Das war Herr Kollege Gebhardt für die Fraktion DIE LINKE. Jetzt spricht Frau Kollegin Maicher für die BÜNDNISGRÜNEN.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der 70. Jahrestag des 17. Juni gibt uns Anlass, den Opfern zu gedenken und das Erinnern an den Kampf um die Freiheit wachzuhalten. Ja, wir dürfen die Menschen nicht vergessen, die für ihre Rechte gekämpft haben und die dafür leiden mussten.
Kollege Hartmann ist bereits sehr ausführlich auf die historischen Ereignisse eingegangen und vor allem darauf, welche Bedeutung der 17. Juni auch heute noch in Sachsen und in Ostdeutschland hat. Diese Erinnerung wird weiterhin wichtig sein, um die gesamtdeutsche Geschichte zu verstehen, und sie ist wichtig, um die Auseinandersetzung mit der Diktatur in der DDR zu einer Auseinandersetzung mit unserer Gegenwart zu nutzen – für die Entwicklung von Demokratie und Freiheit und für deren Erhalt.
Aber mir bereitet heute auch etwas anderes große Sorge: Was nützt uns das offizielle Gedenken, wenn in der alltäglichen politischen Kultur keine Lehren daraus gezogen werden? Gerade die Erinnerung an die erkämpfte Freiheit sollte uns doch nachdenklich darüber stimmen, wo wir heute stehen.
Es ist unsere Verantwortung, Freiheit zu wahren und mit Macht verantwortungsvoll umzugehen. Deshalb frage ich Sie: Wo stehen wir denn heute, im Frühsommer 2023?
Nächstes Jahr haben wir mehrere Wahlen. Bereits jetzt – und das erleben wir auch hier im Hohen Haus – übersteigt die Rhetorik die Schärfe vergangener Wahlkämpfe. Der billige Ideologievorwurf gegen uns BÜNDNISGRÜNE gehört für mich schon zum alltäglichen Morgenrauschen dazu. Aber wenn dann von Planwirtschaft oder Autokratie
fabuliert wird, weil einem die politischen Ziele der Bundesregierung oder anderer Parteien nicht schmecken, oder wenn jede Veränderung als Angriff auf unsere Freiheit verstanden wird, dann frage ich: Ist das verantwortungsvoll?
Ich persönlich bin immer noch sehr entsetzt über die von vielen verbreitete Energie-Stasi-Kampagne. Gehen wir so mit historischen Fakten um, nur um den demokratischen politischen Gegner zu schwächen? Damit verhöhnt man nicht zuletzt die Opfer von Repression und Zersetzung.
Aber wir müssen hier keinen historischen Beweis führen und das ist aus meiner Sicht auch keine Frage des politischen Stils. Das Problem ist viel größer: Wer heute aus kurzsichtigem Machtkalkül rhetorische Treffer landen will und bei Kritik so tut, als ginge es nur um Sachpolitik, der beschädigt das Vertrauen in die demokratische Politik als Ganzes.
Wer den Demokratieverächtern nach dem Mund redet, der macht sie stärker und untergräbt damit das Fundament seines eigenen demokratischen Handlungsraumes, und das ist das Problem. Wenn es eine Lehre aus der Geschichte gibt, dann doch diese: Dem Reden folgt Handeln. Ich fordere die Risikobereiten unter den Demokraten auf: Kommen Sie zur Besinnung!
Wenn Ihnen diejenigen applaudieren, die sich in einer „links-grünen Meinungsdiktatur“ wähnen, von der man sich befreien muss, und zwar so, wie es die mutigen Menschen in ihrem Freiheitskampf 1953 gewagt haben, dann muss doch auch dem Letzten klar sein, welches Spiel mit dem Feuer das ist.
Ich kann hier nur an Vernunft und Weitblick appellieren. Wenn Gedenken nicht nur Folklore sein soll, dann gilt es, die Freiheit zu wahren und sie zu nutzen. Dann verzichten wir doch zum Beispiel auf diese maßlos überzogene Identitätspolitik des Ostdeutsch-Seins oder des homogenen Sächsisch-Seins, die eben nicht zwischen tatsächlicher und imaginärer Benachteiligung trennt, die die Bürgerinnen und Bürger von den Transformationen und Krisen unserer Zeit geistig abschirmt, sie zu Opfern erklärt, anstatt sie zu bestärken.
Freiheit zu nutzen heißt: Demokratie leben. Die Überwindung des SED-Regimes begründet für uns BÜNDNISGRÜNE auch ein positives Selbstbewusstsein, gerade für uns Ostdeutsche. Wir können unsere Zukunft in die Hand nehmen und selbst etwas tun.
Ja, wir sollten Ängste wahrnehmen und sehr ernst nehmen, aber wir sollten sie doch nicht anfeuern. Fördern wir stattdessen doch den Mut und die Stärke, die es braucht, um sich den Herausforderungen zu stellen und im demokratischen Miteinander für die besten Lösungen zu streiten.
Den demokratischen Richtungsstreit müssen wir pflegen und aushalten. Dann stehen auch das Gedenken und die politische Kultur wieder im Einklang.
Wir hörten Frau Kollegin Maicher von den BÜNDNISGRÜNEN. Jetzt sehe ich an Mikrofon 5 Herrn Kollegen Urban. Was ist Ihr Begehr?
Vielen Dank. Frau Kollegin, ich glaube, in den Ohren vieler Menschen in unserem Land klingt es wie Hohn, wenn eine grüne Politikerin sagt, sie stehe für Freiheit und Demokratie.
Das, was unsere Bürger erleben, ist gerade von Ihrer Partei eine Handlungsweise; die Umsetzung von Maßnahmen haben mit dem Mehrheitswillen der Bevölkerung überhaupt nichts zu tun. Sie sprechen von Demokratie. Auf der anderen Seite wissen wir, dass fast 90 % der Bevölkerung die Gendersprache ablehnen. Es gibt keine andere Partei, die diese Sprache an allen Punkten, an denen es irgendwie geht, mit Macht durchdrücken will, ohne die Menschen zu fragen, gegen den Willen der Mehrheit. Ebenso verhält es sich mit dem Heizungsgesetz, über das wir jetzt diskutieren. Die Masse der Menschen will es nicht. Es wird durchexerziert in dem Moment, wenn man die Macht dazu hat.
Ich bin mir sicher: Die Menschen werden sie demokratisch abwählen. Sie sind ja schon auf dem absteigenden Ast, und Sie haben Ihr Gesicht gezeigt, jetzt, da Sie die Macht im Bund haben. Ihre Partei wird in der Bedeutungslosigkeit verschwinden.
Das Schlimme ist nur: Bis dahin haben Sie so viel Schaden angerichtet, dass es Jahre dauern wird, den wieder aufzuräumen.
Das war eine Kurzintervention. Jetzt hätten Sie Gelegenheit zu reagieren, Frau Kollegin Maicher. An Mikrofon 4, bitte.
Ja, ich möchte darauf kurz reagieren. Ich glaube, Sie haben nicht verstanden, was Demokratie ist, und Sie haben auch grundsätzlich nicht verstanden, was Freiheit ist.
Demokratie ist zum Beispiel nicht, wenn jemand sich äußert und dies nicht Ihrer Meinung entspricht, Sie denjenigen niederbrüllen.
Doch, das haben Sie gemacht. – Freiheit heißt auch, darüber nachzudenken, dass es nicht nur um Ihre ganz persönliche, individuelle Freiheit geht, sondern auch um die Freiheit derer, die hier in unserer Gesellschaft leben, und die Freiheit derer, die nach uns kommen.
Der Erhalt von Freiheit und Demokratie – so, wie ich es gesagt habe – beinhaltet auch, unterschiedliche Meinungen wahrzunehmen. Wenn Sie der Meinung sind, dass allein eine Mehrheitsentscheidung über alles entscheidet, und man nicht in den Blick nimmt, welche anderen Positionen es gibt, dann ist das Ihr Problem und Ihr Verständnis von Demokratie und Freiheit.
Aber das ist nicht das, was wir vertreten, und das ist auch nicht das, wofür viele Menschen tagtäglich arbeiten, sich engagieren und etwas tun.
Wir gehen jetzt weiter in der Rederunde und als Nächstes ergreift für die SPD-Fraktion Herr Kollege Richter das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Die große Debatte um Freiheit hat vielleicht auch etwas mit freier Rede zu tun. Als ich hier im Landtag als Abgeordneter begann, wurde mir gesagt: In einer Aktuellen Debatte genügt allen ein Stichwortzettel und ansonsten pflegen wir die freie Rede. Ich werde das auch weiterhin tun und stelle gleichzeitig fest, dass alle meine Vorredner vorformulierte Reden mehr oder weniger frei vorgelesen haben – aber eben vorgelesen haben.
Herr Urban, wenn die Vergangenheit eine Leiche wäre, dann würden Sie diese Leiche fleddern. Sie holen sich aus der Vergangenheit all das heraus, was Ihnen jetzt gerade in Ihren politischen Kram passt. Das ist respektlos und schamlos!