Aber zu den Zitaten von vorhin fällt mir noch ein: Wir nehmen einmal an, ein sächsischer Minister würde eine Fraktion in diesem Hause als Verbrecher bezeichnen – –
(Zuruf von der AfD: Sprich mal lauter! – Valentin Lippmann, BÜNDNISGRÜNE: Ihr habt euren eigenen Abgeordneten nicht verstanden!)
als Verbrecher! Nehmen wir mal an, das würde geschehen. Würde das die Partei, 30 % der Wähler und damit auch den Osten diskreditieren? Die Frage kam mir grade in der Pause.
Aber wer die Benachteiligung der Ostdeutschen beenden will, der muss Ostdeutsche in Führungspositionen lassen. Schauen wir uns zum Beispiel die Besetzung von Direktorenposten an sächsischen Hochschulen an.
Ursula Staudinger, Rektorin der Technischen Universität Dresden – aus Nürnberg –, nahm an einer Pegida-Demonstration 2021 teil und belehrte die Dresdner über Diversität. Sie lässt sich mit folgenden Worten zitieren: „Von offizieller Seite würden wir uns manchmal eine deutlichere Positionierung gegen Rassismus und Gewalt wünschen.“ – Zitat Ende. Leipzigs Unirektorin Ewa Inés Obergfell – aus dem Saarland – sieht Klimaneutralität als Leitmotiv und verteidigt leidenschaftlich das korrekte Gendern. Und Herr Prof. Dr. Strohmeier, Rektor der Technischen Universität Chemnitz – aus Bayern stammend –, lässt die Regenbogenflagge hissen und nervt seine Studenten mit Weltoffenheit, Vielfalt und RechtsextremismusBla-Bla. Eine derart dreiste Überheblichkeit können sich diese Rektoren sparen.
Meine Damen und Herren! Besondere Leistungen, die nicht auch Ostdeutsche erbringen könnten, sehe ich bei den vorgenannten Persönlichkeiten nicht; bzw. sind diese nicht überliefert. Ein positives Beispiel aus dem Bildungssektor – um einen konkreten Vorschlag zu machen – ist freilich der Leipziger Literaturprofessor Dirk Oschmann, der zu Recht zur Einschätzung kommt: Nicht der Osten spaltet die Gesellschaft, sondern der Westen.
Meine Damen und Herren! Als gebürtiger Gothaer wäre er – im Gegensatz zu den vorgenannten Personen – ein würdiger Rektor einer ostdeutschen Universität.
Ergänzend möchte ich einige Gedanken aus der vorigen Rederunde aufgreifen. Wie bereits von mir festgestellt, geht es nicht um eine Jammer-Debatte;
denn in der Realität gibt es eine Studie des rheingold Instituts. Die ist schon alt, sie stammt aus dem Jahr 2009. Diese kommt zusammenfassend zu folgendem Befund: Den Jammer-Ossi, Herr Gebhardt, den gibt es gar nicht. Die Ossis sind realistischer, bescheidener, verständnisvoller und leiden zumeist still an fehlender Anerkennung.
(Valentin Lippmann, BÜNDNISGRÜNE: Sagt Ihnen ein westdeutsches Forschungsinstitut über den Osten, auch spannend! – Zuruf der Abg. Sabine Friedel, SPD)
Vom Osten lernen heißt also, Krisen zu bestehen lernen. Die Ostdeutschen haben es geschafft, gravierenden gesellschaftlichen Veränderungen und privaten Umstürzen zu trotzen und ein eigenes und neues Selbstbewusstsein zu entwickeln.
Meine Damen und Herren! Es ist schön hier im Osten. Trotz aller linken Hirngespinste haben die Ossis viel erreicht, worauf sie stolz sein können. Ich möchte mit den Worten schließen: „Zufrieden jauchzet Groß und Klein: Hier bin ich Mensch, hier darf ich‘s sein.“
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die durch eine Recherche der „ZEIT“ bekannt gewordenen Äußerungen des Vorstandsvorsitzenden der Verlagsgruppe Axel Springer, Mathias Döpfner, sind heute Anlass dieser Debatte.
Zunächst einmal möchte ich klarstellen, dass wir eine Mitteilung, die einer internen Korrespondenz entstammt, vonseiten der Sächsischen Staatsregierung grundsätzlich nicht kommentieren. Wie Menschen sich äußern, ist ihrem jeweiligen Maßstab überlassen. Einen Teil mag es verwundern, wie wenig ambitioniert dieser Maßstab sein kann.
Ich würde mich gerne mit einem weiter dahinterliegenden Thema beschäftigen – wie viele andere auch schon: das Verhältnis zwischen Ost- und Westdeutschland nach der Wiedervereinigung unseres Vaterlandes 1990.
Gestatten Sie mir an dieser Stelle ein paar persönliche Bemerkungen zu Beginn. Ich bin in Bayern geboren, im Rheinland aufgewachsen und lebe nunmehr seit fast
30 Jahren im Freistaat Sachsen. Hier konnte ich mich beruflich entwickeln, und ich bin sehr dankbar, dem Freistaat und seinen Bürgerinnen und Bürgern dienen zu dürfen. Ich habe hier Freunde gefunden, ich bin hier glücklich mit meiner Familie. Ich könnte gar nicht mehr so genau sagen, ob ich Süddeutscher, Westdeutscher oder Ostdeutscher bin.
Meine Damen und Herren! Mit der Einheit Deutschlands wurde die Unfreiheit in der ehemaligen DDR überwunden. Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Freiheit konnten errungen werden. Das wurde von denen maßgeblich erkämpft, die unter der Abwesenheit der Freiheit, des Rechts und der Demokratie litten, die diese Enge wahrnahmen und diese nicht akzeptierten. Das waren die couragierten Menschen in Sachsen, Thüringen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern, die unter hohem persönlichen Risiko auf die Straße gingen und der kommunistischen Diktatur die Stirn boten.
Seit der Wiedervereinigung arbeiten zahllose Menschen daran, dass unser Land prosperiert und seine Stärken entfaltet – egal, aus welchem Teil Deutschlands sie kommen und wo sie ihren Dienst tun. Viele Menschen haben nach der friedlichen Revolution ihre Komfortzone verlassen müssen und einen Neuanfang gewagt. Sie haben Chancen genutzt und sind Risiken eingegangen. Sie haben selbstverständlich auch Unbequemlichkeiten in Kauf genommen – für sich persönlich und als Familie.
Menschen aus West und Ost sind gemeinsam durch die schwierigen Jahre der Transformation in den 1990er-Jahren gegangen. Sie haben viel Kraft investiert, damit der Osten Deutschlands stark wird und die Auswirkungen der Planwirtschaft und der Unfreiheit überwunden werden.
Es ist richtig, dass zuallererst die Menschen in den neuen Bundesländern die teils gravierenden Folgen der umfassenden Veränderungen tragen mussten. Mit Energie und Begeisterung haben sie wieder freigelegt, was verschüttet war, angefangen von den Flussläufen, den Kulturdenkmälern, der Altbausubstanz bis hin zum großen Potenzial der Industrien in Ostdeutschland, zum Beispiel unserer Halbleiterindustrie und Automobilindustrie.
Dabei ist bei Weitem nicht alles gelungen. Aber es ist enorm viel gelungen und geglückt, und das zahlt auf das Konto Gesamtdeutschlands ein.
Sicher hätten die Erfahrungen vieler Menschen von hier noch besser genutzt werden können. Sicher sind in manchen Bereichen zu wenige Sachsen vertreten. Aber auch hierfür gilt: Im Nachhinein ist man immer klüger. Lassen Sie uns alle gemeinsam daran arbeiten, dass wir Ungleichheiten beseitigen!
Ich unterstütze ausdrücklich die Aussage unseres Ministerpräsidenten Michael Kretschmer: „Mehr Ostdeutsche in
Führungsjobs stärken den Zusammenhalt in ganz Deutschland. Es ist völlig klar, ob in Politik und Verwaltung, Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft oder den Medien: Wir brauchen mehr Frauen und Männer mit ostdeutschen Wurzeln in Führungspositionen.“
Bei dieser gemeinsamen Anstrengung seit 1990 sind erfolgreiche Partnerschaften und tiefe Freundschaften entstanden. Die Menschen, die sowohl innerlich als auch äußerlich aufgebrochen sind und diese Aufgabe angenommen haben, sind zusammengewachsen. Sie verbindet Erfolge und Niederlagen. Sie kennen sich, sie schätzen sich und sie stehen für das vereinte Deutschland. Diese gemeinsame Leistung, die tausendfach auf persönlicher Ebene errungene innere Freiheit, macht das Vereinigungswerk aus. Darüber sollten wir uns definieren, das ist der Maßstab.
„Es ist unsere Pflicht, die Idee des ungeteilten deutschen Vaterlandes in unseren Herzen zu bewahren.“ Dieses Zitat stammt von Axel Springer. Er hat dies in einer Zeit gesagt, als viele sich mit der Teilung Deutschlands abgefunden hatten. Die Einheit Deutschlands gehört zum Identitätskern des Verlages. Sie treuhänderisch zu pflegen ist die Aufgabe der Verlagsleitung. Dass sich Axel Springer als Verleger zur Überwindung der Teilung Deutschlands, die er nicht akzeptierte, öffentlich bekannte, zeugte von Courage und zeigte, dass es für ihn ein Herzensthema war.
Axel Springer ist noch immer eine publizistische Figur. Er hat große Vorbildwirkung, insbesondere auf Journalisten. Er setzt die Maßstäbe in seinem Haus. Für die Verantwortlichen im Hause Springer ist das Bekenntnis zur Idee des Verlegers Einstellungsvoraussetzung.
Wer sich dagegen innerlich verschanzt, dessen Welt und dessen Herz werden eng und dessen Urteilskraft ist eingeschränkt. Wenn dies Persönlichkeiten passiert, die durch ihre öffentliche Position einen besonderen Einfluss haben und deren Urteilskraft nicht im Privaten verbleibt, sondern öffentlich relevant ist, dann wird das für ein Gemeinwesen zum Problem. Insbesondere gilt dies für Persönlichkeiten, die der Qualität der öffentlichen Debatte verpflichtet sind und darin eine Freiheitsgarantie sehen.
In diesem Sinne sei gesagt: Lassen wir uns durch solche Äußerungen nicht auseinanderdividieren! Lassen Sie uns das Trennende beenden und das Verbindende betonen!
Wir beginnen mit der Aussprache. Die Reihenfolge lautet DIE LINKE, CDU, AfD, BÜNDNISGRÜNE, SPD und die Staatsregierung, wenn sie es wünscht. Herr Böhme, Sie haben für die Fraktion DIE LINKE das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In vier Tagen ist es so weit. Wie wir alle wissen: Das 49-Euro-Ticket kommt in Deutschland, und man kann es dann überall nutzen.
Das macht den ÖPNV für alle sehr viel einfacher. Das ist gut und das erkenne ich an. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Vielen Dank an die Bundesregierung dafür, dass sie dahin gehend etwas macht. Auch wenn ich Kritik daran habe – wir haben morgen noch die Aktuelle Debatte –, ist es trotzdem der richtige Weg.