Protocol of the Session on January 31, 2019

Gemäß Punkt 2 soll die Staatsregierung erneut über ihre Aktivitäten berichten. Nur zu! Der letzte Bericht von Frau Klepsch zum letzten Antrag der Koalition zum gleichen Thema ist schon wieder ein Jahr alt.

Die Abgeordneten, die regelmäßig die arbeitsmarktpolitischen Gespräche mit ihren jeweiligen Arbeitsagenturen nutzen, sind gut über den Umsetzungsstand informiert. Wir hatten in Chemnitz zum Beispiel im letzten Jahr eine sehr ausführliche Bilanzveranstaltung zu fünf Jahren Jugendberufsagentur. Aber eine neue Drucksache dazu schadet bestimmt nicht.

In Punkt 3 stellen Sie wirklich noch einmal die Inhalte der bereits beschlossenen Kooperationsvereinbarung dem Landtag zur Abstimmung. Wir dürfen jetzt darüber philosophieren, worin der Unterschied zwischen einem gemeinsamen öffentlichen Auftritt und einer gemeinsamen Dachmarke mit dem Ziel eines einheitlichen Auftretens besteht. Die Frage nach dem Unterschied stellt sich ja nur, wenn man auf der Suche nach einem neuen Vorschlag ist. Aber möglicherweise ist der Antrag gar nicht so gemeint.

Inhaltsarm ist natürlich auch Punkt 4, Fachlichkeit und Evaluation.

Meine Damen und Herren! Das sind schlicht und ergreifend die Voraussetzungen vom Förderprogramm JubaS. Wer die nicht sicherstellt, wird nicht gefördert. Aber wir können das gern heute noch einmal beschließen.

Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Wir GRÜNEN unterstützen Jugendberufsagenturen von Anfang an wegen des wachsenden Fachkräftebedarfs, wegen hoher Abbruchquoten in Schule und Ausbildung und vor allem, weil junge Menschen beim Übergang zum Berufsleben natürlich Begleitung und Unterstützung brauchen.

Dabei habe ich besonders auch die Jugendlichen im Blick, deren Lebenslage durch Armut, Schulden, Wohnungslosigkeit, psychische Erkrankung und oft auch durch zahlreiche Erfahrungen des persönlichen, schulischen oder beruflichen Misserfolgs geprägt ist. Einige von ihnen verweigern sich auch komplett. Diese jungen Menschen brauchen zunächst bedingungslose und sofortige Hilfe zur Grundversorgung und den Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung ohne Sanktionen.

In der Chemnitzer Jugendberufsagentur leisten diese sensible Arbeit sogenannte Lotsen. Das sind sozialpädagogische Fachkräfte, die Jugendliche aus schweren Lebensverhältnissen kontinuierlich begleiten und unter

stützen, damit Sie einen Weg aus der Sackgasse finden, in die sie geraten sind.

Gerade hier treffen Leistungen der Jugendhilfe auf Leistungen der Arbeitsverwaltung. Dabei ist die Datenweitergabe tatsächlich ein sehr sensibles Thema, besonders dann, wenn Fachkräfte aus völlig unterschiedlichen Rechtskreisen unter einem Dach in einem Team zusammenarbeiten. Jugendhilfe darf nicht verpflichtet werden, Informationen über ihre Klienten weiterzugeben. Im schlimmsten Fall werden diese durch die Sanktionspraxis der Arbeitsverwaltung zweckentfremdet, und das mühsam aufgebaute Vertrauen ist dann zerstört. Der Punkt IV im Antrag ist daher wirklich wichtig, um zu einer Rechtssicherheit für alle Beteiligten in Bezug auf den Datenaustausch zu kommen.

Wir werden Ihrem Antrag zustimmen, auch wenn er wenig Neues enthält. Sie dürfen gewiss sein, dass wir die Entwicklung der Jugendberufsagenturen schon seit Jahren und unabhängig von Ihren wiederholten Anträgen intensiv begleiten.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Amt. Präsident Thomas Colditz: Vielen Dank, Herr Zschocke. Es gibt Bedarf für eine zweite Runde. Ich rufe Herrn Jörg Kiesewetter von der CDU-Fraktion auf; bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es bereits ausgiebig in der ersten Runde gehört: Die Zahl der freien Ausbildungsplätze in Sachsen steigt, gleichzeitig brechen aber immer noch zu viele Jugendliche ihre Ausbildung ab oder beginnen erst gar keine Ausbildung. Zudem werden zunehmend Passungsprobleme identifiziert, die vielschichtige Ursachen haben, angefangen von regionalen und branchenbezogenen Abweichungen von Angebot und Nachfrage auf dem Ausbildungsmarkt und Imageprobleme in bestimmten Berufsfeldern, über schwierige individuelle Berufsfindungsprozesse bis hin zu psychosozialen Problemlagen.

Es ist bereits in den Vorgängerbeiträgen recht deutlich geworden: Je komplexer die Problemlagen junger Menschen sind, die besonderer Hilfestellung in dieser Lebensphase bedürfen, desto differenzierter wird die vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellte Unterstützung über die einschlägigen Sozialgesetzbücher II, III und VIII. Nicht selten werden in diesem Zusammenhang Potenziale aufgrund schwieriger Abstimmungsprozesse nicht hinreichend genutzt, und vorhandene Mittel werden nicht effizient genug eingesetzt.

Genau dort setzt das Konzept der Jugendberufsagenturen an. Sie tragen dazu bei, junge Menschen mit Startschwierigkeiten an der Schwelle zum Berufsleben zu stärken und ihnen individuell berufliche Perspektiven zu eröffnen.

Ziel ist es, dass jeder junge Mensch nach Möglichkeit einen voll qualifizierten Berufsabschluss erreicht. Eine nachhaltige Integration in den Ausbildungs- und Arbeits

markt liegt also erstens im Interesse der jungen Menschen selbst, im Hinblick auf einen gelingenden Lebensentwurf, zweitens im Interesse der Wirtschaft, im Hinblick auf die Fachkräftesicherung und drittens auch im Interesse der Gesellschaft im Hinblick auf soziale und ökonomische Stabilität.

Jugendberufsagentur bedeutet eine zielgerichtete Koordinierung und Steuerung sowie Kommunikation verschiedenster Programme und Angebote auf der Basis regionaler Bedarfe.

Lassen Sie mich kurz auf einige wesentliche Schwerpunkte eingehen, die ich als unverzichtbare Kernelemente der Jugendberufsagenturen sehe: Das ist zum einen die Bündelung der berufsbezogenen Hilfsangebote und die entsprechende Weiterentwicklung. Im Mittelpunkt – das haben wir bereits gehört – stehen die entsprechenden Sozialgesetzbücher II und III für den Bereich der Arbeitsmarktpolitik, das Sozialgesetzbuch VIII für die Jugendhilfe sowie für die allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen, ferner noch die SGB IX und XII.

Die zuständigen Institutionen und die dort arbeitenden Fachkräfte haben das gemeinsame Ziel, junge Menschen in Ausbildung und Beschäftigung zu bringen. Zur Vermeidung von Reibungsverlusten und Brüchen im Integrationsprozess werden im ersten Schritt vorhandene Hilfsangebote gebündelt und im zweiten die entsprechenden Angebote qualitativ weiterentwickelt, natürlich mit dem Ziel, ein gemeinsames Vorgehen zu schaffen, bei der Integration Förderlücken zu schließen und eventuelle Doppelförderungen zu vermeiden.

Auch die Wahl der Organisationsform ist wichtig. Die Arbeit in den Jugendberufsagenturen soll unter dem Motto „Hand in Hand“ erfolgen. Sie sind ausdrücklich keine neuen Organisationen im Sinne einer eigenständigen Organisation und Institution, sondern zielen auf eine verbindliche Zusammenarbeit der relevanten Akteure ab.

Dem in erster Linie inhaltlichen Ansatz „unter einem Dach“ entspricht im Idealfall auch die räumliche Gestaltung der Jugendberufsagentur als gemeinsame Anlaufstelle. Ebenso kommt es auf die Wahl der richtigen Zielgruppen an. Das Angebot der Jugendberufsagenturen steht grundsätzlich allen jungen Menschen offen, die in der Regel das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und sich am Übergang von der Schule in das Berufsleben befinden.

Ein Großteil der jungen Menschen wird sicherlich mit punktueller Beratung und Unterstützung seinen Weg gehen. Umso dringender ist es aber, dass die Fokussierung der vorhandenen Ressourcen auf die jungen Menschen erfolgt, die zahlreiche Risiken aufweisen und die bisher nicht oder nur unvollständig erreicht werden konnten.

Keinesfalls soll jedem jungen Menschen der gesamte Instrumentenkasten aller beteiligten Organisationen

angedient werden, sondern Ziel ist es, ein auf individuelle

Bedürfnisse ausgerichtetes Hilfsangebot jeweils zu etablieren.

Damit die Jugendberufsagenturen erfolgreich arbeiten, gilt es, die Qualität der Kooperation entsprechend sicherzustellen. Von entscheidender Bedeutung für den Erfolg ist die Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses der komplexen Aufgabe und eine wertschätzende Kultur in der Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure. Kooperation wird dann sinnvoll und erfolgreich, wenn für alle Beteiligten erkennbar wird, dass ihr gemeinsames Handeln auf der Basis ihrer jeweiligen Verantwortungsbereiche und ihrer Handlungsgrundsätze zu mehr Erfolgen bei der beruflichen Integration von jungen Menschen führt.

Eine gestaltende und abstimmende Zusammenarbeit der Rechtskreise erfordert im Bedarfsfall auch einen direkten, datenschutzkonformen Informationsaustausch, ein abgestimmtes Fallmanagement und eine Schweigepflichtentbindung der jungen Menschen. Deshalb ist es wichtig und richtig, wenn wir uns in diesem Zusammenhang für einen verbesserten Datenaustausch sowie eine verbesserte bundesgesetzliche Voraussetzung für länderspezifische Lösungen der rechtskreisübergreifenden Zusammenarbeit einsetzen.

Die bisherigen Regelungen und die Arbeitshilfe zum Datenschutz mit ihren 49 Seiten sind aus meiner Sicht noch zu wenig praktikabel.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir wollen, dass die Integration junger Menschen ins Erwerbsleben beim Übergang von der Schule zum Beruf erfolgreich gelingt. Die systematische Beteiligung der jungen Menschen ist für mich in diesem Zusammenhang ein zentraler Erfolgsfaktor, um das handlungsleitende Ziel der Zusammenarbeit in den Jugendberufsagenturen auch gemeinsam mit den jungen Menschen verwirklichen zu können. Partizipation ist die beste Grundlage, um junge Menschen zu motivieren und stabile Übergänge in den Beruf zu erreichen. Diesem Ansatz folgt das Landesprogramm Jugendberufsagenturen Sachsen. Lassen Sie uns also gemeinsam mehr erreichen!

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Amt. Präsident Thomas Colditz: Vielen Dank, Herr Kiesewetter. Ich frage an dieser Stelle noch einmal: Gibt es weiteren Redebedarf aus den Fraktionen? – Das ist nicht der Fall. Dann möchte ich Herrn Staatsminister Dulig um die Stellungnahme der Staatsregierung bitten.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Den Vorwurf, die Koalition würde hier einen Antrag präsentieren, um sich zu feiern und zu loben, weise ich ausdrücklich nicht von mir. Er stimmt.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Denn es tut auch einmal gut, sich auf das zu konzentrieren, was wir gut machen. Ich finde es an der Stelle schon sinnvoll, über den Inhalt zu reden.

Ich war etwas enttäuscht, Herr Zschocke. Sie haben sich in 80 % Ihrer Rede lieber mit Form und Hülle beschäftigt als mit dem Inhalt. Da war ich schon eher bei Herrn Brünler, zumindest die Probleme, die wir überhaupt beim Übergang von Schule zum Beruf haben, zu beschreiben, um dann darüber zu reden:

Welche sind die richtigen Instrumente? Man kann sich gern darüber streiten, ob der Antrag in allen Punkten richtig und zukunftsweisend ist; aber es geht bei der Frage, warum wir Jugendberufsagenturen wollen, um etwas anderes: Das ist nämlich auch ein Philosophiewechsel und nicht nur eine Struktur. Deshalb würde ich mich freuen, wenn wir zu einer Debattenkultur kämen, bei der wir uns um Inhalte streiten: ob der Anspruch, den wir haben – den Übergang von Schule zum Beruf besser zu gestalten –, vollumfänglich funktioniert; denn das hat auch damit zu tun, dass alle Akteure ihrer Verantwortung gerecht werden. Es geht eben nicht nur darum, eine Hülle wie eine Jugendberufsagentur zu beschreiben, sondern sie so auszugestalten und mit Leben zu erfüllen, dass sie funktioniert. Deshalb bin ich froh, dass wir diesen Antrag haben, um sagen zu können, dass wir das gut und richtig gemacht haben, und nicht nur das Haar in der Suppe suchen und zu sagen, was alles nicht geht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wurde bereits darauf hingewiesen: Junge Menschen haben heute viel bessere Voraussetzungen und Chancen als noch vor einigen Jahren. Der Arbeits- und Ausbildungsmarkt in Sachsen hat sich gedreht und bietet vielfältige Möglichkeiten und Chancen. Aber damit dürfen wir uns nicht zufriedengeben. Denn es geht auch darum, dass jene, die zum Beispiel ihre Ausbildung oder ihr Studium abbrechen, entweder vorher bereits die Möglichkeit haben, sich besser zu orientieren, oder im Fall des Abbruchs aufgefangen werden und konkrete Chancen bekommen. Deshalb auch noch einmal von meiner Seite: Wir können und wollen auf kein einziges Talent verzichten.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Was uns in der Debatte vor allem hilft, ist, einmal den Perspektivenwechsel zu vollziehen: Nehmen wir doch einmal die Perspektive von Jugendlichen ein und erklären aus ihrer Sicht, was der Mehrwert einer Jugendberufsagentur sein kann. Ich nenne drei Beispiele dazu:

Wenn jemand durch sein Wohnumfeld und die dort angesiedelten Unternehmen lediglich eine sehr kleine Auswahl hat, was an Berufsbildern möglich ist, nur diese kennt und sich darin überhaupt nicht wiederfindet. Dann können wir ihm mithilfe einer Jugendberufsagentur zeigen, welche Vielfalt an Berufsbildern vorhanden ist und welche Möglichkeiten es noch gibt.

Oder der Jugendliche, der bereits in der Schule solche Schwierigkeiten hat, dass die Chancen für die Aufnahme einer Ausbildung eher gering sind: Wir können ihm

aufzeigen, welche anderen Maßnahmen es gibt, um beispielsweise über eine praktische Tätigkeit neues Selbstwertgefühl zu erlangen, und dann gemeinsam schauen, worin seine Fähigkeiten und Stärken liegen. Wenn der junge Mensch zwar seine berufliche Richtung kennt und dennoch am Studium gescheitert ist, dann können wir ihm aufzeigen, welche Chancen es zum Beispiel in der dualen Ausbildung in den jeweiligen Berufsbildern gibt, und gemeinsam mit ihm ein geeignetes Unternehmen für einen Ausbildungsplatz suchen; oder eine Jugendliche, die schwanger geworden ist und für die es erst einmal ganz andere Probleme gibt, die vorrangig zu lösen sind.

Auch sie können wir mit der Jugendberufsagentur unterstützen, ihr Leben neu zu ordnen und Kind und Ausbildung unter einen Hut zu bekommen; sei es durch eine Berufsvorbereitungsmaßnahme oder dadurch, dass ihr Unterstützungsmöglichkeiten von der Kinderbetreuung bis zur Erklärung von Erziehungsfragen eröffnet werden.

Dies alles sind Beispiele, die zeigen, wie Jugendliche gar nicht erst zu einem Fall für bestimmte Behörden werden. Genau das ist für mich das zentrale Thema, das habe ich in allen Debatten zur Jugendberufsagentur immer wieder gesagt: Wir müssen weg von der Philosophie der Jugendhilfe in Deutschland, die nur defizitorientiert ist und erst dann eingreift und hilft, wenn ein Problem vorhanden ist. Mit einer Jugendberufsagentur geht es darum, allen Jugendlichen eine Perspektive zu eröffnen und den unterschiedlichen Unterstützungsbedarf zu erkennen – nicht erst dann, wenn ein Jugendlicher zu einem Fall geworden ist.

Es geht darum, dass junge Menschen in ihrer individuellen Lebenssituation diese Angebote zur Unterstützung erhalten, damit sie ihren eigenen Weg gehen können. Um alle Akteure zu vernetzen, braucht es natürlich eine vertrauensvolle Zusammenarbeit im Rahmen einer Jugendberufsagentur,. Das Prinzip, dass die Zuständigkeiten unter einem Dach zu bündeln sind – von mir aus auch virtuell –, ist richtig. Man kann das mit einem Orchester vergleichen: Dort muss der Einsatz aller Instrumente auch genau abgestimmt sein, und es muss gut dirigiert werden.

Das bietet sich im übertragenen Sinne auch für den Übergang von der Schule zum Beruf an; denn es gibt auch viele Instrumente mit sehr unterschiedlichen Eigenschaften, die sich dabei anbieten. Es geht darum, dass die unterschiedlichen Akteure ihr Wissen zusammenlegen, ihre Arbeit aufeinander abstimmen und so bündeln, dass ein harmonisches Konzert das Ergebnis ist und die jungen Menschen erreicht werden. Ich sage aber auch ganz klar: Welches Lied gespielt wird, das sollen die jungen Leute selbst bestimmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Zeit des Übergangs von der Schule in das Berufsleben, bei dem Jugendliche den Weg in eine Ausbildung oder ein Studium finden müssen, ist für viele eine Herausforderung. Gerade die Vielfalt der Möglichkeiten macht die Orientierung nicht immer leicht, und dazu kommen noch unsere Regelungen.