Protocol of the Session on June 27, 2018

Auch wir lehnen das Gesetz grundsätzlich ab und sind trotzdem der Auffassung, dass es die Menschen, die es betrifft – – Denen ist es egal, ob derjenige, der eine Verbesserung herbeigeführt hat, letztlich das Gesetz abgelehnt oder es geschafft hat, eine Verbesserung durchzusetzen. Deshalb geben wir diesem Plenum heute noch einmal die Chance, menschliche, humanitäre Verbesse

rungen durchzusetzen. Das sehen Sie in dem Entschließungsantrag.

Das betrifft den ersten Punkt. Dort geht es genau um die Definition dieser schutzbedürftigen Gruppen, also Frauen, Familien, Kinder, Schwangere. Wir möchten, dass die Staatsregierung hier nicht in Haft, nicht in Ausreisegewahrsam nimmt, sondern andere Mittel findet. Wir möchten auch – das ist das Ergebnis aus unserer Großen Anfrage –, diese wirklich schreiende Unkenntnis der Staatsregierung, was die alternativen Möglichkeiten anbelangt – – Wir möchten, dass das genauestens dokumentiert wird, damit es einmal einen Nachweis gibt, welche dieser milderen Mittel vorher in Anwendung gekommen sind. Wir möchten, dass das dokumentiert wird, damit man das nachprüfen kann.

Der zweite Punkt in unserem Entschließungsantrag ist das Thema, das heute schon eine Rolle gespielt hat, nämlich, dass wir die Staatsregierung auffordern, sich auf Bundesebene für die Abschaffung des § 62 im Aufenthaltsgesetz einzusetzen. Wir brauchen Abschiebehaft nicht. Wir brauchen Ausreisegewahrsam nicht. Das ist unsere feste Überzeugung, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen.

(Zuruf des Abg. Steve Ittershagen, CDU)

Mit Blick auf die Aktuelle Debatte heute früh möchte ich noch einmal etwas in Richtung von Kollegen Hartmann sagen. Er hat vorhin angesprochen, dass wir, die Gegner dieses Gesetzes, es uns leicht machen und uns als moralisch gut und die Befürworter als moralisch schlecht hinstellen.

(Steve Ittershagen, CDU: Genau das machen Sie!)

Darum geht es mir nicht. Aber es geht darum,

(Zurufe von der CDU)

dass es in diesem Land Menschen gibt, die das genauso sehen wie wir. Ich bin ganz sicher, dass es für die politische Kultur dieses Landes wichtig ist, dass in diesem Parlament auch diese Menschen eine Stimme haben, und dafür stehen wir.

(Beifall bei den GRÜNEN – Steve Ittershagen, CDU: Ja, ja!)

Das war Frau Kollegin Zais für die Fraktion die GRÜNEN. – Jetzt geht es weiter. Es gibt eine weitere Wortmeldung. Bitte, Kollege Hartmann für die CDU-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Zais, das ist genau das Schöne und das Selbstverständliche in der Demokratie, dass es unterschiedliche Meinungen und Perspektiven geben darf und muss. Das ist letzten Endes Grundlage dafür, sich entscheiden zu können. Insoweit habe ich durchaus auch Respekt vor Ihrer Position und vor den Argumenten, die vorhin vorgetragen wurden.

Allerdings will ich deutlich sagen: Flucht ist kein Verbrechen. Ja. Nur, grundsätzlich rechtfertigen Sie doch keinen

Anspruch auf eine dauerhafte Bleibeperspektive in unserem Land.

Jetzt zum Entschließungsantrag: Ich glaube, noch einmal deutlich sagen zu müssen, dass jemand, der sich dazu bekennt, dass Abschiebehaft und Ausreisegewahrsam als Ultima Ratio konsequente Mittel zur Vollstreckung vollziehbarer Ausreisepflicht sind, sich nicht inhuman verhält, sondern eine klare Position für ein rechtsstaatliches Verfahren bezieht. Insoweit möchte ich deutlich machen, dass wir Ihrem Entschließungsantrag nicht zustimmen werden. Insbesondere möchte ich deutlich machen, dass wir bei Punkt I.2 der Auffassung sind, dass Abschiebehaft und Ausreisegewahrsam die Ultima Ratio sind; denn sie werden erst dann in Ansatz gebracht, wenn alle Maßnahmen, die vor einer vollziehbaren Ausreisepflicht stehen, nicht gegriffen haben.

Im Übrigen möchte ich verdeutlichen, dass wir uns ausdrücklich nicht Ihrer Auffassung zu der in I.3 formulierten These anschließen – das ist zumindest die Sichtweise meiner Fraktion –, dass es im Rahmen von Abschiebehaftverfahren überwiegend zu fehlerhaften Entscheidungen kommt. Es bliebe noch zu II. zu sagen, dass wir uns nicht dazu bereit erklären, wie Sie in II.2 fordern, uns für die Abschaffung von Abschiebehaft und Ausreisegewahrsam einzusetzen, da es genau die Ultima Ratio ist, nachdem alle anderen Maßnahmen nicht gegriffen haben. Wir halten sie für legitime Mittel, in der Konsequenz Abschiebungen vollziehen zu können und zu müssen.

Herzlichen Dank, meine sehr geehrten Damen und Herren, für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Kollege Hartmann sprach für die CDU-Fraktion. Jetzt kommt Frau Nagel für die Fraktion DIE LINKE zu Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, vielen Dank. Ich mache das gleich von hier. – Vielleicht sei vorab noch einmal darauf hingewiesen, dass das Asylrecht nicht erst seit 1992/1993, sondern seit den Achtzigerjahren bereits unter erheblichem Druck steht, unter erheblichem Verschärfungsdruck. Es gibt eine Verschärfungswelle nach der anderen. Wie gesagt, das beobachten wir nicht erst seit den letzten drei, vier Jahren.

Es ist politisch produziert, dass Asylanträge zunehmend abgelehnt werden, dass Menschen immer weniger die Chance bekommen, hier ein Aufenthaltsrecht zu generieren. Das ist nicht vom Himmel gefallen, und das möchten wir gern in unserer Kritik dieses Instruments der Abschiebehaft und des Weges dorthin mitgedacht haben. Es fällt immer ein wenig unter den Tisch, dass das Asylrecht nicht naturgegeben ist, sondern unter erheblichem politischem Druck steht.

Dem Entschließungsantrag können wir teilweise zustimmen, teilweise nicht. Darum kündige ich hier schon einmal die Enthaltung meiner Fraktion an.

Natürlich müssen Menschen ordentlich behandelt werden. Natürlich müssen wir jetzt mit der Situation umgehen, dass es bald eine Abschiebehafteinrichtung in Dresden gibt. Natürlich hat auch meine Fraktion ein Interesse daran, dass gerade Schutzbedürftige, dass Minderjährige dort eine entsprechende Behandlung bekommen oder im besten Fall aus der Inhaftierung ausgeklammert werden.

Nichtsdestotrotz ist es für uns eine ultimative Gewissensentscheidung, Abschiebehaft grundsätzlich als Instrument abzulehnen. Natürlich stehen wir zu milderen Mitteln. Mildere Mittel sind eben nicht nur ordnungspolitische wie Meldeauflagen oder Passentzug, sondern eine soziale Betreuung, eine staatlich finanzierte unabhängige Rechtsberatung, die den Menschen vermitteln, wie das hier funktioniert und eine Einsicht in das Asylverfahren stärken.

Nichtsdestotrotz noch einmal resümierend werden wir dem Entschließungsantrag nicht unsere Zustimmung geben. Wir werden uns enthalten, weil wir grundsätzlich gegen das Instrument der Abschiebehaft einstehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Das war Frau Nagel für die Fraktion DIE LINKE. Jetzt geht es weiter in der Rednerreihe. Kollege Pallas spricht für die SPD.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin jetzt doch noch einmal nach vorn gegangen, weil das Abstimmungsverhalten meiner Fraktion zum Entschließungsantrag der GRÜNEN erklärungsbedürftig ist. Frau Zais, Sie kommen hier vor und sagen uns, es ginge Ihnen um eine weitere Verbesserung einer Einrichtung, die Sie eigentlich ablehnen. So weit, so gut.

Dann behaupten Sie – das sage ich jetzt so hart –, im Punkt 1 Ihres Antrages ginge es Ihnen um die besonders Schutzbedürftigen. Wenn man aber einmal hineinschaut, was Sie wirklich beantragen, geht es erstens um alle Personen, die in die Einrichtung kommen, und Sie unterstellen, dass es darum geht, die körperliche und seelische Verfassung der in Abschiebehaft oder Ausreisegewahrsam Genommenen systematisch zu verschlechtern.

Wenn man mal in den Duden schaut und sieht, was „systematisch“ heißt, dann kann man lesen: „... nach einem System vorgehend, einem System folgend, planmäßig und konsequent...“. Wenn Sie uns vorwerfen, mit dieser Einrichtung systematisch alle Untergebrachten an der Gesundheit zu benachteiligen, dann bleibt mir der Atem weg, Frau Zais, wenn ich sehe, in welche Richtung

Sie uns hier schieben, das muss ich Ihnen mal sagen. Schon das rechtfertigt die Ablehnung Ihres Antrages.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD und der CDU)

Zu Punkt 2 ist bereits gesagt worden, dass es eine rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit ist, dass diese Maßnahmen die Ultima Ratio sind. Nur noch einmal kurz erklärend: Die Rechtsgrundlage für Abschiebehaft und für Ausreisegewahrsam liegt nicht im Landesrecht. Die Rechtsgrundlage ist der § 62 des bundesdeutschen Aufenthaltsgesetzes. Dort ist geregelt, dass Abschiebungshaft unzulässig ist, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes, ebenfalls ausreichendes anderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzeste mögliche Dauer zu beschränken.

Das ist die Grundlage für die Richterinnen und Richter, die darüber zu entscheiden haben, ob sie dieses Instrument verhängen oder nicht. Insofern ist es müßig, auf Landesebene diese Selbstverständlichkeit immer wieder einzufordern.

Zu Punkt 3 bezüglich der Fehleranfälligkeit sei gesagt, dass das eigentlich nichts mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zu tun hat oder mit der Einrichtung, denn wir sind hier sozusagen mitten in der BAMF-Debatte, aber auf Landesebene. Es wäre fatal, wenn wir aus Angst vor behördlichem Fehlverhalten eine aus unserer Sicht leider notwendige Maßnahme nicht treffen; denn das wäre erst recht die Kapitulation des Rechtsstaates, und das wollen wir nicht.

Als letzten Punkt möchte ich die Grundsatzentscheidung, sich auf Bundesebene für die Abschaffung einzusetzen, ansprechen. Ich verweise dazu auf die Rede zum Gesetzentwurf. Wir sind nicht in der Situation, dass wir darauf verzichten können. Es gibt Fälle, in denen es zur Durchsetzung der Ausreisepflicht notwendig ist, und es wird sie auch weiterhin geben; ob uns das passt oder nicht.

Wir lehnen Ihren Antrag deswegen ab.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Das war Kollege Pallas, SPD-Fraktion. Gibt es jetzt weiteren Redebedarf? – Das kann ich nicht erkennen. Dann komme ich jetzt zur Abstimmung und stelle den Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Drucksache 6/13744 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Eine ganze Anzahl von Stimmenthaltungen, aber der Entschließungsantrag ist damit abgelehnt. Meine Damen und Herren, damit ist der Tagesordnungspunkt beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 11

Zweite Beratung des Entwurfs

Gesetz zur Regelung von Zuständigkeiten nach dem Sozialgesetzbuch

und zur Zuständigkeit des Kommunalen Sozialverbands Sachsen

Drucksache 6/12419, Gesetzentwurf der Staatsregierung

Drucksache 6/13703, Beschlussempfehlung des Ausschusses für

Soziales und Verbraucherschutz, Gleichstellung und Integration

Den Fraktionen wird das Wort zur allgemeinen Aussprache erteilt. Wir beginnen mit der CDU-Fraktion. Das Wort ergreift Kollege Krasselt.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete des sächsischen Parlamentes! Der Bundesgesetzgeber hat mit der Verabschiedung des Bundesteilhabegesetzes normiert, dass die Länder zu dessen angemessener Umsetzung entsprechende Länderausführungsgesetze zu erarbeiten und zu verabschieden haben.