Viertens. Ausländer können in Deutschland nach fünf Jahren unbefristeten Aufenthalt bekommen; nach acht Jahren ist eine Einbürgerung möglich. Nach jahrelangem Aufenthalt sollten sich Ausländer selbst um die Einbürgerung bemühen. Wenn er die Bürgerrechte wie das Wahlrecht wahrnehmen möchte, sollte er auch Bürger dieses Landes werden wollen. Drei Jahre Unterschied zwischen der Erlangung eines dauerhaften Aufenthaltsstatus und der Einbürgerung sind hinsichtlich der Bedeutung des Wahlrechts auch zeitlich vertretbar.
Fünftens. Auch das Folgende wurde hier schon vorgetragen: Bis zur Einbürgerung gibt es für in Sachsen lebende Ausländer aus Nicht-EU-Staaten andere Integrationsmöglichkeiten, zum Beispiel kommunale Ausländerbeiräte, Mitgliedschaften von Ausländern in Ratsausschüssen usw. usf.
Sechstens: Durch die Ausweitung des Wahlrechts auf dauerhaft in Deutschland lebende Ausländer aus NichtEU-Staaten würde eine Abwertung des Status der Staatsbürger erfolgen. Prof. Patzelt fragte daher in der Sachverständigenanhörung zu Recht, ob etwas für einen demokratischen Staat so Wichtiges wie das Wahlrecht nicht zu wichtig ist, um damit in erster Linie Symbolpolitik zu betreiben.
Siebtens: Ich frage mich, warum die GRÜNEN das Wahlrecht für Ausländer aus Nicht-EU-Staaten nur für die kommunale Ebene fordern. Ist Ihnen die kommunale Ebene nicht so wichtig, oder streben Sie langfristig eine Erweiterung des Wahlrechts für Zuwanderer aus NichtEU-Staaten auch für die Landes- und Bundesebene an?
Wenn nicht, dann wäre Ihr Gesetzentwurf nur Spielerei: Sie tun etwas für das gute Gefühl Ihrer Wähler, weil Sie vorgeben, sich um die Belange der Ausländer zu kümmern, geben diesen aber nur die Kommunalpolitik zur Mitbestimmung frei.
Achtens und letztens: Für die nächsten Kommunalwahlen im Mai 2019 kommt dieser Gesetzentwurf viel zu spät.
Fazit: Wir, die Abgeordneten der blauen Partei, lehnen diesen Unsinn aus staatspolitischer Verantwortung heraus ab.
Danke. – Ich möchte hier ausdrücklich noch einmal an die Adresse von Herrn Wild Folgendes sagen: Herr Wild, ich weiß nicht, ob Sie sich vorstellen können, dass es tatsächlich sachliche Gründe dafür gibt, dass wir dieses Gesetz eben für die Kommunalwahl vorgelegt haben. Wir haben natürlich auch diskutiert, ob man das nicht zum Beispiel auch auf die Landtagswahl, die Europawahl und so weiter ausdehnen könnte, aber es gibt tatsächlich sachliche Gründe dafür, dass wir das nur für die Kommunalwahl machen.
Es ist unsere eigene Gesetzgebungskompetenz, sodass wir das machen dürfen. Es gibt sozusagen auch kein großes Risiko; denn wenn es eine Normenkontrollklage geben würde, würde das Bundesverfassungsgericht dann entscheiden, ob das richtig ist oder nicht. Das ist das Erste. Es gibt also wirklich rein sachliche Gründe.
Der zweite sachliche Grund ist, dass es uns tatsächlich darum geht, dass die Betreffenden auf der Ebene, wo Partizipation und politische Teilhabe direkt erlebbar sind, nämlich in der Kommune, wo die Menschen leben, wo sie Steuern zahlen, wo ihre Kinder in die Schule gehen – Kollegin Nagel hat darauf verwiesen –, dort auch tatsächlich das Recht bekommen, mitzubestimmen, was zum Teil mit ihren Steuern passiert.
Abschließend möchte ich Ihnen noch sagen: Es nimmt mir immer die Luft, wenn Sie sich hier hinstellen und sagen, es entwerte das deutsche Staatsbürgerrecht, wenn man zum Beispiel einer Frau aus Kanada, die seit 20 Jahren hier lebt und Steuern zahlt, das Kommunalwahlrecht gebe. Da frage ich mich: Wo leben Sie denn eigentlich? Wie großspurig und großkotzig wollen Sie sich hier noch aufführen?
Ja, sehr geehrter Herr Präsident. – Auf den letzten Einwurf möchte ich natürlich nicht erwidern; auf diesen Unsinn erwidere ich nicht.
Aber grundsätzlich zu Ihrer Kurzintervention. Meines Wissens sitzen die GRÜNEN auch im Bundestag. Wenn Sie das Grundgesetz ändern wollen, dann sind Sie hier an der falschen Stelle.
(Widerspruch bei den LINKEN – Rico Gebhardt, DIE LINKE: Dazu muss man nicht das Grundgesetz ändern! Man kann es ändern, aber man muss es nicht machen!)
Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde in der Aussprache. Gibt es aus den Reihen der Fraktionen weiteren Redebedarf? – Frau Zais? – Nein. Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht.
Ich frage nun die Staatsregierung. – Herr Staatsminister Prof. Wöller, bitte sehr. Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Im Prinzip können wir es kurz und knapp machen: Das, was Sie in Ihrem vorliegenden Gesetzentwurf fordern, ist nicht vereinbar mit dem Grundgesetz.
(Beifall des Abg. Gunter Wild, fraktionslos – Rico Gebhardt, DIE LINKE: Wenigstens Herr Wild klatscht dabei!)
Warum sage ich das? Sie, meine Damen und Herren von den GRÜNEN, wollen nun also auch Nicht-EUAusländern die aktive und passive Teilnahme an unseren Kommunalwahlen ermöglichen. Ich denke, was sich auf den ersten Blick nett anhört, ist in meinen Augen nichts anderes als eine Entwertung des Wahlrechts. Das Wahlrecht ist keine Integrationshilfe wie der Sprachkurs. Mit dem Wahlrecht regeln wir das verfassungsgemäß geschützte Selbstverwaltungsrecht unserer Kommunen. Es handelt sich mithin um eine konstitutive Kernfunktion unseres Gemeinwesens.
Vor allem aber ist die Rechtslage bezüglich des vorliegenden Vorstoßes im Grundgesetz eindeutig. Laut den Artikeln 20 und 28 bedürfen sämtliche unserer Organe und Vertretungen, soweit sie Staatsgewalt ausüben, einer einheitlichen Legitimationsgrundlage, einzig vermittelt durch das Staatsvolk. Dieses Staatsvolk bilden nach Artikel 116 des Grundgesetzes nun einmal ausschließlich die deutschen Staatsangehörigen. Dementsprechend ist das Volk, das in Bund und Ländern und auf der kommunalen Ebene seine Vertretungen wählt, grundsätzlich identisch. Den Juristen unter Ihnen ist klar, was daraus folgt: Wahlen, egal ob auf Bundes-, Landes- oder kommunaler Ebene, sind alleinige Angelegenheit deutscher Staatsbürger.
Freilich gibt es eine Durchbrechung dieses sogenannten Homogenitätsgrundsatzes, die in der Diskussion ja schon angesprochen wurde: das Kommunalwahlrecht für EUAusländer. Diesen vordergründigen Widerspruch löst das Grundgesetz aber mit dem Verweis auf den Verfassungsauftrag zur Verwirklichung der europäischen Integration.
Dass EU-Ausländer, wenn sie bei uns leben, an Kommunalwahlen teilnehmen dürfen, hat also einen tieferen Sinn. Die entsprechende Verfassungsänderung ist 1994 im Zuge der Ratifizierung des Maastrichter Vertrages erfolgt. Die damit begründete Unionsbürgerschaft dient dem Zusammenwachsen der EU-Bürger, sie dient dem Zusammenwachsen der Europäischen Union, und genau das unterstützen wir. Schon damals gab es Überlegungen, diese Ausnahmeregelung auch auf Nicht-EU-Ausländer auszudehnen, was aber am besagten Homogenitätsgrundsatz scheiterte.
Es ist in diesem Kontext schlicht falsch, dass dieser Homogenitätsgrundsatz 2014 durch den Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen infrage gestellt wurde. Worauf Sie sich in Ihrer Gesetzesbegründung berufen, ist lediglich ein abweichendes Sondervotum einer einzelnen Richterin, die insistiert, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei überholt. Im Gegenteil votierte der Bremer Staatsgerichtshof mit großer Mehrheit erneut im Sinne des Bundesverfassungsgerichts, und das ist die Sachlage. Die Homogenitätsklausel des Grundgesetzes überlässt den Ländern hinsichtlich der Zusammensetzung des Wahlvolkes eben keinen Gestaltungsspielraum.
Meine Damen und Herren, diese Sicht teilen wir im Übrigen auch mit den kommunalen Spitzenverbänden, dem Sächsischen Städte- und Gemeindetag und dem Sächsischen Landkreistag, die den Gesetzentwurf als grundgesetzwidrig ablehnen. Auch die Sächsische Staatsregierung empfiehlt, den vorliegenden Gesetzentwurf abzulehnen.
Meine Damen und Herren! Bevor wir zur Abstimmung kommen, möchte ich Herrn Abg. Voigt als Berichterstatter des Ausschusses
fragen, ob er hierzu noch einmal das Wort wünscht, um für den Ausschuss zu sprechen. – Das ist nicht der Fall.
Meine Damen und Herren, damit kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf. Aufgerufen ist das Gesetz zur Einführung des Kommunalwahlrechts für dauerhaft in Deutschland lebende Ausländerinnen und Ausländer aus Nicht-EU-Staaten, Drucksache 6/13351, Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Änderungsanträge liegen nicht vor. Auch hier wiederum frage ich Sie, Frau Zais und Herr Lippmann, als Vertreter für die Fraktionen: Darf ich die Bestandteile des Gesetzentwurfs einzeln aufrufen und dann en bloc abstimmen lassen?
Dann verfahren wir so. Den Gesetzentwurf hatte ich genannt. Es handelt sich also um die Überschrift in Artikel 1 „Änderung der Verfassung des Freistaates Sachsen“, um Artikel 2 Änderung der Sächsischen Gemeindeordnung, um Artikel 3 Änderung der Sächsischen Landkreisordnung, um Artikel 4 Änderung des Kommunalwahlgesetzes, und um Artikel 5 Inkrafttreten. Meine Damen und Herren! Wer den genannten Bestandteilen zum Gesetzentwurf seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Ohne Stimmenthaltungen und bei zahlreichen Stimmen dafür haben die aufgerufenen Bestandteile des Gesetzentwurfes und der Entwurf selbst damit nicht die erforderliche Mehrheit gefunden.
Nun meine Frage an die einreichende Fraktion: Wird eine Schlussabstimmung gewünscht? – Das ist nicht der Fall.