Protocol of the Session on January 30, 2019

Herzlichen Dank und Glück auf!

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Kollege Baum sprach für die SPD-Fraktion.

(Heiko Kosel, DIE LINKE, steht am Mikrofon.)

Es gibt eine Kurzintervention von Herrn Kosel. Sie bezieht sich auf den Redebeitrag von Herrn Kollegen Baum. Bitte, Herr Kosel, Sie haben das Wort.

Ich möchte vom Instrument der Kurzintervention Gebrauch machen und mich auf die Aussagen meines Vorredners bezüglich des Ortes Mühlrose beziehen. Mein Vorredner hat den Eindruck erweckt, als ob alle Einwohner dieses Ortes die Umsiedlung wünschten. Die Situation in Mühlrose ist viel komplizierter. Wir sollten sie nicht durch solche Verkürzungen unangemessen darstellen. Es gibt einige Menschen in Mühlrose, die die Umsiedlung nicht wünschen. Darauf wollte ich nur aufmerksam machen.

(Beifall bei den LINKEN – Lothar Bienst, CDU: 90 % sind dafür!)

Das war Herr Kollege Kosel mit einer Kurzintervention. Herr Kollege Baum möchte erwidern.

Herr Kollege Kosel, ich weiß nicht, was bei Ihnen „viele“ sind, aber fünf, sechs oder vielleicht acht von 200 sind nun wirklich nicht viele. Es gibt eine Petition an den Sächsischen Landtag, die kürzlich eingegangen ist, die fast alle Einwohner von Mühlrose unterschrieben haben. Die gesamte Gemeinde will umsiedeln.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Muss sie ja jetzt auch! – Weitere Zurufe)

Das waren Kurzintervention und Reaktion. Jetzt haben wir dieses Instrumentarium genutzt und es geht in der Rednerreihe weiter. Bitte, Kollege Wippel, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete! Die Kohlekommission hat auf Druck der etablierten Parteien beschlossen, aus der Kohle auszusteigen. Man hat beschlossen, auf Druck der etablierten Parteien aus der Vernunft auszusteigen.

(Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU: Sie sind keine etablierte Partei?)

Regenerative Energien sind bis heute nicht grundlastfähig, und eine Lösung des Problems ist auch nicht in Sicht. Um es bildlich zu sagen: Sie steigen auf eine Brücke, deren Zustand Sie nicht kennen, deren Ende Sie nicht kennen, aber Sie beginnen schon einmal, alles hinter sich abzureißen.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren, es ist völlig klar: Jedes Kind, das einigermaßen bei Verstand ist, versteht, dass es sinnlos ist, in Deutschland Kraftwerke abzuschalten, um dann Atomstrom oder Kohlestrom aus dem Ausland zu kaufen.

(Lachen des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Die Debatte, die Sie angestoßen haben, liebe LINKE, ist eigentlich eine Scheindebatte, denn Sie wollen einen sozial verträglichen Ausstieg. Aber das ist ein Widerspruch in sich, denn Sie gaukeln vor, dass 170 Milliarden Euro, die der ganze Spaß kosten wird – zumindest nach Berechnung der DIHK –, sich irgendwie sozial gerecht verteilen lassen würden. Ich muss ganz ehrlich sagen, es grenzt schon ein Stück weit an Verblödung zu behaupten, dass Stromkunden nicht bezahlen werden, sondern dass der Steuerzahler dafür bezahlt.

(Zuruf von den LINKEN)

Da haben die sächsischen Bürger wirklich Glück gehabt – was? Ich sage Ihnen einmal drei Gründe, warum es teuer werden wird:

Erstens, die Rückstellungen von EPH sind noch nicht da. Sie sind über das gesamte Revierkonzept hochgerechnet und kommen in Jahresscheiben.

Zweitens, das Revierkonzept geht auch nicht auf; denn wenn man vorher aufhört, den Tagebau auszubaggern, auszukohlen, so wie es vorgesehen ist, hat man da, wo man endet, plötzlich eine andere Geologie, und dann entstehen auch Folgekosten. Das heißt, die Renaturierung wird teurer werden, und zwar erheblich teurer, und das wird Folgekosten bedeuten, auch für die nächsten Generationen.

Zum Dritten wird das Ganze teuer, weil Sie arbeitswillige Menschen in den Vorruhestand schicken wollen. Die Wertschöpfung, die in der Region stattgefunden hat, wird an der Stelle enden, und das in einer Region, in der 50 % der Menschen im Niedriglohnsektor arbeiten und die Arbeitslosenquote doppelt so hoch ist wie im sächsischen Landesschnitt.

Um es auf den Punkt zu bringen: Mit diesem Ausstieg ziehen Sie der Region, der Lausitz, komplett die Stütze weg. Die CDU und die SPD haben im Kampf um die Braunkohle schlicht versagt. Die Entscheidungen des Bundes sind falsch. Das Revierkonzept muss umgesetzt werden und die Kraftwerke müssen erhalten werden, bis die letzte Schaufel Kohle aus den Tagebauen heraus ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Das war Herr Wippel für die AfD-Fraktion. Jetzt spricht Herr Dr. Lippold für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Linksfraktion, Danke für diese Debatte. Der zuerst benannte Titel hat mir allerdings besser gefallen, denn die „Irrwege des Ministerpräsidenten“ waren ein Thema, bei dem die Fakten bereits auf dem Tisch liegen. Die Koordinierung der Strukturentwicklung hingegen wurde soeben erst in der Koordinierungsstelle in der Staatskanzlei eingerichtet, und Gewaltenteilung heißt dann schon auch, dass wir sie erst einmal in Gang kommen lassen sollten, bevor wir ihre Arbeit beurteilen und möglicherweise kritisieren.

Wer in die Zukunft gerichtete Entscheidungen diskutieren will, meine Damen und Herren, der muss wissen, wo er heute steht und was das bisherige Agieren bewirkt hat, sonst ist kein zielgerichtetes Handeln möglich. Genau da kommen wir nicht umhin, dennoch erst einmal die Irrwege des Ministerpräsidenten zu betrachten.

Warum werden Pläne und Projekte für die Zeit nach der Kohle nicht schon seit zehn Jahren vorbereitet? So lange stehen nämlich die nationalen Klimaschutzziele – mindestens aber seit drei Jahren –, denn so lange gibt es den

nationalen Klimaschutzplan noch nicht, der erklärtermaßen zum Rahmen für den Einsetzungsbeschluss der Kommission werden sollte und geworden ist. Die Staatsregierung hat sich hingegen darauf verlegt, immer wieder reflexartig Störfeuer zu schießen oder Brandbriefe zu schreiben, wenn das Wort Kohleausstieg ertönte. Was dahintersteckte, scheint ziemlich klar: Wenn wir uns nicht vorbereiten, haben wir mehr Argumente gegen eine Kohleausstiegsdebatte – vor allem das Argument, wir seien auf so etwas nicht vorbereitet und bräuchten folglich mehr Zeit.

Nun ist die Zeit abgelaufen und Sie sind nicht vorbereitet, meine Damen und Herren von der Staatsregierung und der Koalition. Einige Wegmarken der Irrwege des Ministerpräsidenten: Er behauptete, es könne nicht sein, dass die Kommission nun über 2030 diskutiere, denn 2043 sei bereits besprochen – eine seltsame Auffassung zu den Entscheidungsspielräumen meiner Kommission im

Rahmen ihres Einsetzungsbeschlusses. Meinen Sie etwa, was Sie und Wirtschaftsminister Dulig mit der LEAG zu deren Plänen und freundlich daran angepassten Vorsorgevereinbarungen besprechen, hätte genug Bindungswirkung, um die Klimapolitik der Bundesrepublik auch gegen völkerrechtliche Verpflichtungen zu bestimmen? Wenn ja, dann wäre das besorgniserregend.

Sie meinten, Herr Ministerpräsident, angesichts so großer Unterschiede in den Positionen in dieser Kommission wäre ein Beschluss nur akzeptabel, wenn er einheitlich erfolge. Wenn hinter dieser angedrohten Nichtakzeptanz eines immerhin Zweidrittelmehrheitsbeschlusses die

Auffassung steckt, dass eine von Ihnen – und möglicherweise nur noch von Ihnen – für richtig gehaltene Position nicht überstimmbar sein darf, dann wäre das auch eine wirklich besorgniserregende Vorstellung von demokratischen Konsensbildungsprozessen!

Jetzt zünden Sie die nächsten Nebelkerzen, vielleicht in der Hoffnung, nicht sofort, sondern erst nach der Landtagswahl, wenn die Verhandlungen der Bundesregierung mit den Betreibern fortschreiten, weitere Positionen räumen zu müssen – neben allen Positionen, die schon gefallen sind, sollte ich sagen, denn die CDU-Fraktion will offenbar noch immer nach geltender Beschlusslage das ganze 21. Jahrhundert in Sachsen ins Zeichen der Braunkohle stellen.

Der Ministerpräsident hat hier im letzten Plenum behauptet, Deutschland hätte in Paris unterschrieben, 2050 aus der Kohle auszusteigen, und das ist einfach falsch. Er hat sich auf nach 2040 festgelegt mit der Ansage, alles in den Dreißigern sei für Sachsen nicht akzeptabel. Er hat eine Ausnahme für alle sächsischen Braunkohlenkraftwerke von den europäischen Grenzwerten für Großfeuerungsanlagen verlangt und nicht bekommen. Er hat eine Freistellung des Freistaates von allen möglichen Verpflichtungen für Bergbaufolgekosten verlangt und nicht bekommen.

Nun wird in der Staatskanzlei behauptet, das Datum 2038 gelte für alle sächsischen Kraftwerke. Sie wissen ganz genau, dass das nicht stimmt, dass stetiger Kapazitätsaus

bau erforderlich und vereinbart ist und dass nach dem ersten Schritt in NRW die zweite und dritte Etappe des Kohleausstiegs maßgeblich aus ökonomischen Erwägungen betrieben werden wird, die Sie gar nicht in der Hand haben, wenn Sie nicht in der Energiewirtschaft Staatsdirigismus einführen. Sie tun es also schon wieder: Sie gaukeln den Menschen vor, man könne sich nun 20 Jahre zurücklehnen, die jährlichen Überweisungen des Bundes bei der Arbeit an schönen Projekten genießen und die nächste Generation entscheiden lassen, ob man dafür eine klimapolitische Gegenleistung bringt.

(Hannelore Dietzschold, CDU: Quatsch!)

Das ist unwahr und das ist gefährlich,

(Beifall bei den GRÜNEN)

denn tatsächlich können wir in der Lausitz und im mitteldeutschen Revier gar nicht rasch genug in die Gänge kommen. Die Menschen haben dort einen Anspruch auf die Wahrheit. Das sagen wir hier seit Jahr und Tag – und nicht scheibchenweise, sondern offen und ehrlich. Bisher haben Sie es vergeigt. Nun dazu zu stehen – das wäre der erste Schritt zum Bessermachen und um neue Glaubwürdigkeit zu gewinnen, nachdem die alte abhanden gekommen ist. So viel können Sie mit hundert Sachsengesprächen im Kleinen gar nicht heilen, wie Sie im Großen ohne Not an Glaubwürdigkeit einreißen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Nach Herrn Dr. Lippold spricht jetzt Frau Kollegin Dr. Muster, bitte.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch beim Kohleausstieg haben wir ein gelebtes Demokratiedefizit. Bürgerbeteiligung – Fehlanzeige. Die Kohlekommission bestimmt über die Köpfe der Betroffenen die wichtigsten Parameter für den Ausstieg aus der Kohleenergie. Wir haben ja ein klassisches Beispiel für Energieplanwirtschaft.

(Zuruf des Abg. Marco Böhme, DIE LINKE)

Ökologisch soll es sein, also umweltverträglich. Dazu brauchen wir nicht nur den Ausstieg aus der Kohle, und nicht nur in Deutschland. Sozial verträglich soll es sein – also wirtschaftlich und bezahlbar. Die Milliardenbeträge mögen noch wechseln, aber klar ist, dass der deutsche Bürger sie mit seinen Steuern bezahlen wird. Deutschland hat schon jetzt mit die höchsten Strompreise der Welt.

Heißt Versorgungssicherheit eigentlich weiterhin, dass wir gerne, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht bläst, auf Strom aus uralten AKWs und aus Kohlekraftwerken aus Polen, Tschechien und Frankreich zurückgreifen, weil wir mit der Speichertechnologie leider nicht weiterkommen?

Hat man die Beihilfekontrollen der EU beachtet?