Als Linksfraktion teilen wir in diesem Sinne die Grundintention des Gesetzentwurfs von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und werden dem auch zustimmen. Ich möchte aber deutlich machen, dass wir als LINKE klar eine radikalere Veränderung durch eine Grundgesetzänderung, konkret in Artikel 28 und Artikel 38. präferieren würden und die entsprechende Anpassung des Europa- und Bundeswahlgesetzes. Entsprechende Anträge zur Ermöglichung des Wahlrechts für Drittstaatler hat die LINKEBundestagsfraktion in der Vergangenheit regelmäßig gestellt, zuletzt 2014. Mit diesem Schritt würde eine bundesweit einheitliche Lösung für alle Wahlen auf allen
Ebenen ermöglicht werden, vor allem aber würde das Wahlrecht nicht nur – und das „nur“ meine ich nicht despektierlich – auf die kommunale Ebene zurückgeworfen werden und damit auf die Ebene, auf der keine Gesetze erlassen werden können.
Sehr geehrte Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen! Der geschätzte und scharfsinnige Autor und Journalist Heribert Prantl prognostizierte im Hinblick auf das 1990er-Urteil des Bundesverfassungsgerichts gegen die Einführung des sogenannten Ausländerwahlrechts, dass man eines Tages „das Karlsruher Urteil so befremdet liest, wie man heute die vergilbten Pamphlete gegen das Frauenwahlrecht liest“. Das hat er 1994 gesagt. 25 Jahre später und im hundertsten Jahr des Frauenwahlrechts stünde uns eine weitere Demokratisierung des Wahlrechts zunächst auf kommunaler Ebene im Freistaat Sachsen wohl mehr als gut zu Gesicht.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben hier die zweite Beratung zum Gesetz zur Einführung des Kommunalwahlrechts für dauerhaft in Deutschland lebende Ausländerinnen und Ausländer aus Nicht-EUStaaten. Die SPD-Fraktion will zu uns kommende Menschen konsequent integrieren. Dazu gehört, dass wir mehr Einbürgerungen erreichen wollen, auch wenn das nicht das Ende der Integration sein kann. Aber nur die Einbürgerung ermöglicht die volle politische Teilhabe in unserer Gesellschaft. Wir wollen grundsätzlich auch den hier schon länger lebenden Ausländern das kommunale Wahlrecht geben. Bei EU-Ausländern ist es schon längst Realität. Unser Ziel ist dabei, allen hier lebenden Menschen so viel Teilhabe wie möglich zu verschaffen.
Die Intention des vorliegenden Gesetzentwurfs entspricht also unserer Grundposition, aber wir können dem Gesetzentwurf dennoch nicht zustimmen. Es sind weniger die politischen Gründe, sondern eher verfassungsrechtliche Bedenken bezüglich des konkreten Gesetzentwurfs. Dies wurde vor allem durch die Anhörung bestätigt. Zum einen gibt es Bedenken gegen einen landesrechtlichen Alleingang, denn das verstößt nach der Meinung eines Sachverständigen gegen Artikel 38 des Grundgesetzes, vor allem gegen den Grundsatz gleicher Wahlen. Außerdem haben wir nach wie vor ein dieses Thema betreffendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Demnach ist die Ausübung von Staatsgewalt grundsätzlich dem Staatsvolk, also den Staatsangehörigen, vorbehalten. Das ist ein nicht änderbarer Kernbestand der verfassungsmäßigen Ordnung.
Demzufolge bliebe als einzige Option die Änderung oder Erleichterung der Möglichkeiten zum Erwerb der Staatsangehörigkeit; allerdings – das will ich auch nicht verheh
len – wurde in der Anhörung eine gegenteilige Meinung als Mindermeinung vorgetragen. Demnach müssten die schon recht alten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aufgrund des Kommunalwahlrechts für EUBürger laut Artikel 28 Abs. 1 überdacht werden, denn durch das Wahlrecht für Unionsbürger ist der verfassungsrechtliche Begriff des Staatsvolkes aus Artikel 28 nicht mehr nur das deutsche Volk, kann es gar nicht mehr sein. Diesen Ansatz teile ich ausdrücklich. Ich finde es auch wichtig zu hinterfragen, ob das Modell des Staatsvolkes alter Prägung in unserer globalisierten Welt überhaupt noch sinnvoll ist.
Aber zurück zum Gesetzentwurf: Wir sehen ohne eine Änderung des Grundgesetzes an den Stellen, die ich genannt habe, zu große verfassungsrechtliche Risiken. Wir müssten zuerst das Grundgesetz anpassen, dann könnten wir in den Ländern den Ausländern, die schon länger hier leben, ohne verfassungsrechtliche Bedenken kommunales Wahlrecht geben und damit politische Teilhabe ermöglichen. Daher lehnen wir den Gesetzentwurf ab.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Als ich den Gesetzentwurf der GRÜNEN las, war ich verwundert, wie viel Eigennutz und rechtliche Ignoranz ich erkannt habe.
Natürlich, Herr Lippmann. – Deshalb wissen Sie auch, dass das Wahlrecht der EU-Ausländer eine einmalige Durchbrechung des in Artikel 20 Abs. 2
geregelten Grundsatzes ist, dass alle Staatsgewalt vom Volk in Wahlen und Abstimmungen ausgeht und in allgemeinen, gleichen, unmittelbar freien und geheimen Wahlen stattfindet – Artikel 38 Abs. 1 Grundgesetz.
Artikel 38 Abs. 2 spricht hierbei vom ganzen Volk. Das Staatsvolk sind alle Menschen, die die Staatsangehörigkeit des Staates besitzen, mithin die deutschen Staatsbürger. Nicht-EU-Ausländer wollen Sie wählen lassen? Herr
Bei Ihrer derzeitigen Beliebtheit verwundert es mich, dass Sie dringend neue Wähler brauchen. Beispielsweise die 40 000 Ausländer mit unbegrenztem Aufenthalt in Sachsen könnten Ihnen dabei gerade recht kommen.
Weil Sie schon zweimal durch die einheimische Bevölkerung aus dem Sächsischen Landtag herausgewählt worden sind, sollen es nunmehr die Ausländer richten.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Barth, Sie bekundeten gerade vor dem Hohen Hause, Sie hätten den Gesetzentwurf gelesen. Haben Sie zur Kenntnis genommen, dass es um das Kommunalwahlrecht geht und nicht um den Sächsischen Landtag?
Oder ist Ihnen dieser Gesetzentwurf wieder einmal entglitten, nachdem Sie ein paar Buchstaben gelesen, ihn zur Seite gelegt und nur auf Ihren Sachverständigen gehört haben?
Jede Wahl in Deutschland muss sich an den Grundsätzen unseres Grundgesetzes ausrichten, meine Damen und Herren, egal, ob die Bundestagswahl, die Landtagswahl oder die Kommunalwahl. Alle Wahlen müssen nach den Regelungen des Grundgesetzes verfassungsgemäß sein.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Könnten Sie mich dann erhellen, wie 40 000 Nicht-EU-Ausländer in Sachsen eine Rolle bei der FünfProzent-Hürde des Sächsischen Landtags spielen sollen, wie Sie es gerade referiert haben, wenn wir hier über das Kommunalwahlrecht sprechen?