Sie haben Computer mit einem Stift daran eingeführt, mit dem man auf ein Pad schreiben kann – alles ganz prima, aber digitale Akten kann man damit nicht unterschreiben. Wir hängen in Sachsen schlicht und ergreifend mehr als zehn Jahre hinterher. In anderen Bundesländern ist es längst möglich, dass man zum Beispiel an seinen elektronischen Vorgang bei der Polizei Fotos in anständiger Qualität und Größenordnung angehängt bekommt. Bei uns ist das nicht möglich. Als ich noch studiert habe, ging das woanders schon.
Und dann sagen Sie: Wir haben keine digitale Steinzeit. Entschuldigung, wir haben ganz, ganz, ganz erheblichen praktischen Nachholbedarf. Sie brauchen sich nicht noch irgendwelche Leuchtturmprojekte herauszusuchen, die Sie dann groß und breit als Fortschritt feiern, nur weil man irgendwann einmal einen Schritt gemacht hat, um der Herde, die schon lange weitergelaufen ist, ein wenig hinterherzukommen.
In diesem Sinne ist unser Antrag auf jeden Fall notwendig, damit Sie sich stärker anstrengen und wir das Ziel erreichen: eine moderne Polizei und ein moderner Digital
funk. Auch dafür gibt es übrigens Hybridlösungen, auch beim Smartphone, also eine Mischung, und diese Dinge sind dann auch datenschutztechnisch abzunehmen.
Sie sehen, es gibt eigentlich sehr viel zu sagen. Man kann über jedes technische Detail sehr viel reden. Der Antrag ist absolut sinnvoll. Sie dürfen ihm mit gutem Gewissen zustimmen. Wir werden das tun.
Meine Damen und Herren, nach dem Schlusswort stelle ich nun die Drucksache 6/13713 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist die Drucksache 6/13713 nicht beschlossen. Der Tagesordnungspunkt ist beendet.
Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Als einbringende Fraktion hat zuallererst die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Ich erteile es Herrn Dr. Lippold.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sprechen jetzt über das mitteldeutsche Braunkohlerevier. Wir sprechen im Jahr 3 nach Paris und während in Berlin eine Kommission über den konkreten Pfad zum Kohleausstieg diskutiert, über das einzige Vorhaben in ganz Deutschland, bei dem noch ein neues Tagebauerweiterungsvorhaben in ein neues bergrechtliches Planfeststellungsverfahren gebracht werden soll. Wir sprechen nicht über irgendein Vorhaben, sondern über eines, das weitere sächsische Dörfer zerstören würde – gegen einen bleibewilligen Teil der Bevölkerung und gegen den erklärten Willen der betroffenen Gemeinde.
Pödelwitz, ein rund 700-jähriges Dorf mit einer vielfach denkmalgeschützten Gebäudesubstanz, hat den Dreißigjährigen Krieg überstanden, die Napoleonischen Kriege und die Katastrophen des 20. Jahrhunderts. Es hat, auf Kohle stehend, den extensiven DDR-Kohlebergbau überlebt, und jetzt, am Ende des Kohlezeitalters, soll es noch nach 2020 für immer verschwinden – wenn es nach dem Bergbauunternehmen MIBRAG geht.
Warum geht das nicht nur das Bergbauunternehmen, die Betroffenen sowie Gerichte und das Oberbergamt etwas an, sondern auch ganz unmittelbar und mit maßgeblicher eigener Handlungsfähigkeit dieses Hohe Haus? Weil dem Sächsischen Landtag dabei eine entscheidende Rolle zukäme: Er müsste dazu, so bestimmt es Artikel 88 der Sächsischen Verfassung, ein Landesgesetz verabschieden – aus demselben Grund, weshalb er vor etwa 20 Jahren ein Landesgesetz verabschieden musste, um Heuersdorf gegen den Widerstand der Gemeinde und eines Teils der Bewohner aufzulösen und damit den Weg zur Abbaggerung zu ebnen.
Dieses Heuersdorf-Gesetz wurde damals zunächst einmal vom Sächsischen Verfassungsgerichtshof gekippt, weil es keine ausreichende Begründung des überwiegenden Gemeinwohlinteresses angesichts der weitreichenden Konsequenzen gab. Erst mit einer Reihe von Gutachten, die damals, vor 20 Jahren, lange vor der Energiewende und völkerrechts-, europarechts- sowie bald bundesrechtsverbindlichen Klimaschutzzielen noch in der Lage waren, die Notwendigkeit zur Inanspruchnahme von Heuersdorf zur Deckung des Kohlebedarfs des Kraftwerks Lippendorf bis 2040 zu begründen, konnte in einem zweiten Anlauf ein verfassungskonformes Gesetz beschlossen werden. Die Heuersdorfer verloren ihre Heimat, und dort, wo bis 2010 noch das Dorf stand, ist jetzt die tiefste Stelle des Tagebaus Vereinigtes Schleenhain.
Mit dem Opfer von Heuersdorf, so hieß es damals, sei immerhin der Kohlebedarf von Lippendorf gesichert. Das bedeutet bereits damals: Die Kohle unter Pödelwitz wird für den Betrieb des Kraftwerks bis 2040 nicht gebraucht. Das heute absehbare Betriebsende liegt übrigens in allen existierenden blockscharfen und mit dem nationalen Klimaschutz kompatiblen Szenarien, die übrigens auch in der Kohlekommission diskutiert werden, noch deutlich vor 2040, und in Kenntnis und Abwägung verschiedenster Faktoren im Kraftwerk Lippendorf und im mitteldeutschen Revier wage ich zu prognostizieren: Es ist nicht unwahrscheinlich, dass dies sogar bereits vor 2030 der Fall sein wird.
Die Kohle unter Pödelwitz wird nicht gebraucht. Dies folgte bereits aus der Begründung des HeuersdorfGesetzes, und es gilt heute umso mehr. So bleibt heute einzig der Fakt, dass die MIBRAG komplett auf eigenes Risiko zig Millionen in die Hand genommen hat, um das Dorf Pödelwitz schon mal abzusiedeln – in der Hoffnung, dadurch am Ende einen Zugriff zu erleichtern, der eine zwar keineswegs notwendige, aus Sicht des Unternehmens aber ökonomischere Abbauführung im Abbaufeld Peres des Tagebaus Vereinigtes Schleenhain ermöglichen würde.
Wenn ein Unternehmen der Meinung ist, Menschen irgendwo ein Mehrfaches des Verkehrswertes für ihre Grundstücke und Häuser bieten zu wollen oder ihnen irgendwo neue Häuser zu errichten, so kann es das Unternehmen tun. Das ist unternehmerische Freiheit. Daraus allerdings ableiten zu wollen, die Rendite einer solchen Risikoinvestition sei in verfassungsfester Weise zum Gemeinwohlinteresse zu erheben, um sogar Zwangsabtretungsverfahren und die Auflösung einer Gemeinde gegen deren Willen zu rechtfertigen – das muss man selbst unter sächsischen Bedingungen als kompletten Realitätsverlust sehen.
Minister Dulig stand in einer der letzten Befragungen hier vorn und meinte, er könne nicht anders, als dem Verfahren um die Tagebauerweiterung Pödelwitz seinen Lauf zu lassen. Er könne nicht anders, als zu prüfen und gegebenenfalls auch zu genehmigen. Wissen Sie, was die MIBRAG dazu sagt? Diese sagen, sie könnten nicht anders, und weisen dabei auf den Minister und seine Behörde.
Die könnten in Ergebnisverantwortung gegenüber ihren Gesellschaftern gar nicht anders, als eine Tagebauerweiterung einschließlich Abbaggerung eines Dorfes zu planen und zu beantragen, wenn diese, verglichen mit dem Schutz des Dorfes, die billigere Option sei. Die könnten nicht anders als das zu versuchen, weil die Genehmigungsfähigkeit nicht ausgeschlossen sei.
(Staatsminister Martin Dulig: Wir können doch nicht etwas entscheiden, was noch gar nicht vollzogen ist!)
Die Genehmigungsfähigkeit einer konkreten Tagebauerweiterung steht aber nicht im Bundesberggesetz, Herr Minister. Diese wird per Landesentwicklungsplan und Braunkohleplan geschaffen – oder eben auch nicht –, und zwar von der Staatsregierung. Diese kann sich mit ihrer nachgeordneten Behörde deshalb hierzu nicht abducken.
Doch Sie müssen noch nicht einmal selbst mit der Staatsregierung aktiv werden, um per Landesentwicklungsplan und Braunkohleplan Zukunftssicherheit im Fall Pödelwitz zu schaffen; denn jeder Versuch zur Abbaggerung zusätzlicher sächsischer Gemeinden für die Braunkohle ist bereits heute grundsätzlich chancenlos. Für die Auflösung von Gemeinden gegen deren Willen bedürfte es eines verfassungskonformen Landesgesetzes; anders als vor 20 Jahren im Fall von Heuersdorf. Mit dem Gesetz zu Heuersdorf ist heute, im Zeitalter des Kohleausstiegs, keine verfassungskonforme Gestaltung eines solchen Gesetzes mehr vorstellbar.
Der Landtag kann bereits heute feststellen, dass ein solches Gesetz nicht mehr beschlussfähig wäre. Damit könnte umgehend Planungssicherheit für die betroffenen Menschen und für das Bergbauunternehmen geschaffen werden. Das machen wir mit unserem Antrag klar.
Der Landtag kann hier und heute feststellen, dass die materiellen Voraussetzungen für ein solches verfassungskonformes Gesetz bereits heute ganz offensichtlich nicht mehr gegeben sind, und Sie, Herr Minister, können morgen dem Gebot der einfachen, zweckmäßigen und zügigen Durchführung von Verwaltungsverfahren folgen und mitteilen, dass Sie einen Antrag auf Genehmigung in einem bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren diesbezüglich bereits jetzt für entbehrlich halten.
Wenn Sie eine solche Absicht dem Unternehmen frühzeitig mitteilen, dann schafft das Planungssicherheit für alle Betroffenen und vermeidet gestrandete Investitionen und die weitere Zuspitzung symbolträchtiger Konflikte. Wenn Sie von diesen Möglichkeiten keinen Gebrauch machen wollen, so ist das Ihre eigene Entscheidung, aber Sie können sich dabei weder hinter dem Bergrecht noch hinter der Landes- oder Regionalplanung verstecken. Sie sind es mit Ihrem SPD-geführten Ministerium, der in den Geschichtsbüchern stehen wird, und zwar als derjenige, der bereit war, in einem wirklich sinnlosen letzten Akt noch ein letztes Dorf in Deutschland der Kohle zu opfern, oder als derjenige, der dafür an dieser Stelle Haltung gezeigt und klar und zitierfähig für Vernunft eingetreten ist und eine Entscheidung gefällt hat, bevor das auch ohne Ihr Zutun Realität wurde.
Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag und erwähne noch einen letzten Aspekt: Wir wissen bereits heute, dass auch Heuersdorf hätte weiter existieren können, denn es wird am Ende der Kohleverstromung in den Revieren in Lippendorf und in Zschopau bereits genehmigte Kohle übrig bzw. unter der Erde bleiben. Ich denke, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir stehen in der Pflicht, am inzwischen bundesweiten Symbol Pödelwitz wiedergutzumachen, was wir den Hoyersdorfern damals mit einem Beschluss, der aus heutiger Sicht nicht mehr gerechtfertigt ist, aber den Untergang ihrer Heimat besiegelt hat, angetan haben.
Wir diskutieren heute über einen Antrag, der in Nordrhein-Westfalen zum Hambacher Tagebau wahrscheinlich auch diskutiert und von der rot-grünen Landesregierung abgelehnt wurde. Ihre Parteifreunde aus dem Westen haben sogar eine Leitentscheidung zum weiteren uneingeschränkten Betrieb des Tagebaus Hambach mitgetragen. Jetzt stellen Sie sich hin und wissen von nichts. Das nenne ich Scheinheiligkeit.
Jetzt stehen Sie an der Seite der Erweiterungsgegner und erkennen die rechtsstaatlichen Verfahren, wie Bürgerbeteiligungsprozesse und Gerichtsverfahren, die zu dieser Entscheidung geführt haben, nicht an. Damit erweisen Sie Ihren Parteifreunden in Nordrhein-Westfalen und dem Rechtsstaat einen Bärendienst im wahrsten Sinne des Wortes, liebe Kollegen von den GRÜNEN. Haltung ist etwas anderes.
Nun zu Sachsen. Wovon reden wir gerade? Seit dem Jahr 2009 besteht ein Dialog, und zwar ein Dialog zwischen der MIBRAG und dem Ort Pödelwitz um die Erweiterung des Tagebaus. Im Jahr 2012 hat die MIBRAG einen Umsiedlungsvertrag mit 90 % der Pödelwitzer geschlossen. 90 % der Bewohner dieser Ortschaft haben sich für die Absiedlung entschieden. Nach aktuellem Stand sind 85 % der Menschen schon umgezogen, 25 Bewohner leben noch aktuell im Ort.
All dies hat unter der Moderation der Regionalplanung stattgefunden, also mit ausgiebiger Beteiligung der Bürgerschaft. Es ist nicht einfach von heute auf morgen gekommen. Ich sehe es auch in Pödelwitz so, dass wir hier einen bereits bestehenden Tagebau weiterführen. Deshalb sind die Pödelwitzer auf die MIBRAG zugegangen. Pödelwitz war am Anfang gar nicht vorgesehen, sondern die MIBRAG hat sich aufgrund der Gespräche mit den Einwohnern darauf eingelassen.
Es sind bereits Tatsachen geschaffen worden, Umsiedlungen sind erfolgt und Ausgleichszahlungen geleistet worden. Jetzt herzugehen und zu sagen: „Pech gehabt, MIBRAG!“ halte ich vonseiten der Politik für kein seriöses Vorgehen. Deshalb sage ich: Auch an dieser Stelle müssen wir Haltung zeigen und zu diesen Entscheidungen stehen. Das Rad lässt sich – ich denke, Sie hören von der Tonalität, wie ich es anspreche – aus meiner Sicht bei Pödelwitz nicht zurückdrehen. Wir können nicht für 10 % der ehemaligen Dorfbevölkerung die komplette Infrastruktur aufrechterhalten. Es ist richtig, jetzt hier diesen Weg weiterzugehen, wie er vorbereitet worden ist.
Im Fall Obertitz – Sie haben beide Orte in einem Antrag angesprochen – sieht es in meinen Augen anders aus. Hier läuft das Planfeststellungsverfahren noch bis 2020/2021. Diesen rechtlichen Verfahren, welche genau die von Ihnen angemahnte Bürgerbeteiligung und die Umweltbegutach