Protocol of the Session on January 29, 2015

(Vereinzelt Beifall bei der CDU – Widerspruch bei den LINKEN – Dr. Jana Pinka, DIE LINKE, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage, Herr Heidan?

Freilich, selbstverständlich.

Ich wiederhole meine Frage: welche Branche?

(Dr. Jana Pinka, DIE LINKE: Bauingenieur!)

Ich kann und will die gar nicht definieren. Letztendlich haben wir eine Tarifautonomie, wo es auf der einen Seite Arbeitnehmer und auf der anderen Seite Arbeitgeber gibt. Die Vermittler sind die Arbeitgeberverbände auf der einen Seite und die Gewerkschaften auf der anderen Seite. Die handeln das aus, was letztendlich am Markt umgesetzt werden kann. Das ist doch das Thema. Die Firmen müssen Gewinne machen. Am Ende des Tages ist der Lohnanteil das Entscheidende, ob ein Produkt billig oder teuer auf den Markt gebracht

werden kann. Das ist doch Betriebswirtschaft erstes Semester. Das weiß sogar schon jedes Schulkind.

(Dr. Jana Pinka, DIE LINKE, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage, Herr Heidan?

Ja. Ich diskutiere gern mit Ihnen bis heute Abend, wenn der Erkenntnisprozess wächst.

Vielen Dank. – Ich habe nur eine ganz schlichte Frage, ähnlich wie Frau Schaper. Die können Sie einfach mit einer Prozentzahl beantworten. Mir geht es darum, ob Sie wissen, wie viel Prozent unserer Unternehmen in Sachsen tarifgebunden sind.

Das ist weniger als in den alten Bundesländern. Ich kann Ihnen die genaue Prozentzahl nicht sagen. Aber das hat doch auch Ursachen, liebe Frau Dr. Pinka. Das hängt auch mit der Arbeitsproduktivität zusammen. Die Produktivität war 1990 in Sachsen noch nicht so hoch wie in Nordrhein-Westfalen oder anderen Bundesländern. Wir haben heute noch eine Differenz. Nach der Arbeitsproduktivität entwickelt sich das Lohnniveau. Das sind ganz einfache Dinge, die jeder Betriebswirtschaftler weiß.

(Beifall des Abg. Sebastian Fischer, CDU)

Ich hoffe, dass ich jetzt Ihre Fragen alle fachlich gut beantworten konnte. Ich möchte auch langsam zum Schluss kommen. Ich will noch einmal auf die Handhabung des Mindestlohngesetzes und seine bürokratischen Gepflogenheiten kurz eingehen. Wir haben in der Vergangenheit die geleisteten Arbeitsstunden in manchen Branchen schon aufführen müssen, und die gesetzlichen Vorgaben waren auch schon gegeben. Hier sind nach der neuen Regelung sowohl die Arbeitsstunden als auch die Pausenzeiten, Arbeitsbeginn und Arbeitsende zu dokumentieren. Durch das Entsendegesetz, zum Beispiel im Gebäudereinigerhandwerk, sind schon seit Jahren Aufzeichnungspflichten gesetzlich vorgeschrieben. Dem sind die Betriebe auch nachgekommen, meine Damen und Herren von den LINKEN.

Durch die Erweiterung dieser Aufzeichnungspflichten, speziell für die Pausenzeiten, gibt es bei den Arbeitnehmern, und nicht nur bei den Arbeitgebern, große Probleme bei der Ausfüllung der Arbeitszeitnachweise. Hier kann es immer wieder zu Fehlern bei der Berechnung kommen, sodass ein erhöhter Kontrollaufwand notwendig ist und die Objektverantwortlichen, also die Vorgesetzten, Dinge beachten müssen, die mit einem erhöhten bürokratischen Aufwand verbunden sind. Der auferlegte Abrechnungszyklus – da ist man im Bund bereits in der Diskussion –, also die Dokumentation von maximal sieben Arbeitstagen für die Arbeitnehmer, die in Filialen beschäftigt sind, ist schon eine große Herausforderung und ein zusätzlicher organisatorischer Aufwand, der mit der Zusammenfüh

rung der entsprechenden Nachweise in den Lohnbüros verbunden ist.

Dort muss man sicherlich noch einmal ansetzen und schauen, ob wir da richtig unterwegs sind. Dafür haben wir dieses Monitoring, das Sie abgeschrieben und aus dem Sie diesen Antrag entwickelt haben, das dazu da ist, dies noch einmal zu verdeutlichen.

Ich will Ihnen sagen, was es heißt, bei dem geltenden Gesetz die Nachweise für die Arbeitszeit zu bekommen. Wir haben im Moment eine Regelung über 2 958 Euro. Das ist meiner Meinung nach zu hoch angesetzt; denn ein Bezug des Mindestlohnes von 8,50 Euro – Herr Kollege Krauß hatte das bereits ausgeführt – ergibt bei einem monatlichen Stundeneinsatz von 160 Stunden ein monatliches Einkommen von 1 360 Euro. Somit sind 2 958 Euro als Grenzwert für den Nachweis in keinem Verhältnis zum Mindestlohn zu sehen und stellen aus meiner Sicht eine unnötige Belastung für die Betriebe dar, die ihrer Aufzeichnungspflicht nachkommen müssen.

Wir sind ja auch durch den Landtag aufgefordert worden, auf geringfügig Beschäftigte zu achten. Bei diesen haben wir seit 01.01.2015 eine Nachweispflicht. Da können Sie sehen, wie es den Unternehmen geht. Sie haben vielleicht nur eine Person oder maximal zwei. Hier muss bestimmt noch einmal überprüft werden, wie der bürokratische Aufwand nach unten gedrückt werden kann.

Der Kollege von der AfD hat gesagt, dass diese Aufzeichnungspflichten einen größeren Aufwand bedeuten. Deshalb ist das Gesetz aber nicht schlecht. Das Mindestlohngesetz ist beschlossen, es ist von vielen betrachtet worden. Wir müssen nur auf seine Umsetzung achten. So, wie es die LINKEN mit ihrem Monitoring haben wollen, das sie von uns abgeschrieben haben, wird es sicherlich nicht gehen. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wird von den Fraktionen weiterhin das Wort gewünscht? – Herr Homann, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erst einmal möchte ich feststellen, dass ich mich darüber freue, dass der Mindestlohn von 8,50 Euro in diesem Hause, wenn auch nicht einstimmige, aber übergroße Unterstützung genießt. Das ist erst einmal gut.

Der Mindestlohn ist aus zwei Gründen wichtig; das ist in der Debatte herausgekommen, aber ich möchte es noch einmal betonen: Er ist erstens wichtig, um den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern den Wert der Arbeit zurückzugeben, dass die Leute von ihrer eigenen Arbeit leben können. Er ist zweitens wichtig für die langfristige wirtschaftliche Perspektive unseres Freistaates Sachsen, weil die Zeit der Niedriglöhne unter den Bedingungen des Fachkräftemangels vorbei sein muss, um unsere Wirtschaft langfristig wettbewerbsfähig zu halten. Deshalb ist

der Mindestlohn sowohl für die Arbeitnehmer als auch langfristig für die Wirtschaft genau richtig.

Ich möchte noch auf zwei Anmerkungen eingehen. Kollegin Zais hat richtigerweise darauf hingewiesen, dass es Branchen gibt, die noch vom Mindestlohn ausgenommen sind, aber – das gehört zur Vollständigkeit – diese Ausnahmeregelungen enden 2016. Sie haben auch etwas Gutes, weil nämlich die Branchen, die noch nicht nach Tarif bezahlten, dafür den Preis zahlen müssten, in die Tarifgemeinschaft einzutreten. Auch das muss unser langfristiges Ziel sein. Der Mindestlohn ist nur der erste Schritt. Der zweite Schritt muss sein, dass wir mehr tarifgebundene Unternehmen in Sachsen haben wollen, und das gehört auch dazu.

Dann möchte ich noch auf die Frage der Kollegin Schaper eingehen. Sie hatte ja angekündigt, den Antrag zurückzuziehen, wenn wir bei der Frage, wer beim Monitoring mitarbeitet, Transparenz herstellen: Das sind DGB, Kammern und Unternehmerverbände unter Federführung eines Wirtschaftsforschungsinstitutes, um diese Frage zu beantworten. Dann können Sie ihn ja jetzt zurückziehen.

Lassen Sie uns die Einführung des Mindestlohnes bei allen Diskussionen, die wir jetzt hatten, weiter begleiten. Das ist auch der Tenor, den ich heute vernommen habe. Lassen Sie uns die Probleme schnell und effektiv in einem geordneten Verfahren lösen. Lassen Sie uns Unklarheiten und Missverständnisse in einem intensiven Dialog bearbeiten, und lassen Sie mich an dieser Stelle vielen Dank an den DGB Sachsen und an die Kammern sagen, die in den vergangenen Wochen wichtige Beratungen und Unterstützung vor Ort geleistet haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Gibt es aus den Reihen der Fraktionen weitere Wortmeldungen? – Diese kann ich nicht sehen. Ich frage die Staatsregierung. – Das Wort wird gewünscht. Herr Staatsminister Dulig, bitte. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Mindestlohn ist beschlossen, er gilt seit dem 1. Januar. Das ist gut für unser Land. Er ist schon längst gesellschaftlich akzeptiert. Es geht quer durch, auch in Sachsen. Das wissen auch die Unternehmer, die sagen, dass es wichtig ist, dass unsere Leute gut bezahlt werden. Die Frage stellt sich gar nicht mehr, nur vielleicht bei der AfD, die immer noch nicht verstanden hat, dass er beschlossen ist. Er ist beschlossen! Deshalb guten Morgen! Sie können gerne darüber diskutieren. Sagen Sie doch einmal deutlich, welche Interessen Sie vertreten. Sie vertreten eben nicht die Interessen derjenigen, die vom Mindestlohn leben müssen. Sie wollen ihn abschaffen. Sie wollen eine Steuerpolitik, die die Reichen bevorteilt und nicht diejenigen, die tatsächlich vom Mindestlohn leben müssen.

(Dr. Stefan Dreher, AfD: Unsinn!)

Das haben Sie heute noch einmal ganz deutlich gesagt.

(Dr. Stefan Dreher, AfD: Unsinn!)

Aber selbstverständlich, das haben Sie selbst ausgeführt.

Wir sind in der Debatte schon viel weiter, weil wir uns jetzt darum kümmern müssen, wie wir nun den Mindestlohn umsetzen. Deshalb muss man auch aufpassen, wann man welche Debatte mit welchen Begründungen, mit welchem Hintergrund führt.

Kollege Heidan hat darauf hingewiesen, dass es gerade einmal 29 Tage her ist, dass dieser Mindestlohn gilt. Was haben wir in den letzten 29 Tagen alles gehört?

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Viel!)

Was wurde da schon diskutiert! Es wurde eine regelrechte Kampagne gestartet von diversen Unternehmerverbänden, Arbeitgeberverbänden, politisch interessierten Kreisen.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Mit der Bundeskanzlerin!)

Mit welcher Motivation denn? Den Mindestlohn in Misskredit zu bringen und bereits jetzt Ausnahmetatbestände zu organisieren, die zur Aushöhlung des Mindestlohns führen. Da müssen Sie die Frage beantworten, ob Sie Teil dieser Kampagne sein wollen oder wollen Sie bei denjenigen sein, die ernsthafte Sorgen haben und sich tatsächlich bei der Umsetzung darum kümmern, dass diese Probleme gelöst werden. Diese Frage müssen Sie auch beantworten.

Ich habe mich schon gefragt, als der Antrag eingebracht wurde, was die Motivation des Antrages ist. Da haben Sie sich etwas verraten, weil Sie in beiden Redebeiträgen Wert darauf gelegt haben, wer die Urheberschaft zum Mindestlohn hat. Es scheint Ihnen wichtig zu sein zu sagen: Wir waren die Ersten. Aha. Also könnte man vermuten – ich sage es ganz bewusst im Konjunktiv –, dass es bei dem Antrag darum ging, dass Sie die Ersten waren, die diesen Antrag gestellt haben und jetzt das Monitoring fordern. Da muss ich Sie leider enttäuschen, denn Sie sind nicht die Ersten, weil wir es schon längst im Koalitionsvertrag beschlossen haben. Es ist schon längst auf dem Weg.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU und der SPD)

Das ist etwas plakativ, was Sie da machen. Ich denke, wir müssen viel differenzierter mit den ganz konkreten Problemen, die die Unternehmen haben, umgehen, genauso differenziert, wie das zum Beispiel die Kammern in Sachsen tun. Wenn Sie heute die „Sächsische Zeitung“ gelesen haben, können Sie ja nachlesen, dass selbst die Kammern sagen, dass es eine Weile dauern wird, um die konkreten Auswirkungen überhaupt erst einmal ablesen zu können, und selber vor Panikmache gewarnt haben. Das ist jetzt das Falsche; denn hier geht es tatsächlich darum, differenziert an das Thema heranzugehen, um konkrete Lösungen zu finden.

Die Hauptkritik nimmt die Bürokratie ins Visier. Bei einem so umfangreichen Gesetz darf es ja auch nicht verwundern, wenn es Kritik gibt. Von daher bin ich nicht darüber überrascht, dass in den letzten Wochen viele Diskussionen zum Mindestlohn und seiner konkreten Einführung eingesetzt haben. Das überrascht nicht. Deshalb bin ich auch dabei, zu sortieren: in diejenigen, die Panik machen, und jene, die ganz konkret auf bestimmte Probleme hinweisen.

Aber warum ist es in Deutschland denn so, dass wir Regelungen finden müssen, die sozusagen bis ins Detail Dinge kontrollieren und bis ins Detail klären wollen, was man nachzuweisen hat und was nicht? Ja, ich bedaure durchaus, dass wir eine gewisse Misstrauenskultur in der deutschen Rechtsprechung haben. Nur kommt dies doch nicht von ungefähr.

(Dr. Stefan Dreher, AfD: In der Rechtsprechung oder in der Gesetzgebung? Meine Güte! Erst nachdenken, dann sprechen!)

Da sind wir doch leidgeprüft, weil eben viele Gesetze, gerade zum Thema Arbeitsschutz und Arbeitsmarkt, immer wieder genutzt wurden, um Regelungen zu finden, die man sozusagen aushebeln kann, um dies zu umgehen. Wir alle haben es selbst erlebt.

Genau das ist das Problem: Es gibt einige schwarze Schafe, die gutgemeinte arbeitsmarktpolitische Instrumente ausgenutzt haben, um damit selbst zum Lohndumping beizutragen. Damit haben sie auch dazu beigetragen, dass zum Beispiel gute Instrumente wie Zeitarbeit und Leiharbeit jetzt in Misskredit geraten sind. Deshalb ist eine Misstrauenskultur entstanden, die wir eigentlich überwinden müssen.