In der ersten Rederunde erhalten die Fraktionen CDU, DIE LINKE, SPD, AfD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und zwei fraktionslose Abgeordnete sowie die Staatsregierung das Wort, sofern es gewünscht wird.
ein Recht darauf, in unserem Land sicher zu leben. Es ist eine Kernaufgabe des Staates, diese Sicherheit zu gewährleisten.
Dabei sehen sich die Sicherheitsbehörden vor immer neue Herausforderungen gestellt. Gewalttätiger, politischer und religiös motivierter Extremismus sowie der internationale Terrorismus bedrohen die Sicherheit in unserem Land und
damit auch unsere Lebensweise in einer Gesellschaft, in der Freiheit ein hohes Gut ist. Zur Verhinderung von Terroranschlägen ist es deshalb zwingend erforderlich, gegen sogenannte Gefährder konsequent vorzugehen.
Ebenso konsequent gilt es, rechts- und linksextremistische Gewalttäter in den Fokus zu nehmen. Al-Bakr, die Terrorgruppe Freital, Revolution Chemnitz, die linksextremistischen Gewalttaten rund um den G20-Gipfel in Hamburg, der Anschlag auf das Gebäude des BGH in Leipzig – uns allen dürfte mehr als bewusst sein, wie konkret die Gefahr ist. Aber auch die „klassische“ Banden- und Schwerstkriminalität ist nicht zu vernachlässigen. Gerade bandenmäßig organisierte Einbrüche, Menschenhandel und andere schwere Delikte beschäftigen Polizei und Justiz.
In Sachsen spielt dabei auch die grenzüberschreitende Kriminalität eine nicht unwesentliche Rolle. Täter agieren überregional, wenn nicht gar international. Deshalb werden wir mit dem Gesetzentwurf das Polizeirecht für den Freistaat Sachsen umfassend an die Herausforderungen einer veränderten Sicherheitslage sowie an die rechtliche und technische Entwicklung anpassen. Unser Anspruch ist es, Straftätern nicht nur auf Augenhöhe zu begegnen, sondern ihnen einen Schritt voraus zu sein.
Künftig soll es zwei Gesetze geben, die das Polizeirecht regeln: einerseits das Polizeibehördengesetz, das die Aufgaben der Kommunen und Landkreise bestimmt, und andererseits das Polizeivollzugsdienstgesetz. Diese klare Trennung schafft mehr Rechtsklarheit und Rechtssicherheit, und zwar sowohl für die Polizei als auch für den Bürger. Damit wird der Aufgabenkreis der Polizeibehörden im Wesentlichen auf die Erfüllung ordnungsbehördlicher Aufgaben beschränkt werden, während die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten künftig allein dem Polizeivollzugsdienst zugewiesen ist. Mit dem neuen Polizeirecht werden künftig Befugnislücken gegenüber anderen Ländern und dem Bund geschlossen.
Eine weitgehende Harmonisierung der Polizeigesetze von Bund und Ländern ist eine wichtige Voraussetzung für eine noch besser abgestimmte Polizeiarbeit, die angesichts der aktuellen Gefahren mehr als geboten erscheint. Dabei orientieren sich die vorgesehenen Befugniserweiterungen stark am Gesetz zur Neustrukturierung des Bundeskriminalamtsgesetzes und berücksichtigen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vollumfänglich. Viele der neuen Eingriffsbefugnisse für die Polizei finden sich auch in der Strafprozessordnung, doch es wäre völliger Unsinn, wenn man daraus die Schlussforderung ziehen würde, dass sie vor diesem Hintergrund im Polizeirecht überflüssig seien. Die Strafprozessordnung liefert die Instrumente für die Strafverfolgung nach der Tatbegehung. Das Polizeirecht setzt hier wesentlich früher ein. Es geht darum, eine Straftat zu verhindern, bevor sie geschieht, also um Gefahrenabwehr.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich etwas näher auf einige wesentliche Normen des Polizeirechts im Gesetzentwurf eingehen. In § 57 ist im Wesentlichen die
Regelung zur Bodycam enthalten. Ich bin sehr froh, dass letztlich die Bodycam noch Eingang in das Gesetz gefunden hat. Das war ein ziemlich zähes Ringen, aber im Ergebnis einer konstruktiven Diskussion konnten wir uns in der Koalition auf dieses Instrument verständigen.
Die Bodycam wirkt präventiv im Sinne der Eigensicherung unserer Polizeibeamten und kann auch einen wertvollen Beitrag zur Beweissicherung leisten. In § 58 ist die anlassbezogene, automatisierte Kennzeichenerfassung
geregelt. Der Gesetzentwurf sieht hier eine Erweiterung auf stationäre Geräte vor. Eine automatische Kennzeichenerfassung mit mobilen Geräten ist schon jetzt zulässig. Ziel ist dabei die Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität an Kriminalitätsschwerpunkten. Der Gesetzentwurf sieht hier keine Dauererhebung der Daten vor. Kennzeichen von Fahrzeugen, die nicht zu einem Fahndungstreffer führen, werden nicht gespeichert. Voraussetzung ist regelmäßig ein bestimmter Maßnahmenanlass auf Grundlage von dokumentierten Lageerkenntnissen. Die Vorschrift entspricht in ihrer Ausführung der neuesten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
Die Koalition hat in ihrem Änderungsantrag im Verfahren genau diese Rechtsprechung aufgegriffen und in entsprechende kleine Änderungen zum Gesetzentwurf der Staatsregierung umgesetzt.
§ 59 regelt den Einsatz technischer Mittel zur Verhütung schwerer grenzüberschreitender Kriminalität. Hier geht es um die Befugnis für die gezielte Schleierfahndung zur Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität. Diese Norm steht besonders im Fokus der Kritiker des neuen Polizeigesetzes. In der Tat handelt es sich hier um ein relativ neues Instrument, mit dem die ausgetretenen Pfade verlassen werden,
und es soll auch die Gesichtserkennung zum Einsatz kommen. Es handelt sich ohne Frage um ein Kontrollinstrument, das viele betreffen wird.
Das streiten wir gar nicht ab. Aber es ist auch ein Kontrollinstrument in einer ganz besonderen Situation, die das Bundesverfassungsgericht in seinen jüngsten Beschlüssen als besondere Rechtfertigung für Maßnahmen anerkannt hat.
Ja, den habe ich gelesen. Das ist der Wegfall der innereuropäischen Grenzen und damit die erleichterte Begehung bestimmter Straftaten, die den Staat berechti
gen, dem entgegenzuwirken. Das Gericht stellt fest – ich zitiere –: „Wenn die Bundesrepublik auf Grundlage des Unionsrechts die Grenzen öffnet und auf Grenzkontrollen verzichtet, ist es im Grundsatz gerechtfertigt, wenn sie als Ausgleich hierfür zur Gewährleistung der Sicherheit die allgemeinen Gefahrenabwehrbefugnisse spezifisch
erweitert.“ Das trifft auf diese Norm zu. Deshalb dürfen die Bürger in Sachsen zu Recht von uns als Gesetzgeber erwarten, dass wir in solchen wesentlichen Themenfeldern von unserer Gesetzgebungskompetenz zur Verbesserung ihres Schutzes auch verantwortungsvoll Gebrauch machen wollen. Das haben wir hier getan.
§ 61 beschäftigt sich mit der elektronischen Aufenthaltsüberwachung; das ist die sogenannte elektronische Fußfessel. Dieses Instrument dient einerseits der Überwachung sogenannter Gefährder; andererseits können damit auch Aufenthalts- und Kontaktverbote durchgesetzt werden, zum Beispiel auch bei häuslicher Gewalt. Die Fußfessel ist zudem ein milderes Mittel gegenüber dem auch möglichen Polizeigewahrsam.
§ 66 ermöglicht die Telekommunikationsüberwachung zur Abwehr von Gefahren für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes, für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für Sachen von bedeutendem Wert. Es geht um die Verhinderung von Straftaten wie Mord, Totschlag, Raub, Erpressung, Bandenkriminalität oder Geldwäsche. Selbstverständlich ist hierfür eine richterliche Anordnung erforderlich.
Meine Damen und Herren! Besonders betonen will ich, dass mit dem Gesetzentwurf insgesamt der Ausgleich von Freiheit und Sicherheit gelungen ist. Beispielhaft ist dabei die Ausgestaltung der Rechte von Berufsgeheimnisträgern in § 77 zu nennen. Mit einer differenzierten Abstufung unter Beachtung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes werden deren Rechte geregelt und geschützt. Wir haben auch bei dieser Regelung sorgfältig abgewogen und die Hinweise von Interessensverbänden der Ärzte und Psychotherapeuten und des Sächsischen Datenschutzbeauftragten berücksichtigt.
Die Hürden für die Telekommunikationsüberwachung von Berufsgeheimnisträgern sind in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung sehr hoch gelegt. Gegen Rechtsanwälte und Kammerbeistände sind Maßnahmen ausgeschlossen. Für den sensiblen Bereich der Ärzteschaft und der Psychotherapeuten ist sie nur im Rahmen der Abwehr von erheblichen Gefahren zulässig. Was heißt erhebliche Gefahren?
Die Ärztekammer hat interveniert vor der Klarstellung, die die Koalition mit ihrem Änderungsantrag noch einmal vorgenommen hat. Das war noch auf „Stand alt“.
Zur Abwehr von erheblichen Gefahren, das heißt konkret nur dann, wenn eine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein erheblicher Schaden für ein bedeutsames Rechtsgut wie den Bestand und die Sicherheit der Bundesrepublik, eines Landes, wie Leben,
Gesundheit oder Freiheit einer Person oder für bedeutende Sach- und Vermögenswerte eintritt. Wenn eine solche Rechtsgutgefährdung besteht, ist es auch angemessen, hier einzugreifen; das will ich ganz klar sagen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unantastbar sind nur sehr wenige Sachen. Das Arzt-PatientenVerhältnis ist sehr schützenswert, aber nicht unantastbar in der Gefahrenabwägung.
Meine Damen und Herren! Ich will mich auf diese herausragenden Normen beschränken. Die Komplexität und der Umfang würden sonst den Rahmen der heutigen Debatte sprengen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Natürlich freuen wir uns in Sachsen über die neue Kriminalitätsstatistik. Diese bescheinigt uns, dass Sachsen wieder ein Stück sicherer geworden ist. Gleichwohl ist das kein Grund – ich weiß schon, dass dieses Argument wieder kommt –, sich auf dem Status quo auszuruhen. Es ist vielmehr ein Grund, unserer Polizei ganz herzlich Dank zu sagen, deren engagierter Arbeit dieser Erfolg zu verdanken ist.
Grundsätzlich gilt: Wir haben viel getan für die Ausrüstung und Ausstattung, für den Personalaufwuchs unserer Polizei. Aber alles ist nur die Hälfte wert, wenn unsere Polizei nicht auch die notwendigen Befugnisse hat, um effektiv Gefahrenabwehr betreiben zu können. Deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir heute den vorliegenden Gesetzentwurf zur Neustrukturierung des Polizeirechts des Freistaates Sachsen beschließen.