Zunehmend lauter wird auch von den Bewohnerinnen und Bewohnern der Großstädte mehr Lebensqualität in den Stadtquartieren eingefordert. Angesichts immer heißerer Sommer und zunehmender Trockenphasen – wir haben es heute Morgen in der Aktuellen Debatte gehört – verlangen sie natürlich auch in den Städten, in den Quartieren mehr Grün, mehr Aufenthaltsqualität und mehr Ruheflächen. Genau hier setzt unser Gesetzentwurf zum Teilen des Autos an. Ein Carsharing-Auto ersetzt laut einer Studie bis zu 20 Privatfahrzeuge und macht damit jede Menge freie Fläche für andere wichtige Dinge möglich, die ich gerade angedeutet habe.
Mobilität verändert sich. Mobilität bedeutet heute nicht mehr automatisch Automobilität, und Automobilität bedeutet nicht mehr automatisch, ein eigenes Auto zu besitzen. Carsharing, das organisierte, professionelle Autoteilen, das seine Dienstleistungen in fast allen großen deutschen Städten zur Verfügung stellt, bietet sich auch als klimaschützende Alternative im Verkehr an. Das ist auch dringend geboten; denn der Verkehrssektor hat, was die Klimaschutzziele betrifft, hier seit 1990 überhaupt nichts dazu beigetragen – in Deutschland nicht und in Sachsen erst recht nicht, möchte man fast sagen.
Nicht mehr, sondern weniger Autos mit Verbrennungsmotor und nicht weniger, sondern mehr öffentlicher Nahverkehr, mehr Rad- und Fußverkehr, mehr umweltfreundliche Warenlieferungen und eben auch mehr Carsharing – das sind die Antworten, nicht nur von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, sondern in der vergangenen Woche hat der Städtetag auf Bundesebene hierzu ein interessantes Positionspapier vorgelegt, in dem er genau diese Punkte aufgegriffen hat.
Die Nutzung des Carsharings hat – ich habe es bereits aufgezählt – in der Tat eine Menge Vorteile: Für die Unternehmen oder die Verwaltungen bietet sich die Chance, ihre Fuhrparks zu reduzieren oder ganz auf die Nutzung von Carsharing-Autos umzustellen; denn durchschnittlich nutzen über 35 Nutzerinnen und Nutzer ein Carsharing-Auto, und die Berechnung der Kosten nach den gefahrenen Kilometern bewirkt einen deutlichen Anreiz, das Carsharing-Auto effizient einzusetzen und zu nutzen. Verschiedene Carsharing-Fahrzeuge vom Kleinbus bis zum Kleinstauto können je nach Platzbedarf im Einzelfall genutzt werden; die Nutzung richtet sich also nicht am Maximalbedarf aus – also, lauter positive Effekte, die übrigens auch – Herr Schmidt ist jetzt nicht da – das Sächsische Umweltministerium erkannt hat, indem es teilAuto, das ist der größte Carsharing-Anbieter in Sachsen, in die Umweltallianz Sachsen aufgenommen hat. In
Sachsen nutzen über 30 000 Menschen Carsharing-Autos. Wenn man auf Bundesebene schaut, sind es über zwei Millionen. Das heißt, in Sachsen ist durchaus noch etwas Luft nach oben.
Wenn man die verschiedenen Carsharing-Anbieter oder den Bundesverband Carsharing nach den Ursachen befragt, dann wird klar: Die Flächen, auf denen die Carsharing-Autos geparkt werden, werden in den verdichteten Vierteln immer rarer. Aufgrund der fehlenden gesetzlichen Grundlage zur Genehmigung von Carsharing-Stellplätzen im öffentlichen Straßenraum können sie bisher nur auf privaten oder öffentlichen Flächen, außerhalb des Straßenraums, geparkt werden.
Seit September 2017 gibt es auf Bundesebene ein BundesCarsharinggesetz, weil der Bundesgesetzgeber genau dieses Problem erkannt hat. Der Bundesgesetzgeber kann jedoch nur das regeln, wofür er zuständig ist, nämlich für Bundesstraßen. Das heißt, in Sachsen und in allen anderen Bundesländern braucht es eine Länderregelung im Landesstraßengesetz für die Gemeindestraßen, für die Staatsstraßen und für die Kreisstraßen. Zumindest dann, wenn man das Ziel hat, hier politisch voranzukommen, ist es notwendig, solch ein Gesetz zu erlassen.
Wenn ich Herrn Staatsminister Dulig glauben darf – er kann heute ja leider nicht anwesend sein –, dann begrüßt er diese Idee. Ich möchte ihn gern in seiner Abwesenheit zitieren. Er sagte nämlich, nachdem das Bundesgesetz verabschiedet wurde: „Immer mehr Menschen entscheiden sich bewusst für Carsharing. Der Gedanke der Nachhaltigkeit spielt dabei eine große Rolle. So ist man flexibel, unabhängig und kann sich trotzdem individuell bewegen.“
Gleichzeitig hat der Verkehrsminister in einer Pressemitteilung angekündigt, hier die Bundesregelung in eine Landesgesetzgebung umzusetzen. Er hat das auch in einer Pressemitteilung klargestellt und gesagt, dass im Frühjahr 2018 dazu die Änderung des Sächsischen Straßengesetzes in den Sächsischen Landtag eingebracht werden soll.
Auf diesen Gesetzentwurf der Staatsregierung haben wir bis zum heutigen Tag gewartet, und wie so oft sind sie tatkräftig in der Ankündigung, aber lustlos in der Umsetzung. Das heißt, auch hier braucht es wieder einmal die grüne Opposition, damit in diesem Land etwas vorangeht, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Genau deshalb haben wir unseren Carsharing-Gesetzentwurf vorgelegt, damit die Kommunen in die Lage versetzt werden, Carsharing-Anbietern privilegiert Stellflächen im Straßenraum zuweisen zu können. Eine landesrechtliche Regelung schafft für die Kommunen und für die Anbieter Rechtssicherheit und Anreize, Carsharing zu fördern. Ein flächendeckendes Angebot an Carsharing ermöglicht es mehr sächsischen Bürgerinnen und Bürgern, auf ihr eigenes Auto zu verzichten. Dadurch werden der Parkraumbedarf verringert, Flächenkonflikte minimiert und die Luft in unseren Städten verbessert.
Mit unserem Gesetzentwurf haben Sie einen ausgereiften Lösungsvorschlag, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und SPD. Wenn man in Ihren Koalitionsvertrag schaut, wo es heißt „Wir werden die Grundlage dafür schaffen, um Kommunen die Einrichtung von CarsharingStellplätzen im öffentlichen Raum rechtssicher zu ermöglichen“, bin ich mir ganz sicher, dass Sie selbstverständlich unserem guten Gesetzentwurf nach der Diskussion im Ausschuss zustimmen werden.
Das Präsidium schlägt Ihnen vor, den soeben eingebrachten Entwurf zum Carsharing an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr zu überweisen. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Ich sehe Einstimmigkeit. Damit ist die Überweisung erfolgt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die zehnjährige Samira hat gute Noten, besser als viele ihrer Freundinnen. Mit ihren Eltern verständigt sie sich darauf, den Sprung aufs Gymnasium zu versuchen. Doch die Gespräche mit der Bildungsagentur verlaufen negativ. Ihre Empfehlung lautet für den Besuch der Oberschule, anders als bei einem Gros ihrer Freundinnen.
Amado bewirbt sich für einen Job in einer Kreisverwaltung in Sachsen. Er wird nicht einmal zum Bewerbungsgespräch eingeladen. Er ist in Deutschland geboren und hat einen exzellenten Hochschulabschluss.
Mulai und Mohammed werden bei McDonald‘s rassistisch beleidigt. Sie widersprechen und werden angegriffen. Die eintreffende Polizei weigert sich, die Anzeigen aufzunehmen, und überprüft stattdessen mögliche polizeiliche Einträge der Betroffenen.
Das letzte Beispiel: Auf Regierungsebene wird ein Erlass zur Einführung landesinterner Wohnsitzauflagen gefertigt. Es wird behauptet, dass dieser einen positiven Effekt für die Integration Geflüchteter habe. Gefragt hat die Betroffenen aber niemand.
Diese Beispiele ließen sich endlos fortsetzen; denn das Ausmaß von Diskriminierung und Benachteiligung derer, die nicht in der Bundesrepublik geboren werden, derer, die phänotypisch von der Norm abweichen oder gar mit Akzent oder gebrochen Deutsch sprechen, ist groß. Es ist einmal offen und einmal verborgen.
Genau dieses Ausmaß ist auch in diesem Parlament weitestgehend unsichtbar. Der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund – in Sachsen liegt er bei 6,5 %, wie wir wissen – wird weder im Parlament noch in der
Regierung, noch in der Landesverwaltung widergespiegelt. Da kann ich auch für meine Fraktion sprechen.
Genau deshalb werden an dieser Stelle sicher viele sagen: Was geht mich das an? Die spinnt. Aber nein, ich spinne nicht, und wenn Menschen Zugänge zur Teilhabe an dieser Gesellschaft, zum Broterwerb, zum Bildungswesen, zur öffentlichen Dienstleistung und zur politischen Teilhabe verwehrt bleiben, dann hat uns das anzugehen. Das ist nicht nur ungerecht und wider die Menschenrechte, sondern es erzeugt auch berechtigten Frust und gesellschaftliche Konflikte. Es schafft die Parallelgesellschaften, über die sich die konservativen Vertreterinnen und Vertreter auch in diesem Haus so gern echauffieren.
Wir wollen, dass es Beispiele wie die eingangs erwähnten nicht mehr gibt. Gleichbehandlung, Unterstützung gegen Benachteiligung, die Veränderung von althergebrachten Strukturen, die sich an einer vermeintlich homogenen Bevölkerungsmehrheit orientieren, und die Ermöglichung von Teilhabe in möglichst allen Lebensbereichen – das ist es, was wir mit unserem Gesetz zur Verbesserung der Teilhabe von Migrantinnen und Migranten sowie zur Regelung der Grundsätze und Ziele der Integration im Freistaat Sachsen erreichen wollen.
Mit der Einbringung unseres Integrationsgesetzes – so die Kurzform – wollen wir die Debatte aus der vergangenen Landtagssitzung, die wir intensiv geführt haben, weiterführen und quasi vom Kopf auf die Füße stellen. Denn ein Integrationskonzept muss auf einer Basis aufsetzen, die Rechtsansprüche generiert und damit Verbindlichkeiten schafft. Das geht unseres Erachtens nur über einen legislativen Akt.
Mit unserem Gesetzentwurf treten wir in die Fußstapfen von Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und
Berlin, die sich bereits mit Landesgesetzen der Schaffung von gesellschaftlichen und politischen Teilhabemöglichkeiten für Migrantinnen und Migranten gewidmet haben.
Explizit abgrenzen wollen wir uns – das sage ich an dieser Stelle – von dem Gesetz in Bayern, das stark auf Assimilation und Restriktionen setzt.
Schwerpunkte unseres Gesetzentwurfes sind: erstens, die interkulturelle Öffnung. Das ist ein wesentlicher Schlüssel für eine bessere Teilhabe von Migrantinnen und Migranten. Dabei geht es uns nicht darum, dass in Zukunft Klischeehandbücher auf den Behördentischen stehen und das Behördenhandeln durch Klischees von kulturalistischen Eigenarten bestimmt wird, sondern es geht uns darum, dass Barrieren abgebaut werden. Das bedeutet, so zu handeln, dass die Bedürfnisse, Lebenslagen und Auswirkungen auf Menschen mit und ohne Migrationshintergrund mitgedacht werden.
Im Gesetz schreiben wir unter anderem die Erhöhung des Anteils von Migrantinnen und Migranten im öffentlichen Dienst und die Förderung der interkulturellen Kompetenzen der Bediensteten und Beschäftigten der öffentlichen und sonstigen Stellen fest. Hier hat das Land, aber auch die kommunale Ebene, die wir einbeziehen, einen dringenden Nachholbedarf.
Zweitens. Integration findet vor allem in den Kommunen statt und wird zum großen Teil durch Akteure der Zivilgesellschaft ermöglicht. Dieser auch in diesem Haus immer wieder mit Nachdruck getroffenen Aussage tragen wir mit der Schaffung von konkreten kommunalen Strukturen und der Festschreibung der Förderung von Maßnahmen freier Träger Rechnung.
Im § 12 finden Sie die sogenannten kommunalen Integrationszentren, die in jedem Landkreis und in jeder kreisfreien Stadt errichtet werden sollen. Vorbild ist hierfür Nordrhein-Westfalen. Dort gibt es sage und schreibe 53 solcher Zentren. In den kommunalen Integrationszentren sollen kommunale Integrationsbemühungen sowohl
öffentlicher als auch zivilgesellschaftlicher Akteure gebündelt werden. Ein Schwerpunkt liegt zudem auf der Entwicklung kommunaler Bildungslandschaften.
Hier sei kurz eingeführt: Wir sind uns dessen bewusst, dass in den letzten Jahren viele Strukturen geschaffen wurden. Diese wollen wir aber gesetzlich verankern, sodass vor der Verhandlung eines neuen Doppelhaushaltes nicht immer Angst und Bange herrschen, dass diese Strukturen auch weiterlaufen.
Dritter Punkt. Nur wer sich als gleichberechtigtes Mitglied einer Gesellschaft wahrgenommen fühlt, fühlt sich auch eingeladen, in ihr mitzuwirken und Verantwortung zu übernehmen. Das ist eine Blaupause, das ist ein ganz wichtiger Satz, und diesem Anspruch können wir auch auf Landesebene Rechnung tragen durch die Schaffung von institutionalisierten Beteiligungsstrukturen.
Wir schlagen die Schaffung eines Landesintegrations- bzw. -migrationsrates vor, der sich aus verschiedenen Akteuren des öffentlichen gesellschaftlichen Lebens und aus Vertreterinnen und Vertretern, die durch Migrantenselbstorganisationen selbst bestimmt werden, zusammensetzt; der bei allen legislativen Akten, die die Belange von
Menschen mit Migrationsgeschichte betreffen, zu konsultieren ist, der unabhängig arbeiten und durch eine sachgemäße Personal-, Finanz- und Sachausstattung auf stabile Füße gestellt werden muss.
Weiterhin – ich will es nur ganz kurz anreißen – wollen wir kommunale Migrations- und Integrationsräte mindestens in den kreisfreien Städten, in den großen Kreisstädten und Landkreisen festschreiben. Wir wissen, die Zahl stagniert in Sachsen bei vier seit vielen Jahren. Wir müssen hier weiterkommen.
Ebenso greifen wir die Frage der kommunalen Integrationsbeauftragten wieder auf. Wir wollen das Amt des Sächsischen Ausländerbeauftragten zum Integrationsbeauftragten umgestalten, wollen Integration in Beruf und Arbeit voranbringen und Dienst- und Arbeitsfreistellungen auch an anderen als an christlichen Feiertagen, etwa dem Fastenbrechen oder Newroz, ermöglichen.
Last, but not least haben wir uns selbstverständlich auch Gedanken über die Finanzierung gemacht. Alle zusätzlichen Aufgaben müssen der kommunalen Ebene selbstverständlich voll erstattet werden. Genau dafür ist, genau dafür muss Geld da sein, weil es hier um den sozialen Frieden, um ein gedeihliches Zusammenleben geht.
Konkret – kurz benannt – wollen wir eine kommunale Integrationspauschale einführen. Jährlich sollen die Gemeinden, die Städte und Landkreise in diesem Rahmen insgesamt 50 Millionen Euro zur Verfügung gestellt bekommen, um Infrastruktur instandzusetzen oder zu schaffen, die nicht nur integrativen Belangen, sondern auch der gesamten Bevölkerung zugute kommt.