Ich wollte Ihnen nur antworten, Frau Falken. – Wissen Sie, das ist der zentrale Unterschied in unseren politischen Ansichten. Wenn sich etwas bewährt hat, wenn wir es kontinuierlich fortgeschrieben haben, dann gibt es aus meiner Sicht keinen Grund, es revolutionär zu ändern.
Dass ich es weiterentwickeln muss, dass ich schauen muss, wo es Verbesserungsmöglichkeiten gibt, da sind wir sofort beieinander. Aber zu fragen, nur weil etwas besonders lange besonders gut läuft, müssten wir es automatisch ändern, das ist nicht mein Ansatz.
Wir hatten das Modellprojekt Gemeinschaftsschule in Sachsen. Wir haben die Ergebnisse bekommen, die ganz deutlich zeigen, dass zwar die Schulzufriedenheit höher war, dass es aber bei den Leistungen keinen signifikanten Unterschied gab. Über die Schulzufriedenheit will ich nicht einfach hinweggehen. Sie ist durchaus wichtig für ein Gelingen von Schule. Dass sie beim Modellprojekt höher ist, liegt eigentlich in der Natur der Sache; denn wenn ein solches Projekt gewünscht ist, wenn das pädagogische Konzept von Eltern und Lehrern gewollt und unterstützt wird, ist automatisch die Motivation höher, dies auch so umzusetzen.
Das ist das Ergebnis des Modellprojekts. Das können Sie auf jede andere Schulform in gleicher Art und Weise ausrollen. Es gibt kein besonderes Herausstellungsmerkmal für die Gemeinschaftsschule.
Deshalb bin ich der festen Überzeugung, dass es diese Gemeinschaftsschulen nicht braucht. Wenn wir schon offen darüber reden, ist das jetzt erst einmal das Einfallstor. Am Ende steht möglicherweise die Abschaffung der Gymnasien, und da werden wir als CDU deutlich widersprechen.
Letzter Punkt, auf den ich eingehen will: Natürlich sollten wir miteinander und noch viel intensiver, als wir es vielleicht in der Vergangenheit getan haben, die Diskussion darüber führen, wie wir Bildungspolitik in der nächs
ten Zeit im Freistaat Sachsen verstehen wollen. Was ist bei uns an Schule wichtig? Wie soll Schule in Zukunft funktionieren? Welche Unterrichtsformen sind uns wichtig? Welche Inhalte wollen wir in der Schule vermittelt haben? Welche Werte wollen wir vermittelt haben, welche Kompetenzen? Wir sollten uns die Frage stellen: Was gehört in einen Lehrplan der Zukunft hinein? Was gehört möglicherweise auch wieder heraus? Wie sieht die Stundentafel der Zukunft aus?
Das alles sind wichtige Themen, die wir miteinander zu diskutieren haben. Mit „wir“ meine ich nicht nur das Hohe Haus hier, den Sächsischen Landtag, sondern die gesamte Bevölkerung im Freistaat Sachsen, alle, die etwas mit Schule zu tun haben, aber auch diejenigen, die mit Schule etwas zu tun haben wollen, die sich einbringen wollen. Mir schwebt vor, dass wir miteinander die Diskussion darüber führen, wie das Bildungsland Sachsen 2030 aussieht. Wie können wir unser erfolgreiches Schulsystem so weiterentwickeln, dass es auch die Herausforderungen der Zukunft meistern wird?
Ich glaube, wir haben gerade hier im Freistaat Sachsen eine große Anzahl sehr motivierter Lehrerinnen und Lehrer, viele, die sich engagiert einbringen, wenn ich mir die Elternschaft anschaue, insbesondere, wenn ich mir eine aktive Schülerschaft anschaue. Wir haben sehr gute Voraussetzungen, dieses erfolgreiche System weiterzuentwickeln und diese Diskussionen miteinander zu führen. Sie können sich sicher sein, dass ich diesen Prozess nicht nur begleiten, sondern aktiv führen werde. Lassen Sie uns also in Zukunft nicht solche etwas seltsamen Diskussionen führen – weder Fisch noch Fleisch –, sondern lassen Sie uns intensiv darüber diskutieren, wie das Bildungsland Sachsen 2030 aussieht.
Meine Damen und Herren! Die zweite Aktuelle Debatte ist abgeschlossen und der Tagesordnungspunkt beendet. Ich rufe auf
Ich erteile den Fraktionen das Wort zur allgemeinen Aussprache. Wir beginnen mit der Fraktion DIE LINKE und für die Fraktion DIE LINKE spricht Frau Abg. Junge. Bitte sehr, Frau Junge.
Gesellschaft befindet sich in einem permanenten Wandel. Dementsprechend verändern sich auch die Anforderungen, die der Beruf und der Alltag an den Einzelnen stellen. Im Rahmen der Bildungspolitik ist es daher notwendig, die Menschen zu befähigen, eigenständig während ihrer gesamten Lebenszeit zu lernen. Jeder Mensch hat das Recht auf Bildung und Weiterbildung.
Um dieses Recht auf Weiterbildung und lebenslanges Lernen umzusetzen, bedarf es eines modernen Weiterbildungsgesetzes. Das Ergebnis eines zweijährigen Bearbeitungs- und Diskussionsprozesses liegt vor Ihnen. Meine Fraktion DIE LINKE hat eine Vielzahl an Anregungen, Wünschen und Vorschlägen von den sächsischen Weiterbildungsträgern aufgenommen und im „Gesetz über die Weiterbildung und das lebenslange Lernen im Freistaat Sachsen“ verankert. Unser Anliegen ist es, die Rahmenbedingungen für lebenslanges Lernen so zu gestalten, dass jede Bürgerin und jeder Bürger das Recht auf Weiterbildung umsetzen kann.
Die Weiterbildung ist die vierte Säule im Bildungssystem neben Kita, Schule und Hochschule. Um diesen gesellschaftlichen Ansprüchen zu genügen, braucht die Erwachsenenbildung in Sachsen verlässliche gesetzliche Rahmenbedingungen und Gestaltungsmöglichkeiten.
Mit unserer Gesetzesnovellierung haben wir insbesondere vier Schwerpunkte gesetzt. Erster Schwerpunkt: das Recht auf Bildungsfreistellung. Um das Recht auf Bildungsfreistellung von der Arbeit zur Teilnahme an Weiterbildung zu ermöglichen, bedarf es einer gesetzlichen Regelung. Grundlage ist eine völkerrechtliche Vereinbarung aus den Siebzigerjahren. Damals verpflichtete sich die Bundesrepublik, im Rahmen eines Abkommens der Internationalen Arbeitsorganisation ILO dazu, einen bezahlten Bildungsurlaub einzuführen. Die Umsetzung ist allerdings Sache der Bundesländer, die damit ihre Kultur- und Bildungshoheit ausüben.
In 14 Bundesländern gibt es das Recht auf Bildungszeit, nur in Sachsen und Bayern nicht. Das wollen wir verändern. Alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen das Recht und auch die Möglichkeit erhalten, sich allgemein, beruflich, politisch, sozial, kulturell und interkulturell weiterzubilden. Wir schlagen einen gesetzlichen Anspruch auf Bildungsfreistellung von fünf Arbeitstagen pro Jahr vor. Ich freue mich, dass die aktuelle DGBKampagne „Fünf Tage Bildung – Zeit für Sachsen“ diese Gesetzesinitiative unterstützt. Wir sollten diese langjährige Forderung eines gesetzlichen Anspruchs auf Bildungszeit in Sachsen endlich gemeinsam umsetzen.
Insgesamt lässt sich sagen, dass die meisten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von einem Bildungsurlaub durchaus profitieren können, sei es in beruflicher oder persönlicher Hinsicht. Dass nur sehr wenige Beschäftigte zurzeit diese Möglichkeit nutzen können, zeigt den großen Nachholbedarf.
Zweiter Schwerpunkt in unserem Gesetz: der nachträgliche Erwerb von Schulabschlüssen. Der nachträgliche Erwerb von Schulabschlüssen an den Volkshochschulen und anerkannten Trägern der Weiterbildung ist in unserer Wissensgesellschaft dringend notwendig. Die derzeitige Regelung, den Hauptschul- oder Realschulabschluss nur an einer Abendoberschule nachzuholen, schränkt das Recht auf Weiterbildung erheblich ein.
In der Sachverständigenanhörung sagte Prof. Dr. Klemm, Geschäftsführer des Sächsischen Volkshochschulverban
des – ich zitiere: „Ich sehe einen großen Ansatzpunkt, dass wir dieses wieder ermöglichen müssen, auch angesichts der neuen Bedarfe durch Geflüchtete, die ein Bleiberecht haben und in vielen Fällen – man geht von circa 20 bis 30 % aus – einen Hauptschulabschluss benötigen. Das können die vorhandenen Kapazitäten derzeit nicht leisten.“ Wir plädieren daher für ein flächendeckendes Angebot für den zweiten Bildungsweg für alle Einwohnerinnen und Einwohner und haben dies in § 18 gesetzlich geregelt.
Dritter Schwerpunkt: die bedarfsgerechte gesetzliche Grundförderung. Die Volkshochschulen und anerkannten Träger der Weiterbildung brauchen für die Planung und Gestaltung der Weiterbildungsangebote Sicherheit und Verlässlichkeit.
Mit einer gesetzlichen Grundförderung von 14 Millionen Euro können die Weiterbildungseinrichtungen die Anforderungen aus der Weiterbildungskonzeption ansatzweise umsetzen.
„Mit den vorhandenen Förderinstrumenten aus dem jetzigen Weiterbildungsgesetz können wir die Herausforderungen in den Bereichen politische Bildung, Digitalisierung, inklusive Arbeit und Integrationsarbeit nicht lösen, die uns bevorstehen“, so Prof. Dr. Klemm in der Anhörung. Auch Prof. Dr. Klaus-Peter Hufer plädierte in seiner Expertise aus dem Jahr 2016 „Politische Bildung stärken“ für eine Verdoppelung oder Verdreifachung der Grundförderung, um die weiterbildungspolitische Situation in Sachsen entscheidend zu verbessern. Diese Anregungen haben wir im vorliegenden Gesetzentwurf umgesetzt.
Der vierte Schwerpunkt betrifft die Stärkung des Landesbeirates für Weiterbildung. Letztendlich kann und soll der Landesbeirat für Weiterbildung durch die Regelungen in unserem Gesetz gestärkt werden. Die Zusammensetzung und Organisation des Landesbeirates für Weiterbildung wird gesetzlich bestimmt und um eine Frauenquote in § 27 Abs. 4 ergänzt. Zudem findet sich das Recht des Landesbeirates auf Bildung von Unterausschüssen, die sich verstärkt mit einzelnen Fachthemen befassen können. Auch die Beteiligung einer Vertreterin oder eines Vertreters aus den Oppositionsfraktionen, die im Ausschuss für Schule und Sport des Sächsischen Landtage vertreten sind, halten wir für dringend notwendig.
Durch das neue Weiterbildungsgesetz wird die Erwachsenenbildung qualitativ, flexibel und zukunftsgestaltend ausgebaut. Die Träger der Weiterbildung sind damit in der Lage, in den nächsten Jahren ihre Angebote zeitgemäß und aufsuchend zu gestalten sowie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tarifgerecht zu bezahlen. Die Erwachsenenbildung erhält durch die Gesetzesnovelle eine Priorität in der Bildungspolitik. Lebenslanges Lernen kann jetzt als Bildungsprozess in Sachsen ganzheitlich gestaltet werden.
Ich möchte mit den Worten von Frau Dr. Sabine SchmidtLauff von der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg schließen und für eine breite Zustimmung werben. Sie sagte in der Anhörung – ich zitiere –: „Diese Gesetzgebung ist ganz hervorragend, denn sie schafft eine wichtige
Sache, nämlich lebenslanges Lernen Wirklichkeit werden zu lassen. Das messe ich als Wissenschaftlerin der Erwachsenenbildung an der Kultivierung von Lernen, sprich: der konkreten Partizipation und Teilnahme der Menschen und möglichst der Steigerung der Teilnahme.“ In diesem Sinne bitte ich um Ihre Zustimmung.
Meine Damen und Herren, ich nenne die weitere Reihenfolge in der Aussprache: CDU-Fraktion, SPD-Fraktion, die Fraktion AfD und danach die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Es geht also weiter mit der CDU-Fraktion. Für sie spricht Herr Abg. Bienst. – Herr Bienst, Sie haben das Wort.