Protocol of the Session on September 27, 2018

Zusammengefasst sei gesagt: Ein solches Großprojekt kann nur gelingen und wird auch nur dann von den Menschen akzeptiert werden, wenn generell daran gearbeitet wird, das Verkehrssystem umzustellen und die Bürger an den bestehenden Strecken, die heute noch existieren, vor Lärm und anderen Auswirkungen zu schützen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN und der Abg. Katja Meier, GRÜNE)

Meine Damen und Herren, für die SPD-Fraktion Herr Abg. Baum. Herr Baum, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden jetzt hier über das Thema Neubaustrecke Dresden – Prag und die Große Anfrage der GRÜNEN dazu. Auch wenn die Strecke mittlerweile in den Vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans aufgestiegen ist, sprechen wir über ein Generationenprojekt. Eine Realisierung wird vermutlich noch weit über 20 Jahre in Anspruch nehmen.

Was sind die erwarteten bzw. prognostizierten Haupteffekte des Projektes? Erstens, eine Verkürzung der Reisezeiten im Personenverkehr und der Transportzeiten im Güterverkehr; zweitens, die Beseitigung von Kapazitätsengpässen auf diesem transeuropäischen Korridor.

Sicherlich ist es redlich und wichtig in heutigen Zeiten und mit den Erfahrungen bei anderen Großprojekten wie dem Flughafen Berlin oder Stuttgart 21, solche großen Vorhaben rechtzeitig zu hinterfragen, Unklarheiten zu beseitigen und eine entsprechende Bürgerbeteiligung vorzubereiten. Das ist das gute Recht der Öffentlichkeit, der Umweltverbände, aber auch der Opposition – und das sollen sie auch tun. Das ist natürlich auch das gute Recht der Menschen, die vor allem von diesem Vorhaben betroffen sein werden. Alles andere würde nur zu weiterer Politikverdrossenheit führen.

Gemäß dem derzeitigen Stand der Planung können wir über vieles noch keine konkreten Aussagen treffen und müssen noch weitere konkrete Planungs- und Prüfungsergebnisse abwarten. Zum Beispiel mit Blick in die Schweiz oder nach Südtirol, wo wir uns ja bei der Ausschussreise Bahn- und Tunnelbaustellen angeschaut haben, braucht es nun einmal große Tunnellösungen für den Bahnverkehr. Dort reden wir natürlich auch über ganz andere geografische Gegebenheiten, obwohl wir hier auch insgesamt 26 Kilometer Tunnel auf der neuen Strecke bauen wollen, davon 15 Kilometer auf sächsischem Gebiet.

Wir können derzeit nicht mit letzter Gewissheit sagen, wie sich der Schienenverkehr in 20, 30 Jahren entwickeln wird. Wenn wir aber mehr für den Klimaschutz und die Verkehrswende sowie für eine Verlagerung von der Straße auf die Schiene tun wollen, dann brauchen wir auch die Neubaustrecke Dresden – Prag.

Als ehemaliger Verkehrsplaner sehe ich hier schon den großen Nutzen, und das ist nicht nur meine persönliche Auffassung –, wie auch die Bewertung des KostenNutzen-Verhältnisses durch das Bundesverkehrsministerium zeigt. Wenn die Neubaustrecke dann obendrein noch dazu beiträgt, den Güterverkehr so weit wie möglich aus dem Elbtal abzuziehen, dann ist wirklich viel erreicht.

Zunächst ist festzustellen, dass der Abschnitt Heidenau – Ústí nad Labem, um den es bei der Neubaustrecke im Besonderen geht, gut in den größeren Kontext im TENKorridor Orient/Östliches Mittelmeer passt. Das ist zumindest ein gutes Signal für Dresden und für Fernreisende. Ich sagte es heute schon: Unser Ziel muss es sein, dass Dresden perspektivisch zum Bahnknoten, zum Kreuzungspunkt internationaler Fernbahnstrecken wird. Die Nord-Süd-Richtung ist dann eben mit dieser Neubaustrecke Dresden – Prag auch so gegeben. Darüber hinaus muss aber nicht nur die Neubaustrecke Dresden – Prag, sondern auch die Elektrifizierung der anderen Strecken vorangetrieben werden, über die wir heute schon gesprochen haben.

Nun, auch wir als Freistaat müssen aufpassen und dem Bund und der Bahn – auch das haben wir heute schon mehrfach gesagt – auf die Füße treten, damit nicht ein Großteil der Mittel für Schienenprojekte des Bundes von Großprojekten verschlungen wird und kleinere Projekte dann hinten herunterzufallen drohen. Das darf eben nicht passieren. Das müssen wir natürlich bedenken und im Freistaat Sachsen unsere Prioritäten setzen. Genauso müssen wir natürlich auch an die Pendler im Nah- und Regionalverkehr denken. Wenn wir eine Verkehrswende und eine Bahnoffensive wollen, ist der Bund ohnehin gut beraten, die Mittel in diesem Bereich aufzustocken.

Ein weiterer Punkt, der mir wichtig ist, sind die im oberen Elbtal lebenden Menschen, die ja bislang einem enormen Verkehrslärm insbesondere durch die Güterzüge ausgesetzt sind und sich jetzt natürlich fragen, ob sich für sie etwas ändert, etliche sogar, ob sie es aufgrund der Planungs- und Realisierungszeiten überhaupt noch erleben werden. Hier ist natürlich auch der Freistaat gefordert, seine Anstrengungen zu forcieren und eine noch aktivere Lärmschutzpolitik voranzubringen.

Eine gute Nachricht gibt es diesbezüglich: Der Gesetzgeber sieht ein Fahrverbot für laute Güterwagen immerhin ab dem Fahrplanwechsel 2020/2021 vor, und Bund und Bahn werden verstärkt in den Lärmschutz investieren, auch im oberen Elbtal.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Neubaustrecke Dresden – Prag ist bei vernünftiger Planung und Realisierung eine Strecke mit großem Potenzial, gerade auch im europäischen Kontext. Wir als Freistaat müssen natürlich trotzdem zunächst unsere Hausaufgaben machen und SPNV und ÖPNV in Sachsen weiter voranbringen sowie beim Thema Lärm- und Gesundheitsschutz nachbessern. Ich sage es ganz offen: Auch für mich sind noch viele Fragen offen, die geklärt werden müssen, bevor wir uns

an eine endgültige Realisierung wagen. Es ist natürlich auch kein ganz so billiges Verkehrsprojekt.

Die Staatsregierung und auch Staatsminister Dulig haben aber über Dresden – Prag hinaus auf Bundesebene und bei der Bahn bereits einen starken Einsatz bei der Elektrifizierung der Strecke Leipzig – Chemnitz gezeigt und auch da ein erfreuliches Ergebnis herbeigeführt. Ein solches Ergebnis wünsche ich mir dann auch für die anderen noch zu elektrifizierenden Strecken, über die wir heute schon gesprochen haben. Wir werden das Projekt Dresden – Prag und alle weiteren wichtigen Schienenverkehrsprojekte im Freistaat weiterhin und intensiv positiv begleiten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Kollege Baum war das für die SPD-Fraktion, und jetzt spricht Kollege Barth für die AfD.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Neubaustrecke Dresden – Prag ist sicherlich eines der größten Infrastrukturprojekte in unserem schönen Freistaat. Wir freuen uns ausdrücklich über die Entscheidung des Bundes, aufgrund derer das Projekt im letzten Jahr in den Vordringlichen Bedarf aufgestiegen ist. Im Übrigen wurde damit eine originäre AfD-Forderung aus der schriftlichen Stellungnahme unserer Fraktion an das Bundesministerium für Verkehr und Infrastruktur umgesetzt.

Die Verwirklichung dieses Bahnprojekts, das sich vermutlich mindestens über mehr als zwei Dekaden erstrecken wird, bedarf zweifelsohne einer vielschichtigen und intensiven Planung, es bedarf der Bürgerbeteiligung, und es bedarf auch einer parlamentarischen Kontrolle. An dem zuletzt genannten Punkt knüpft auch die vorliegende Große Anfrage an; denn sie liefert über ihre Beantwortung Zahlen zur Auslastung und Leistungsfähigkeit der Bestandsstrecke sowie Zahlen zur Lärmbelastung auf der Bestandsstrecke. Damit sind die Teile A und B der Großen Anfrage im Wesentlichen abgedeckt. Wissenswertes über die Neubaustrecke Dresden – Prag erfahren wir jedoch nicht. Zudem steht aber fest, dass es seit 2017 keine besonders laute Diesellok der Baureihe 241 mehr auf der Elbtalstrecke gibt.

Im Punkt C, der dem Planungsstand gewidmet ist, wird deutlich: Wir befinden uns in der Planungsphase. Diese fußt überwiegend auf Absichtserklärungen und Vereinbarungen. Studien zur Auslegung der Neubaustrecke befinden sich hingegen seit Jahren im Internet, und Ihre Fragen danach erinnern viel mehr an eine parlamentarische Beschäftigung als an eine parlamentarische Kontrolle; aber sei es drum!

Meine Damen und Herren, meine Redezeit ist nicht allzu lang.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Ein Glück!)

Deshalb kann ich nicht auf sämtliche Aspekte der Großen Anfrage eingehen. Sicher kommt auch Fragen zu Kosten und Terminen sowie Fragen zur Bürgerbeteiligung grundsätzlich eine tragende Rolle zu. Sie fördern hier auch Erhellendes zutage, beispielsweise über die Entwicklung der Kostenschätzung in den Vorplanungsstudien. So haben sich diese Kostenschätzungen zwischen 2009 und 2015 von 1,1 auf nunmehr 1,3 Milliarden Euro erhöht, und das wird wohl auch noch nicht das Ende der Fahnenstange sein.

Ebenso interessant wie aussagekräftig ist, dass die Staatsregierung bei der Frage nach dem konkreten Bürgerdialog sowie bei der Nutzung neuer Formen der Bürgerbeteiligung auf den Gebrauch des Handbuches für eine gute Bürgerbeteiligung verweist. Sehr schön, dass man sich in der Staatsregierung endlich einmal beliest; denn mit der Bürgerbeteiligung ist es im Freistaat Sachsen bisher nicht besonders weit her.

(Andreas Nowak, CDU: Bei dem konkreten Thema überhaupt nicht!)

Meine Damen und Herren von der einbringenden Fraktion! Große Anfragen sind sicherlich ein sehr gutes Werkzeug zur parlamentarischen Kontrolle. Ich würde mir aber von Ihrer Fraktion wünschen, dass Sie, wie Sie es in Ihrer Begründung getan haben, auch bei Ihren grünen Projekten einmal Fragen zur Finanzierung, zu den Risiken, zu einer wirtschaftlichen Bewertung sowie Fragen zu Alternativuntersuchungen einbringen. So wirkt diese Große Anfrage leider auch ein Stück tendenziös.

(Beifall bei der AfD)

Mit Herrn Barth sind wir jetzt am Ende der Rederunde angekommen. Gibt es weiteren Redebedarf? – Ich sehe keinen.

(Dr. Jana Pinka, DIE LINKE, meldet sich zu Wort.)

Dann müssen wir eine zweite Rederunde eröffnen.

(Andreas Nowak, CDU: Wir müssen nicht! – Zuruf der Abg. Dr. Jana Pinka, DIE LINKE)

Ja, gern. Dann eröffnen wir jetzt mit Ihnen, Frau Dr. Pinka, eine zweite Rederunde. Solange die Redezeit reicht, machen wir das immer.

(Dr. Jana Pinka, DIE LINKE: Ich habe am Anfang gedacht, die GRÜNEN haben selber noch Redebedarf!)

Vielleicht haben sie nicht genug Redezeit.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich danke den GRÜNEN für die Große Anfrage; denn sie hat doch einmal mehr gezeigt, dass das Verkehrsprojekt der Neubaustrecke Dresden – Prag bislang völlig unabhängig von und vor allem völlig unbedacht hinsichtlich der ökologischen, aber auch der geologischen Auswirkungen vorangetrieben wurde.

(Thomas Baum, SPD: Das stimmt doch nicht! – Andreas Nowak, CDU: Das stimmt nicht!)

Ehrlich gesagt, liebe Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN, ich wundere mich schon, dass Ihr Entschließungsantrag die ökologischen Aspekte etwas ausklammert.

(Zuruf von der AfD: Lesen Sie sich das mal durch!)

Es ist richtig, über eine Entlastung der Bürgerinnen und Bürger im oberen Elbtal zu sprechen. Genauso wichtig ist es aber, in diesem Zusammenhang ökonomische Anreize mit ökologischen Folgen abzugleichen. Mein Kollege Marco Böhme hat bereits ausgeführt, dass die verkehrspolitische Aussteuerung dieses Großprojektes in sich nicht stimmig ist, und zwar im Hinblick auf den jetzt notwendigen Lärmschutz für die Anwohnerinnen und Anwohner und die fehlenden ökonomischen Anreize, die wirkliche Auslastung der Neubaustrecke Dresden – Prag für den Güterverkehr zu generieren. Im Endeffekt stellt sich dann die Frage: Für wen bauen wir eigentlich diese Strecke, wenn der Güterverkehr über die alte Strecke durch das Elbtal möglich bleibt, die Fragen des Lärmschutzes an die Deutsche Bahn ausgelagert werden und der Güterverkehr auf der Straße billiger ist? Danach stellen sich dann die weiteren Fragen: Ist es uns das wert, großflächig Natur zu zerstören und geologische Risiken in der Trassenführung in Kauf zu nehmen?

(Andreas Nowak, CDU: Die Zuständigkeiten kennen Sie schon?)

Was ich ganz vermisse, ist ein irgendwie gearteter Hinweis auf die geochemischen Hintergrundgehalte im Gestein, denn wir sind örtlich in unmittelbarer Nähe der Lagerstätte Königstein. Diese Region der Elbtalzone weist deutlich erhöhte Hintergrundgehalte an Uran und Thorium auf. Gibt es denn dahin gehend überhaupt geochemische Untersuchungen, fragt sich die geneigte Geochemikerin. Die Antwort der Staatsregierung auf die Große Anfrage hat zunächst gezeigt, dass man sich über die konkreten Umweltauswirkungen des Projektes bislang überhaupt keine Gedanken gemacht hat und lediglich allgemein auf eine prognostizierte Lärm- und Verkehrsberuhigung verweist.

(Andreas Nowak, CDU: Das stimmt doch auch nicht! Da sind bestimmte Korridore ausgeschlossen worden!)

Ob diese tatsächlich eintritt, ist ungewiss. Aber auf jeden Fall werden hier Äpfel mit Birnen verglichen.

(Andreas Nowak, CDU: Das stimmt!)

Ein großflächiger Eingriff in die Natur und den Landschaftshaushalt kann mit Sicherheit nicht damit kompensiert werden, dass es danach ruhiger werden soll.

Erheblicher ist jedoch der Trassenverlauf. Der berührt nämlich die Wasserschutzgebiete der Talsperre Gottleuba und weitere Oberflächengewässer. Die Wasserfassung der

Talsperre Gottleuba sichert die Trinkwasserversorgung von großen Teilen Ostsachsens. Hier werden Allgemeingüter und die Sicherheit der Trinkwasserversorgung für ein Verkehrsprojekt zur Disposition gestellt, das sich bislang lediglich als mögliche Wundertüte qualifiziert hat.

Aber auch aus geologischer Sicht weisen die ermittelten Grundlagen für dieses Projekt große Unwägbarkeiten auf. Das hängt zum einen an Lücken in der vorhandenen Datendichte – dies ist das kleinere Problem –, zum anderen an der Beschaffenheit der Gesteinskomplexe, deren geomechanische Eigenschaften sich nicht durchgehend als gebirgsfest qualifizieren lassen. Festgestellt wurden Störungsbereiche und Falten in kleinräumig wechselnden Gesteinen, die weitere Untersuchungen erforderlich machen. Festgestellt wurden Quarzit-FluoridVererzungen mit verstärkter Klüftigkeit und Wasserführung. Aber selbst in den gebirgsfesten Bereichen der Trasse sind gespannte Grundwasserverhältnisse nicht auszuschließen.