Herr Lippmann, ich habe nur eine bescheidene Frage. Ich habe es jetzt akustisch so vernommen, dass Sie Mitgliedern der Staatsregierung bis zu 36 Monaten nach dem Ausscheiden eine Beschäftigung verbieten wollen. Ist Ihnen bekannt, dass das Übergangsgeld unter Umständen gar nicht so lange gezahlt wird?
Herr Pohle, vielen Dank für die Frage. Jetzt geben Sie mir gerade Redezeit, um Ihre Frage zu beantworten, die ich vielleicht für meine Rede gebraucht hätte; denn dieser Punkt wäre noch gekommen.
Ja. Natürlich haben wir dann ein Problem, auch mit der Ausübung der Berufsfreiheit. Dazu komme ich gleich, Herr Pohle.
Nein, die fangen dann hoffentlich nicht alle bei Herrn Pohle an. Das ist Herrn Pohle nicht zuzumuten.
Wenn demnächst alle CDU-Minister bei Herrn Pohle anfangen, dann weiß ich nicht, ob sich Herr Pohle darüber freuen wird – das nur am Rande.
Uns ist eben durchaus bewusst – ich setze meine Rede fort –, dass eine solche Regelung erheblich in die Berufsfreiheit eingreift. Aus diesem Grund haben wir für den Fall der Untersagung der Beschäftigung eine Rechtsgrundlage für die Zahlung des Übergangsgeldes für die Dauer der Karenzzeit aufgenommen. So können wir dann auch rechtfertigen, dass die sogenannte Abkühlphase in
Wer diese Zeit übrigens für zu lange hält, den verweise ich gern auf das sächsische Beamtenrecht. Nach § 110 des Beamtengesetzes gelten die Anzeigepflicht und die Untersagungsmöglichkeit für alle Berufsbeamten sogar in den ersten fünf Jahren nach Beendigung der entsprechenden Amtszeit.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Im Bund gibt es seit Mitte 2015 eine Karenzzeitregelung, an der wir uns mit unserem Gesetzentwurf im Wesentlichen orientieren. Die Bundesregierung hat aktuell aufgrund der Empfehlung des Gremiums sowohl den geplanten Wechsel des Innenministers de Maizière zur Telekom als auch den des Wirtschafts- und Außenministers Gabriel zu Siemens und den des kommissarischen Verkehrsministers Schmidt zur Deutschen Bahn bis Ablauf der entsprechenden Karenzzeit auf Eis gelegt.
Das Karenzzeitgesetz des Bundes greift erst einmal. Es scheint ziemlich gut zu funktionieren. Andere Bundesländer haben ähnliche Regelungen. Ein Karenzzeitgesetz stünde auch Sachsen gut zu Gesicht und wäre ein wichtiges Signal gerade auch mit Blick auf die anstehenden Wahlen und die absehbaren Auseinandersetzungen.
Werte Kolleginnen und Kollegen von der CDU! Nun habe ich in der Presse schon vernommen, es handelte sich um Schaufensterpolitik, weil dieser Gesetzentwurf erst jetzt eingebracht würde. Das können Sie gern so sehen. Gestern mahnte aber, ich glaube, Ihr Ministerpräsident Kon
sequenz an. Also seien Sie einmal so konsequent und geben Sie in unsere großartige Parlamentsdatenbank EDAS einmal die Parameter „Gesetzentwürfe“, „Koalition“ und „Staatsregierung“ sowie das Zeitfenster vom 1. Januar bis heute ein. Die Pointe nehme ich vorweg: Sie finden seit Jahresbeginn bis zum heutigen Tag 15 Gesetzentwürfe aus Ihrer Feder. Das waren sicherlich – die Wette gehe ich ein – noch nicht alle, die dieses Hohe Haus erreichen werden.
Würde ich jetzt diese 15 Initiativen wegen der Einreichung kurz vor Toresschluss als Schaufensterpolitik bezeichnen und mich der Debatte verweigern, dann wäre Ihr Aufschrei sicher. Von daher rate ich Ihnen schon einmal, sich von diesem Scheinargument zu verabschieden und sich einer sachlichen Debatte über die Karenzzeit und vor allem darüber zu stellen, warum es notwendig ist, diese in Sachsen einzuführen. Es ist an der Zeit dafür.
Meine Damen und Herren! Das Präsidium schlägt Ihnen vor, den Entwurf des Gesetzes zur Einführung einer Karenzzeit für Mitglieder der Staatsregierung an den Verfassungs- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer dem Vorschlag der Überweisung an diesen Ausschuss zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Auch keine. Damit ist die Überweisung beschlossen worden. Der Tagesordnungspunkt ist beendet.
Es liegt keine Empfehlung des Präsidiums vor, eine allgemeine Aussprache durchzuführen. Es spricht daher nur die Einreicherin, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Herr Kollege Lippmann ergreift sofort wieder das Wort und bringt auch diesen Gesetzentwurf ein.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir bringen – schon wie in der letzten Legislaturperiode – ein Gesetz für die bessere Kontrolle der Polizeiarbeit ein. Nicht etwa, weil wir Spaß am Schreiben von Gesetzentwürfen haben,
sondern weil es notwendig ist, jetzt den erneuten Versuch für eine neue Polizeikultur in Sachsen mit einer besseren Beschwerdekultur und einer besseren Fehlerkultur, die diesen Namen auch verdient, zu unternehmen.
Das Problem der fehlenden unabhängigen Kontrolle polizeilichen Handelns ist in den letzten Jahren nicht kleiner, sondern größer geworden. Die Zahlen der Beschwerden über polizeiliches Fehlverhalten sind hoch. Die Frustration über unverhältnismäßiges polizeiliches Handeln wie unlängst wieder im Zusammenhang mit dem 15. Februar 2019 in Dresden ist groß. Zwar müht sich die Koalition gerade sichtlich, den zahnlosen Tiger der Beschwerdestelle mit dem Anschein eines Gebisses zu versehen, scheitert aber mit Blick auf die Verlagerung der Beschwerdestelle lediglich an die Staatskanzlei deutlich. Der Tiger bleibt ohne nennenswerte Rechte und ohne eine wirkliche Unabhängigkeit eben zahnlos, auch wenn man ihn zukünftig in einen neuen Käfig steckt.
Deswegen machen wir Ihnen heute einen Vorschlag für eine wirkmächtige Beschwerdestruktur bei der Polizei in
Sachsen, unabhängig und mit größtmöglichen Rechten. Gerade in einer Situation, in der durch ein neues Polizeigesetz zum Sturm auf die Freiheit geblasen wird, wollen wir im Freistaat Sachsen die Bürgerrechte besser schützen. Auch unsere Beschwerdestelle ist eine, an die sich Bürgerinnen und Bürger genauso wie Polizeibedienstete wenden können, um auf Missstände hinzuweisen. Wir schlagen vor, dass sie beim Landtag als Polizeikommission berufen wird. Um ihre Unabhängigkeit zu unterstreichen, werden alle sechs Mitglieder vom Landtag gewählt, mit einfacher bzw. qualifizierter Mehrheit. Ihre Vorsitzende bzw. ihr Vorsitzender trägt die Amtsbezeichnung Polizeibeauftragte bzw. Polizeibeauftragter des Freistaates Sachsen, um einen mit Vertrauen ausgestatteten Ansprechpartner zu etablieren.
Da die Polizeikommission nicht nur als Beschwerdestelle fungieren, sondern darüber hinaus auch den Landtag in seiner parlamentarischen Kontrolle der Polizei unterstützen soll, schlagen wir vor, dass die Mitglieder der Kommission über Erfahrung in den Bereichen Justizverwaltung, Menschenrechts- und Bürgerrechtsarbeit verfügen. Zwei Mitglieder müssen über ein zweites juristisches Staatsexamen verfügen, zwei Mitglieder über mindestens fünf Jahre Erfahrung im sächsischen Polizeidienst. Dies soll den Sachverstand innerhalb der Kommission bündeln. Mit der Anbindung an den Landtag, die Wahl durch den Landtag auf sechs Jahre und Zurverfügungstellung der notwendigen Personal- und Sachausstattung sind die Mitglieder in der Ausübung ihrer Ämter tatsächlich und eben nicht nur auf dem Papier wie bei der Koalition unabhängig, weisungsfrei und nur dem Gesetz unterworfen.
Deutlich weiter als die in der Staatskanzlei von der Koalition angesiedelte Beschwerdestelle gehen wir bei den Aufgaben und bei den Rechten der Polizeikommission nach unserem Gesetzentwurf. Diese soll nicht nur Ansprechpartnerin sein, sondern den Landtag bei der parlamentarischen Kontrolle der Polizei unterstützen. Sie hat daher auch die Aufgabe, interne Fehlentwicklung und daraus folgende Gefährdungen rechtstaatlichen Verhaltens bei der Polizei selbst zu erkennen und darüber zu berichten. Sie ist zu Entwürfen von Verwaltungsvorschriften, Rechtsverordnungen und Gesetzen zu hören. Die Mitglieder – und das ist uns wichtig – dürfen Polizeieinsätze und Polizeimaßnahmen jederzeit und ungehindert beobachten. Der Kommission ist Auskunft auf Fragen zu erteilen und Einsicht in Unterlagen, Akten und Datenbanksystemen zu gewähren, die polizeiliche Aufgaben betreffen. Ihr ist der Zutritt zu den Diensträumen jederzeit zu gewähren, und sie kann Polizeibedienstete laden und einvernehmen sowie Beschwerdeführer, Zeugen und Sachverständige anhören. Anders als beim Vorschlag der Koalition soll dies auch unabhängig von einer konkreten Beschwerde gelten. Denn die Erfahrung lehrt uns, dass es nicht immer eine konkrete Beschwerde eines Betroffenen geben muss, um offensichtliches polizeiliches Fehlverhalten aufklären zu müssen.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Würde man sich derzeit an die von Ihnen geplante Beschwerdestelle im Innenministerium oder der Staatskanzlei wenden und diese einen konkreten Beschwerdesachverhalt feststellen, würde dann wohl Folgendes passieren: nichts. Sie soll nämlich lediglich nach ihrem Auftrag darauf hinwirken, dass der Beschwerde abgeholfen wird. Das klingt eher nach einem erhobenen Zeigefinger als nach einer wirkmächtigen Maßnahme zur Polizeikontrolle. Sie kann außerdem Empfehlungen an das Innenministerium und nachgeordnete Dienststellen der Polizei aussprechen, ohne dass jemand weiß, was mit diesen Empfehlungen dann tatsächlich passiert.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Solche Halbherzigkeiten können wir uns bei Beschwerden über Polizeiarbeit zukünftig in Sachsen nicht mehr leisten. Wir sehen in unserem Gesetzentwurf deshalb ein Beanstandungsrecht der Polizeikommission bei Grundrechtsverletzungen, Grundrechtsverstößen und sonstigen Mängeln vor. Wir haben dieses Beanstandungsrecht an das vor Einführung der Datenschutzgrundverordnung geltende Recht für den Sächsischen Datenschutzbeauftragten angelehnt, mit den Pflichten zur Stellungnahme und Fristen zur Behebung von konkreten Verstößen. Wie auch der Entwurf der Koalition sieht unser Gesetzentwurf eine jährliche Berichtspflicht vor, allerdings gegenüber dem Landtag. Auch diese Regelung unterstreicht das Ziel, die Polizei zukünftig besser parlamentarisch kontrollieren zu können. Hinzukommt das Recht des Landtages, des Innenausschusses oder einer Fraktion, die Polizeikommission um Gutachten zu Vorgängen innerhalb der Polizei zu ersuchen. Eine solche Möglichkeit, polizeiliche Einsätze, die offensichtlich schiefgelaufen sind, unabhängig zu prüfen, wäre zuletzt bei den Ereignissen rund um den Hutbürger oder um das Planungsversagen der Polizei in Chemnitz mehr als hilfreich gewesen und hätte uns so manche Märchenstunde des Innenministeriums im Ausschuss erspart.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Erst am Dienstag musste ich mir bei der Anhörung zur Bodycam anhören, wir würden die Polizei unter Generalverdacht stellen, wenn wir bessere Kontrolle und dazu auch noch eine Kennzeichnungspflicht fordern würden. Ich bin es ehrlich gesagt langsam leid, das zu hören. Was hat eigentlich eine Polizei zu verbergen, wenn sie sich vehement gegen Kontrolle und Kennzeichnung ausspricht? Wir brauchen doch endlich einmal eine Fehlerkultur – und das sage ich auch mit Blick auf das Interview mit dem Landespolizeipräsidenten, was kürzlich erschienen ist –, die eine unabhängige Kontrolle ermöglicht, statt diese permanent als Teufelswerk zu verdammen. Die allermeisten Polizistinnen und Polizisten in diesem Freistaat machen Tag für Tag einen guten Job. Sie arbeiten professionell und verdienen hohe Anerkennung für ihre Arbeit und verdienen das auch vollkommen zu Recht. Sie tragen eine hohe Verantwortung zum Schutz der Grundrechte und des Rechtsstaates, haben aber aufgrund des staatlichen Ge
Dieser Verantwortung sind aus unserer Sicht zwingend Elemente der Eigen- und Fremdkontrolle gegenüberzustellen. Nur so kann sich die Polizei tagtäglich auch in diesem Bereich das Vertrauen erarbeiten, das von ihr eingefordert wird. Denn in der Öffentlichkeit diskutierte Fälle wie die von Heidenau über Clausnitz bis hin zu Chemnitz und regelmäßige Beschwerden über Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte, die ihrer Ausweispflicht beispielsweise nach dem Polizeigesetz nicht nachkommen, sind nicht hinnehmbar und verlangen es endlich, strukturell auch vonseiten des Gesetzgebers zu handeln.
Gerade um nicht die gesamte Polizei unter Generalverdacht zu stellen, ist es wichtig, auf Verfehlungen oder rechtswidriges Verhalten zu reagieren, strukturelle Missstände zu erkennen und zu beseitigen. Das gilt auch und gerade für den Umgang mit Polizistinnen und Polizisten innerhalb des Dienstes. Auch diese müssen die Möglichkeit haben, auf Probleme und Benachteiligungen hinzuweisen, ohne dadurch auf dem Dienstweg Nachteile befürchten zu müssen. Gerade hier kann eine Beschwerdestelle auch dafür sorgen, dass innerhalb des Apparates, aber eben nur, wenn sie unabhängig ist, Vertrauen gestärkt wird und Missstände aufgedeckt werden.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Durch unsere Polizeikommission wird eine neue Fehlerkultur als Teil einer neuen Polizeikultur in Sachsen etabliert. Eine so unabhängig kontrollierte Polizei trägt maßgeblich zur Stärkung des Vertrauens in den freiheitlich-demokratischen Rechtstaat bei. Wer die Bürgerrechte schützen will, kommt um eine unabhängige Beschwerdestelle genauso nicht herum wie um eine Kennzeichnungspflicht. Das sind übrigens auch die einzigen Änderungen, die es im Polizeigesetz derzeit überhaupt braucht und nicht die gesetzentwurfsgewordenen Überwachungsfantasien dieser Koalition.
Meine Damen und Herren! Das Präsidium schlägt Ihnen vor, den Entwurf „Gesetz über die Polizeikommission zur Unterstützung rechtmäßiger Polizeiarbeit im Freistaat Sachsen“ an den Innenausschuss zu überweisen. Wer dem Vorschlag der Überweisung an diesen Ausschuss zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Auch keine. Damit ist die Überweisung beschlossen und der Tagesordnungspunkt ist beendet.