Protocol of the Session on June 1, 2023

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie geht es nun weiter? Wir werden heute ein novelliertes Kitagesetz beschließen, mit dem wir die nächsten Schritte gehen werden. Wir verbessern die personelle Ausstattung in den sächsischen Kitas. Ab August bringen wir 1 000 zusätzliche Erzieherinnen und Erzieher in die Einrichtungen. Der Landeszuschuss steigt rückwirkend zum 1. Januar um 200 Euro als Ausgleich für die gestiegenen Betriebskosten und nochmals ab 1. August um 218 Euro. Zum zehnjährigen Bestehen des Rechtsanspruchs wird der Landeszuschuss dann 3 455 Euro betragen. Nur noch mal zur Erinnerung: Am 1. August 2013 – also vor zehn Jahren – lag er bei 1 875 Euro. Das ist fast das Doppelte, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es ist sicherlich auch nicht das Ende der Fahnenstange. Im Bund steht die Weiterentwicklung des Kita-Qualitätsgesetzes an; ein Qualitätsentwicklungsgesetz mit bundesweiten Standards entspricht einer langjährigen Forderung auch von uns GRÜNEN. Wir werden daher alles daransetzen, die Bundesmittel auch im Freistaat für weitere Qualitätsverbesserungen einzusetzen.

Ich sage aber auch deutlich: Ohne weitere Anstrengungen des Landes wird es nicht gehen, nicht nur aufgrund der notwendigen Landesmittel, die wir ja auch für den Hort brauchen. Wir müssen und wir werden uns in naher Zukunft dafür einsetzen müssen, dass die sinkenden Kinderzahlen nicht zu weniger Personal in den Kitas führen dürfen. Es wird unsere Aufgabe sein, diese sogenannte demografische Rendite in ein echtes pädagogisches Plus zu verwandeln, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Übrigens, die Leipziger Kitainitiative gibt es heute noch, auch wenn sich einige ihrer Forderungen bisher überholt haben. Der Einsatz für bessere Kitas, für eine Politik im Interesse der Jüngsten ist weiterhin ein wichtiges Anliegen von vielen und sollte auch für uns ein wichtiges Anliegen sein. Ich bitte daher um Zustimmung zum vorliegenden Gesetzentwurf.

Vielen Dank.

(Beifall bei den BÜNDNISGRÜNEN, der CDU und der SPD)

Das war Christin Melcher für die BÜNDNISGRÜNEN. Für die SPD-Fraktion spricht jetzt – –

(Juliane Pfeil, SPD: Wir verzichten in der ersten Runde!)

Alles klar. Dann erteile ich jetzt für die AfD-Fraktion Herrn Dr. Weigand das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Endlich, ja, endlich ist das neue Kitagesetz da, der große Wurf der CDUgeführten Regierung hier in Sachsen. Die Eltern von Sophie, von Theo und Marie werden sich auf die finanziellen Entlastungen bei den Kitakosten freuen.

(Heiterkeit der Abg. Christian Hartmann und Sören Voigt, CDU)

Das hat man ihnen ja 2019 nach der Landtagswahl mit Ihrem Koalitionsvertrag versprochen.

(Sören Voigt, CDU: Richtig!)

Doch werden sie sich wirklich freuen?

(Sören Voigt, CDU: Ja!)

Gibt es überhaupt eine Entlastung, Herr Voigt, für die Eltern? Schauen wir doch mal genau hin: Eine Familie in Heidenau zahlt heute mit drei Kindern 625 Euro Kitagebühren, inklusive Geschwisterbonus. Obendrauf kommen noch 360 Euro Essengeld, macht monatlich knapp 1 000 Euro pro Monat. Das ist für Eltern nicht nachvollziehbar, es ist auch nicht familienfreundlich und schon gar nicht bezahlbar.

Erstens, nicht nachvollziehbar, weil die Kitagebühren in Sachsen extrem schwanken. Nehmen wir das Beispiel eines 9-Stunden-Platzes für die Krippe im Landkreis Görlitz: In der Gemeinde Kreba-Neudorf zahlen sie 145 Euro; in der Sächsischen Schweiz-Osterzgebirge in Tharandt sind es 312 Euro im Monat, knapp das Doppelte. Herr Piwarz, halten Sie diese Beitragsunterschiede von knapp 215 % für fair? Haben Sie dafür als Minister eine Lösung? Wenn ja, sie würde mich sehr interessieren.

Zweitens. Die Kitagebühren sind nicht familienfreundlich und auch nicht bezahlbar, weil Eltern statistisch schon jetzt mit zwei Kindern ein Drittel ihres Monatseinkommens für die Kinder aufwenden; bei den Alleinerziehenden sind es statistisch schon knapp 50 %. Dazu kommen die aktuellen Preissteigerungen, die wir durch die Inflation erleben. Kinder werden immer mehr zum Armutsrisiko für Familien in diesem Land. Da muss man ganz ehrlich sagen: Sie lassen hier die Familien im Regen stehen. Es ist kein Geld da, um die Eltern zu entlasten, aber wenn es anderswo um Geld geht, dafür ist immer Geld da. 15 Millionen Euro zahlt der Freistaat Sachsen jährlich an Kindergeld ins Ausland und 500 Millionen Euro für das Asylchaos pro Jahr. Sie sollten sich schämen!

(Sabine Friedel, SPD: Oh! – Zuruf von der AfD: Das wollen sie nicht hören! – Beifall bei der AfD)

Schauen wir mal in den Koalitionsvertrag, den CDU, GRÜNE und SPD geschlossen haben. Darin steht geschrieben: „Wir wollen weitere Schritte zur Beitragsentlastung von Eltern in der Kinderbetreuung unternehmen. In diesem Zusammenhang prüfen wir Obergrenzen für die Belastungen von Eltern sowie die Voraussetzungen und den Umfang der Befreiung von Elternbeiträgen landeseinheitlich zu regeln.“ Klingt doch gut. Doch was ist heute bei dem Kitagesetz noch da? Nichts, rein gar nichts. Keine Beitragsentlastung, keine Obergrenzen, keine Befreiung von Elternbeiträgen, kein Herz für die Familien in Sachsen.

(Christian Hartmann, CDU: Oh!)

Ja, und jetzt werden Sie gleich wieder sagen: Ach, Herr Weigand, das ist ganz böser Populismus, den Sie hier betreiben, und es ist alles an den Haaren herbeigezogen.

Dann schauen wir doch mal genauer hin bei den bisherigen Entlastungen. Sie erhöhen den Landeszuschuss pro Kitakind, von einem 9-Stunden-betreuten Kind, um knapp 420 Euro pro Jahr. Aber in diesen 420 Euro sind nur ein Ausgleich für die gestiegenen Personal- und Energiekosten von 200 Euro drin und eine Verbesserung des Personalschlüssels von 220 %, aber kein einziger Cent für die Entlastung der sächsischen Familien. Das heißt, die Eltern von Sophie, von Theo und Marie zahlen weiterhin 1 000 Euro monatlich pro Jahr.

(Heiterkeit bei der CDU)

Kein einziger Cent Entlastung vom Freistaat Sachsen.

(Marco Böhme, DIE LINKE: Nicht mehr!)

Ach ja, noch etwas: Sie haben es gesagt, Ihre Personalschlüsselerhöhung ist eigentlich auch eine verlogene Leuchtturmpolitik. 4 % Personalschlüsselsenkung – das ist verlogen, weil Sie nur die großen Kitas meist in den großen Städten erreichen. Das hat auch die Anhörung am 3. März hier gezeigt. Die Sachverständige Frau Mentzer sagte, ich zitiere: „Für eine Kita mit 30 Krippen- und 90 Kindergartenkindern gibt es etwa eine halbe Vollzeitkraft mehr als bisher.“ Für eine Kita mit 120 Kindern insgesamt. Was ist aber mit den kleinen Dorfkitas, die wir in Sachsen mit 30, 35, 45 Kindern haben? Dort bekommen Sie ansatzweise überhaupt nichts hin. Dort gibt es keine Verbesserungen. Das ist eine heuchlerische Maßnahme, die Sie hier vorgreifen.

Aber bei aller Kritik gibt es auch einiges Positives im neuen Kitagesetz. Die Kindertagespflege wird nun explizit aufgeführt. Das ist okay. Sie sichern die Fortbildungsmaßnahmen des Personals. Auch das ist okay. Dann gibt es einen Bericht der Staatsregierung über die Kostenentwicklung einmal pro Legislaturperiode. Das ist uns viel zu wenig, viel zu intransparent. Ich frage es ja jährlich mit Kleinen Anfragen ab. Die Daten liegen im Kultusministerium vor. Diesbezüglich sollte das Ministerium in der Lage sein, die Daten einmal im Jahr zu veröffentlichen.

Ein weiterer Kritikpunkt unsererseits: Sie wollen den Bildungsplan verbindlich machen und an gesellschaftliche Entwicklungen anpassen, meine Damen und Herren. Die zunehmende links-grüne Ideologie in diesem Land hat in den Kitas nichts zu suchen.

(Zurufe von der CDU)

Der aktuelle Bildungsplan wurde in der letzten Legislaturperiode unter SPD-Koalitionsbeteiligung novelliert. Im Bildungsplan kamen dann plötzlich Begriffe wie Gender hinein. Ich weiß noch, wie ich damals einen CDU-Abgeordneten – einen ehemaligen Kollegen, Steve Ittershagen – auf einer Veranstaltung in Freiberg gefragt habe: Sag mal Steve, warum schreibt ihr so etwas als CDU rein? Ihr sprecht euch doch permanent gegen das Gendern und die Genderideologie aus. – „Ja, es gibt halt immer Verhandlungsmasse.“ Jetzt wird der aktuelle Bildungsplan wieder überarbeitet, und dort sitzen die GRÜNEN mit in der Re

gierungskoalition. Wir wissen, dass im grünen Justizministerium bereits Papiere existieren, in denen man sich SexKoffer für Kitas wünscht. Diesbezüglich muss man ehrlich sagen: Dieser Irrsinn mit 70 Geschlechtern und 100 sexuellen Orientierungen hat nichts in unseren Kitas zu suchen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der AfD)

Wir brauchen keine links-grüne Kita-Ideologie. Wir brauchen endlich eine Entlastung für unsere sächsischen Familien. Deshalb brauchen wir beim aktuellen Kitagesetz erstens eine Elternentlastung von bis zu 200 Euro pro sächsischer Familie durch eine Senkung der Elternbeiträge.

Zweitens benötigen wir ein kostenloses Kita-Essen, was pro sächsischem Kind die Familien um 120 Euro pro Monat entlastet, und drittens eine kommunale Kita-Kostenentlastung, insbesondere im Krippenbereich, in dem die Kommunen aktuell 63 % der Kosten übernehmen. Das müssen wir auf 50 % deckeln, sonst brechen uns unsere Kommunen zusammen. Unsere Kommunen leiden aktuell sehr stark unter den Migrationskosten, die Sie ihnen aufbürden.

Wir als AfD setzen uns dafür ein, dass unsere sächsischen Familien endlich entlastet werden und unsere sächsischen Kommunen Luft zum Atmen bekommen. Die notwendigen Änderungen im Kitagesetz stellen wir Ihnen gleich noch einmal mit unseren Änderungsanträgen vor. Sie haben dann die Chance, Änderungen vorzunehmen, das Kitagesetz zu verbessern.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Das war Herr Dr. Weigand für die AfD-Fraktion. Für die Fraktion DIE LINKE bitte ich jetzt Marika Tändler-Walenta.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Mit der vorgelegten Gesetzesänderung machen Sie einen kleinen Schritt in die notwendige Richtung, mehr aber auch nicht. Wesentliche Bereiche im Kitagesetz kommen deutlich zu kurz, andere werden gar nicht angefasst.

Anstatt das sächsische Kitagesetz einmal umfassend zu reformieren, werden Änderungen, die sich vor allem im Zuge der Haushaltsverhandlungen ergeben haben, angepasst. Sie verpassen damit die Chance, die frühkindliche Bildung für alle Betroffenen, von den Kindern und Eltern, den Erzieherinnen und Erziehern und auch den Kommunen, bedarfsgerecht zu reformieren. Denn klar ist, dass unsere Kitas dringend die Unterstützung des Landes benötigen.

Beginnen wir einem Thema, das uns als Linksfraktion besonders am Herzen liegt – die finanzielle Entlastung der Eltern bzw. der Kommunen. Mit der Erhöhung der Landespauschale um 200 Euro rückwirkend zum 1. Januar 2023 und 200 Euro zusätzlich noch einmal für mehr Personal wollen Sie gestiegene Kosten für die Kitas kompensieren.

Die SPD spricht von Stabilität der Elternbeiträge. Die GRÜNEN sprechen davon, dass gestiegene Kosten damit nicht allein durch die Eltern abgefangen werden müssen – egal, wie nun genau. Nach dieser massiven Inflation der letzten Monate ist das ziemlich zynisch.

Ich zitiere an dieser Stelle aus der Stellungnahme des SSG. „Nach Einschätzung vieler Kommunen bleibt diese Erhöhung hinter den Steigerungen bei den Betriebskosten in den letzten Jahren zurück.“ Schon gegenwärtig sind die Elternbeiträge sozial ungerecht. So kann ein Betreuungsplatz schon mal über 300 Euro im Monat kosten, wie das Beispiel Dippoldiswalde zeigt. Klar ist auch, dass die Elternbeiträge vielerorts gerade angezogen werden. Wir dürfen die Eltern aber finanziell nicht überfordern.

Ja, Sie schaffen vielleicht einen kleinen Schritt nach vorn, aber im Kern ist dieser heute schon überholt. Zu Recht kommt da Unmut vonseiten der Kommunen. Es reicht nicht und wird nicht reichen, die Elternbeiträge zu stabilisieren. In der Gesamtbetrachtung werden somit die Elternbeiträge langfristig steigen. Es ist eine Politik der falschen Fünfziger. Wie oft höre ich in diesem Hohen Hause, wie wichtig die frühkindliche Bildung ist. Wenn es dann aber um die Finanzierung geht, bleibt das Land auf halber Strecke stehen. Der eigentliche Fehler besteht im Kitafinanzierungssystem und der Dreiteilung zwischen Eltern, Kommune und Land. Sie müssen endlich aufhören, sich als Landesregierung bei der Kitafinanzierung aus der Verantwortung zu ziehen und diese auf Eltern und Kommunen abzuwälzen.

Und wenn ich noch einmal den Satz höre, dass es ein Spannungsfeld zwischen Betreuungsschlüssel und Elternbeiträgen gibt, zeugt genau dieser Satz von Verantwortungsverlegung, mehr aber nicht. Erzieher(innen) und Eltern dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden und beide auch nicht gegen die Kommunen. Schlussendlich ist es die Landesregierung, die die Kitapauschale so gestalten muss, dass gute Arbeitsbedingungen für Erzieher(innen) an Kitas herrschen, aber auch Eltern und Kommunen entlastet werden.

Ich werde nicht müde, gern noch einmal zu betonen, dass es alle Bundesländer geschafft haben, einen Ansatz zu finden, der die Eltern entlasten soll: ob nun ein oder zwei beitragsfreie Jahre, ein kostenfreies Jahr vor der Schuleinführung, ein vollständiger Beitragserlass für Geschwisterkinder oder gänzliche Beitragsfreiheit wie in MecklenburgVorpommern und Berlin. Nur in Sachsen scheitert es – ja, woran denn eigentlich? Ich kann es Ihnen sagen: am politischen Willen. Hier müssen wir investieren. Es geht um nichts weniger als um die Zukunft dieses Landes. Dabei habe ich jetzt noch nicht einmal die erhöhten Kosten für das Mittagessen erwähnt.

Stellen Sie sich doch einmal Folgendes vor: Eine warme Mahlzeit und ein kostenfreier Kitaplatz in Sachsen, das wäre doch eine echte Entlastung für Familien in Sachsen, und zwar für alle Familien.

(Beifall bei den LINKEN – Dr. Rolf Weigand, AfD: Das haben wir auch vor!)

Auch den Personalschlüssel verbessern Sie mit der Gesetzänderung. Als Ergänzung: Laut § 12 Abs. 2 hat zusätzliches Personal eine Vollzeitäquivalenz von 0,04. Doch diese Anhebung ist schlicht nicht ausreichend, denn hier drückt der Schuh am meisten.

Zurzeit ist es nicht möglich, in eine sächsische Kita zu gehen, ohne dass einem die Verzweiflung des Personals entgegenschlägt – und das zu Recht. Daher haben die Gewerkschaften dazu in jüngster Zeit zwei Petitionen eingereicht. Die einen sprechen von Kindeswohlgefährdung, die anderen von Zuständen, die nicht mehr kindgerecht sind. Auch die Auswertung des Länderreports 21 kommt zu dem Ergebnis, dass 95 % der Kinder in amtlich erfassten Kita-Gruppen über nicht genügend Kitapersonal verfügen.

Damit belegt Sachsen den zweitschlechtesten Platz im bundesdeutschen Vergleich. 4 % Personalsteigerung, wie im Gesetzentwurf vorgelegt, bedeuten in Ihrer Welt 1 000 zusätzliche Fachkräfte. Doch in der Praxis bedeuten diese theoretischen Verbesserungen, dass im Krippenbereich eine vollzeitbeschäftigte Fachkraft immer noch für mehr als zwei ganztagsbetreute Kinder zuständig ist, als die Bertelsmann Stiftung empfiehlt. Im Übrigen betreut eine Erzieherin im Kindergartenbereich gegenwärtig 11,4 Kinder, wobei der Bundeswert mit 8,4 deutlich darunterliegt.