mehrbelastungen. Die Steuermehreinnahmen werden über eine Erhöhung des zusätzlichen Bundeszuschusses und weitere Zuschüsse zugunsten der gesetzlichen Rentenversicherung in voller Höhe an Unternehmen und Arbeitnehmer zurückgegeben.

Als Folge dieser Kopplung von ökologischer Steuerreform und Senkung der Lohnnebenkosten konnte der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung von über 20 % auf derzeit 19,3 % gesenkt werden. Für 2002 erwarten die Rentenexperten sogar einen Beitragssatz von weniger als 19 %. Bis 2020 soll der Beitragssatz unter 20 % gehalten werden, wozu ganz wesentlich auch die Einnahmen aus der ökologischen Steuerreform beitragen werden.

Da die hier angesprochenen Unternehmen regelmäßig nicht in besonderer Weise von hohen Energiekosten betroffen sind, sieht die Landesregierung keine Verschlechterung der Wettbewerbssituation dieser nicht an ermäßigten Steuersätzen und Vergütungsregelungen partizipierenden Betriebe. Die Verbilligung des Produktionsfaktors Arbeit wird sich mittelfristig im Gegenteil auch in Sachsen-Anhalt positiv auf Wirtschaftskraft und Beschäftigungssituation auswirken.

Nutznießer sind auch die Klein- und Mittelbetriebe. Soweit es bei einzelnen nicht dem produzierenden Gewerbe angehörenden Betrieben mit überdurchschnittlich hohen Stromkosten bei gleichzeitig wegen geringer Lohnsumme niedrigem Entlastungsvolumen ausnahms-weise zu erhöhten Kosten kommen sollte, muß dies vor dem Hintergrund der Zielsetzung des Reformvorhabens hingenommen werden.

(Zuruf von Frau Wiechmann, DVU)

In der Praxis dürften diese Fälle allerdings nur selten vorkommen. Außerdem wären die Kostensteigerungen in Folge der maßvollen stufenweisen Stromsteuererhöhung ohne weiteres verkraftbar.