Protocol of the Session on June 27, 2018

Lassen Sie mich zum Schluss noch einige Worte zur Inklusion verlieren.

Kinder, für die Eingliederungshilfe gewährt wird, sind bei Tagesmüttern deutlich besser aufgehoben als in einer Kindertageseinrichtung. In den kleinen Gruppen können die Tagesmütter den Förderbedarf der Inklusivkinder besser abdecken. Das ist in Kindertageseinrichtungen schwer möglich und geht oft zu Lasten der anderen Kinder. Das mag in anderen Bundesländern mit niedrigeren Personalschlüsseln besser sein als in Sachsen. Wir als AfD lehnen aber einen bedingungslosen Ausbau der Inklusion ab.

Die AfD-Fraktion wird sich bei diesem Antrag enthalten, da er lediglich Berichts- und Prüfaufträge enthält und wir davon ausgehen, dass sich hier weiterhin nichts an der Situation ändern wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Für die Fraktion GRÜNE Herr Zschocke, bitte.

Vielen Dank. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es geht hier um rund 1 700 Tagespflegepersonen. Zwischen den hier im Landtag vorgetragenen wohlmeinenden Reden und der tatsächlichen Lebens- und Arbeitssituation vor Ort liegen Welten.

Auf der einen Seite wird Kindertagespflege als familiennahe Betreuungsform und echte Alternative zur Kindertageseinrichtung gepriesen. Auf der anderen Seite verweigern die Staatsregierung und die Koalition aber Lösungsansätze für die Probleme, die schon seit Jahren von der Koordinierungsstelle Kindertagespflege, vom Landesarbeitskreis Kindertagespflege oder den Tagesmüttern und -vätern selbst vorgetragen werden.

Nun will die Koalition einige Probleme aufgreifen und in der Fortschreibung der Empfehlungen des Landesjugendamtes zur Kindertagespflege berücksichtigen. Das unterstützen wir natürlich, obwohl es bei Weitem nicht ausreicht. Denn wieder einmal soll nur geprüft und bewertet werden, anstatt gleich Nägel mit Köpfen zu machen.

Um es deutlich zu sagen: Kindertagespflege ist immer noch der Lückenbüßer für den verschlafenen KitaAusbau. Gerade in den Jahren kurz vor und nach der Einführung des Rechtsanspruchs auf Betreuung ab dem ersten Lebensjahr sind viele Betreuungsplätze in der Kindertagespflege entstanden, ohne dass das intendiert oder gewollt war. Das ist schlichtweg aus der Not heraus passiert. Das heißt nicht, dass es in der Kindertagespflege an Qualität mangelt. Aber da müssen wir ehrlich sein. Jahrelang hat man diese Entwicklung stillschweigend zur Kenntnis genommen und sich dabei die eine oder andere Klage aufgrund eines fehlenden Betreuungsplatzes erspart.

Die Tagespflege wurde und wird stiefmütterlich behandelt. Wenn der Bedarf an Kindertagesbetreuung gesichert ist, geraten Tagesmütter und -väter schnell mit ihren Anliegen und Problemen wieder aus dem Blick.

Dass die Kindertagespflege vergessen wird, zeigt am besten die Diskussion um die Anerkennung der Vor- und Nachbereitungszeit für pädagogische Fachkräfte in der Kindertageseinrichtung. Tagesmütter und -väter brauchen doch dafür auch zeitliche Ressourcen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wo bleibt denn da, Herr Gasse, die viel gepriesene Gleichwertigkeit der Angebote?

Um es klarzustellen: Für uns GRÜNE hat die Schaffung weiterer Kita-Plätze nach wie vor Priorität. Aber es muss eben eine echte Wahlfreiheit geben, meine Damen und Herren, welche Betreuungsform für die jeweilige Familie die richtige ist. Für die Kindertagespflege heißt das dann, dass mehr Planungssicherheit für alle Beteiligten nötig ist. Das gilt für die Anrechnung von Krankheit, Weiterbildung, Nachbereitungszeiten und Urlaub genauso wie für ein funktionierendes Vertretungssystem, für ein gerechtes Vergütungssystem und natürlich für die Sicherheit bei Versicherungsfragen.

Wir GRÜNE wollen, dass die Tagespflegepersonen eine Geldleistung erhalten, die auskömmlich und angemessen ist, natürlich gern durch eine landeseinheitliche Vorgabe.

Der Antrag der Koalition fordert hingegen lediglich eine Bewertung der Staatsregierung zur Einführung eines landeseinheitlichen Personalkostensatzes und fragt fast ängstlich, ob damit höhere Kosten aufgrund eines Mehrbelastungsausgleichs verbunden wären. Natürlich ist das mit höheren Kosten verbunden! Aber Sie rechnen uns doch hier immer stolz vor, wie viele Millionen Euro Sie für die Verbesserung der Kita-Betreuung bereitstellen. Wollen Sie denn da die Tagespflege davon ausnehmen, meine Damen und Herren von der Koalition?

In Bezug auf den letzten Punkt Ihres Antrages wird der große Vorteil der Kindertagespflege deutlich, nämlich die familiennahe und individuelle Betreuung. Deshalb ist es richtig, die Kindertagespflege für Kinder mit besonderem Unterstützungsbedarf zu öffnen. Ihre Bedürfnisse sind in

einer kleinen Gruppe besonders gut aufgehoben. Aber das ist natürlich sehr anspruchsvoll.

Auch wenn das Qualifikationsniveau in der Kindertagespflege hoch ist, muss im Falle einer Öffnung für inklusive Angebote natürlich ein sehr großes Augenmerk auf die Fortbildung gelegt werden. Zur Qualitätssicherung muss der Schlüssel für die Fachberatung nicht nur empfohlen, sondern tatsächlich überall in Sachsen umgesetzt werden.

So weit von uns.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Abg. Kersten, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Kindertagespflege ist in Sachsen eine anerkannte und vielfach genutzte Betreuungsart, die vor allem den unterschiedlichen Bedürfnissen von Eltern im Hinblick auf die außerfamiliäre Betreuung ihrer kleinen Kinder Rechnung trägt.

Wer nun ganz unvoreingenommen – zum Beispiel eine Kindertagespflegeperson – den Titel des vorliegenden CDU/SPD-Antrags liest, wird sich freuen: Tagesmütter und -väter rücken in den Fokus politischen Handelns. Bei der in den vergangenen Monaten durchgeführten KitaUmfrage war das ganz und gar nicht so. Weder war der Bereich der Kindertagespflege in die möglichen Maßnahmen involviert, noch waren die Tagespflegepersonen explizit aufgefordert, sich an der Umfrage zu beteiligen. Nun also soll es besser werden: „Kindertagespflege als attraktives Angebot stärken“, so der Titel des vorliegenden Antrags.

Neugierig würde der unvoreingenommene Leser die einzelnen Antragspunkte lesen und vielleicht sogar zu der Einschätzung gelangen, dass mit dem Inhalt des Antrags der Titel desselben untermauert wird. So lesen wir von verlässlicher Finanzierung, von regelmäßigen Fortbildungen, von der Einführung eines landeseinheitlichen Personalkostensatzes oder auch von der Stärkung inklusiver Angebote in der Kindertagespflege. Natürlich ist das richtig; natürlich klingt das gut.

Doch wer wie ich und wahrscheinlich auch andere hier in diesem Hohen Hause die Schemata der meisten CDU/SPD-Anträge kennt, weiß, dass bei deren Anträgen der Teufel im Detail steckt, ganz konkret bei den sogenannten schwachen Verben. Denn es geht mitnichten um die Umsetzung der eben von mir aufgezählten Forderungen, sondern lediglich um eine Aufforderung an die Staatsregierung, diese in verschiedenster Hinsicht zu bewerten oder zu prüfen. Genau das ist typisch an den Anträgen der Koalitionsfraktionen: Da soll geprüft, bewertet und berichtet werden, aber um Himmels willen nichts Konkretes eingefordert.

Lediglich Ziffer 1 des Antrags kommt nicht ganz so unverbindlich daher; denn mit der Aufforderung, bei einer

Überarbeitung und Fortschreibung der Empfehlungen zur Kindertagespflege bestimmte Aspekte zu berücksichtigen, geht eine konkrete Handlungsanweisung einher, die die Betreuungsart der Kindertagespflege tatsächlich stärken könnte. Konsequent wird mit dieser Forderung aber nicht umgegangen, denn letztlich fehlt es an einer Frist, bis zu welcher die Fortschreibung zu erfolgen hat.

Mit dem vorliegenden Antrag wird nichts verbessert, noch irgendein Angebot gestärkt, aber auch nichts verschlimmert. So bleibt uns die Hoffnung, dass die Prüf- und Bewertungsergebnisse noch vor dem Ende der Legislaturperiode vorliegen und noch vor dem Ende der Legislatur in eine Gesetzesänderung, in konkrete Fortbildungsangebote oder auch in langfristige Finanzierungsvereinbarungen münden. Erst dann kann tatsächlich von einer Attraktivitätssteigerung der Kindertagespflege gesprochen

werden.

Mit diesem Hoffnungsstrahl vor Augen werden die fraktionslosen Abgeordneten der blauen Partei dem vorliegenden Antrag zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den fraktionslosen Abgeordneten)

Wir gehen in eine zweite Runde. Herr Abg. Schreiber.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, es ist schon nötig, einige Punkte geradezurücken. Frau Kersten, anders als Sie maßen wir uns nie an, immer schon alles zu wissen, sondern wir vertrauen da gern auf die Fachexpertise und geben Arbeitsaufträge an das Ministerium, damit am Ende tatsächlich etwas herauskommt – nicht nur heiße Luft wie bei Ihnen. Was Sie vorbringen, ist in der Regel unrealistisch, undurchführbar oder einfach nur falsch. Wir setzen eher auf Qualität als auf Quantität oder Schnellschüsse.

Frau Junge, Herr Zschocke, schauen wir uns die Situation einmal an. Ich glaube, in diesem Hohen Hause gibt es einige Personen, die sich schon seit vielen Jahren sehr für die Kindertagespflege engagieren. Ich persönlich tue das seit 2004, als ich im Dresdner Jugendhilfeausschuss gearbeitet habe. Einige Kollegen bei mir aus der Fraktion, aus der SPD, machen das sicherlich ganz genauso. Dann kann man sich die Situation anschauen und stellt fest: Ja, es ist richtig, die Kindertagespflege ist insbesondere in den Ballungszentren aus der Not heraus geboren. Kindertagespflege hat sich aber tatsächlich zu einem qualitativ hochwertigen Angebot entwickelt.

Zur Situationsbeschreibung gehört aber auch, dass der Wert dieser Betreuungsform noch nicht in allen Kommunen angekommen ist bzw. dass die Kindertagespflege in der einen oder anderen Kommune mittlerweile schon wieder auf dem Rückzug ist. Das hat Gründe. Die Zahl der Kindertagespflegepersonen in Sachsen steigt momentan nicht, sondern sinkt eher. Das ist nicht nur in der Demografie begründet – Kindertagespflegepersonen

werden älter und gehen in den Ruhestand, ohne dass andere nachkommen –, sondern liegt tatsächlich auch daran, dass sich Kommunen letzten Endes sogar aus der Kindertagespflege zurückziehen.

Ich begründe auch, warum. Wenn Sie aufgepasst hätten, dann hätten Sie mitbekommen, dass das Verwaltungsgericht Dresden am 19. Juni 2018 drei Musterklagen abgewiesen hat – Musterklagen von drei Tagespflegepersonen, die für 66 Klagen standen, welche wiederum für 1 500 Klagen standen. Ich sage Ihnen, weshalb das Verwaltungsgericht Dresden diese Klagen abgelehnt hat – es ging nämlich um die Geldleistung seitens der Stadt Dresden an die Tagespflegepersonen. Abgelehnt wurde unter anderem, weil sich die Personalkosten andernfalls „in der Nähe der Kosten für angestellte Erzieher“ bewegen würden.

Zum Zweiten sagt das Gericht, und der entsprechende Zeitungsredakteur zieht die Conclusio daraus: Weiter steigende Ausgaben können dazu führen, dass sich weitere Kommunen auf den Rückzug aus der Kindertagespflege begeben. Denn für die Kommunen war immer ein großer Vorteil, dass eine Kindertagespflegestelle grundsätzlich natürlich günstiger ist als der Bau einer Kita und die Entlohnung der dort tätigen Erzieher.

Das hat jetzt nichts mit Geldsparen zu tun, aber man kann sich nicht hinstellen und sagen, man wolle einheitliche Regelungen, ohne zu überlegen, was man damit angesichts der unterschiedlichen Situationen vor Ort möglicherweise erreicht.

(Cornelia Falken, DIE LINKE, steht am Mikrofon.)

Das möchte ich letzten Endes zum Anlass nehmen, dazu noch etwas zu sagen. Frau Junge, Sie sprechen von einer existenzsichernden Entlohnung. Fakt ist eines: Eine Tagespflegeperson weiß, dass sie sich grundsätzlich selbstständig macht. Sie wissen, dass es auf Bundesebene und vor Gerichten schon Debatten über eine mögliche Scheinselbstständigkeit in diesem Konstrukt gegeben hat, denn Selbstständigkeit ist nun einmal etwas anderes, als alles eins zu eins vom Staat finanziert zu bekommen. Dass in der Selbstständigkeit natürlich gewisse wirtschaftliche Risiken begründet liegen, ist auch klar.

Auf Bundesebene hat der Gesetzgeber in dieser Frage schon reagiert, beispielsweise was die Altersabsicherung etc. angeht.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Von Frau Falken immer.

Frau Falken, bitte.

Herr Schreiber, ist Ihnen bekannt, dass ein ähnliches Klageverfahren, wie Sie es gerade für Dresden beschrieben haben, in Leipzig zu einem Erfolg für die Tagespflegepersonen geführt hat und

dass die Stadt ihnen dann wesentlich mehr Geld zur Verfügung stellen musste, als sie es bis dahin getan hat?