Protocol of the Session on April 11, 2019

(Beifall bei den LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Für die CDUFraktion Frau Abg. Kuge, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich für diese Rede recherchiert habe, bin ich auf eine Studie der HansBöckler-Stiftung gestoßen, die wie folgt überschrieben ist: „Gender und Digitalisierung – Wie Technik allein die Geschlechterfrage nicht lösen wird“. Auch wenn diese Überschrift eigentlich schon gut zusammenfasst, in welchem Verhältnis meiner Meinung nach die Digitalisie

rung der Arbeitswelt und Genderfragen stehen, möchte ich hier kurz einige Ausführungen machen.

Ja, Digitalisierung passiert, es ist ein andauernder Prozess, von dem niemand weiß, wo er tatsächlich endet. Was sicher ist: Es ändern sich Berufsbilder. Mit der Digitalisierung entstehen allerdings auch neue Tätigkeiten und daraus resultierende Beschäftigungseffekte. Dieser Wandel betrifft allerdings Männer und Frauen, ob in der Industrie oder im Dienstleistungssektor. Dieser Wandel hat auch nichts mit dem Geschlecht der Arbeitnehmer zu tun.

(Beifall bei der CDU – Rico Gebhardt, DIE LINKE: Dass Sie das nicht verstehen, ist logisch!)

Auch wenn geringqualifizierte Arbeit im Dienstleistungsbereich meist von Frauen verrichtet wird und durch die Digitalisierung verschwinden könnte, wollen wir diesen Prozess nicht aufhalten.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Das können Sie ja kaum!)

Aber Frauen sind auch in anderen Wirtschaftsbereichen tätig, die serviceorientiert sind. Ich denke dabei an Wirtschaftsbereiche des Gesundheits- und Sozialwesens sowie der Erziehung und des Unterrichts, in denen viel mehr Frauen als Männer tätig sind. Können wir hier nicht eine Chance darin sehen, dass durch den eventuellen Wegfall einiger Berufsfelder im Dienstleistungssektor mehr Arbeitskräfte für andere Branchen, unter anderem in der Pflege, entstehen?

Die Sächsische Staatsregierung verschließt nicht die Augen vor dem Wandel und hat die Digitalisierungsstrategie „Sachsen Digital“ ausgearbeitet. Zum Beispiel im Abschnitt „Arbeitswelt im digitalen Zeitalter“ findet sich Flexibilisierung von Arbeitszeiten und Arbeitsorten unter Berücksichtigung zentraler und erhaltenswerter Schutzziele und gesetzlicher Vorgaben in Bezug auf die Arbeitszeiten, Ruhepausen und Ruhezeiten. Außerdem fördert sie im Rahmen der Mittelstandsrichtlinie Beratungen zur Digitalisierung von Geschäftsprozessen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die SPDFraktion Herr Homann, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die heutige Debatte zur Großen Anfrage der LINKEN gibt uns die Möglichkeit, über die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitswelt zu debattieren.

Die Große Anfrage stammt aus dem August 2018; das muss man der Vollständigkeit halber dazusagen. Sie hat deshalb vor allem Zahlen, Daten und Fakten aus den Jahren 2016/2017 zum Inhalt. Ich glaube, bei allem, was man vorträgt, muss man dem Rechnung tragen, dass sich

seitdem noch einige Sachen bewegt haben. Warum Sie die Große Anfrage erst jetzt zur Debatte stellen, möchte ich an dieser Stelle nicht kommentieren, aber ich möchte gern, dass man es schlichtweg der Vollständigkeit wegen mit erwähnt.

Ich danke dem SMWA für das Datenmaterial, welches im Rahmen der Beantwortung der Anfrage zur Verfügung gestellt wird. Diese Große Anfrage ergänzt im Übrigen sehr gut Studien, die es in den letzten Jahren zum Thema Arbeit 4.0 und zu den Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitswelt gegeben hat. Erwähnen möchte ich an dieser Stelle den umfangreichen Dialogprozess, den Andrea Nahles noch als Arbeitsministerin organisiert hat und an dessen Ende das Weißbuch „Arbeit 4.0“ der Bundesregierung stand.

Als SPD wissen wir, dass die Digitalisierung der Arbeitswelt eine der zentralsten Zukunftsfragen ist, nicht nur aus ökonomischer Perspektive, sondern gerade auch aus der Sicht der Beschäftigten. Als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten denken wir die Digitalisierung deshalb vor allem aus der Perspektive der Beschäftigten. Der Anspruch ist dabei, dass wir die Digitalisierung dazu nutzen, die Arbeitsbedingungen am Arbeitsplatz für so viele Menschen so konkret wie möglich zu verbessern.

Arbeitserleichterung und Flexibilisierung können sich einerseits vorteilhaft für die Beschäftigten auswirken, zunehmende Arbeitsverdichtung, Verdrängung menschlicher Arbeit, umfassende Überwachungsmöglichkeiten und eine zeitliche und örtliche Entgrenzung der Arbeit sind allerdings die Kehrseite, eine Kehrseite – und deshalb ist auch der Schwerpunkt dieser Großen Anfrage der Linksfraktion richtig gewählt –, die insbesondere Frauen trifft.

Nach einer aktuellen Studie der Hans-Böckler-Stiftung führen flexible Arbeitszeitmodelle grundsätzlich bei beiden Geschlechtern im Schnitt zu längerer Arbeitszeit. Bei Männern ist dieser Effekt aber deutlich ausgeprägter als bei Frauen. Frauen, die von zu Hause aus arbeiten, kümmern sich nämlich noch stärker als ohnehin um die Kinderbetreuung, während Männer, die im Homeoffice arbeiten, dies nicht als ihre Aufgabe begreifen. Oder anders gesagt: Homeoffice kann die klassische Verteilung von Geschlechterrollen festigen, wenn nicht sogar verstärken. Nebenbei gesagt: Zusätzliche Erholungszeiten für Schlaf, Sport, Freizeit haben Beschäftigte mit Kindern im Haushalt durch flexible Arbeitszeiten generell auch nicht.

Das ist der aktuelle Stand, und die Frage stellt sich, wie wir mit diesen Veränderungsprozessen umgehen, wenn sie die Verfestigung von Rollenbildern befördern. Das Bundesarbeitsministerium arbeitet dazu aktuell an einem Gesetzentwurf zum Recht auf Homeoffice. Damit sollen klare Regeln vorgeschrieben werden, wie Homeoffice umgesetzt wird. Dabei ist es wichtig, auch die Geschlechterperspektive zum Ausdruck zu bringen.

Wie erfolgt die Arbeitszeiterfassung im Homeoffice? Wann ist denn Schluss? Wann hat der Arbeitgeber kein Recht mehr, dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin

Nachrichten zu schreiben? Es stellt sich grundsätzlich auch die Frage: Wie wird entschieden, wann und wer Homeoffice machen kann?

Von zentraler Bedeutung für diese notwendige Gestaltung und Reglementierung sind Betriebs- und Personalräte sowie die Tarifparteien als Ganzes. Niemand anderes kann im einzelnen Betrieb besser aushandeln, an welchen Stellen Homeoffice, an welchen Stellen Digitalisierung in den Dienst der Beschäftigten gestellt wird, als die Arbeitnehmervertreterinnen und Arbeitnehmervertreter selbst. Deshalb ist die Gestaltung eines Digitalisierungsprozesses eng damit verbunden, dass wir es schaffen, die demokratische Mitbestimmung und die Tarifbindung im Freistaat Sachsen zu stärken. Das ist ganz essenziell.

Bei allen Vorteilen, die flexible Arbeitszeiten bringen, ist für uns als SPD im Einklang mit den Gewerkschaften – ich sage auch, liebe LINKE, da sind wir uns sicher einig – eines ganz klar: Hände weg vom Arbeitszeitgesetz! Unter dem Deckmantel der Flexibilisierung darf es keine Aufweichung bestehender Arbeitnehmerrechte geben. Ich spreche dies auch deshalb an, weil es weitere Branchen geben wird, in denen Homeoffice nicht möglich wird bzw. die Digitalisierung der Arbeit kaum oder gar keine Erleichterung bringt, zum Beispiel die Kassiererin im Supermarkt oder die Kellnerin im Restaurant – übrigens beides Berufe, in denen insbesondere Frauen arbeiten.

Die vom SMWA im Rahmen des Dialogprozesses Arbeit 4.0 „Wie können sächsische Unternehmen gute Arbeit gestalten?“ vorgelegte Studie bestätigt dies übrigens. Bei den dort befragten Unternehmen gab es bezüglich des Homeoffice sehr große Unterschiede zwischen den sogenannten White-Collar-Berufen und den sogenannten Blue-Collar-Berufen, also denen, wo man eher am Arbeitsplatz am Computer sitzt, und denen, in denen man im Blaumann als Industriearbeiter oder als Handwerker vor Ort sein muss.

Die bestehenden Arbeitszeithöchstgrenzen aus dem Arbeitszeitgesetz müssen deshalb den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gewährleisten; denn niemandem ist geholfen, wenn sich Kellner, Köche oder Industriemechanikerinnen und Industriemechaniker

überarbeiten und damit die Gefahr für Arbeitsunfälle steigt.

Arbeit 4.0 bietet in der Gesamtschau – das müssen wir immer wieder so klar sagen – viele Möglichkeiten für Betriebe und Beschäftigte, die Situation zu verbessern. Sie können bestehende Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen beseitigen. Aber es ist eben kein Selbstläufer. Wenn wir als Gesetzgeber, aber auch die Gewerkschaften und die Arbeitgeber, gemeinsam einen vernünftigen rechtlichen Rahmen schaffen, stecken darin Chancen für alle. In der Digitalisierung stecken deshalb viele Chancen, und das darf nicht dazu führen, dass die Beschäftigten in bestimmten Berufen darunter leiden. Deshalb ist die Digitalisierung auch ein politischer Gestaltungsauftrag an uns als Politik, an die Sozialpartner, an die Gewerkschaf

ten, an die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, und diese müssen wir gemeinsam entschieden angehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD – Sarah Buddeberg, DIE LINKE, steht am Mikrofon.)

Eine Kurzintervention?

– Ja, genau. Ich möchte eine Kurzintervention auf den Redebeitrag von Kollegen Homann machen. – Ich wollte nur kurz darauf eingehen, warum wir die Große Anfrage, auch wenn sie aus dem August letzten Jahres ist, erst jetzt ins Plenum gezogen haben. Das liegt daran, dass wir in jedem Plenum maximal eine Große Anfrage behandeln und dass es dann nicht jeweils eine Große Anfrage einer Fraktion ist, sondern dass wir uns abwechseln. Das heißt, dass wir nur in jedem dritten Plenum eine Große Anfrage ziehen können – dann auch nur eine einzige – und uns in der Fraktion zwischen einer großen Themenbreite entscheiden müssen, welche Themen wir hier setzen. Wir wären sehr froh, wenn das geändert werden würde. Dann müsste die Geschäftsordnung in der nächsten Legislaturperiode angefasst werden. Wir würden uns dann sehr über die Unterstützung der SPD freuen.

(Beifall bei den LINKEN)

Herr Homann, wollen Sie darauf antworten?

Liebe Kollegin Buddeberg, ich finde, dieser Hinweis ist völlig legitim. Aber er zeigt auch, an welchen Stellen Sie intern Ihre Großen Anfragen in der Priorität gereiht haben. Das gehört dazu. Aber ich finde, Sie haben recht. Ich wollte das auch nicht als pauschalen Vorwurf verstanden wissen. Sollte das so angekommen sein, dann tut mir das leid. Aber noch einmal: Die Regeln sind so, wie sie sind, und Sie entscheiden, wann Sie welche Große Anfrage ziehen. Ich fand auch, um die Ergebnisse einzuordnen, war es wichtig, den zeitlichen Rahmen dieser Großen Anfrage noch einmal zu nennen.

Die AfD-Fraktion, bitte. Herr Dr. Weigand.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe LINKE, mit Ihrer Großen Anfrage verfolgen Sie das Ziel – Zitat: „die Hierarchie der Geschlechterstrukturen auf dem Arbeitsmarkt und in Unternehmen aufzubrechen“. Man könnte das auch so lesen: Glasfaserkabel sprengt die Ketten der unterdrückten Frauen und Mütter. An die Männer denken Sie dabei nur am Rande,

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

und was die Digitalisierung mit den Geschlechterrollen zu tun hat, erschließt sich mir nicht ganz. Aber gehen wir auf

einige Dinge aus Ihrer Großen Anfrage ein, beispielsweise die Erwerbstätigkeitsquote insgesamt. Die ist bei Frauen stärker gestiegen als bei Männern – von 42,6 auf 44,5 %, bei Männern von 51,1 auf 52,6 %. Im Bereich der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten haben die Frauen die Männer sogar überholt und liegen bei 63,4 %, die Männer nur bei 62,9 %. Wenn Sie sich das Verhältnis im öffentlichen Dienst anschauen: Frauen 65 % der Beschäftigten, Männer nur 35 %. Hier arbeitet jeder Zehnte von beiden regelmäßig von zu Hause, Männer und Frauen also gleichauf.

Ihre Große Anfrage zeigt, dass die Heimarbeit, also Homeoffice, immer beliebter wird. Bei Frauen ist das von 3,8 auf 4,7 % gestiegen, bei Männern sogar viel deutlicher von 1,9 auf 5,1 %; denn immer mehr Männer und besonders auch Väter wollen mehr Familienzeit. Dies ist jedoch oft nicht mit beruflichem Aufstieg, Mehrarbeit und Überstunden und der ständigen Erreichbarkeit vereinbar. Oft drängen finanzielle Gründe Männer zu Mehrarbeit und zur Vollzeit. Aber 71 % der berufstätigen Väter sehen sich diesem Konflikt ausgesetzt.

Mehr Heimarbeit im Zuge der Digitalisierung löst Probleme nicht. Zwei Beispiele zur Beschäftigung von Frauen nach Tätigkeiten aus Ihrer Großen Anfrage: Im Bereich Medizin liegt der Anteil von Frauen bei 56 % und im Bereich der MINT-Experten Mathematik, Naturwissenschaften liegen auch hier die Frauen mit 56 % vorn. Frauen sind also nicht die ausgebeuteten Werktätigen am Ende des Arbeitsmarktes, auch wenn Sie uns das immer glauben machen wollen.

Aber noch einmal zurück zu den Frauen und Müttern: Der entscheidende Punkt, warum Frauen in den ersten Lebensmonaten des Kindes zu Hause bleiben, ist eine ausgeprägte Mutter-Kind-Bindung, die beim Stillen einen sehr intimen Moment bekommt und davon geprägt wird. Aber Männer können eben nicht stillen. Das ist Biologie und die Natur, auch wenn Sie das als LINKE gern ändern würden.

Ich schließe mit der Forderung nach dem, was wir und unsere sächsischen Familien wirklich brauchen: eine gleichwertige Anerkennung von Erwerbs- und Familienarbeit sowie endlich eine Wahlfreiheit für Eltern, die ihre Kinder zu Hause erziehen wollen. Dafür ist das Landeserziehungsgeld endlich zu reformieren. Wir brauchen monatlich höhere Zahlungen und ein Landeserziehungsgeld bis zum dritten Lebensjahr des Kindes.

Für die wirkliche Wahlfreiheit der Eltern stehen wir als AfD und werden uns auch zukünftig dafür starkmachen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Für die Fraktion GRÜNE Frau Meier.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die digitale Transformation schreitet in allen Lebensbereichen voran. Sie wirkt