Protocol of the Session on January 30, 2019

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Amt. Präsident Thomas Colditz: Vielen Dank. – Die allgemeine Aussprache zum Antrag ist damit beendet. Wir

kommen zum Schlusswort. Ich übergebe das Wort Herrn Kollegen Bartl von der einbringenden Linksfraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Kollege

Modschiedler, dass ich nicht immer ganz darauf vertraue, was der Präsident oder früher der Generalsekretär macht, hängt mit meinem ersten Leben zusammen. Wir haben auch immer gedacht, das macht das Politbüro. Das geht nicht immer auf.

(Heiterkeit und Beifall bei den LINKEN – Zuruf des Abg. Martin Modschiedler, CDU)

Kollegin Meier hatte den Finger drauf. Wir wollten mit dem Antrag niemanden provozieren. Wir wollten auch niemanden in irgendeiner Form verdächtigen. Wir wollten nur wissen, wie die Position des Freistaates in den Verhandlungen ist, wenn morgen die Länderchefs mit der Bundeskanzlerin verhandeln, nachdem sich die ganze Sache seit nunmehr über einem Jahr hinzieht. Der Pakt sollte eigentlich bereits im Juli 2018 unterschrieben werden. Dann sollte er am 4. Dezember unterschrieben werden. Es war ein tragischer Hintergrund, es ging nicht.

Als Abgeordneter dieses Hauses, das die Staatsregierung kontrolliert, nicht umgekehrt, will ich schon wissen, was die Position der Staatsregierung ist, wenn sie morgen ins Rennen geht. Ich bin auch dankbar dafür, dass uns die Staatsregierung sogar vorfristig kurz ins Bild setzt, mit den ergänzenden Bemerkungen ebenso. Aber dass wir immer warten müssen, ob und in welchem Zeitabstand wir als Parlament nach der Maßnahme ins Bild gesetzt werden, ist nicht mein Verständnis vom Abgeordnetenmandat und schon gar nicht als Vertreter der Opposition.

(Beifall bei den LINKEN – Martin Modschiedler, CDU: Das ist der richtige Nachsatz!)

Ich habe bei dem Problem ein wenig die Sorge, dass fatale Wege nicht außer Auge sind. Mich hat durchaus beunruhigt – deshalb habe ich sogar den Chef der Staatskanzlei ansprechen wollen –, dass der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag im Kontext mit der Debatte um den Pakt für den Rechtsstaat sagt: Na ja, das Geld ist das eine. Das müssen wir verhandeln. Das andere ist, wir müssen vielleicht auch am Strafprozessrecht etwas tun.

Dann kommt er um die Ecke und will – schlicht und ergreifend auf den Punkt gebracht – die Verteidigerrechte abbauen. Er will zum Beispiel für die Zukunft bei Befan

genheitsanträgen, dass nicht mehr unterbrochen, sondern weiterverhandelt wird, damit die Verfahren schneller gehen.

Ganz klein wenig auch in dem Kontext: Ich bin für einen differenzierten Standpunkt zu einem beschleunigten Verfahren. Aber das beschleunigte Verfahren, dass hier in der Stellungnahme der Staatsregierung steht als ein Weg zur Stärkung des Rechtsstaates, ist natürlich unter den Praktikern wie Theoretikern im Strafrecht hoch umstritten. Es ist nämlich ein Verfahren, was immens die rechtsstaatlichen Verteidigungsinstrumente verkürzt. Es gibt nur einen Tag Ladungsfrist statt sieben. Es gibt die Möglichkeit, ohne schriftliche Anklage eine Anklage zu erheben. Es gibt keine eigentliche Eröffnung des Hauptverfahrens durch einen Richter, auch keine Vorprüfung demzufolge. Es gibt einen speziellen Haftbefehl für die ganze Sache usw. usf.

Das kann man im Einzelfall als Verfahrensart wählen, aber sehr, sehr verantwortungsbewusst und nicht als einen Weg, um den Rechtsstaat gewissermaßen, wie die Staatsregierung das anbietet, über den Weg mit zu stärken.

Schnelles Verfahren – alles okay. Strafe auf dem Fuß – alles okay. Aber der Weg, das beschleunigte Verfahren als Ausnahmekonstellation zum Regelfall zu machen, ist schwierig.

Insofern bitten wir schlicht darum, unserem Antrag zuzustimmen. Er tut niemandem weh.

Amt. Präsident Thomas Colditz: Herr Bartl, die Redezeit!

Es hilft tatsächlich dem Ministerpräsidenten und ist – wie wir meinen – durchaus eine staatsfrauliche, staatsmännische Position. Deshalb haben wir es eingebracht.

Danke.

(Starker Beifall bei den LINKEN)

Amt. Präsident Thomas Colditz: Meine Damen und Herren! Zum vorliegenden Antrag liegen keine Änderungsanträge vor. Deshalb stelle ich die Drucksache 6/16302 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung jetzt um Ihr Handzeichen. – Danke schön. Die Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Damit wurde die vorliegende Drucksache nicht beschlossen. Der Tagesordnungspunkt ist beendet.

Tagesordnungspunkt 8

Mehr Rechtssicherheit, weniger Bürokratie bei der

Wirtschaftsförderung in Sachsen – AGVO sinnvoll weiterentwickeln

Drucksache 6/11081, Antrag der Fraktion AfD, mit Stellungnahme der Staatsregierung

Die Fraktionen können zu diesem Antrag Stellung nehmen, und zwar in der Reihenfolge der ersten Runde: AfD, CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Staatsregierung, wenn gewünscht.

Wir beginnen mit der Aussprache. Ich erteile der einbringenden AfD-Fraktion zunächst das Wort. Bitte schön, Herr Beger.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich bei der Staatsregierung für die ausführliche Beantwortung unseres Berichtsteils in dieser Angelegenheit bedanken.

Unsere Anfrage und die Antworten darauf haben offengelegt, wie schwierig der Umgang mit dem Beihilferecht der EU ist, und welche erheblichen Konfliktpotenziale und Fehleranfälligkeiten sich daraus ergeben. Auch die Staatsregierung erkennt, wie gerade Behörden im ländlichen Raum mit dieser komplexen Thematik überfordert sind.

Um die Bedeutung der Angelegenheit deutlich zu machen, verweise ich auf folgende Gegebenheiten:

Wie wir in der Antwort der Staatsregierung explizit sehen, werden nicht wenige Fälle von europäischer Seite nachträglich aufgerollt. Damit geht einher, dass der Unternehmer, der Bürger, der einen Anspruch auf Rechtsklarheit und Rechtssicherheit hat, oft über Jahre in der Luft hängt. Die Begünstigten der entsprechenden Wirtschaftsförderungsmaßnahmen genießen – was es früher im deutschen Verwaltungsrecht nicht gab – im Umfeld des EU-Beihilferechts keinen Vertrauensschutz mehr. Wie kann das sein? Vertrauensschutz ist doch ein ganz wesentliches Element der deutschen Auffassung von Rechtsstaatlichkeit.

Wenn eine staatliche oder kommunale Behörde an einen gutgläubigen Kleinunternehmer aufgrund eines Verwaltungsaktes Mittel zur Wirtschaftsförderung ausreicht, dann muss sich der Kleinunternehmer zumindest ab Bestandskraft des Verwaltungsaktes darauf verlassen können, dass er die Mittel für den vorgesehenen Zweck einsetzen kann. Der Unternehmer muss sich darauf verlassen können, dass der Staat keinen Schabernack mit ihm treibt. Das heißt in Deutschland: Rechtsstaatlichkeit.

Aus diesem Grund gibt es in den Verwaltungsverfahrensgesetzen von Bund und Ländern Vertrauensschutzregeln. Unter dem EU-Beihilferegime werden diese guten alten Grundsätze über Bord geworfen. Der vom EuGH geschaffene Anwendungsvorrang des Europarechts macht dies möglich. Vertrauensschutz ist aber eine ganz zentrale Forderung des vom Grundgesetz zu Recht so hoch eingestuften Verfassungsprinzips der Rechtsstaatlichkeit. Das ist ein Prinzip, das nicht durch Verfassungsänderung berührt werden kann. Nach Artikel 23 Abs. 1 Grundgesetz

kann es ganz ausdrücklich nicht zur Verwirklichung der Europäischen Union preisgegeben werden.

Nun gibt es zwei Lösungswege für dieses Dilemma, meine Damen und Herren! Entweder die EU und die Doktrin des EuGH werden vom Anwendungsvorrang des Europarechts dahingehend reformiert, dass die Rechtssicherheit wieder durch die nationalen deutschen Vertrauensschutzregeln gewährleistet wird. Damit würde der Vorstellung unseres Grundgesetzes von Rechtsstaatlichkeit wieder Genüge getan werden. Oder die europäischen Beihilferegelungen werden transparent, rechtssicher und mit großzügigen Freistellungen gerade für den Bereich der Förderung des ländlichen Raumes ausgestattet. Auf diese Weise können die Anwendungsprobleme deutlich reduziert werden.

Ich denke, wir können das erste Ziel von Sachsen aus nicht so schnell erreichen, wie ich mir das wünschen würde. Deshalb muss in der Übergangszeit bis zur notwendigen EU-Reform sichergestellt werden, dass die Anwendungsprobleme so weit wie möglich reduziert werden; daher unser Insistieren und – wenn Sie es so nennen wollen – unsere Penetranz bei diesem Thema.

Wenn wir hier von der Betroffenheit kleiner Kommunen in Sachsen sprechen, müssen wir nämlich grundsätzlich auf die Rolle dieses EU-Beihilferechts schauen. Das EUBeihilferecht soll vorgeblich gleiche und unverzerrte Wettbewerbsbedingungen in Europa sicherstellen. Es bevorzugt aber in Wahrheit straff zentral angelegte und organisierte Staaten. Frankreich ist so ein Land, das gern mit diesem Zentralismus lebt. Nach der Zeit Hallsteins hat es Deutschland schrittweise zugelassen, dass Frankreich zu einer absoluten Dominanz in der Rechts-, Verwaltungs- und politischen Kultur der EU gelangt.

Ich möchte es einmal an der heute gerade auch für Sachsen so wichtigen Digitalisierung aufzeigen. Die Unternehmer, die die entsprechenden Netze in Paris betreiben, werden keine wirtschaftsfördernden Maßnahmen benötigen. Hier werden sich die Anbieter gegenseitig überbieten. Ganz anders verhält es sich aber in den ländlichen Räumen. Deutschland, das polyzentrisch und sehr viel mehr in die Fläche hinein angelegt ist, gibt diesen ländlichen Räumen in seinem Grundgesetz das Versprechen, gleichwertige Lebensverhältnisse nach Artikel 72 Abs. 2 Grundgesetz anzustreben. Trotzdem geschieht gerade hier viel zu wenig. Nicht von ungefähr ist Deutschland in puncto Digitalisierung in Europa auf dem zweitletzten Platz, noch vor Albanien. Wenn unsere Regierung so weitermacht, werden wir noch hinter die Albaner zurückfallen. Das ist für eine wissensbasierte Wirtschaft wie die deutsche eine Katastrophe.

Für Sachsen mit seinen zahlreichen IT-Gründungen ist es eine leider viel zu wenig wahrgenommene Katastrophe. Hier in Sachsen geht es nicht um das Großunternehmen, das massenhafte Arbeitskräfte freisetzt. Großunternehmen gibt es in Sachsen praktisch nicht. Nein, hier in Sachsen geht es um die vielen Arbeitsplätze, die in Kleinbetrieben geschaffen werden könnten, aber in Wahrheit leider nicht geschaffen werden.

Wie kann es sein, dass der deutsche Bundeswirtschaftsminister jammert, er könne sich im Dienstwagen wegen der peinlichen Verbindungsunterbrechungen nicht mit seinen ausländischen Kollegen unterhalten?

Meine Damen und Herren von der CDU und der SPD, Sie sind doch an der Regierung, sowohl in Sachsen als auch im Bund. Sie haben es doch in der Hand, das muss jetzt jedem klar sein. Über den Weg, bei Lizenzversteigerungen Milliarden einzunehmen, werden wir die Infrastrukturdefizite in den ländlichen Räumen Deutschlands und gerade Sachsens nicht beseitigen. Hier muss der Staat aktiv eingreifen und Geld in die Hand nehmen. Es kann nicht sein, dass am Ende die EU dem Breitbandausbau einen Riegel vorschiebt.

Meine Damen und Herren! Wir wollen mit unserem Antrag sichergehen, dass die Staatsregierung alles, aber auch wirklich alles unternimmt, damit das europäische Beihilferecht spürbar vereinfacht und entbürokratisiert wird. Darauf zielt die Ziffer III unseres Antrages.

Bevor Sie uns vorwerfen, dass die Frist für die Vorlage des unter Ziffer II von uns beantragten Konzeptes schon abgelaufen sei, möchten wir Sie auf unseren Änderungsantrag hinweisen, den ich hiermit einbringe.

Mit ihrer Stellungnahme Ende 2017 hat die Staatsregierung mitgeteilt, dass ein Konzept zur Senkung des Bürokratieaufwandes gerade für kleine Zuwendungsnehmer bereits vorliegt. Unter anderem wurde für kleine Kommunen die Schaffung eines neuen Freistellungstatbestandes in der AGVO vorgeschlagen.

Dieses Konzept wurde auf Bundesebene erarbeitet und der Kommission übergeben. Wir hatten von diesen Initiativen der Staatsregierung keine Kenntnis, als wir unseren Antrag erstellt haben. Daher halten wir es nunmehr für sinnvoll, dass die Staatsregierung den Landtag über solche Initiativen und deren Erfolg regelmäßig im Abstand von zwei Jahren informiert. Ich bitte Sie aus diesen Gründen um die Zustimmung zu unserem Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Amt. Präsident Thomas Colditz: Für die CDU-Fraktion erfolgt die Stellungnahme durch Herrn Heidan. Bitte, Kollege Heidan.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Tagesordnungspunkt, zu dem uns von der AfD vorgetragen wird, steht unter dem Titel „Mehr Rechtssicherheit, weniger Bürokratie bei der

Wirtschaftsförderung in Sachsen – AGVO“, Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung, „sinnvoll weiterentwickeln“. Der vorliegende Antrag spricht nach meinem Dafürhalten Bände. Ich frage Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von der AfD: Was wollen Sie denn überhaupt? Auf der einen Seite haben Sie Schaum vor dem Mund, wenn es um die EU geht,