Gibt es jetzt noch Redebedarf vonseiten der Fraktionen? – Das ist nicht der Fall. Dann erteile ich jetzt der Frau Ministerin das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, auch das ist ein Thema, das zu einer nicht so vorgerückten Stunde wahrscheinlich viel mehr Diskussionsraum einnehmen würde.
Ich möchte nur ganz kurz darauf eingehen, weil die Vorredner schon sehr intensiv und teilweise sehr emotional das Thema von vielen Seiten beleuchtet haben.
Wir wissen, 1995 wurde die Pflegeversicherung als Teilleistungssystem ausgerichtet und eingeführt. Wir wissen aber auch, dass die geltenden Grundsätze der gegenseitigen Einstandspflicht und der Selbstverantwortung eben nicht mehr auf die heutigen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen eins zu eins übertragbar sind.
Ja, wir stellen uns als Politik und Gesellschaft die Frage, ob die derzeitige Ausgestaltung der Pflegeversicherung noch den heutigen Lebenswirklichkeiten gerecht wird. Auch da haben die Vorredner schon den Finger in die Wunde gelegt. Hier müssen wir ansetzen.
In diesem Zusammenhang – das sage ich ganz klar und deutlich – bin ich von der Notwendigkeit überzeugt, dass die soziale Pflegeversicherung in Bezug auf ihre breite Finanzierbarkeit auszubauen und strukturell weiterzuentwickeln ist. Aber ich warne vor einer schnellen Lösung. Ich glaube, das System – Frau Neukirch hat das ein Stück weit beleuchtet – ist sehr komplex. Es muss von allen
Deshalb setzt sich der Freistaat Sachsen ganz gezielt beim Bund mit dafür ein, dass es zeitnah ein tragfähiges Gesamtkonzept für die Pflegeversicherung gibt, damit diese weiterentwickelt und auf neue Füße gestellt wird. Die Eckpunkte dafür müssen erarbeitet und ihre Folgen betrachtet werden. Das sind die nächsten Schritte, zu denen wir beim Bund mit am Tisch sitzen. Daher sollten wir uns auch die Zeit nehmen, die dafür notwendig ist.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Punkt 1: „Die Staatsregierung wird daher aufgefordert, sich gegenüber dem Bund und im Bundesrat mit Nachdruck für eine grundsätzliche Umgestaltung der gesetzlichen Pflegeversicherung in eine solidarische Pflegevollversicherung für alle Bürgerinnen und Bürger einzusetzen, die alle Leistungen, die mit der Pflegebedürftigkeit eines Menschen im Zusammenhang stehen, in die Versicherung einbezieht... entsprechende Dynamisierung“ usw.
Punkt 2: „... in einem ersten Schritt bis zur Umgestaltung der bestehenden gesetzlichen Pflegeversicherung in eine solidarische Pflegevollversicherung im Bundesrat unverzüglich die Gesetzesinitiative zur Schaffung einer bundesgesetzlichen Übergangsregelung zu ergreifen.“
Es geht einfach darum, jetzt zu beginnen, denn das Problem ist nicht neu. Es besteht nicht erst seit gestern, und es ist richtig: Enquete-Kommissionen, die RothgangStudie und viele andere Studien gibt es dazu. Viele davon habe ich auch gelesen, auch wenn das hier abgestritten wird. Wir als LINKE sehen die Pflegevollversicherung als Möglichkeit an, Menschen vor der Armutsfalle Pflege zu bewahren. Ob ein Sozialstaat dieses Namens würdig ist, wird daran deutlich, wie er mit dem schwächsten Glied in der Kette umgeht.
Es muss ein Grundsatz von Demokratinnen und Demokraten sein, Lösungen für jene zu finden, die den Wohlstand, den einige befeiern und auf dem sie sich ausruhen, erarbeitet haben, damit sie ohne Not und Sorge alt werden können – und zwar relativ zeitnah, da jetzt die Menschen in Rente gehen, die in den letzten zwei Jahrzehnten im Niedriglohnstandort Freistaat Sachsen in Lohn und Brot standen, aber in so wenig Lohn und Brot, dass sie jetzt nicht wissen, wie sie ihre Pflege finanzieren sollen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger beinhaltet unser Antrag, und ich bitte noch einmal herzlich um Zustimmung.
Ich stelle nun die Drucksache zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Ich sehe Stimmenthaltungen und Stim
men dafür, dennoch ist der Antrag abgelehnt worden. Meine Damen und Herren, der Tagesordnungspunkt ist damit beendet.
Hierzu können die Fraktionen wieder Stellung nehmen. Es beginnt die einreichende Fraktion, die AfD, danach folgen CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile nun der AfD-Fraktion das Wort.
Vielen Dank. Ich spreche zu unserem AfD-Antrag „Mobbing ernst nehmen – Schüler und Lehrer schützen“. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!
Mithilfe des Internets über soziale Medien und Internetvideos können Kinder und Jugendliche in einer nie dagewesenen Art und Weise körperlich und seelisch verletzt und gedemütigt werden. Das Smartphone kann auch Waffe sein. Damit kann ein Täter sein Opfer im Internet fertigmachen, auch wenn er in der Schulbank direkt neben ihm sitzt.
Wer meint, Mobbing sei eine moderne Form der altbekannten Hänseleien, der irrt. Digitales Mobbing wirkt immer und überall. Während es für den Täter kaum Folgen hat, leidet das Opfer umso mehr. Wir erinnern uns an den Fall einer elfjährigen Schülerin aus Berlin, die sich wegen fortgesetzten Mobbings im Februar an ihrer Schule das Leben nahm. Berlin ist nicht Sachsen, aber auch hier im Freistaat können wir ganz klar einen Trend zu steigender Gewalt an unseren Schulen feststellen.
Die Staatsregierung hat in einer sehr umfangreichen und inhaltlich guten Stellungnahme versucht, die Dringlichkeit unseres Antrags zu entkräften. Der Tenor lässt sich so beschreiben: Selbstverständlich ist Mobbing ein wichtiges Thema. Der Antrag der AfD ist aber nicht nötig, weil die Problemlöser-Koalition alles bereits im Griff hat.
Ich werde Ihnen jetzt sagen, liebe CDU, warum Ihre Selbsteinschätzung eine Fehleinschätzung ist und Ihre Argumentation den Kern nicht trifft. Beginn allen Seins ist eine Definition. Mit unserer Definition machen wir Mobbing greifbar. Wir legen damit die Grundlage, um effektiv handeln zu können.
Nicht zuletzt schaffen wir Rechtssicherheit im Umgang mit Mobbing. Die Staatsregierung referiert in ihrer Stellungnahme verschiedene Definitionen, die sie für wichtig
hält – außer der unseren natürlich –, nur um dann zu dem Schluss zu kommen, dass von einer Definition von Mobbing Abstand genommen werden sollte. Das ist paradox, denn auf der anderen Seite verweigert die Staatsregierung alle Auskunftsersuchen sächsischer
Landtagsabgeordneter zur Anzahl von Mobbingfällen an Schulen mit dem Hinweis, Mobbing sei nicht greifbar, weil es zahlreiche Facetten aufweise und daher oft überhaupt nicht erkannt werde.
Wir brauchen endlich eine greifbare Definition von Mobbing, um Rechtssicherheit zu erlangen. Zu Ihren berechtigten Anmerkungen liegt Ihnen unser Änderungsantrag vor. Wir sollten uns klarmachen: Mobbing ist ein ernsthafter und dauerhafter Konflikt, den ein Lehrer vielleicht nicht mit einem Stuhlkreis lösen kann. Eine unbedarfte Herangehensweise – sollte sie auch mit den besten Absichten erfolgen – kann die Situation für das betroffene Kind sogar noch weiter verschlimmern.
Die in den sächsischen Schulen vorgehaltenen Beratungslehrer sind dieser Aufgabe womöglich nicht gewachsen. Nach ihrem Aufgabenprofil sind sie für alles – und damit eigentlich für nichts – zuständig. Mobbingprävention verlangt aber Spezialisten, die professionell präventive Maßnahmen durchführen können.
Wir halten daher geschulte Mobbing- und Konfliktberater neben den Beratungslehrern an Schulen für sinnvoll und notwendig. Die Schulung aller Lehrer bildet einen weiteren wichtigen Punkt im Rahmen der Mobbingprävention. Es ist richtig, dass es bereits entsprechende Fortbildungsangebote zum Thema Mobbing für Lehrer gibt. Ob diese Angebote auch wahrgenommen werden, liegt bisher allein in der Entscheidung der Lehrer. Genau wie einen ErsteHilfe-Kurs sollten aber alle Lehrer auch einen solchen Lehrgang besuchen.
Mit den Punkten 2 c, d und e machen wir den Schulen konkrete Vorgaben im Umgang mit Mobbing. Wir fordern, erstens, eine obligatorische Anti-Mobbing-Woche, zweitens, die Erarbeitung gemeinsamer Regeln im Klassenverband und, drittens, eine eingeschränkte Handynutzung, geregelt über eine Ampel mit: Rot – absolutes Handyverbot, Gelb – nur im Auftrag des Lehrers und Grün – freie Nutzung. Diese drei Vorgaben sind keine Eingriffe in die Eigenverantwortung der Schulen. Es ist die Setzung eines notwendigen Rahmens, innerhalb
Sind alle präventiven Maßnahmen unter Ziffer 2 unseres Antrags ausgeschöpft, folgen unter Ziffer 3 Maßnahmen mit ernsthaften Konsequenzen für die Mobbenden. Hier ist eine Schwelle erreicht, bei der wir sagen: Die Schule kann und darf das nicht weiter in Eigenregie verfolgen. Es ist nicht angebracht, Mobbingopfern kluge Ratschläge zu geben, zum Beispiel eine Armlänge Abstand zu halten oder Täter in keinem Fall zu provozieren, denn das würde eine Schuldverschiebung hin zum Opfer darstellen. Oft müssen Opfer die Schule wechseln, weil Schule und Schulaufsichtsbehörden versagen. Das lassen wir nicht mehr zu.
Als Ultima Ratio sollen die Lehrer nunmehr über § 50 a Abs. 1 Schulgesetz verpflichtet werden, das Jugendamt unter den genannten Voraussetzungen einer Kindeswohlgefährdung durch Mobbing unverzüglich einzuschalten. Dazu sind die Lehrer bisher lediglich befugt, aber nicht verpflichtet.
Diesen Fehler korrigieren wir mit unserem Antrag. Durch die Verpflichtung zur Meldung kann das Jugendamt unverzüglich weitergehende Maßnahmen auch und gerade mit Zwangscharakter treffen. Uns geht es mit diesem Punkt in erster Linie um den Schutz der Mobbingopfer vor einer weitergehenden Drangsalierung.
Ich appelliere an Sie: Lassen Sie uns endlich eine Rechtssicherheit für Mobbingopfer schaffen! Stimmen Sie unserem Antrag zu!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ja, Frau Wilke, Sie haben recht, Mobbing hat sich in unserer Gesellschaft zu einem sehr ernst zu nehmenden Phänomen entwickelt,