Protocol of the Session on November 7, 2018

Bitte.

Sehr geehrte Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Koalition präsentiert uns einen Antrag, aber sie handelt nicht so, wie sie könnte. Sie könnten, aber Sie verstecken sich

stattdessen hinter dem Bundesrat und der Europäischen Union, während andere EU-Anrainer wie Frankreich und Österreich aktiv eingreifen und ihre Population regulieren, offenbar auch mit wolfsfreien Zonen, die die SPD für praktisch unmöglich hält. Fahren Sie einfach dahin. Wir schauen uns ja auch sonst ganz gern im Ausland um.

Ich frage Sie konkret: Was wollen Sie tun, damit Weidetiere, insbesondere Ziegen und Schafe, nicht weiter aus der Landschaft verschwinden und auch unsere Kinder mit ihnen aufwachsen können? Nicht wir, sondern die Steuerzahler zahlen jedes Jahr Tausende Euro an Herdenschutzmaßnahmen für extrahohe Elektrozäune, Flatterbänder, Untergrabeschutz, Herdenhunde, Nachtgatter, Esel und vieles mehr. Das Resultat, meine Damen und Herren, ist nicht viel mehr als ein recht nutzloses Hürdenspringen für Wölfe, das diese ganz ohne Probleme meistern.

(Wolfram Günther, GRÜNE: Das ist totaler Schwachsinn!)

Die Jungtiere lernen von ihren Eltern, wie die Schutzmaßnahmen am effektivsten zu überwinden sind. Wer das nicht glaubt, der fahre einfach in die Lausitz und überzeuge sich vor Ort davon.

(Wolfram Günther, GRÜNE: Eben!)

Die Forderungen von Abschuss und Vergrämungsmaßnahmen, die wir immer wieder in diesem Hause diskutiert haben, sind nutzlos; das wissen wir auch. Sie gehen an der Praxis vollkommen vorbei. Die Wolfsangriffe finden in der Regel bei Nacht oder während der Dämmerung statt, wenn kein Schäfer auf der Weide steht. Solche Forderungen sind schlichtweg Show und haben keinerlei Lerneffekt. Sie müssen also schon etwas konkreter werden, wenn Sie den Schäfern erklären wollen, wie Sie ihnen helfen wollen.

Unser Staatsministerium kann sich nun vorstellen, dass auch ein Rudel in der Dresdner Heide etabliert wird und Welpen auch dort geboren werden, in einem Waldgebiet mit extrem starker Freizeitnutzung. Die längst in diesem Gebiet lebenden Wölfe erkundeten zuletzt ausweislich der Medien das Mufflongehege neben dem großen Spielplatz und der Behindertenschule in der Albertstadt, die Stauffenbergallee und das Konzertgelände auf dem Weißen Hirsch.

Wenn das für Sie Sicherheit bedeutet, dann haben Sie das Problem der Landbevölkerung bisher nicht verstanden, im Gegenteil. Die Petitionen der Landbevölkerung außerhalb der großen Städte wissen, wie das reale Leben mit den sogenannten Wölfen aussieht, und die Petenten haben bisher mit ihren Erfahrungen recht behalten. Anderenfalls würde sich die Koalition auch nicht genötigt fühlen, jetzt doch irgendwie vor der herannahenden Wahl einen Antrag zu formulieren.

(Zuruf von der CDU: Befassen Sie sich bitte mit dem Thema!)

Die hiesigen Scheinwölfe – benennen wir es doch einmal – haben keinerlei Scheu. Sie haben sich längst an Menschen und Siedlungen gewöhnt.

(Zuruf von der CDU)

Meine Damen und Herren, ein bisschen Wolf ist biologisch kein Wolf, sondern ein Scheinwolf, und viel schlimmer: Er ist tatsächlich eine reale Gefahr für den Erhalt des europäischen Grauwolfes, um den es Ihnen ja angeblich immer geht, nur dass Sie diametral entgegengesetzt handeln. Stattdessen schauen Sie seit fast zwei Jahrzehnten dieser Entwicklung zu. Es wird politisch in jedem Fall zu klären sein – ich weiß nicht, wann –, warum Sie nicht handeln und den Bürgern nach wie vor erklären, wir hätten Wölfe. Stattdessen schützen wir diese nicht.

Die Beweise – dazu auch unser Änderungsantrag –, dass die Wolfspopulation in Sachsen und Deutschland mit hoher Wahrscheinlichkeit stark von der Vermischung mit Haushunden geprägt ist, verdichten sich tatsächlich immer weiter. Daher fordert die blaue Partei erneut, das Ausmaß der wolfsgefährdenden Vermischung mit dem Haushund von internationalen parteiunabhängigen Experten prüfen zu lassen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den fraktionslosen Abgeordneten – Volkmar Winkler, SPD: Das war blauer Dunst von Ihrer blauen Partei!)

Es gibt jetzt keinen Redebedarf mehr von den Fraktionen? – Herr von Breitenbuch noch einmal, bitte.

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte noch kurz auf einige Punkte eingehen, die angesprochen worden sind. Das eine ist das Thema der Genetik. Es gibt ein zentrales deutsches Institut – nämlich das Deutsche Referenzlabor für genetische Untersuchungen beim Senckenberg-Institut Gelnhausen. Wir sind dort mit angedockt, weil dort die gesamten deutschen Informationen zusammenfließen. Das sind die Wissenschaftler. Uns wird manchmal vorgeworfen, dass wir nur noch glauben und nicht mehr wissenschaftlich arbeiten würden. Ich denke, hier sieht es genau andersherum aus. Genau dort ist der wissenschaftliche Sachverstand, um diese Themen zu beurteilen. Wenn wir dem alle nicht mehr vertrauen sollten – prost Mahlzeit! Ich denke, das ist hier weiterhin richtig angesiedelt. Jeder kann sich dort informieren. Es können die Schäden betrachtet, geprüft werden. Auch Laien – wir waren schon beim Senckenberg-Institut – können nachfragen. Das sind alles Verschwörungstheorien, die hier mit durchschimmern, Frau Dr. Petry.

(Beifall bei der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Dann würde ich gern noch auf das Thema wolfsfreie Zonen eingehen.

(Heiterkeit – Dr. Frauke Petry, fraktionslos, steht am Mikrofon. )

Ich sehe niemanden. – Ach, Frau Dr. Petry, bitte.

Herr von Breitenbuch, eine Frage: Wenn Sie Senckenberg vertrauen, obwohl meiner Ansicht nach Skepsis erste Wissenschaftspflicht ist, wissen Sie mit wie vielen Merkmalen Senckenberg bei der kraniologischen Untersuchung im Gegensatz zu unterabhängigen internationalen Experten arbeitet?

Das kann ich Ihnen nicht sagen, aber ich kann das sicher nachfragen.

Acht von 40. Ich sage es Ihnen gern selbst. Das ist viel zu wenig.

Und Sie können das beurteilen? Ist ja interessant.

(Uwe Wurlitzer, fraktionslos: Ja! Acht von 40, das müsste alles sagen!)

Ich möchte auf das Thema wolfsfreie Zonen eingehen. Wenn wir das Land in Gegenden einteilen, wo der Wolf akzeptiert wird, wo die Beschwernisse letztendlich ertragen werden sollen, und wir andere Gegenden außen vor lassen, wird das, glaube ich, nicht funktionieren. Wir müssen generell dort, wo es Schwierigkeiten gibt, versuchen Lösungen zu finden. Das ist die Herausforderung. Deshalb bringt uns das Thema wolfsfreie Zonen auf keinen Fall weiter.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Jetzt schaue ich noch einmal in die Runde, dass ich niemanden übersehe oder vergesse. – Ich sehe keinen Bedarf mehr. Herr Staatsminister, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herzlichen Dank für die angeregte Debatte. Man kann durchaus unterschiedlicher Meinung darüber sein, was man in der Runde gehört hat, von Frau Kagelmann bis zu Frau Grimm oder Herrn Wild. Dass es aber vom Niveau her noch so weit zu unterbieten ist, hätte ich Frau Dr. Petry ehrlich gesagt nicht zugetraut.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN und der SPD)

Wir sollten uns mit der Sache befassen. Das haben alle anderen Debattenredner durchaus getan. Ich sage es gleich vorweg: Ja, wir können als Staatsregierung, als Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft auch ohne das Parlament eine solche Verordnung erlassen. Dazu brauchen wir das Parlament nicht. Dazu brauchen wir eine Ermächtigungsgrundlage, die wir aus den dafür zuständigen Gesetzen ableiten können. Aber bei so einem politisch brisanten Thema war es uns wichtig, im Parla

ment diese Unterstützung – oder auch keine Unterstützung – zu erhalten. Deshalb bin ich wirklich dankbar für die Unterstützung aus den Koalitionsfraktionen, indem sie diesen Antrag eingebracht haben.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Natürlich sind wir darauf vorbereitet, haben abgewogen, auf welchem Wege es nun richtig ist, ob das Management einfach nur verändert wird oder ob wir wirklich eine Verordnung auf den Weg bringen. Dafür gibt es konkrete Vorschläge, die letztendlich noch nicht abgestimmt sind. Deshalb ist die politische Willensbildung noch nicht abgeschlossen.

Der Ort der politischen Willensbildung ist in der Hauptsache das Parlament. Aber innerhalb der Staatsregierung gab es noch keine Mitbefassung der anderen Ressorts. Das werden wir umgehend einleiten, sollte der Antrag hier eine Mehrheit finden, wie das jetzt aussieht.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Ich bin mir noch nicht sicher!)

Aber dieses Zeichen, das war mir aus den Reihen des Parlamentes extrem wichtig.

Wir sind als Bundesland, als Freistaat Sachsen, seit 20 Jahren wieder Besiedlungsland des Wolfes geworden. Auch wenn ich im Bundesrat erfahren musste, dass man in der Bundesregierung bzw. im BMU der Meinung ist, es sei seit zehn Jahren so. Nein, es ist bereits seit 20 Jahren so. Auch die ersten Risse traten bereits Anfang der 2000er- Jahre im Freistaat Sachsen auf.

Wir haben mit dem Umgang große Erfahrung. Wir kennen aber auch die Nöte. Wir kennen die Konflikte der Weidetierhalter. Natürlich geht es in erster Linie um Herdenschutz, um den Schutz unserer Nutztiere, Herr Kollege Günther. Es geht auch um die Straffung der Administration, aber es geht auch darum, die Ängste der Menschen in der Region ernst zu nehmen. Das ist ein wichtiger Faktor, den man nicht kleinreden sollte. Uns ist wichtig, dass wir zeigen: Wir wollen uns diesen Herausforderungen stellen und versuchen, das Handeln immer weiter mit neuen Instrumenten zu optimieren und möglichst konfliktarm zu gestalten; denn ohne Konflikte wird es nicht gehen.

Wir wollen dabei – das ist uns wichtig – als Erstes an einen Schadensausgleich heran, von der Erfassung der Schäden bis hin zur Entschädigung selbst. Wir streben eine Förderquote für Herdenschutzmaßnahmen von 100 % an. Es gibt aus den Koalitionsfraktionen heraus eine Initiative, um im Haushalt dafür Vorsorge zu treffen. Ich werbe dafür, dass es im Haushalt so untersetzt wird.

Wir wollen den Bund mit ins Boot holen. Das ist Vorsorge. Sollte es aus dem Bund heraus am Ende nicht gelingen, dass wir den Herdenschutz gefördert bekommen, werden wir auf Bundes- und EU-Ebene weiter werben, dass wir hier Unterstützung bekommen.

Das erfolgreiche Wolfsmanagement ist am Ende trotz allem keine Ländersache, sondern wir brauchen ein abgestimmtes bundesweites Herangehen, ein nationales

Konzept zum Umgang mit den Wölfen. Es kann nicht sein, dass wir das in Sachsen anders machen als in Brandenburg oder in Niedersachsen. Das kann man niemandem vermitteln, das muss abgestimmt sein. Wir brauchen ein abgestimmtes Handeln – deshalb die Bundesratsinitiative. Wir hatten ursprünglich selbst vor, eine Bundesratsinitiative zu starten, und hatten diese auch vorbereitet. Dann kam Niedersachsen auf uns zu mit der Frage, ob wir es nicht gemeinsam machen wollen. Das haben wir gern getan. Anschließend ist Brandenburg noch mit eingestiegen. Diese Bundesratsinitiative haben wir nun auf den Weg gebracht. Sie ist derzeit in den zuständigen Ausschüssen.

Der gesamte Ausnahmekatalog des Artikels 16 Abs. 1 der FFH-Richtlinie muss in nationales Recht umgesetzt werden. Diese Änderung würde uns mehr Flexibilität bei der Entnahme von Wölfen einräumen. Wenn Sie, Frau Kollegin Kagelmann, sagen, ob Wölfe entnommen oder geschossen werden oder nicht, der Wolf wird bleiben. Es zeigt auch: Wenn Einzelwölfe entnommen werden, dann sind Sie selbst der Meinung, dass dadurch die Population nicht gefährdet wird. Zumindest schließe ich das aus Ihren Ausführungen.

Bundeseinheitliche Regelungen und ein ganzheitliches Populationsmonitoring sind die Basis für ein vernünftiges Wolfsmanagement in Deutschland. Aber wir richten den Blick nicht nur über die Ländergrenzen in der Bundesrepublik selbst, sondern auch nach Polen. Auch hier brauchen wir ein gemeinsames Wolfsmonitoring, um bei der Population grenzüberschreitend richtig einschreiten zu können.

Ich war als erster deutscher Umweltminister dazu in Warschau und habe dafür geworben. Inzwischen gab es Kontakte auf Bundesebene, und es zeichnet sich ab, dass wir wahrscheinlich zu einem gemeinsamen Wolfsmonitoring kommen.

Wenn ich vorhin die Angst der Menschen angesprochen habe, müssen wir uns als Erstes fragen, was wir im Land selbst tun können, was wir auf Landesebene selbst regeln können. Deshalb ist es richtig, diese Verordnung auf den Weg zu bringen. Mit einer Verordnung kann das schon etablierte sächsische Wolfsmanagement – wir waren die Ersten in der Bundesrepublik – weiterentwickelt und vor allem rechtlich abgesichert werden; denn wenn ich von Ängsten spreche, dann meine ich nicht nur die Angst der Nutztierhalter und der Menschen, die in der Region leben, sondern auch die Angst, wenn jemand eine Entscheidung treffen und ständig davor Angst haben muss, weil es nicht rechtssicher geregelt ist, am Ende vor dem Staatsanwalt zu landen. Auch für solche Entscheidungen brauchen wir klare, rechtssichere Regelungen.