Es bleibt daher festzustellen, dass dies ein klarer Anwendungsfall für Artikel 85 Abs. 2 der Sächsischen Verfassung ist. Um Missverständnisse zu vermeiden, meine Damen und Herren: Wir begrüßen selbstverständlich die Nutzung gesetzgeberischer Spielräume zur Verbesserung der Barrierefreiheit, weisen aber eindringlich darauf hin, dass dann ein Passus zur Vollkostendeckung im Gesetz unverzichtbar ist. Aus den genannten Gründen wird die Fraktion DIE LINKE dem Gesetzentwurf leider nicht zustimmen können, obgleich wir das Anliegen selbst natürlich unterstützen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Schaffung barrierefreier Zugänge zu Webseiten und mobilen Anwendungen ist ein sehr begrüßenswertes Ziel und eine längst überfällige Maßnahme. Im Zuge einer immer weiter alternden Bevölkerung mit steigender Affinität zur Nutzung internetbezogener Informationsangebote wird dieses Thema immer wichtiger.
Auch wenn wir bei der Umsetzung der EU-Vorgaben keinen Spielraum haben, möchte ich dennoch kurz zu den Anforderungen der Richtlinie sprechen. Mit der Richtlinie sollen öffentliche Stellen neben der Gestaltung der Barrierefreiheit verpflichtet werden, eine Erklärung über die Barrierefreiheit zu veröffentlichen. Die Überwachung der Umsetzung der Vorgaben inklusive der Erstellung von Umsetzungsberichten erfolgt mit einer Personalstelle bei der Deutschen Zentralbücherei für Blinde zu Leipzig. Das Durchsetzungsverfahren wird durch den Beauftragten der
Den öffentlichen Stellen, also vor allem den Kommunen, entsteht durch das Feedback-Verfahren ein erheblicher Mehraufwand, denn diese müssen auf Nachfrage Auskünfte zur Barrierefreiheit in einer angemessenen Frist geben. Wir glauben nicht, dass das alles notwendig ist, um das Ziel der Barrierefreiheit zu erreichen.
Zu kritisieren bleibt dennoch das Gesetzgebungsverfahren an sich. Der Gesetzentwurf setzt die EU-Richtlinie 2016/2102 um. Wie der Name schon sagt, stammt die Richtlinie bereits aus dem Jahr 2016. Man hatte also für die Umsetzung bis dato zweieinhalb Jahre Zeit. Nun wird aber überhastet ein Gesetzentwurf durch den Landtag geschoben, bei dem noch nicht einmal alle Betroffenen gehört werden konnten. Beispielsweise liegt keine Stellungnahme des Beauftragten der Sächsischen Staatsregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen vor, der aber nach Ihrem Gesetzentwurf die zuständige Stelle für das vorgegebene Durchsetzungsverfahren ist. Das Fehlen ist wohl aber dem Umstand geschuldet, dass Ihnen plötzlich aufgefallen ist, dass Sie noch bis September eine Richtlinie umsetzen müssen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In einer zunehmend digitalen Informationswelt muss Barrierefreiheit auch im Netz umgesetzt werden. Menschen mit Einschränkungen haben häufig Probleme bei der Nutzung des Internets. Deshalb ist die Umsetzung der EU-Verordnung zur Barrierefreiheit von Websites und mobilen Anwendungen aller öffentlichen Stellen so wichtig und wird von uns natürlich unterstützt.
Wir sind sogar der Auffassung, dass auch in der Privatwirtschaft die Barrierefreiheit umgesetzt werden soll; denn die EU-Richtlinie ermutigt die nationalen Gesetzgeber ausdrücklich dazu. Wir GRÜNEN sind im Bundestag allerdings mit einem entsprechenden Antrag dazu gescheitert. Das ist auch ein Problem, denn viele Produkte und Dienstleistungen bestellen wir heutzutage online. Dabei wäre es auch eine enorme Erleichterung für viele Menschen, wenn die Geschäftsbedingungen zum Beispiel in leichter Sprache dargestellt würden oder die Option einer vergrößerten Schrift bestehen würde. Doch so weit wollten Union und SPD im Bundestag nicht gehen und haben erst einmal nur die Mindestanforderung ins Gesetz geschrieben. Auch im heute vorliegenden Landesgesetz sind keine über die EU-Richtlinie hinausgehenden Anforderungen definiert.
Aus Zeitdruck hat die Koalition auf eine erste Lesung und eine Anhörung verzichtet. Viele Fragen bleiben dann auch nach der Abstimmung im federführenden Ausschuss ungeklärt. Zwar ist die vom Städte- und Gemeindetag vorgebrachte Kritik am fehlenden Belastungsausgleich offenbar ausgeräumt – oder aber eben auch nicht, wie Herr Wehner gerade ausführte. All die weitergehenden Hinweise aus der Stellungnahme des SSG finden überhaupt keine Würdigung im Verfahren. Der Behindertenbeauftragte wurde gar nicht erst beteiligt. Wir könnten Ihnen also jetzt alle diese erheblichen Verfahrensmängel auch zum Vorwurf machen, stattdessen haben wir die Hand gereicht und gesagt: Lasst uns diese Mängel gemeinsam in einem zügigen, aber halbwegs geordneten Verfahren noch heilen. Doch das hat die Koalition abgelehnt.
Sie haben einen Berg Gesetzesvorhaben bis jetzt vor sich hergeschoben. Wenn Sie diese nun im Eilverfahren durch das Plenum peitschen, dürfen Sie nicht erwarten, dass wir Sie bei diesem Vorgehen jetzt auch noch unterstützen.
Gibt es noch Gesprächsbedarf bei den Fraktionen? – Das ist nicht der Fall. Für die Staatsregierung Herr Minister Schenk, bitte.
Oliver Schenk, Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin den Koalitionsfraktionen sehr dankbar, dass sie den Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht haben. Das dahinter stehende Ziel, in unserer Gesellschaft allen Menschen, ob mit oder ohne Behinderung, gleichermaßen Rechte, Chancen und Möglichkeiten der Teilhabe auch im digitalen Bereich zu eröffnen, halte ich uneingeschränkt für wichtig.
Ich bin dankbar für die Debatte. Wir haben viele Argumente ausgetauscht. Ich möchte den Rest meiner Rede gern zu Protokoll geben.
Damit sind wir schon bei der Abstimmung angekommen. Aufgerufen ist das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen. Wir stimmen ab auf der Grundlage der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales und Verbraucherschutz, Gleichstellung und Integration. Es liegt ein Änderungsantrag vor. Wenn ich es richtig verstanden habe, ist dieser bereits eingebracht worden.
Frau Präsidentin, ich möchte nur ganz kurz im Namen der Koalitionsfraktionen zu dem Änderungsantrag Stellung nehmen, damit unser Abstimmungsverhalten auch klar ist.
Wie es sich uns darstellt, ist es bei EU-Richtlinien grundsätzlich der Fall, dass dann, wenn die Umsetzung – wir haben ja von Spielräumen gesprochen – mit Spielräumen stattfindet, wo man sozusagen über das, was die EURichtlinie fordert, hinausgeht, der Mehrbelastungsausgleich entsprechend zieht. Das findet aber hier nicht statt. Wir haben es hier aus verschiedenen Gründen – das kann man sogar bedauern – mit einer Eins-zu-eins-Umsetzung zu tun. An dieser Stelle zieht der Mehrbelastungsausgleich eben nicht. Es gab auch von anderen Seiten, also auch von Ihrer Seite, keinen Antrag, der irgendwie deutlich gemacht hätte, wie man die Spielräume noch mehr nutzen könnte. Das wäre ein Beispiel gewesen, mit dem man hätte untermalen können, dass hier tatsächlich der Freistaat hätte einspringen müssen. Aber da wir uns wirklich nur eins zu eins an die Richtlinie gehalten haben, wird das an dieser Stelle hinfällig sein. – Dies zur Erklärung des Abstimmungsverhaltens unserer Fraktion.
Vielen Dank, Frau Kliese. Gibt es weiteren Redebedarf zum Änderungsantrag? – Das ist nicht der Fall. Dann lasse ich über diesen abstimmen. Wer möchte dem Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE die Zustimmung geben? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Es gibt Stimmenthaltungen und Stimmen dafür. Dennoch ist der Änderungsantrag mit Mehrheit abgelehnt worden.
Wir kommen zur Abstimmung über die Paragrafen des Gesetzentwurfes. Darf ich diese zusammenfassen, oder gibt es dagegen Widerspruch? – Wir beginnen mit der Überschrift. Danach folgen: § 1 Öffentliche Stellen; § 2 Barrierefreie Informationstechnik öffentlicher Stellen; § 3 Erklärung zur Barrierefreiheit; § 4 Überwachungs- und Durchsetzungsverfahren; § 5 Verordnungsermächtigung; § 6 Umsetzungsfristen und § 7 Inkrafttreten. Wer möchte die Zustimmung geben? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Es gibt Stimmenthaltungen und Stimmen dagegen. Dennoch sind diese Paragrafen mit Mehrheit angenommen worden.
Wir kommen zur Gesamtabstimmung. Wer möchte die Zustimmung geben? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Auch hier gleiches Abstimmungsverhalten. Damit wurde dem Gesetzentwurf zugestimmt.
Meine Damen und Herren! Mir liegt ein Antrag auf unverzügliche Ausfertigung vor. Gibt es dagegen Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir so.
Ich bedanke mich bei den Gebärdendolmetscherinnen für die Begleitung der Diskussion zu diesem Gesetz.
Unser Ziel ist es, die rasant voranschreitende Digitalisierung menschenfreundlich zu gestalten, sodass alle davon profitieren und wir niemanden zurücklassen, insbesondere und gerade die Menschen mit Behinderung, die noch deutlich intensiver im Web unterwegs sind als nicht Behinderte.
Das Internet ist für viele von uns inzwischen selbstverständlich. Das sollte es für alle Menschen sein, die es wollen. Unnötige Barrieren gilt es zu beseitigen. Es bestimmt den Pulsschlag unserer Gesellschaft, und das, obwohl das World Wide Web erst 30 Jahre alt ist. Tatsache ist aber, dass Menschen mit Behinderung sich das Internet noch nicht vollumfänglich zunutze machen können, weil dies noch durch unnötige Barrieren verhindert wird. Dem begegnet die oben genannte EU-Richtlinie 2102 vom Oktober 2016, die wir mit unserem Gesetzentwurf umsetzen wollen.
Wir als CDU setzen uns für ethische Normen auch online ein, sodass unter anderem blinde und sehbehinderte Menschen mehr als bisher alle Vorteile des Internets nutzen können.
Öffentliche Stellen – Gerichte, Polizeidienststellen, Krankenhäuser, Universitäten usw. – müssen dabei beispielhaft vorangehen. Das bedeutet unter anderem gute Lesbarkeit von Texten, entsprechende Bedienoberflächen, leicht verständliche Sprache, gut erkennbare Bilder und barrierefreie Formulare. Von dieser EU-Richtlinie profitieren auch Menschen, bei denen im Laufe der Jahre – also schleichend – Sehschwäche entsteht.
Für uns steht fest: Die Digitalisierung ist eine große Chance für unsere Gesellschaft, und wir werden diese Transformation nur dann meistern, wenn wir die Barrierefreiheit auch online realisieren. Menschen mit Behinderung müssen sich auf allen Seiten problemlos orientieren können, denn sie gehören mit aller Selbstverständlichkeit zu unserer Gesellschaft, nicht zuletzt auch im Sinne der Zufriedenheit aller Nutzer.
Deshalb ist diese EU-Richtlinie so bedeutend – und zwar nicht nur für Menschen mit Behinderung, sondern für unsere Gesellschaft insgesamt. Wir müssen bei den landesrechtlichen Diskussionen den EU-Kontext einbeziehen. In manchen Ländern der EU ist das Thema Barrierefreiheit in der politischen Debatte noch deutlich unterrepräsentiert. Es geht also nicht zuletzt darum, den Selbstanspruch der EU im Bereich der Barrierefreiheit deutlich zu machen und die Gesetze in Europa zu harmonisieren.
Es gilt mehr Bewusstsein für das Thema zu schaffen, und zwar für Barrierefreiheit allgemein. Sie ist im Bereich der Digitalisierung ein zum Teil sehr technisches Thema und hat viel mit assistiven Technologien zu tun. Manche öffentlichen Stellen befinden sich in einem Lernprozess und erweitern ihre Angebote. Das ist sehr gut, aber noch
nicht ausreichend. Ich will aber auch betonen, dass ich nicht den Eindruck habe, dass seitens der öffentlichen Stellen etwa Beratungsresistenz herrscht oder dass sie sich wehren und mit dem Thema nichts zu tun haben wollen, im Gegenteil. Die Bereitschaft, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, ist vorhanden. Das macht auch die Bundesfachstelle Barrierefreiheit deutlich.
Natürlich ist es auch erforderlich, den Stand der Barrierefreiheit kontinuierlich zu überwachen. Nur so können wir die Inklusion im Internet fördern und das Tempo erhöhen. Deshalb soll eine Überwachungsstelle bei der Deutschen Zentralbücherei für Blinde zu Leipzig etabliert werden. Natürlich ist zu beachten, mit welcher finanziellen Belastung die Umsetzung der EU-Richtlinie verbunden ist. Sie betrifft alle Kommunen, und wir als Kommunalpartei verstehen die Sorgen der Kommunen an dieser Stelle, nicht überfordert zu werden. Wir müssen die Sorgen ernst nehmen, aber auch deutlich machen, dass die EURichtlinie ausbalanciert ist und klare Ausnahmeregelungen enthält. Im Gespräch mit dem SSG konnten die Sorgen nahezu vollständig ausgeräumt werden. Zudem: Die Deutsche Zentralbücherei für Blinde zu Leipzig wird unter anderem Schulungen für barrierefreie Gestaltung von Webseiten anbieten.
Für uns ist klar: Mit der EU-Richtlinie haben wir in Europa einen deutlichen Fortschritt in Richtung Inklusion erreicht.
Oliver Schenk, Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei: Ich bin den Koalitionsfraktionen dankbar dafür, dass sie diesen Gesetzentwurf in den Landtag einbringen.
Ich teile das dahinter liegende Ziel, in unserer Gesellschaft allen Menschen – ob mit oder ohne Behinderung – gleichermaßen Rechte, Chancen und Möglichkeiten der Teilhabe auch im digitalen Bereich zu eröffnen.
Das „Wie?“ dahinter ist oft mühsam. Vorschriften, überholte Gesetze, fehlende technische Möglichkeiten und manchmal auch Unverständnis für die Notwendigkeit begegnen uns leider immer wieder.
Es ist, ehrlich gesagt, auch bedauerlich, dass es einer EURichtlinie bedarf, damit wir das eigentlich Selbstverständliche in Europa umsetzen.