Protocol of the Session on November 7, 2018

Hören Sie doch erst einmal weiter zu. – Punkt 1: Schauen wir doch einmal, wie weit wir da in der Vergangenheit gekommen sind. Die Musikschulen sind in Ihrem Konzept der 40 Punkte als – ich zitiere – „öffentliche Kultur- und Bildungseinrichtungen, die Elemente der außerschulischen Jugendbildung, der schulischen Bildung, der kulturellen Bildung und der musischen Erziehung in sich vereinen“ ausgewiesen. Das klingt, als käme den Musikschulen in diesem Land ebenso eine Schlüsselposition für die kulturelle Bildung und für die Umsetzung Ihres Konzeptes zu.

Ich betone es an dieser Stelle noch einmal, und ich werde nicht müde, es immer wieder in diesem Hause deutlich zu sagen, dass Sie die Musikschulen seit nunmehr 16 Jahren nahezu unverändert fördern. Auch die 425 000 Euro mehr im letzten Doppelhaushalt konnten nichts daran ändern, dass die Förderquote seitens des Landes stetig sinkt. Lag sie im Jahr 2002 noch bei knapp 14 % am Gesamthaushalt der Musikschulen, so sind es im Jahr 2017 nur noch

10,6 %, und dies, obwohl in dem genannten Zeitraum die Zahl der Schülerinnen und Schüler sich fast verdoppelt hat, und das, obwohl mehr und mehr freie Lehrkräfte aus den Musikschulen besonders in den ländlichen Räumen fliehen, um zu Seiteneinsteigern an den sächsischen Schulen zu werden. Wer könnte ihnen das verübeln, werden sie doch nun erstmals vernünftig bezahlt?

So sieht also Wertschätzung einer originären Einrichtung kultureller Bildung Ihrerseits aus. Sorgen Sie endlich dafür, dass in den Musikschulen mehr Fachpersonal eingestellt werden kann und dass dieses auch ordentlich bezahlt wird!

(Beifall bei den LINKEN)

Doch schauen wir weiter, Punkt 2: Sie sprechen in Ihrem Konzept von Unterstützung der ländlichen Räume, von Mobilität, von besserer Verzahnung von Schule und kulturellen Einrichtungen, von der Teilhabe für Menschen mit Behinderungen und Benachteiligungen, von einer besseren Fort- und Weiterbildung, von integrativen Maßnahmen – alles gute Dinge. Jedoch lassen Sie im gleichen Moment zu, dass durch die magere Ausstattung Ihrer Förderrichtlinie kulturelle Bildung, Projekte und Ideen, die alle zur Erfüllung der eben genannten Aufgaben beitragen könnten, gar nicht zum Zuge kommen. Hier eine Auswahl, eine kleine Liste:

(Der Redner hält eine Liste hoch.)

2016, Antrag aus dem Kulturraum Erzgebirge/

Mittelsachsen, Kulturbus 4.0 – abgelehnt; Antrag aus der Stadt Leipzig, Tanz und Musik an integrativen Kindertagesstätten – abgelehnt; 2017, Antrag landesweit „Freies künstlerisches Erzählen an sächsischen Schulen“ – abgelehnt; Antrag aus der Stadt Leipzig, „Früh übt sich“, Modellprojekt für musische Bildung und Förderung bildungsbenachteiligter Kinder – abgelehnt; Antrag der Stadt Dresden, „Get up! Stand up!, Dresdner Schüler*innen proben den Aufstand“, Theaterprojekt – abgelehnt; 2018, Antrag landesweit, „Neuland – Kulturbündnisse im ländlichen Raum“ – abgelehnt; Antrag landesweit, Fortbildungsreihe zur Qualifikation von Kitaerzieherinnen und -erziehern im Bereich ästhetischer Bildung im frühkindlichen Bereich – abgelehnt; Antrag aus dem Kulturraum Meißen/Sächsische Schweiz/Osterzgebirge, Erweiterungsmodul zur Präsentation der Angebote im Bereich der kulturellen Bildung – abgelehnt, und noch ein Letztes: Antrag der Stadt Leipzig, das Projekt „Electronic Sound kids“, offenes Musiklabor, Schnupperstunde und Projekte an Schulen – abgelehnt.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Kollege Sodann?

(Zuruf von der LINKEN: Abgelehnt!)

Die Zwischenfrage ist gestattet; das Ja galt da auch.

Nicht abgelehnt.

Bitte, Frau Kollegin.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Sodann, ist auch Ihnen bekannt, dass es sich bei der Bewerbung von verschiedenen Projekten um Fördermittel stets um einen Wettbewerb handelt, bei dem es abgelehnte und auch mindestens genauso viele angenommene Bewerberinnen und Bewerber gibt?

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Das ist mir bekannt. – Gegenfrage, Frau Kliese: Ist Ihnen bekannt, dass, wenn wir – –

Das geht nicht; Sie müssen erst antworten.

Dann antworte ich Ihnen ganz anders.

Genau.

Ja, es ist mir bekannt. Aber mir ist auch bekannt, dass mit den eben berechneten Beispielen 490 000 Euro zur Förderung von Projekten der kulturellen Kinder- und Jugendbildung übrig bleiben. Was fange ich mit 490 000 Euro an? Da entsteht dann nämlich solch eine Liste, und ich glaube nicht, dass das, was ich hier vorgelesen habe, qualitativ so schlecht gewesen wäre, dass man es hätte ablehnen müssen, zumal all diese Dinge auch landesweit gedacht waren. Das ist der Punkt.

(Beifall bei den LINKEN)

Das ist nämlich auch der Punkt, auf den ich jetzt komme: Gerade einmal ein bis maximal vier Klein- und Kleinstprojekte konnten durch diese Förderrichtlinie in den einzelnen Kulturräumen pro Jahr durchgeführt werden. Wenn Sie mir jetzt weismachen wollen, dass dies ein Netz der kulturellen Bildung über das Land ist, verstehe ich Sie auf ganz vielen Ebenen nicht mehr, sehr geehrte Frau Staatsministerin Stange.

Wenn Sie tatsächlich schnell etwas verbessern möchten, dann statten Sie diese Richtlinie im nächsten Doppelhaushalt schlichtweg besser aus. Aber so, wie es im derzeitigen Haushaltsentwurf aussieht, ist davon keine Rede. Natürlich werden Sie mir jetzt wieder sagen, es gebe auch noch die Kulturstiftung – Sie sprachen es ja an –, auch sie fördere im Bereich kulturelle Bildung. Richtig; aber dann sage ich Ihnen: Auch diese Richtlinie ist finanziell nicht entsprechend ausgestattet. Allein in diesem Jahr gab es, wie es aus den Antworten auf meine Anfragen zum Doppelhaushalt zu entnehmen ist, 554 Anträge auf Projektförderung mit einem Volumen von 6 Millionen Euro, von denen jedoch nur die Hälfte von 2,9 Millionen Euro bewilligt werden konnten, genau wie in den Jahren zuvor nur die Hälfte.

Das ist ein gravierendes Zeichen. Das hat mit Qualitätsstandards, die nicht erfüllt wurden, nichts zu tun.

Außerdem Folgendes: Mit einem beschlossenen Antrag der CDU/SPD-Koalition zur Stärkung der kulturellen Bildung aus dem Jahr 2015 hier in diesem Haus, dem wir zugestimmt haben, wurde die Staatsregierung aufgefordert, ein strategisches Konzept zu erarbeiten. Die Betonung liegt auf „strategisch“. Es sollte darstellen, wie allen Altersgruppen – unabhängig von ihrem Wohnort, der sozialen und kulturellen Herkunft – der Zugang zu Angeboten der kulturellen Bildung ermöglicht werden soll, und Vorschläge für die bessere Erreichbarkeit von außerschulischen Lernorten beinhalten. All dies ist aber mit dem vorliegenden Konzept nicht erreicht worden.

Des Weiteren heißt es in der Begründung – ich lese vor: „Hierzu sind die finanziellen und strukturellen Rahmenbedingungen in einem landesweiten Konzept darzustellen, damit eine entsprechend gestaltete kulturelle Bildung vor Ort nachhaltig Entfaltung findet.“ Genau hier liegt die Krux, denn diese Untersetzung ist mit keiner Faser in Ihrem Konzept zu finden. Im Grunde ist der Ansatz Ihres Konzeptes gut, viele Ideen, wenngleich nicht gleich umzusetzen, auch neue. Aber es bleibt unklar, wie diese Leitziele umgesetzt werden sollen. Welcher Maßnahmen bedarf es zur Umsetzung in den einzelnen Ministerien? Welche Nahziele gibt es, die im Grunde schnell durch eine bessere Ausstattung von Förderern, Akteurinnen und Akteuren zu erreichen wären? Welche Fernziele, die strategisch gänzlich anders gelöst werden müssten, zum Beispiel die bessere Erreichbarkeit? Es reicht kein Theaterbus, da braucht es schon eine Gesamtbetrachtung und auch eine Neuausrichtung des ÖPNV.

Bei der Steigerung der Attraktivität des ländlichen Raumes für Familien reicht es nicht, sich auf die Kinder und Jugendlichen zu beschränken. Dann muss ich auch über Eltern und Großeltern, über Schulen, Ganztagsschulen reden, über Krippen, Kindertagesstätten als grundsteinlegende Orte der Bildung mitdenken, darüber, wie ich dem Fachkräftemangel, der Abwanderung von Musikpädagoginnen und Musikpädagogen an den Musikschulen begegnen will.

Wie will ich die Kulturschaffenden, die freien Projektträger, die Künstlerinnen und Künstler in den soziokulturellen Zentren, den Museen, Bibliotheken in Zukunft ordentlich bezahlen – und nicht lapidar schreiben: „werden angemessen vergütet“. Das ist mir an dieser Stelle einfach zu schwach. Ich will wissen – und ich denke, andere auch –, was bedarfsgerecht bedeutet und welche Analyse diesem Wort zugrunde liegt. Was sind die Rahmenbedingungen, und wie sehen diese aus usw.? Wenn Sie all das in einer Nachbetrachtung beherzigen und einarbeiten würden, dann gäbe es ein Konzept zur Stärkung der kulturellen Bildung in diesem Land.

Doch an den Taten sollen wir Sie messen. Eine Möglichkeit dazu haben Sie in den Verhandlungen zum nächsten Doppelhaushalt. Schauen Sie sich unsere Änderungsanträge einmal genau an; zum Beispiel über die Förderricht

linie Kulturelle Bildung. Denen können Sie dann getrost zustimmen und von sich sagen, wir sind einen Schritt gegangen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN und den fraktionslosen Abgeordneten)

Die Aussprache zur Fachregierungserklärung wurde von Herrn Kollegen Sodann für die Fraktion DIE LINKE eröffnet. Jetzt spricht für die CDU-Fraktion Frau Kollegin Fiedler.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst, Herr Sodann, ist es nicht unser Anliegen, das große Rad zu drehen, weil wir in unserer Politik weniger auf Effekte setzen, sondern wir setzen auf eine solide Arbeit

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Aha!)

und sind deshalb dankbar, dass dieses Konzept jetzt vorliegt und wir darüber debattieren können.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Für die Koalition hat das Thema kulturelle Bildung einen sehr hohen Stellenwert. Das beginnt mit der Verankerung des Ganzen im Koalitionsvertrag von CDU und SPD ganz weit vorn und setzt sich seit 2014 in verschiedenen Maßnahmen fort. Doch all diese politische und finanzielle Unterstützung würde nicht ihre Wirkung entfachen, wenn sich nicht jeden Tag viele mit Enthusiasmus und Begeisterung der kulturellen Bildung in unserem Freistaat widmen würden. Bei aller politischen Auseinandersetzung möchte ich an dieser Stelle diesen Menschen ganz herzlich danken.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Sie übernehmen keine leichte Aufgabe, aber sie ist enorm wichtig und nicht leicht, weil es eines klugen Angebotes bedarf, Kinder und Jugendliche zu fordern, aber nicht zu überfordern, und sie aus ihrer heute häufig digitalen Welt abzuholen. So besteht ein Twitter-Text aus maximal 280 Zeichen, Goethes Faust im ersten Teil aus über 30 000 Worten.

Das ist eine wichtige Aufgabe, weil das kulturelle Erbe unserer Vorfahren unsere Nachfahren weiter schützen sollen. Deshalb müssen wir dafür Sorge tragen, dass Kinder und Jugendliche wahrnehmen, welcher Schatz und welche Einmaligkeit das ist.

Auch gehen immer wieder wichtige kreative Impulse für Sachsens Entwicklung aus unserer Kultur hervor. Diese gute Entwicklung und Tradition wollen wir fortführen. Natürlich bietet unsere Kultur auch den Anker, die wichtigen Diskussionen über die großen Fragen des Lebens zu führen – über Herkunft und Zukunft und das gesellschaftliche Miteinander.

Kultur wird nicht alle Probleme lösen, durch sie werden auch nicht alle zu besseren Menschen, aber sie erweitert den Blick, schafft Verbindung, Begeisterung, Neugier, Kreativität und ermuntert zum Engagement in der Gemeinschaft.

Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, fasst es in zwei Sätzen zusammen: „In der Kunst und auch in der kulturellen Bildung wollen wir nicht erziehen. Es geht um einen anderen Zugang, den man zu etwas hat, zum Beispiel sehen zu lernen.“ Der Freistaat unterstützt die kulturelle Bildung auf vielfältige Weise, unter anderem durch die Musikschulen, das Musikgymnasium, das Projekt „Jedem Kind ein Instrument“, mit der Erhöhung der Kulturraummittel, das Projekt „Pegasus – Schulen adoptieren Denkmale“, das Bibliotheksprojekt „Kilian – Kinderliteratur anders“, mit der deutlichen Erhöhung der Projektmittel im Kulturministerium.

Immerhin ist für das nächste Jahr wieder eine Erhöhung verankert. Ich würde Sie, Herr Sodann, einmal bitten, in Ihre eigene Kleine Anfrage hineinzuschauen. Darin steht nicht nur, welche Projekte nicht gefördert werden, sondern auch, welche gefördert werden. Man kann einmal hineinsehen: „Kinder und Jugendwettbewerb FABULIX – zugestimmt, „Mit Musik in den Hort“ – zugestimmt, „Integration und Teilhabe mit inklusiver Zielrichtung“ – zugestimmt, „KuBiMobil“ – zugestimmt, „BackMobil“ – zugestimmt. Ich erspare mir, diese Liste noch fortzusetzen. Es sind deutlich mehr, als Sie es als Ablehnung hier vorgetragen haben.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Es geht noch weiter: Es gibt das sächsische Schultheatertreffen. Es gibt die Förderung der Stelle „KOST – Kooperation Schule und Theater in Sachsen“, die die Verbindung von Kunst und Schule fördert, den Fonds für den Instrumentenankauf. Allein aus diesem Fonds konnten bislang für über 60 Ensembles über 200 Instrumente angeschafft werden.

Es ist bei dieser Thematik, mit der wir uns heute beschäftigen, richtig, auch immer die Erreichbarkeit zu besprechen. Das betrifft insbesondere den ländlichen Raum, und darüber müssen wir reden. Es ist uns ein großes Anliegen, zu helfen, die Hürde zu überwinden. Deshalb war es für uns als Koalition sehr wichtig, bei der Erhöhung der Mittel für die kulturelle Bildung neben neuen Projekten die Erreichbarkeit mit zu bedenken und Mobilität zu unterstützen. Wir haben uns auf einen Weg gemacht. Ich denke, es gibt gute Beispiele, sehr tolle Beispiele, bei denen das gelingt.

Die Ministerin hat das Projekt „KuBiMobil“ vorgestellt, das im Kulturraum Oberlausitz/Niederschlesien toll gemacht wird, nicht nur, dass die Erreichbarkeit zu den Einrichtungen gefördert wird. Die Idee, dass die Fahrzeit schon kreativ gestaltet wird, ist neu hinzugekommen. Allein in diesem Jahr haben fast 15 000 Jugendliche