Andere Felder wie Mafia, Ndrangheta und Clankriminalität scheinen nicht oder nur sehr bedingt auf dem Schirm zu sein. Zumindest angesichts des Bundeslagebilds und der Erfahrungen in umliegenden Bundesländern, aber auch der Erfahrungen aus Akten und Zeugeneinvernahmen im Sachsensumpf-Untersuchungsausschuss scheint uns dies nicht realistisch. Fakt ist – dabei beziehe ich mich auf die Informationsreise des Innenausschusses nach Italien und unsere Gespräche mit den Sonderermittlern in Neapel und unseren Besuch aus Sizilien –, dass die Ndrangheta mutmaßlich auch in Sachsen aktiv ist. Inwieweit es hier eine Zusammenarbeit mit den italienischen Kollegen zum Thema Schutzgelderpressung etc. gibt, lässt sich nicht erkennen. Zumindest in Thüringen wurde eine Sonderkommission mit dem Namen „Dämmerung“ zu Aktivitäten der Ndrangheta im Bereich Einbruchskriminalität ins Leben gerufen.
Auch im Bereich Menschenhandel sind Zweifel angebracht. Die Antworten auf die Kleinen Anfragen der geschätzten Kollegin Katja Meier zur Prostitution in Sachsen, Drucksachen 6/16640 und 6/16639, belegen das erneut. Auf die Fragen „Wie viele Prostitutionsgewerbe wurden gemäß Prostituiertenschutzgesetz angemeldet? Wie oft wurde eine Betriebserlaubnis gegebenenfalls mit welchen Auflagen erteilt? Wie oft wurde die Erlaubnis aus welchen Gründen versagt?“ wurde für Dresden geantwortet: Sieben Betriebsstätten sind angezeigt, weitere 47 Objekte sind bekannt. Es lässt sich erahnen, wie groß das Dunkelfeld bei illegaler Prostitution und – darauf kommt es an – in dem sie tragenden Menschenhandel ist.
Das Problem beginnt – Große Anfrage, Seite 3 – mit der Definition der Organisierten Kriminalität. Dazu zitiere ich Arndt Sinn aus dem Vorwort zu „Organisierte Kriminalität 3.0“: „Heute agiert man in Deutschland in sicherheitsstrategischer Hinsicht mit einer Definition der Organisierten Kriminalität, die nicht mehr zeitgemäß ist und keine Entsprechung im materiellen Strafrecht findet. In empirischer, rechtlicher, strategischer und sicherheitspolitischer Hinsicht besteht also Forschungs- bzw. Anpassungsbedarf. Andernfalls bleibt der Blick für die Facetten der Organisierten Kriminalität 3.0 weiterhin verstellt.“
Dort müssen wir nach unserer Auffassung konzeptionell ansetzen, aber auch bei der Befähigung der Beamtinnen und Beamten. Der Abschlussbericht zur Evaluierung der Arbeit der Polizei führt aus: „Die personelle Besetzung des zuständigen Fachdezernats im Freistaat Sachsen ist kontinuierlich rückläufig. Während im Jahr 2006 in diesem Bereich noch 54 Sachbearbeiter tätig waren, sind es im Jahr 2014 lediglich 44 gewesen.“ Dass im LKA in den kommenden zehn Jahren massive Personalaltersabgänge bevorstehen, wissen wir. Damit gehen auch Wissen und Fähigkeiten verloren.
Zur OK gibt es knapp eine Fortbildung pro Jahr. Bei Weiterbildungen im Bereich IuK, also Internet und Computer, steigen die Veranstaltungs- und Teilnehmerzahlen. Bei Fortbildungen zur IuK-Kriminalität allerdings sind Veranstaltungs- und Teilnehmerzahlen bei der Polizei massiv rückläufig. Das hilft dem Kompetenzaufbau nicht und auch nicht der Beweissicherung der im Erstangriff kontaktierten Beamtinnen und Beamten der Reviere.
Die hohe Belastung des LKA lässt sich gut anhand zweier Zahlen, den Mehrarbeitsstunden, ablesen. Im Januar 2019 kamen auf einen Beamten des LKA ungefähr 52 angesammelte Überstunden. Im Durchschnitt der Beamten der Polizei waren es 13.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Ende meines Teils kommen. Abschließend: Wir in Sachsen müssen uns zur Unterstützung der wichtigen Arbeit der Beamtinnen und Beamten des LKA, der Kriminalinspektionen in den PDen konzeptionell, strukturell, personell und im Rahmen der Ausbildung auf eine erforderliche Analyse, eine systematische Erhellung der Dunkelfelder und auf die neuen Phänomene Organisierter Kriminalität einstellen und vorbereiten.
Kollege Stange sprach für seine Fraktion DIE LINKE. Jetzt spricht für die CDUFraktion Kollege Rico Anton.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit der Großen Anfrage der LINKEN zu schwerer und Organisierter Kriminalität beschäftigen wir uns heute im Hohen Hause mit einem Bereich der Kriminalität, den die CDU, das Staatsministerium des Innern und die sächsische Polizei seit jeher besonders im Fokus haben. Das grundsätzliche Interesse auch der LINKEN an diesem Thema ist aller Ehren wert.
Nicht weniger als 229 Fragen hat Ihre Fraktion an das Staatsministerium des Innern gerichtet, Herr Kollege Stange.
Die Antwort des Staatsministeriums vom Juni 2018 mit einem Umfang von mehr als 400 Seiten liefert viele Fakten und einen recht guten Überblick über diese Phänomenbereiche. Sie zeigt, wie weit das Spektrum ist, in dem Organisierte Kriminalität stattfindet: Rauschgiftkriminalität, Cybercrime, Korruption, Menschenhandel und Eigentumsdelikte – um nur einige Bereiche aufzuzählen. Die Täter agieren professionell, und Organisierte Kriminalität findet länderübergreifend, grenzüberschreitend, ja international statt. Herr Stange hat es beschrieben.
Die Zahlen sind im Vergleich zu den Vorjahren in Sachsen relativ konstant. Einzelne Deliktsbereiche sind aber auf dem Vormarsch, beispielsweise der Drogenhandel und auch der Bereich Cyberkriminalität. Es gibt aber keinerlei Grund, sich darauf auszuruhen. Gerade im Bereich der Organisierten Kriminalität gibt es ein erhebliches Dunkelfeld, das es aufzuhellen gilt.
Herr Kollege Stange, nachdem Sie lange über die der Staatsregierung gesetzten Fristen hinsichtlich der Beantwortung der Großen Anfrage referiert, immerhin aber selbst ein Dreivierteljahr gebraucht haben, um die Antwort der Staatsregierung auszuwerten, ist das, was Sie soeben zu Gehör gebracht haben, recht dünn.
Insbesondere wenn ich mir den Entschließungsantrag ansehe, den Sie sicherlich noch einbringen werden, frage ich mich, ob Sie die Arbeit der Koalition und der Staatsregierung, die in der Zwischenzeit erfolgt ist, überhaupt zur Kenntnis nehmen wollen.
Dass wir mehr Polizisten brauchen, ist unstrittig. Aber genau deshalb hat die Koalition den Aufwuchs von mindestens 1 000 Stellen beschlossen. Genau deshalb bilden wir jetzt 700 Polizeianwärter pro Jahr aus – also 400 pro Jahr mehr als noch zu Beginn der Legislatur. Genau deshalb werden wir in diesem Jahr neue Polizisten in Dienst stellen, und zwar mehr, als in den Ruhestand gehen. Das hat nichts mit verantwortungsvoller Politik zu tun, wenn Sie die Welt so beschreiben, wie Sie sie sehen wollen, statt so, wie sie ist, sondern damit, die richtigen Schlussfolgerungen aus vorliegenden Fakten zu ziehen.
Diese in ein konkretes politisches Handeln umzusetzen, darauf kommt es an, Herr Stange. Ich halte Ihnen den ersten Satz aus Ihrer Vorbemerkung zur Großen Anfrage vor. Ich zitiere: „Sicherheit vor Kriminalität, insbesondere vor schweren kriminellen Angriffen, stellt eine der zentralen gegenwärtigen Grunderwartungen der Menschen in Sachsen an das gesellschaftliche Zusammenleben dar, welche wesentlich auch, aber nicht nur, durch Polizei und Justiz zu erfüllen sind.“
Aber wenn dieser Satz nicht nur Prosa ist, wenn Sie diesen Satz ernst meinen, dann erschließt sich mir beim besten Willen nicht, warum Sie in Sachen Sicherheitspolitik hier in Sachsen zu den Blockierern gehören.
Kennzeichenerfassung, intelligente Videografie, Telekommunikationsüberwachung – das sind die Instrumente, die unsere Polizei braucht, um die Organisierte Kriminalität wirksam zu bekämpfen.
Wir brauchen für unsere Polizei Mittel und Befugnisse, die es ihr ermöglichen, nicht nur auf Augenhöhe Kriminalität zu bekämpfen, sondern unsere Polizei muss die Chance haben, immer einen Schritt voraus zu sein.
Deshalb fordere ich jeden auf, der es mit der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität ernst meint, im nächsten Monat unser neues Polizeigesetz zu unterstützen.
(Zuruf der Abg. Rico Gebhardt und Enrico Stange, DIE LINKE – Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)
Herr Stange, gründen Sie statt der Initiative „Polizeigesetz stoppen“ lieber eine Initiative „Polizeigesetz durchsetzen“.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich dem Lob gegenüber der anfragenden Fraktion DIE LINKE für die Qualität der Großen Anfrage zu diesem besonderen Kriminalitätsfeld anschließen. Sie haben mit den erreichten Antworten durch die Staatsregierung einen Überblick und Erkenntnisse erzeugt, mit denen der Landtag, aber auch diese und die nächste Staatsregierung etwas anfangen können.
Ganz im Gegensatz zur letzten Großen Anfrage, die sich in diesem Haus mit dem Themenkomplex der Organisierten Kriminalität befasste, die von der AfD kam. Sie hatten Ihre sogenannte komplexe Anfrage nur an den Fragen der Nationalität von Tatverdächtigen aufgezogen. Zwar ist die Herkunft ein wichtiges Element – wegen unterschiedlicher Ermittlungsansätze und -strategien innerhalb der Aufklärung und Bekämpfung von OK-Straftaten nicht völlig irrelevant –, aber die Fragestellung zäumt das Pferd von hinten auf, weil es viel sinnvoller ist, sich von den Deliktsbereichen her zu nähern, also nach Gewaltkriminalität, Eigentumskriminalität, Rauschgift-, Wirtschaftsstraftaten und dergleichen zu trennen. Das ist mit der vorliegenden Anfrage auch geschehen.
Die LINKE fragt dezidiert Fakten ab, die über die Polizeiliche Kriminalstatistik hinausgehen. Das ist auch wichtig, weil das für die Erkenntnisse über Organisierte Kriminalität notwendig ist, denn es gibt dafür keine Entsprechung
in den Straftatbeständen. Daher ist dieses Phänomen nicht in der PKS enthalten, und man muss die Fakten zusammentragen. Das ist hier geschehen.
Welches Lagebild ergibt sich nun im Freistaat Sachsen im Bereich der Organisierten Kriminalität? Man kann zusammenfassen, dass es geringe Fallzahlen sind; es ist also kein Massenphänomen im herkömmlichen Sinne. Daher muss man die statistischen Erkenntnisse darüber auch mit Vorsicht genießen. Aber die Erkenntnisse sind wichtig, weil es im Einzelnen um hoch kriminelle Personen und Personengruppen geht, mit teilweise vielen Tatverdächtigen. Um es einzuordnen: Die Ermittlungskomplexe schwanken seit 2010 bis 2017 pro Jahr zwischen 13 und 23.
Aber der Schaden, der durch diesen Phänomenbereich entsteht, ist außerordentlich hoch. Auch da gab es aus der Anfrage Erkenntnisse. So betragen die Schadenshöhen pro Jahr bis zu über 20 Millionen Euro im Jahr 2016. Das wundert auch nicht, da Teile von Organisierter Kriminalität die Aktivitätsfelder Wirtschaftskriminalität, Cyberkriminalität und Eigentumsdelikte sind. Darin liegt auch der Schwerpunkt im Bereich der Organisierten Kriminalität. Das ergibt sich aus der Betrachtung der Gegenstände der Ermittlungsverfahren und der Tatverdächtigen.
Noch einmal zur Herkunft der Täter, weil es auch interessant ist. Es gibt kein einheitliches Bild, es wechselt nach Jahr und Aktivitätsfeld. Wir haben viele Nationalitäten, aber Deutsche dominieren in den meisten Gruppen. Es gibt einen weiteren interessanten Punkt: Viele Tatkomplexe finden zwar in Deutschland statt, richten sich aber an Ziele, die im Ausland liegen, weshalb erneut klar wird, dass eine Fokussierung auf die Nationalität der Täter eher ins Leere geht.
Ich möchte nicht weiter auf einzelne Felder eingehen, sondern mich strukturellen Fragen widmen. Zum Beispiel legt die Staatsregierung im Detail dar, wie viele Mitarbeiter des LKA, der Polizeidirektionen, der Staatsanwaltschaften, der Finanzbehörden und des Zolls an der Bearbeitung der hier im Fokus stehenden Ermittlungsverfahren arbeiten. Sie legt auch dar, in welchen gemeinsamen Ermittlungsgruppen oder Joint Investigation Teams mit anderen europäischen Ländern Strafverfolgungs- oder Finanz- und Steuerbehörden arbeiten. Sehr anschaulich finde ich auch die Übersicht der zum Einsatz gekommenen verdeckten Ermittlungsmethoden. Hier wird noch etwas anderes deutlich. Es zeigt, welche wichtigen Funktionen diese verdeckten Ermittlungsmethoden für die Polizei haben. Ohne die wären Ermittlungserfolge gerade in diesem Bereich gar nicht möglich.
Letzter Punkt. In diesem strukturellen Bereich sind für mich die vielfältigen Fortbildungsmöglichkeiten in allen Teilen der Staatsregierung interessant, gerade mit Blick auf die Korruptionsprävention. Allerdings muss man auch sagen, dass da immer Luft nach oben ist. Ich denke, das ist eine Daueraufgabe für jede Staatsregierung und jeden Teil der Staatsregierung.
Einer der wichtigsten Bereiche für mich ist der Teil C „Prävention“. Aus der Antwort wird deutlich, was die Staatsregierung zur Korruptionsprävention bereits tut. Im Fall des Innenministeriums ist es am prägnantesten gewesen. Ich will nur einige Punkte nennen: Es sind neben Sensibilisierung, Information und Belehrung oder der normalen Dienst- und Fachaufsicht auch konkrete Maßnahmen wie Personalrotation, Anzeige oder Genehmigungspflichten bei Nebentätigkeiten, Regeln zur Annahme von Belohnung und Geschenken oder organisatorische Maßnahmen wie Vier-Augen-Prinzip oder Trennung von bestimmten sensiblen Aufgabenbereichen. Auch das ist ein Bereich, wo man allgemein formulieren kann: Dort sollte Verwaltung immer noch besser werden wollen. Ich denke, das kann man größtenteils so unterstreichen.