Protocol of the Session on December 11, 2018

Die Regierungskoalition hat bereits im vergangenen Jahr einen Antrag in diesem Haus eingebracht. Dabei ging es unter anderem um bundesweit einheitliche Vorgehensweisen und Zusammenarbeit, um denkbare administrative Hilfen des Freistaates für die Kommunen und um eine mögliche stärkere Einbindung der Anwaltschaft im Rahmen der Rechtspflege.

Der heute vorgelegte Entschließungsantrag, auf den meine Kollegin Pfeil-Zabel näher eingehen wird, soll zum einen dazu dienen, die Umsetzung der neuen Rechtslage und deren Auswirkungen insbesondere auf kommunaler Ebene zu begleiten und zu unterstützen.

Zum anderen soll eine Verbesserung der Rückholquote erreicht werden, denn höhere Rückholquoten bedeuten mehr Gerechtigkeit. Sie entlasten die Haushalte von Bund, Land und Kommunen – mithin also auch den Steuerzahler.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Blattner. Ich darf Sie noch darauf hinweisen, dass ich nicht der „Tagungspräsident“ bin. Wir unterscheiden uns etwas von den Parteitagen.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Aber möglicherweise wirken die Eindrücke des letzten Wochenendes nach, sodass Ihnen das heute noch gegenwärtig ist. Ich möchte Sie aber auf die Geschäftsordnung hinweisen.

In der Aussprache fahren wir fort mit der Fraktion DIE LINKE. Frau Abg. Lauterbach, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Werte Damen und Herren Abgeordnete! Das Gesetz zur Neuregelung des Unterhaltsvorschussgesetzes wurde mit Wirkung zum 1. Juli 2017 beschlossen. Dass der Unterhaltsvorschuss auf Bundesebene neu geregelt werden musste, ist sozialpolitisch unbestritten ein wichtiges Ziel gewesen. Die Linksfraktion hat dafür auf Bundesebene zehn Jahre lang gekämpft. Nicht alle unsere Vorstellungen wurden aufgegriffen und umgesetzt.

Hier auf Landesebene haben wir sehr ausführlich über diese Gesetzesänderung debattiert. Das soll heute aber nicht unser Gegenstand sein. Heute steht der Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Sächsischen Aufgabenübertragungsgesetzes zum Unterhaltsvorschussgesetz abschließend zur Diskussion. Dass wir ein solches Gesetz erarbeiten müssen, ist uns allen klar.

Über den Inhalt lässt sich allerdings diskutieren. Deshalb haben wir dazu eine Anhörung im Ausschuss für Soziales und Verbraucherschutz, Gleichstellung und Integration beantragt. Hochinteressant für mich war, dass Landrats

ämter und kreisfreie Städte mit der jetzigen Finanzierung der erforderlichen Ausgaben sehr unzufrieden waren und sind. Der Sächsische Städte- und Gemeindetag und der Sächsische Landkreistag stehen hinter den Kommunen.

Einfach gesagt, handelt es sich um eine Aufgabenerweiterung für die Landkreise und kreisfreien Städte, denen damit ein Mehrbelastungsausgleich einfach zusteht. So, wie es jetzt aussieht, ist das jedoch eine Mogelpackung. Mit Ihrem Entschließungsantrag machen Sie deutlich, dass Sie das Problem in der Umsetzung erkannt haben.

Schauen wir uns einmal einige konkrete Zahlen an. Nehmen wir die Stadt Dresden und betrachten die Jahre 2016 und 2018. 2016 gab es 3 600 Anträge, 2018 waren es schon 6 800. Die Ausgaben lagen im Jahr 2016 bei 6,9 Millionen Euro, bis zum September 2018 waren es schon 17,5 Millionen Euro. Die Stadt Dresden hat zuzüglich noch Ausgaben in Höhe von 1,2 Millionen Euro für Personal und Sachmittel.

Schauen wir uns einen Landkreis an, so sind dort im Jahr 2016 1 800 Anträge aufgelaufen, bis September 2018 waren es 3 800. Die Leistungskosten lagen 2016 bei 3,3 Millionen Euro und im Jahr 2018 bis zum September bei 6,4 Millionen Euro, perspektivisch bei über 10 Millionen Euro. Insgesamt bedeutet das eine Steigerung um etwa 200 %, wobei Personal- und Sachkosten noch nicht berücksichtigt sind. Für die Landkreise bedeutet das eine Steigerung der Kreisumlage um 0,7 %.

Mit dem heutigen Gesetzentwurf sollen die Einnahmen und Ausgaben des Unterhaltsvorschussgesetzes gesichert und eine neue Verteilung festgelegt werden, die regelt, was Bund, Land und Kommune zukünftig an Lasten zu tragen haben – wohlgemerkt im Hinblick auf die Leistungsausgaben und die Rückgriffsverwaltung, nicht bei Personal- und Sachkosten.

Der Gesetzentwurf, den wir heute vorliegen haben, ist notwendig, inhaltlich aber nicht ausreichend. Zwei Punkte hätten wir gerne geändert. Mit Ihrem Entschließungsantrag haben Sie schon richtig reagiert, aber das gehört einfach ins Gesetz hinein.

Zum einen soll in § 2 festgelegt werden, dass der Freistaat Sachsen den Trägern der kommunalen Selbstverwaltung die ihnen durch die Aufgabenübertragung und Aufgabenerfüllung entstehenden Kosten – zusätzliche Aufwendungen und Mehrbelastungen – in voller Höhe erstattet.

In § 4 soll festgelegt werden, dass bereits im Jahr 2019 eine Evaluierung erfolgen soll. Ich will gerne zugeben, Frau Ministerin: Sie waren nicht untätig. Sie haben festgelegt, dass es eine erste Evaluierung bereits im nächsten Jahr geben soll – auf Grundlage der Zahlen von 2018. Das können Sie festlegen, aber: Was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen.

Werte Abgeordnete, ich würde mir wünschen, Sie schreiben einfach die Evaluierung ins Gesetz und nicht in einen Entschließungsantrag. Wir erwarten hier eine einfache klare Gesetzesformulierung, indem Sie dieses ergänzen, damit Sie Ihrer Ministerin gesetzeskonforme Handlungs

spielräume geben. Nach Aussage der Ministerin wird es zukünftig eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe geben, was wir sehr begrüßen. Diese soll einen Ausgleich zwischen Bund, Ländern und Kommunen diskutieren. Die notwendige Einsicht, dass es hier einen Regelungsbedarf gibt, ist schon einmal da. Deshalb muss auch der Mehrbelastungsausgleich ins Gesetz aufgenommen werden, um der Ministerin auf Bundesebene Handlungssicherheit zu geben. Es ist in Ihrem Interesse, Frau Ministerin, um Ihre Arbeit autorisieren zu können und zukunftssicher zu machen. Ich kann eine Ablehnung dieser beiden Punkte durch Ihre Fraktion gar nicht verstehen, weil sie Ihnen damit in den Rücken fällt. Da hilft auch kein Entschließungsantrag.

(Beifall bei den LINKEN)

Nun die SPD-Fraktion, Frau Abg. Pfeil-Zabel. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kinder bedeuten Armut. So furchtbar, wie sich das anhört, so real ist das leider noch immer in Deutschland, in Sachsen im Jahr 2018. Kinder gelten als einer der Hauptgründe für Armut und jedes fünfte Kind gilt selbst als arm oder von Armut bedroht. Die Statistiken zeigen leider auch, dass ein Grund für die Armut von Kindern ist, dass sie bei nur einem Elternteil aufwachsen. Zahlt ein Elternteil nicht den geforderten Unterhalt, bedeutet dies nicht nur Streit zwischen den Eltern, sondern vor allem auch, dass die Leidtragenden die Kinder sind.

Mit dem heute vorliegenden Aufgabenübertragungsgesetz werden nun auch die Neuregelungen für den Unterhaltsvorschuss auf Landesebene nachvollzogen. Die vom Bund beschlossenen Neuregelungen waren ganz dringend notwendig, denn es war viel zu lange für alle nicht nachvollziehbar, dass der Unterhaltsvorschuss auf eine Zeitdauer von 72 Monaten beschränkt und nur maximal bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres gezahlt wurde.

Die Änderung des Unterhaltsvorschussgesetzes war ein Meilenstein für eine moderne Familienpolitik. Mit der Aufhebung der Höchstbezugsdauer und der Höchstaltersgrenze auf 18 Jahre können Kinder, die bei nur einem Elternteil aufwachsen, wirklich gestärkt werden.

Getragen wird diese Aufgabe von Bund, Land und Kommunen gemeinsam, doch die entscheidende Rolle – und genau darum soll es heute auch gehen – schultern unsere Kommunen vor Ort. Sie entscheiden über den Unterhaltsvorschuss, sie zahlen ihn aus und sie begleiten die Familien in diesen schwierigen Situationen. Sie sind es auch, die in den letzten Monaten entsprechend Personal dafür bereitstellen mussten. Bei der Berechnung der möglichen Fallzahlen musste ein Schätzwert angenommen werden. Über diesen haben wir schon mehrfach diskutiert. Schon heute zeigt sich – Frau Lauterbach hat es auch schon erwähnt –, dass er nicht mit den realen Zahlen übereinstimmt.

Als Beispiel habe auch ich mir die Stadt Dresden herausgenommen und die Prognosezahl des Bundes mit hergenommen, die nämlich für die Landeshauptstadt bei 4 606 Fällen lag. Real zum 30. Juni 2018 – Frau Lauterbach hat es schon erwähnt – waren es 6 871 Fälle. Dementsprechend wurde uns in der Anhörung vonseiten des Jugendamtes Dresden auch das Mehr an Personalaufwendungen widergespiegelt, welches sich auf 15 Personen beziffern lässt.

Der von uns heute vorgelegte Entschließungsantrag, den ich jetzt einbringe, fordert daher die Staatsregierung auf, die mit den kommunalen Landesverbänden für das Jahr 2020 vereinbarte gemeinsame Überprüfung bereits im Jahr 2019 einzuleiten. Dabei muss das Gesetz und seine Wirkung dringend evaluiert werden. Besonders die gestiegenen Fallzahlen, aber auch die Bearbeitungsdauer müssen dabei genau berücksichtigt werden. Danach müssen die nötigen Anpassungen vorgenommen werden.

Der Freistaat – so glaube ich – möchte keine dauerhafte Mehrbelastung der Kommunen und muss daher eine möglichst baldige Evaluierung des Gesetzes auf Bundesebene fordern.

Schon mehrfach sprachen wir in diesem Haus über die Möglichkeit der Rückholquoten. Unser Entschließungsantrag fordert daher die Staatsregierung auf, mit den Kommunen weitere Versuche zu unternehmen, diese zu steigern, und Modelle aus anderen Bundesländern in Betracht zu ziehen. In der Anhörung hat es dabei einige Vorschläge gegeben. Unter anderem wurde eine zentrale Unterstützung beim Forderungsmanagement oder eine Änderung des Landesvollstreckungsgesetzes angesprochen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Über den Inhalt des Unterhaltsvorschussgesetzes haben wir schon mehrfach diskutiert. Ich denke, heute ist der Tag, an dem wir die Anpassung vornehmen müssen. Dabei müssen wir mit Blick auf unsere Kommunen für uns die Entscheidung treffen, dass wir beim Status quo nicht bleiben können. Wir müssen das Gesetz dringend evaluieren und die Zahlen überprüfen. Dafür gibt es heute den Entschließungsantrag von CDU und SPD und den Auftrag an die Staatsregierung.

Ich bitte Sie alle um Unterstützung des Antrages und natürlich des Gesetzes.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Nun kommt die AfD-Fraktion, Herr Abg. Wendt. Sie haben das Wort, Herr Wendt.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kinderbetreuung und Arbeit unter einen Hut zu bringen ist oft nicht leicht, erst recht nicht für Alleinerziehende. Schwierig wird es, wenn Unterhaltszahlungen vom anderen Elternteil ausbleiben, weil dieser nicht zahlen kann oder will. So ist es nicht verwunderlich, dass das Armutsrisiko von Alleinerziehen

den in Sachsen mit 42 % etwa vier mal so hoch ist wie bei Paaren.

Bleiben Unterhaltszahlungen aus, kann Unterhaltsvorschuss beantragt werden. In der Vergangenheit wurde Unterhaltsvorschuss nur bis zum zwölften Lebensjahr des Kindes bezahlt. Im letzten Jahr gab es endlich eine Gesetzesänderung, die den Anspruch auf das 18. Lebensjahr ausdehnte und die Höchstbezugsdauer von ehemals 72 Monaten wegfallen ließ. Zwar kann jetzt der Unterhaltsvorschuss bis zum 18. Lebensjahr bezogen werden, allerdings nur, wenn ein Einkommen über 600 Euro vorliegt.

In der Anhörung zum Aufgabenübertragungsgesetz der Staatsregierung wurde sehr deutlich, dass durch die Änderung des Unterhaltsvorschussgesetzes der Mehraufwand für die Kommunen bei den Fall- und Leistungskosten stark angestiegen ist. Die Fallzahlen haben sich nach Aussage des Sächsischen Städte- und Gemeindetages verdoppelt. Auch wenn die Kommunen 60 % der Rückgriffseinnahmen behalten dürfen, fehlt es an Personal und Möglichkeiten, um die Rückgriffsquote, die in Sachsen bei 10 bis 36 % liegt, zu erhöhen. Der Mehraufwand kann damit nicht kompensiert werden. Deshalb ist es wichtig, dass die Mehrkosten, die den Kommunen durch die Gesetzesänderung entstehen, möglichst vom Bund als Gesetzgeber des Unterhaltsvorschussgesetzes ausgeglichen werden. Dafür sollte sich die Staatsregierung auf Bundesebene starkmachen. Bis dahin sehen wir als AfDFraktion die Staatsregierung in der Pflicht.

Um den tatsächlichen Mehraufwand festzustellen, bedarf es einer Kostenevaluation, die in Ihrem Gesetzentwurf leider nicht zu finden ist, die aber nun mit Ihrem Entschließungsantrag durchgeführt werden soll. Das ist löblich. Dennoch hätten wir uns – wie bereits angesprochen – einen Vermerk im Gesetzentwurf gewünscht.

Wir können mit diesem Gesetzentwurf nicht verhindern, dass die Kommunen erhebliche Mehrbelastungen erfahren. Das liegt – wie bereits angesprochen – vor allem an der bundesrechtlichen Gesetzgebung, die der Freistaat Sachsen umzusetzen hat. Dennoch hat der Freistaat die Möglichkeit versäumt, eine Kostenevaluation ins Aufgabenübertragungsgesetz zu schreiben. Zudem hätten wir uns eine direkte Unterstützungszusage seitens der Staatsregierung gewünscht, weil nicht absehbar ist, wann und ob der Bund für die Mehrkosten aufkommt und in Verbindung damit die Kommunen entlastet.

Aufgrund dieser Unzulänglichkeiten können wir dem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Mit Ihrem Entschließungsantrag machen Sie zwar Boden gut, ausreichend ist dieser aber nicht. Wir werden uns enthalten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Nun die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Herr Abg. Zschocke. Herr Zschocke, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausweitung des Unterhaltsvorschusses wurde von CDU und SPD als Erfolg gefeiert, als wirkliche Entlastung für Alleinerziehende und letztendlich als Anerkennung für ihre oftmals herausfordernde Lebenssituation. Besonders stolz war hier Alexander Krauß, als er im Februar 2017 verkündete, dass das Jahr 2017 ein gutes Jahr für alleinerziehende Väter und Mütter mit ihren Kindern im Freistaat wird. Auch Henning Homann war des Lobes voll: „Gut für die Kinder, gut für die Familien, gut gegen Armut“, hieß es damals von ihm.

Wie so oft folgt nach großen Worten dann große Ernüchterung. Dafür gibt es drei Gründe.

Erstens. Die Unterhaltsreform bietet vielen Alleinerziehenden keine spürbare Entlastung. Die Kinderarmut in Deutschland ist weiterhin erschreckend hoch. Alleinerziehende und ihre Kinder sind auch in Sachsen nach wie vor am stärksten von Armut betroffen. Sie finden nur schwer einen Job, der mit der alleinigen Erziehungsverantwortung vereinbar ist. Viele sind gezwungen, in Teilzeit zu arbeiten und sind somit trotz Arbeit arm und auf Sozialhilfe angewiesen.

Wenn ein Lebenspartner, aus welchen Gründen auch immer, keinen Unterhalt zahlt, dann soll dieser Unterhaltsvorschuss eigentlich helfen, Armut zu verhindern. Doch noch immer wird der Unterhaltsvorschuss mit anderen Sozialleistungen verrechnet, zum Beispiel mit dem Kindergeld. Besonders fatal: Kinder ab dem zwölften Lebensjahr bekommen gar keinen Unterhaltsvorschuss, wenn die oder der Alleinerziehende nicht arbeitet und mindestens 600 Euro verdient.

Der Landesverband der Alleinerziehenden hat diesen Missstand in der Anhörung sehr deutlich und zu Recht scharf kritisiert und auch davon gesprochen, dass die neuen Regelungen den alleinerziehenden Familien in keiner Weise einen Cent bringen. Hier werden wieder einmal Sozialleistungen – ich will es einmal so sagen – nach dem Prinzip linke Tasche/rechte Tasche hin- und hergeschoben.

Das Dresdner Jugendamt hat das in der Anhörung auch bestätigt. Der erweiterte Unterhaltsvorschuss kommt eben in Dresden bei Dreiviertel aller Kinder überhaupt nicht an. Wir GRÜNEN haben die Reform aus diesem Grunde von Anfang an kritisiert, und das erklärte Ziel, die Kinderarmut zu bekämpfen und Alleinerziehende zu bestärken, wird so nicht erreicht.