Protocol of the Session on May 30, 2018

schließt sich der Kreis, denn eine moderne Zuwanderungs- und Integrationspolitik ist ein Teil der zukunftsorientierten Strategie der Staatsregierung zur Bewältigung des demografischen und gesellschaftlichen Wandels. Zuwanderung und Integration gut gestalten, Zusammenhalt leben – das ist die Leitidee des unter Federführung meines Geschäftsbereiches Gleichstellung und Integration fortgeschriebenen Zuwanderungs- und Integrationskonzeptes für den Freistaat Sachsen, kurz ZIK genannt.

Wir haben uns das Vorgängerkonzept aus dem Jahr 2012 genauer angeschaut. Letztlich dürften die sehr grundlegenden Veränderungen offenkundig sichtbar sein. Die wohl wichtigste ist, dass nunmehr auch die humanitäre Verantwortung und Solidarität für Flüchtlinge abgebildet wird.

Genauso bedeutend ist – auch hierbei wurde aus der Kritik an der Erstellung des ersten ZIK gelernt – der Stellenwert gesellschaftlicher Beteiligung. Der ausgesprochen umfangreiche Beteiligungsprozess ist gewissermaßen ein Markenkern des neuen Zuwanderungs- und Integrationskonzeptes.

Von März bis Juli 2017 wurden parallel zu den zahlreichen Verbändegesprächen mit jeweils mehr als 200 Teilnehmern zwei Onlinebeteiligungsverfahren über das Beteiligungsportal der Staatsregierung durchgeführt. Nicht zuletzt habe ich das Hohe Haus über den Sozialausschuss und über meine regelmäßigen Runden mit den integrationspolitischen Sprechern aller Fraktionen auf dem Laufenden gehalten.

Mein Anliegen war es, allen interessierten Akteuren in ihrer Meinungsvielfalt die Möglichkeit zu einer Äußerung und von Beteiligung zu geben; denn nur ein partizipatorisch fortgeschriebenes Konzept hat die Chance, von möglichst vielen auch akzeptiert zu werden.

Wer mich kennt, der weiß, was meine gesamte Arbeit prägt.

Insgesamt sind weit mehr als 800 Anmerkungen in den Fortschreibungsprozess eingeflossen. Ich habe mich sehr über diese breite Beteiligung gefreut. Auch hierfür gebührt allen Mitwirkenden an dieser Stelle mein herzliches Dankeschön.

(Beifall bei der CDU, der SPD sowie vereinzelt bei den LINKEN und den GRÜNEN – Beifall bei der Staatsregierung)

Es war aber nicht nur ein guter Austausch mit den nicht staatlichen Akteuren. Ich weiß, dass der Austausch unter den Ministerien ebenfalls zu einem verständnisvolleren Miteinander geführt hat. Ich danke daher auch den Mitgliedern der interministeriellen Arbeitsgruppe, die die umfangreichen Maßnahmen der Häuser zusammengetragen und abgestimmt haben.

Ganz im Kleinen hat dieser Beteiligungsprozess auch etwas anderes geschafft: Die vielen Akteure, die am Fortschreibungsprozess mitgewirkt haben, haben dabei nicht nur die Vielfalt der zivilgesellschaftlichen Initiativen

kennengelernt, sondern auch immer wieder die fachlich zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Häusern.

Keine Veranstaltung, kein Verbändegespräch, bei dem die Expertinnen und Experten aus dem Innenministerium, aus dem Wirtschafts- und Arbeitsministerium oder aus anderen Ministerien nicht mit dabei gewesen wären. Sie haben ihre Dinge vorgetragen und mit diskutiert.

Ich freue mich wirklich sehr, dass dieser umfangreiche Beteiligungsprozess wirklich derart gut funktioniert.

Jetzt, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, schauen wir uns das ZIK einfach etwas genauer an. Auf die grundsätzliche Frage, wann Integration von Menschen mit Migrationshintergrund erfolgreich ist, kann man je nach Standpunkt eine ganze Reihe von Antworten finden:

(André Barth, AfD: Genau!)

wenn man fließend Deutsch spricht, wenn man eine Arbeit hat oder wenn Kinder mit Migrationshintergrund in den Kindergarten gehen und ihre Eltern zum Elternabend kommen. Oder ist Integration erst dann gelungen, wenn Ausländer eingebürgert werden?

Unter der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund wird in der Integrationsforschung zuallererst die weitgehend gleichberechtigte Teilhabe des Einzelnen an zentralen gesellschaftlichen Bereichen wie etwa Bildung, Ausbildung und Arbeit, Wohnen und gesundheitliche Versorgung verstanden.

Art und Umfang richten sich notwendigerweise nach der jeweiligen aufenthaltsrechtlichen Situation. Das ist die organisatorische, die fachliche, wenn nicht gar die technische Dimension von Integration.

Es bedarf jedoch noch etwas anderem. Ich habe es eingangs schon angedeutet, weil es eben eine nicht ganz unwesentliche Baustelle hier in Sachsen ist.

Eine notwendige Voraussetzung für gelingende Integration ist die gesellschaftliche Akzeptanz durch die Menschen, die schon in Sachsen leben. Ohne diese grundsätzliche Akzeptanz in breiten Teilen der Bevölkerung können staatliche Maßnahmen noch so gut durchdacht, ehrenamtliche Aktive noch so engagiert und Kommunen noch so gut aufgestellt sein, sie werden es schwer haben. Das haben wir im Jahr 2015 schmerzlich gelernt.

Wir haben damals zu wenig erklärt, diskutiert und die Menschen mitgenommen. Damit will ich hier nicht die Schuldfrage stellen, sondern daraus Lehren für die Zukunft ziehen.

Integration ist nämlich sowohl ein individueller als auch ein gesamtgesellschaftlicher Prozess. Deshalb haben wir es uns als Staatsregierung zum Ziel gesetzt, dass Sachsen allen Menschen, die hier leben, eine gute Heimat sein soll.

Wir haben dafür gute Leitplanken. Das Grundgesetz und die sächsische Verfassung mit ihrer Rechts- und Werteordnung bilden den Rahmen des Zusammenlebens aller hier lebenden Menschen.

Die Würde des Menschen ist hierbei die wichtigste Werteentscheidung des Grundgesetzes. Ich wiederhole es lieber noch einmal, weil ich mir hier, im Hohen Hause, nicht sicher bin, dass es bei allen angekommen ist: Menschenwürde bedeutet, dass jeder Mensch unabhängig von Herkunft, Geschlecht und Alter oder von anderen Zuschreibungen und Beschreibungen gleich wertvoll ist.

(Beifall bei der CDU, der SPD, den LINKEN, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Personengruppen, über die wir hier sprechen, sind ausgesprochen heterogen. Zu den Menschen mit Migrationshintergrund zählen sowohl neu nach Sachsen zugewanderte Menschen als auch Menschen mit Migrationshintergrund, die schon lange in Sachsen leben und die ihre Integration noch weiter verbessern wollen.

Das sind zum einen Spätaussiedler mit deutscher Staatsangehörigkeit, dann Unionsbürger aus den anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und ähnlich privilegierte Staatsangehörige aus Island, Liechtenstein, Norwegen, der Schweiz und der Türkei und schließlich Menschen aus anderen Staaten außerhalb der Europäischen Union, sonstige Drittstaatenangehörige. Viele kommen mit einem Visum zum Zwecke eines Studiums, einer Ausbildung oder um hier zu arbeiten.

Die Gruppe der geflüchteten Menschen, die für das ZIK neu ist, kommt als letzte Gruppe hinzu. Es zeigt sich übrigens, dass die größte Gruppe der in Sachsen lebenden Menschen mit Migrationshintergrund nach wie vor Unionsbürger sind, die ihre Freizügigkeitsrechte wahrnehmen.

Letztlich bleibt mit Blick auf die Zugewanderten eines festzustellen: Von ihnen allen werden Integrationsbereitschaft und Integrationsanstrengung erwartet. Das ist richtig so. Doch dazu müssen auch die richtigen Startchancen erhalten sein, und das auch so schnell wie möglich.

Im wahrsten Sinne des Wortes bundesweit wegweisend ist etwas, das wir im Jahr 2015 in den sächsischen Erstaufnahmeeinrichtungen eingeführt haben: unsere Wegweiserkurse für neu ankommende Flüchtlinge.

Während die Geflüchteten darüber informiert werden, wie das Zusammenleben in Deutschland funktioniert, wie wichtig beispielsweise die Werte der Gleichberechtigung von Mann und Frau, der Religionsfreiheit und der Gewaltlosigkeit sind, lernen sie auch noch erste, wenige Worte Deutsch.

Ich bin deshalb sehr froh, dass diese Kurse als sogenannte Erstorientierungskurse mittlerweile als Regelangebot des Bundes in das Drei-Standorte-Konzept der sächsischen Erstaufnahmeeinrichtungen eingeflossen sind.

Weil wir gerade bei den Erstaufnahmeeinrichtungen sind. Zum Asylverfahren – auch wenn es nicht in den Zuständigkeitsbereich der Staatsregierung fällt – will ich zumin

dest eines deutlich machen, weil mir immer wieder auffällt, dass es die Wenigsten wissen:

Wer vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – kurz: BAMF – als Flüchtling anerkannt wurde, der bleibt nicht gleich dauerhaft in Deutschland. Asyl sowie Flüchtlingsschutz nach der Genfer Konvention werden zeitlich befristet und für drei Jahre erteilt. Erst nach Ablauf dieser Frist haben die Betroffenen die Möglichkeit auf unbefristeten Aufenthalt, die sogenannte Niederlassungserlaubnis.

Sprachlich und wirtschaftlich gut Integrierte können diese Chance direkt in Anspruch nehmen, weniger gut Integrierte erst nach weiteren zwei Jahren, vorausgesetzt, sie sind nicht wegen einer Straftat verurteilt oder überwiegend von Transferleistungen abhängig.

(Carsten Hütter, AfD: Hört, hört!)

Das will ich einfach noch einmal klar sagen. Ich will damit deutlich machen, dass das deutsche Asyl- und Aufenthaltsrecht sehr wohl darauf achtet, wie gut sich eine Person auch wirklich integriert.

(André Barth, AfD: Das sieht man ja jetzt! Klar!)

Diesen Willen wollen und müssen wir einfordern.

(Beifall bei der CDU und der SPD – André Barth, AfD: Wunschdenken! – Carsten Hütter, AfD: Sie müssen doch rot werden vor Scham!)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Das vorliegende ZIK beschreibt die entsprechenden Ziele und Maßnahmen in zwei großen Bereichen: gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe für Menschen mit Migrationshintergrund und gesellschaftlicher Zusammenhalt.

Aus dem allerersten Kapitel, „Wege nach Sachsen – Daten und Fakten“, habe ich schon einiges berichtet. Hierin können Sie auch nachlesen, welchen Plan die Staatsregierung beispielsweise beim Prozess des Ankommens vor allem in den Erstaufnahmeeinrichtungen verfolgt.

Ebenfalls zu Beginn meiner Rede habe ich erwähnt, dass wir das ZIK lebensweltorientiert aufbauen wollen, also nicht strukturiert nach Zielgruppen oder nach Fachressorts, sondern nach den konkreten Lebenslagen und Bedürfnissen der Zugewanderten.

Auf die wesentlichen Inhalte des von uns als Handlungsfelder bezeichneten Kapitels will ich noch kurz eingehen.

Ein Dreh- und Angelpunkt bei einem Handlungsfeld sind die Sprache und Verständigung. Für die Integration der Menschen, die aus anderen Ländern nach Sachsen kommen, ist der Erwerb der deutschen Sprache elementar. Sachsen hat mit dem im Jahr 2016 gestarteten Landessprachprogramm ein Angebot für Zugewanderte definiert, die keinen Anspruch auf einen Bundesintegrationskurs haben. Wir haben erst im vergangenen Plenum darüber gesprochen. Ich weiß mich mit dem großen Teil dieses Landtags einig in der Bewertung, dass es ein wichtiges, richtiges und gutes Programm ist.

Doch dieses Handlungsfeld heißt Sprache und Verständigung. Uns ist allen klar, das Erlernen von Sprache dauert. Der Aufbau von Sprachmittlerdiensten in allen Landkreisen war die logische Antwort auf die Frage, wie man für Behördengänge und für die Verständigung in Ämtern, mit Ehrenamtlichen, mit der Polizei und mit Ärzten ein flächendeckendes Sprach- und Kulturmittlerangebot

aufbaut.

Wenn ich an das Handlungsfeld frühkindliche und schulische Bildung denke, dann denke ich zuallererst an den letzten Freitag, an dem ich mit meinem Kollegen Piwarz stolz die nächste Runde des Ende 2014 in Sachsen gestarteten Modellprojekts der WillkommensKITAs einleiten durfte. In Zukunft können sich weitere 90 Kitas beraten und begleiten lassen, wie sie mit sprachlicher und kultureller Vielfalt in ihren Einrichtungen umgehen; denn eines ist klar: Frühkindliche und schulische Bildung schaffen die nachhaltige Grundlage für gelingende Integration und individuelle Erfolge. Sie sind Voraussetzung für Zukunftschancen und Teilhabegerechtigkeit in den jüngeren Generationen.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Deshalb haben wir nicht nur seit Kurzem die WillkommensKITAs, sondern seit vielen Jahren schon ein ausgereiftes Konzept der schulischen Integration. Alle Schüler verschiedenster Nationalitäten, die die deutsche Sprache nicht oder nicht ausreichend beherrschen, besuchen zuerst eine sogenannte Vorbereitungsklasse. Hier lernen sie Deutsch als Zweitsprache und werden auf den Übergang in die Regelklasse ihrer Altersstufe vorbereitet. Dieser Übergang erfolgt ganz individuell und in drei Stufen.