Protocol of the Session on December 14, 2018

mit Stellungnahme der Staatsregierung

Meine Damen und Herren! Die Fraktionen nehmen wie folgt Stellung: zunächst DIE LINKE, dann die CDU, die

SPD, die AfD-Fraktion, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Staatsregierung, wenn das Wort gewünscht wird.

Für die Fraktion DIE LINKE eröffnet die Aussprache Herr Abg. Bartl.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Von 1945 bis 1949 erfolgte in der sogenannten Sowjetischen Besatzungszone eine Bodenreform, bei der Grundbesitz von Nazis und Kriegsverbrechern bzw. Großgrundbesitz von über 100 Hektar entschädigungslos enteignet wurde. Das Land wurde an landlose und landarme Bauern, an Kleinpächter sowie an Vertriebene umverteilt. Die neuen Eigentümer mussten den ihnen zugewiesenen Grund und Boden zwingend landwirtschaftlich nutzen und durften ihn vererben, jedoch nicht verkaufen, verpachten oder in sonstiger Weise belasten.

Im Zuge der Kollektivierung der Landwirtschaft in der DDR in den 1950er- und 1960er-Jahren brachten die meisten Neueigentümer, die noch in der Landwirtschaft tätig und damit Eigentümer der Bodenreformgrundstücke waren, das Land in landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften ein. Dafür erhielten sie entsprechende Anteile aus dem genossenschaftlichen Gewinn usw. Endete die landwirtschaftliche Nutzung der Grundstücke, mussten die Eigentümer noch bis in die 1970er-Jahre hinein das ihnen übertragene Eigentum wieder abgeben. Spätestens ab den 1980er-Jahren wurde diese Praxis jedoch von den DDR-Behörden nicht mehr mit letzter Konsequenz verfolgt. So konnten zum Beispiel Erben, auch wenn sie nicht mehr in der Landwirtschaft tätig bzw. nicht mehr Mitglieder einer LPG waren, das Land behalten, solange das Land selbst in die LPG eingebracht blieb. Sie wurden jedoch trotz Aufnahmeantrag nicht mehr in die betreffende LPG aufgenommen.

Kurzum – vielfach wurde mit dem geschriebenen Grundstücks- und Bodenrecht in der Rechtsförmigkeit der DDR in diesen 1980er Jahren recht lax umgegangen und Grundbucheintragungen trotz eigentlich nicht mehr bestehender rechtlicher Voraussetzungen einfach belassen.

Diese Rechtslage änderte sich prinzipiell mit der Wende und der staatlichen Wiedervereinigung in den Jahren 1989 bis 1990. Die sogenannten Modrow-Gesetze vom 6. März 1990 hoben kurz vor der Wiedervereinigung alle Verfügungsbeschränkungen bei Bodenreformland sowie die bis dahin geltenden Besitzwechselvorschriften auf und stellten Eigentümer von Bodenreformland mit den von normalem Grund und Boden gleich.

(Jens Michel, CDU, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Bodenreformeigentum sollte künftig als vollwertiges Eigentum anerkannt sein.

Kaum war die deutsche Einheit vollzogen, begann das seinerzeit FDP-geführte Bundesjustizministerium offenkundig Mittel und Wege zu suchen, wie man sowohl die Modrow-Gesetze als auch die Ergebnisse des Zwei-plusvier-Vertrages hinsichtlich der Bodenreform der Jahre 1945 bis 1949 wieder rückgängig machen könnte.

Herr Bartl, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Präsident, gerne.

Herr Michel, bitte.

Danke, Herr Kollege. Sind Sie nicht mit mir einer Meinung, dass man zu DDR-Zeiten sowieso recht lax mit Eigentum und mit Grundeigentum umgegangen ist?

(Beifall des Abg. Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU)

Die DDR hatte zum Eigentum in dem beschriebenen Sinne, wie es das BGB und wie das die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik sieht, ein anderes Verhältnis. Das ist korrekt.

(Staatsminister Christian Piwarz: Das ist nett umschrieben!)

Das gehört zum Geschäft des Politikers, Herr Minister.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Das hat auch keine Rolle gespielt!)

Herr Bartl, Sie möchten weiter in Ihren Ausführungen fortfahren?

Gern. – Ich war bis zu der Frage gekommen, dass in den frühen Neunzigerjahren begonnen wurde, diese Modrow-Gesetze rückabzuwickeln. In der öffentlichen Wahrnehmung wurde dies fast nur unter dem Aspekt der Rückgabe des in der SBZ enteigneten Großgrundbesitzes an die meist adligen Erben diskutiert.

De jure vollzogen wurde der damalige Generalangriff mit den von der damaligen CDU/CSU/FDP-Koalition verabschiedeten Bestimmungen des Artikels 233 des Einführungsgesetzes zum BGB, die für bestimmte Konstellationen eine entschädigungslose Enteignung von NeusiedlerErben zugunsten des Fiskus vorsahen.

Bei der Verabschiedung des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes durch Bundestag und Bundesrat begann die endgültige Rückabwicklung der Modrow-Gesetze, das Bodenreformland betreffend. Eigentumsansprüche hatten nunmehr nur noch Erben, die zum Stichtag 15. März 1990 in der Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft tätig waren bzw. zuvor mindestens zehn Jahre in diesem Bereich gearbeitet haben und ihre Mitgliedschaft in einer LPG zu DDR-Zeiten nachweisen konnten.

An diesen Voraussetzungen scheiterten viele Erben von Bodenreformland, da sie, wie eingangs geschildert, entweder nicht Mitglieder einer LPG gewesen waren – das waren die Eltern oder die Großeltern – oder trotz Antrags nicht aufgenommen wurden oder dies aufgrund der unklaren Aktenlage nach der Wende nicht belegen konnten. Wenn in diesen Fällen den Eigentümern des

Grund und Bodens aus der Bodenreform ihr Land deshalb nicht wiedergegeben werden konnte oder nicht wiedergegeben wurde, fiel das Land an die jeweiligen Bundesländer.

Die geschaffene Rechtslage eröffnete den Ländern die Möglichkeit, sich in einem bis zum 2. Oktober 2000 erstreckenden Fristzeitraum dieses Land anzueignen und sich dort, wo es bereits verkauft war, die Verkaufserlöse zuzueignen. Die Bodenreform-Erben wurden damit zu Tausenden de facto entschädigungslos enteignet. Insgesamt ging es bundesweit um über 100 000 Hektar, eine Fläche etwa so groß wie Berlin.

Über 5 000 Erbinnen und Erben waren allein in Sachsen davon betroffen. Ausweislich der von Rico Gebhardt und mir im April dieses Jahres gestellten Kleinen Anfrage, Drucksache 6/12886, befanden sich zum Stichtag 1. März 2018 über 5 000 Hektar ehemaligen Bodenreformlands im Wert von rund 28 Millionen Euro im Eigentum und in der Verfügungsgewalt des Freistaates Sachsen. Knapp 1 000 Hektar an Flächen von Erbinnen und Erben von Bodenreform-Land hatte dieser bis dahin schon veräußert.

Das hat zugegebenermaßen nicht die Größenordnung erreicht wie etwa in Brandenburg, wo man besonders schamlos vorging und insbesondere unter Rückgriff auf das Rechtsinstitut der Gesetzlichen Vertretung bei unbekannten Erben etwa 8 000 handstreichartige Landnahmen zugunsten des Landesfiskus vornahm, betreffend eine Fläche von 15 000 Hektar.

Nachdem sich zumindest ein Teil der in Brandenburg staatlich geprellten Bodenreform-Erben auf dem Rechtsweg zur Wehr setzte, grätschte zum Glück der Bundesgerichtshof dazwischen. In einem am 7. Dezember 2007 verkündeten Urteil zu Aktenzeichen V ZR 65/7 rügte er die Praxis des hier beklagten Landes Brandenburg. Der BGH kennzeichnete das Vorgehen des Landes Brandenburg – das in vielerlei Hinsicht mit dem von Sachsen übereinstimmte, welches sich auf Anweisung des Finanzministeriums als Eigentümer von circa 1 000 Grundbüchern vermeintlich unbekannter Neusiedler eintragen ließ, ohne überhaupt nach den Eigentümern oder Erben gesucht zu haben – als „wegen Missbrauchs der verliehenen Vertretungsmacht sittenwidrig und nichtig“. Es sei dies ein „eines Rechtsstaates unwürdiges Verhalten“.

In Brandenburg führte das zur sogenannten Bodenreformaffäre, zu der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, der gravierende Fehler im Handeln des Landes feststellte, sowie 2010 zur Einsetzung einer Enquetekommission, die gleichermaßen diesen rechtsstaatsunwürdigen Umgang mit dem Eigentum im Transformationsprozess rügte.

Im Lichte dessen und des Umstands, dass sich der Freistaat Sachsen zwar in kleinerem, bescheidenerem Umfang, aber grundsätzlich mit gleichen rechtswidrigen Methoden beachtliche Bodenreformflächen an Land zog, erachten wir die Stellungnahme der Staatsregierung als vollkommen unverständlich und unakzeptabel.

Die Staatsregierung bzw. Herr Staatsminister Haß hat uns erklärt, er sehe für Sachsen keinen Handlungsbedarf, da es nur wenige Betroffene gebe und die Ansprüche schon lange verjährt seien. Das Problem ist: Unrecht bleibt Unrecht.

(Carsten Hütter, AfD: Da hat er recht! Verjährt!)

Herr Staatsminister Haß, egal ob das nun zehn Personen betrifft oder hundert oder tausend: Der Freistaat Sachsen hat sich ganz selbstverständlich an das Urteil des höchsten Zivilgerichts der Bundesrepublik Deutschland zu halten, auch wenn das Verfahren mehr oder weniger zufällig eine Klage gegen ein anderes Bundesland gewesen ist.

(Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU: Welches denn?)

Es geht hier um ein Stück Nachwende-Unrecht, welches auch Frau Staatsministerin Köpping in letzter Zeit immer wieder thematisiert hat. Jetzt sind wir an einem Punkt, an dem wir auch einmal nach den Spitzen des Mundes pfeifen müssen.

Neben dem finanziellen Verlust traf das Vorgehen der neuen Bundesländer die ostdeutschen Erbinnen und Erben nämlich vor allem emotional und ganz persönlich, da es sich meist um Grundstücke handelte, die ihre Eltern oder ihre Großeltern nach dem Krieg übernommen hatten, um sich eine Perspektive aufzubauen. Der materielle Verlust ist das eine. Der ideelle, der emotionale Verlust ist eine vielleicht noch wesentlich größere Baustelle, die wir bei dieser Problematik des Unrechts zum Nachteil der Betroffenen sehen müssen. Insofern wird natürlich darauf geachtet, wie wir damit umgehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU! Nehmen Sie sich beim Umgang mit unserem Antrag ein Beispiel an Ihren Parteifreundinnen und Parteifreunden in Brandenburg. In einem Entschließungsantrag vom 12. Dezember 2017 zu einer Großen Anfrage zum 10. Jahrestag der sogenannten Bodenreformaffäre, Drucksache 6/7784, forderte die brandenburgische CDU-Landtagsfraktion einen Härtefallfonds für Betroffene. Weiter forderten Ihre brandenburgischen Parteifreunde die Rückabwicklung der de facto erfolgten Enteignung des betroffenen Teils der Bodenreform-Erben und eine Eigentümersuche qua Aufruf der Landesregierung in den klassischen und neuen Medien.

Ihr dortiger Parteikollege Gliese begründete dies mit folgenden Worten: „Denn hinter den vielen Zahlen und Statistiken stehen Menschen und deren Schicksale. Für viele Betroffene sind die Grundstücke, um die sie seit Jahren kämpfen, eben kein schlichter Grundbucheintrag, sondern ein Stück Familiengeschichte.“

Da die rot-rote Landesregierung in Brandenburg – in krassem Gegensatz zu unserer hiesigen CDU – ab und an auch einmal auf die Opposition hört, hat diese Landesregierung Anfang März 2018 eine Initiative in den Bundesrat eingebracht, mit der die Bundesregierung aufgefordert wird, einen Gesetzentwurf zur Änderung der Vorschriften

des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch über die Durchführung der Bodenreform vorzulegen, der zu einem Ausgleich der aus der Anwendung dieser Regelung entstandenen Härten mit dem Ziel führt, das Vertrauen der Bodenreform-Erbinnen und -Erben in den Rechtsstaat und den Rechtsfrieden zu stärken. Das ist eine Wiedergabe dieses Entschließungsantrags.

Wir fordern die Staatsregierung daher auf, unserem Antrag zu folgen, sich dieser Initiative des Landes Brandenburg anzuschließen respektive dessen Initiativantrag, der in der 965. Sitzung des Bundesrats am 2. März 2018 überwiesen wurde an den Rechtsausschuss – federführend – und an den Finanzausschuss – mitberatend –, uneingeschränkt die sächsische Unterstützung zu geben.

Machen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, Ihren Gerechtigkeitssinn nicht an quantitativen Maßstäben von sächsischen Betroffenen fest. Helfen Sie mit, eine wesentliche Facette des auch von Kabinettsmitgliedern unserer Regierung beklagten Nachwende-Unrechts zu beheben. Sorgen Sie mit uns dafür, dass die Betroffenen aus ganz Ostdeutschland und Sachsen angemessen entschädigt werden.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Für die CDU-Fraktion spricht Herr Abg. von Breitenbuch. Sie haben das Wort. Bitte sehr.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute Morgen über den Wald gesprochen, der seine eigene Geschichte hat. Genauso tauchen andere Ereignisse aus der Geschichte hier in unserer Parlamentsarbeit immer wieder auf. So ist auch die Bodenreform ein alter Baumriese, der immer wieder seine Schatten auf dieses Parlament wirft.

1945, Bodenreform. Sie alle kennen die geschichtlichen Hintergründe. Nach 1990 wurde alles irgendwie geregelt. Trotzdem, es taucht hier auf. Es gibt keine Stunde null. Wir müssen uns damit beschäftigen, und das ist auch richtig so.

1945, „Junkerland in Bauernhand“: 10 % Rittergüter gab es in Sachsen, die zum großen Teil an Neubauern-Stellen aufgeteilt wurden. Entschädigungslose Enteignung durch die SMAD und die deutschen Kommunisten. Die Eigentümer mussten fliehen – Kreisverweisung; Sie kennen das alles.

Dafür kamen Neubauern, die teilweise in den alten Gebäuden Ställe einrichteten oder auch neue Bauernhöfe aufbauten. Das Ganze wurde von diesen Neubauern bezahlt; das ist ein wichtiger Punkt. Das gab es eben nicht geschenkt, sondern diese Neubauern – ich habe in die Bücher geschaut – mussten das in diesen schwierigen Zeiten über zehn, 20 Jahre hinweg abstottern. Der Staat zog sofort Geld aus dem Diebesgut. Die NeubauernStellen mussten sogar verzinst werden, in diesen harten