Protocol of the Session on December 11, 2018

Die historische Benachteiligung der Frau kann nicht dadurch geheilt werden, dass nun die Männer diese Rolle übernehmen. Man kann keinen Frieden stiften, indem man einen neuen Krieg beginnt.

(Zuruf der Abg. Dagmar Neukirch, SPD)

Wenn Anetta Kahane in ihrer Kitabroschüre „Ene, mene, muh“ eine sogenannte vorurteilsbewusste Erziehung fordert, den Jungen aber das Jungensein ausgetrieben wird, oder wenn die bloße Beschuldigung sexueller Belästigung schon dazu führt, dass ein Mann gesellschaftliche Ächtung erfährt oder seine berufliche Stellung verliert, dann läuft heute etwas grundsätzlich falsch in unserer Gesellschaft. Das wird auf die Frauen von morgen zurückfallen.

Die Redezeit ist zu Ende.

Das wollten die emanzipierten Frauenrechtlerinnen vor 100 Jahren ganz sicher nicht.

Die Redezeit ist zu Ende, Frau Kollegin.

Ich belasse es dabei.

(Beifall bei der AfD)

Das war Frau Wilke von der AfD-Fraktion. Jetzt spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Kollegin Meier.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zwischenzeitlich habe ich kurz gedacht, wir würden uns in einem historischen Seminar befinden und nicht in einer Aktuellen Debatte. Als eine, die einmal Geschichte studiert hat, weiß ich natürlich: Nur wer Geschichte kennt, kann die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten. Genau deshalb reicht es nicht aus, im Jahr 2018 Louise Otto-Peters, Clara Zetkin und den vielen anderen tapferen Frauen dafür zu danken, dass sie sich für das aktive und passive Wahlrecht eingesetzt haben, nicht nur diesen Frauen, sondern auch den vier Müttern des Grundgesetzes – allen voran Dr. Elisabeth Selbert, die dafür gestritten hat, dass dieser einfache wie klare Satz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ ins Grundgesetz aufgenommen wurde. Diesen Frauen sind wir es schuldig, dass wir den Kampf für die Rechte der Frauen und vor allem für die Durchsetzung der Rechte der Frauen im Jahr 2018 weiter kämpfen.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Nicht umsonst ist der Slogan der Festlichkeiten zu 100 Jahre Frauenwahlrecht „Viel erreicht und viel zu tun“. Wir haben gehört: Seit 1918 ist es möglich, dass Frauen nicht nur wählen, sondern auch gewählt werden können. Wenn ich mir anschaue, wie der Frauenanteil in der Nationalversammlung oder im ersten Bundestag war, war das relativ gering. Erst mit dem Einzug der GRÜNEN in den Achtzigerjahren in die Landtage, aber auch in den Bundestag hat sich der Frauenanteil signifikant erhöht und damit auch der Redeanteil und die Themen in den Parlamenten, die Frauen betreffen. Aktuell – wir haben es gehört – gibt es wieder einen Rückschritt. Das liegt weniger an uns GRÜNEN oder der SPD und den LINKEN, sondern vor allem an den Parteien, die im Parlament eher rechts ihre Sitze haben. Wir haben es gehört, im Bundestag beträgt der Frauenanteil aktuell nur noch 30,9 %. Das ist so gering wie seit 1998, wie seit 20 Jahren nicht mehr.

Wenn ich mir die Kommunalparlamente ansehe – die Zahlen hatten wir schon gehört –, sind sie extrem niedrig. Sachsen hat nicht eine einzige Landrätin. Ich frage Sie

ernsthaft: Wie lange können es sich Parteien noch leisten, Frauen – ich möchte fast sagen – systematisch auszuschließen?

(Zuruf des Abg. Peter Wilhelm Patt, CDU)

Wenn ich die Diskussion um die Aufstellung der Wahlkreiskandidatinnen und -kandidaten verfolge, dann schwant mir für den 01.09.2019, wenn der 7. Sächsische Landtag gewählt wird, Schlimmes. Ich glaube, dass dann noch weniger Frauen in diesem Landtag vertreten sein werden, als das aktuell der Fall ist. Damit wird sich in diesem Landtag möglicherweise manifestieren, dass in einem Parlament, das von einer Bevölkerung gewählt wurde,

(Zuruf des Abg. Patrick Schreiber, CDU)

Gesetze für die Lebenswirklichkeit der Bevölkerung zu machen – nicht der halben, sondern der ganzen Bevölkerung –, nicht sein kann, Männer machen Politik für Männer.

(Zuruf von der AfD: Aha!)

Das ist in einer repräsentativen Demokratie nicht nur ein Armutszeugnis, nein, das offenbart auch ein Demokratiedefizit, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN – Zuruf des Abg. Patrick Schreiber, CDU)

Oft hört man: Ja, ja, die Frauen haben keine Lust, in die erste Reihe zu gehen, Verantwortung zu übernehmen und Mandate anzustreben. Wir haben es gerade mit der Quote gehört. Das ist alles schlimm. Am Ende müsse sich die Qualität durchsetzen. Keine Frau in diesem Sächsischen Landtag muss sich vor einem Qualitätsvergleich scheuen, schon gar nicht vor den Männern, die hier in diesem Landtag vertreten sind, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Qualität setzt sich auch wegen der Frauenquote durch; denn es ermöglicht fähigen Frauen, was ihnen veraltete Rollenbilder und Ellenbogenmentalität verwehren. Mehr Rechte für Frauen heißt nicht weniger Rechte für Männer. Frauen sollen sich anstrengen. Genauso müssen sich aber Männer anstrengen, wenn sie in Parlamenten vertreten sind. Auch bei Männern soll sich endlich die Qualität durchsetzen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN – Zurufe von der CDU)

Da frage ich dann schon: Was können wir denn konkret tun? Die Rahmenbedingungen müssen geändert werden. Der Zugang zu Politik und zum Parlament muss für Frauen verbessert und erleichtert werden. Der Zugang in die Parlamente erfolgt natürlich über die Parteien. Deshalb sind alle Parteien, die hier vertreten sind,

(Zurufe von der CDU – Dr. Stephan Meyer, CDU, steht am Mikrofon.)

aber auch außerhalb des Parlaments, gefordert und in Verantwortung. Da ist es wenig hilfreich, wenn Altmännerriegen – –

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein.

Frauen als Mädchen titulieren oder als „Quotentussies“ bezeichnen.

(Zurufe von der CDU)

Innerhalb von Parteien, vom Vorstand bis zur Basis, –

Die Redezeit ist zu Ende.

– muss endlich mit geschlechterstereotypen Rollenbildern Schluss gemacht werden.

Die Redezeit!

Deshalb bleibe ich dabei:

Die Redezeit ist zu Ende!

Es ist viel erreicht, und es ist auch noch viel zu tun, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN – Zurufe von der CDU)

Das war Frau Kollegin Meier, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Jetzt

spricht Frau Dr. Kirsten Muster. Sie ist fraktionslos.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Morgen, am 12. November 2018, feiern wir 100 Jahre Frauenwahlrecht in Deutschland.

(Zuruf von der SPD: Dezember!)

Das aktive und passive Wahlrecht für Frauen ist ein Meilenstein für unsere Demokratie und für die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Ich sage es noch einmal: Gleichberechtigung von Mann und Frau.

Interessant ist für mich, dass dieses Thema die Koalition aufgebracht hat. Die Frauenquote der CDU in diesem Landtag beträgt knapp 20 % und ist damit sehr schwach.

(Daniela Kuge, CDU: Wir haben aber Direktmandate!)

Die CDU bemüht sich redlich, diese Quote in der nächsten Legislaturperiode auf 30 % zu heben. Nach Zeitungsartikeln hat sie damit Mühe. Frau Buddeberg hat es schon angedeutet.

Die Abgeordneten der blauen Partei lehnen starre Quoten für Frauen ab. Ganz herkömmlich nehmen wir – wie auch woanders – die Kriterien Eignung, Leistung und Befähigung. Ich bin übrigens gespannt, wann der erste Abgeord

nete mit der Geschlechtsbezeichnung „divers“ in den Sächsischen Landtag einzieht. Für die nächste Legislaturperiode setzen wir auf weniger Politprofis und mehr parteilose Fachleute. Hoffentlich nimmt damit die Politikverdrossenheit unserer Bürger etwas ab.