Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! So vielfältig, wie die Formen von Familie und Partnerschaft sind, so vielfältig sind natürlich auch die Probleme und Herausforderungen, die sie täglich zu bewältigen haben. Um dieser Vielfältigkeit angemessen, effektiv und zeitnah Rechnung tragen zu können, muss sich diese Vielfalt auch in den Angeboten der Familienbildung widerspiegeln.
Die Verantwortung, die die Institution Familie trägt, ist groß. Die Leistungen der Familie für die Gesellschaft sind unverzichtbar. In den Familien werden schon frühzeitig elementare soziale Kompetenzen und Motive gebildet. Menschen lernen zuallererst in ihrer Familie. Sie lernen Werte wie Zusammenhalt, Solidarität und Eigenverantwortung – so weit zumindest der Idealfall.
Wir nehmen häufig unsere eigene Herkunftsfamilie als Vorbild, als Maßstab für das, was Familien betrifft. Dabei wird sehr leicht übersehen, wie vielfältig Familien sein können, wie vielfältig Erscheinungsformen und Zusammensetzung sind, ob Mann und Frau, ob Mann und Mann, ob Frau und Frau, ob Familie nur mit Kindern oder Familie mit Großeltern. Es wird unterschätzt, dass die Mitglieder der Familie mehr oder minder positive Entwicklungstendenzen für die Kinder und die Angehörigen bieten. Alle Eltern haben Stärken, aber auch Schwächen. Man kann – wie das, glaube ich, viele aus eigener Erfahrung wissen – schnell an seine Grenzen stoßen. Deshalb soll und will Familienbildung Eltern starkmachen, damit sie die alltäglichen, aber auch zusätzlichen Herausforderungen bewältigen können.
Familienbildung soll Eltern aufbauen und ihre Stärken betonen. Sie soll sie in der Rolle als Eltern ermutigen. Die Angebote der Familienbildung sollen aber auch Kompetenzen fördern und fordern. Unterstützende Aktivitäten und Angebote zur Gestaltung von Lebensverhältnissen für Familien existieren in vielfältigen informellen und institutionellen Kontexten. Diese Angebote müssen allen, unabhängig von der Familienform oder jeweiligen Problemlage, zur Verfügung stehen. Familienbildung muss flexibel sein und sich den ständig ändernden Herausforderungen unserer Gesellschaft stellen.
Wir wollen, dass diese Unterstützung allen Familien in Sachsen zuteil wird, egal, ob kommunal organisiert, ehrenamtlich initiiert, ob in Bildungsstätten, in Familienverbänden, in Beratungsstellen, in Elterninitiativen, an Schulen oder an den Kitas. Aber die Angebotsstruktur im Bereich der Familienbildung – und darauf zielt doch der Antrag ab – ist im Freistaat Sachsen gegenwärtig sehr unterschiedlich stark ausgeprägt. Insbesondere in den strukturschwachen Regionen sind Familienangebote
bislang überschaubar, was aber leider nicht heißt, dass die Herausforderungen und Probleme in den Städten und Gemeinden außerhalb der Ballungszentren kleiner oder weniger schwerwiegend sind. Auch deshalb wollen wir das Netz von Angeboten der Familienbildung weiter ausbauen. Die bestehenden Beratungsangebote müssen stärker als bisher vernetzt werden, und die Eltern sollen sich stärker als bisher über die bestehenden Angebote, zum Beispiel über eine Datenbank, informieren können.
Wir müssen uns außerdem – Herr Krauß hat es schon angesprochen – darüber verständigen, wie wir neue Zielgruppen erschließen können. Wir sehen einen neuen Weg darin, die Eltern-Kind-Zentren weiter auszubauen. Eltern-Kind-Zentren bieten die Chance, Unterstützungsstrukturen vor Ort für Kinder und Eltern zu bündeln und
Kooperationen mit den Einrichtungen der Familienbildung einzugehen. Es gibt positive Erfahrungen aus anderen Bundesländern, die zeigen, dass Eltern-KindZentren neue Wege in der Familienbildung gehen können.
Den Kern dieser zu entwickelnden Zentren sehen wir in den Kinder- und Tageseinrichtungen. Eltern kennen diese Einrichtungen, haben Vertrauen in das pädagogische Personal und haben dort Kontakt mit anderen Eltern. Sie bieten im Grunde die beste Voraussetzung für eine wohnortnahe Unterstützung.
Im Haushaltsentwurf sind zunächst 500 000 Euro jährlich für Zuschüsse für die Eltern-Kind-Zentren vorgesehen. Das ist ein kleiner erster Schritt, um an einzelnen Kindertageseinrichtungen eine solche Entwicklung modellhaft weiter zu erproben.
Die Erwartung ist, dass Eltern-Kind-Zentren die Erziehungsleistung der Eltern unterstützen und das Zusammenwirken mit den Einrichtungen der Familienbildung optimieren. Lassen Sie uns gemeinsam diesen Weg gehen; denn dass Familien immer stärker auf Unterstützung angewiesen sind, zeigt nicht zuletzt die steigende Inanspruchnahme von Hilfen zur Erziehung.
Ich möchte an dieser Stelle deutlich machen, wie wichtig es ist, familienunterstützende Leistungen anzubieten, und zwar je eher, desto besser. Familienüberforderungssituationen sind leider nicht kongruent zum Lebensalter der Kinder in den Familien.
Meine Damen und Herren! Wir wollen Eltern stark machen. Genau deswegen wollen wir die Familienbildung stärken.
Meine Damen und Herren! Nun spricht für die Fraktion DIE LINKE Frau Abg. Lauterbach. Bitte, Frau Lauterbach.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Damen und Herren! Die Familienbildung zu stärken ist unbenommen ein wichtiges Vorhaben. Mit dem Antrag versuchen Sie, werte Koalition, etwas Bewegung in das Thema zu bringen.
Der Teil 1 ist mit fünf Punkten ein Berichtsantrag, der es aber leider nur mit einer Kleinen Anfrage aufnehmen kann, es sei denn, die Beantwortung der Anstriche 4 und 5 ist bereits vorbereitet, Herr Krauß. Ohne die Befragung der Teilnehmenden und ohne Abgleich mit einem Konzept kann nicht festgestellt werden, welche Zielgruppen erreicht werden und ob diese überhaupt erreicht werden wollen.
Außerdem wird durch die Berufung auf § 16 SGB VIII hier eine Einschränkung gemacht. Das haben Sie in Ihrem Vortrag selbst gemerkt. Das hat zur Folge, dass nicht das
Ich vermute in den Antworten Ergebnisse, welche aussagen, dass niedrigschwellige Angebote im ländlichen Raum infolge finanzieller Engpässe auf dem Rückzug sind. Da wundert es nicht, wenn die Finanzierung anderer Angebote, wie die nach §§ 34 und 35 a SGB VIII, unaufhaltsam aus dem Ruder laufen.
Im Teil 2 fordern Sie den Ausbau von Netzwerken. Die Anzahl der Vereine und Verbände, die sich der Familienbildung verschreiben, ist recht überschaubar. Sie arbeiten bereits gut zusammen und sind vernetzt. Was die Verbände brauchen, ist vielmehr eine sichere Finanzierung ihrer Arbeit. Die Träger warten am Anfang des Jahres auf ihr Geld und müssen zum Teil im Januar Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen. Sie sollten also erst einmal das Vorhandene sichern, ehe Sie neue Netze und Angebote aufbauen wollen.
Wir würden Sie gern beim Wort nehmen, Herr Krauß. Aber schauen wir uns die letzten Jahre aus haushalterischer Sicht einmal an. Zuschüsse zur Förderung von Familienbildungsmaßnahmen im Jahr 2000: über 2,1 Millionen Euro. Damals gab es zusätzlich Mittel für Familienfreizeit und -erholung. 2006: 1,6 Millionen Euro. Hier wurde die örtliche Familienbildung gekürzt. Das ist das, was vor Ort heute noch fehlt. 2014: 1 Million Euro und keinerlei Gelder für Familienerholung – das musste dort herausgenommen werden –, wobei wir als LINKE 3 Millionen Euro gefordert haben, davon 2 Millionen für die Familienbildung und 1 Million für die Erholung. Es ist also ein sehr deutlicher Abbau der finanziellen Unterstützung der Familienbildungsangebote zu verzeichnen.
Schauen wir uns den Haushaltsplanentwurf 2015/2016 an. Auch hier geht es weiter mit 1 Million Euro für die Familienbildungsmaßnahmen, davon ganze 650 000 für die Familienbildung. Wie wollen Sie also, bitte schön, das Netz von Angeboten der Familienbildung ausbauen? Ich denke, das ist schlichtweg zu wenig an Landesmitteln für unser gesamtes Land Sachsen, ob überregional oder regional.
Teil 3: Eine Datenbank aufzubauen ist erst einmal nicht schädlich. Aber mit einer Datenbank kann kein Zugang zu Vereinen und Angeboten sichergestellt werden. Wie kommen also potenzielle Nutzer(innen) zu den Trägern, zu den Veranstaltungen oder den Beratungsstellen?
Werte Abgeordnete! Familien stärken heißt für uns: familienfreundliche Arbeitszeitmodelle bieten. Familien stärken heißt für uns: finanzielle Sicherheit für Familien schaffen. Wenn das gesichert ist, kann sich der Staat auch ein klein wenig mehr herausziehen, Herr Krauß.
Ein Beispiel: ein alleinerziehender Vater, der Sohn im Kita-Alter, die Frau plötzlich verstorben. Er arbeitet im Rettungsdienst. Die Kita kann die Arbeitszeiten des Vaters nicht absichern. Eine Tagesmutter nimmt das Kind bis zu drei Jahren. Wie flexibel sind also unsere Ämter und
Ein anderes Beispiel: Schauen wir uns eine junge Mutter an, 18 Jahre, alleinerziehend, eine Tochter von einem Jahr. Sie hat vor einem Jahr einen Krippenplatz beantragt, um ihre Ausbildung abzuschließen. Es gibt keinen Krippenplatz für ihr Kind. Es gibt auch keine Tagesmutter für ihr Kind. Das Amt ist der Meinung, sie müsse eben die Ausbildung abbrechen. Die Folge: Hartz IV und Perspektivlosigkeit.
Ich habe mir daraufhin den Ratgeber des Ministeriums angesehen. Er berät zu normalen Fragen; das ist total okay. Aber wenn man wirklich Hilfe in kritischen Situationen braucht und sie vom Jugendamt nicht bekommt – wer hilft dann?
Sie gehen in Ihrer Begründung – ein anderes Problem, das ich sehe – auf die Versorgung pflegebedürftiger Familienmitglieder ein. Im Antrag finden wir leider nichts dazu. Das ist schade; denn das Thema ist viel zu wichtig, als hier mit einem Halbsatz abgetan zu werden. Die pflegenden Angehörigen sind die größte Gruppe der Pflegenden. Wie, bitte schön, wollen Sie Familien stärken, die ihre Angehörigen zu Hause pflegen? Verweisen Sie jetzt bitte nicht auf Bundesgesetze. Wir möchten wissen: Was tut Sachsen?
So ehrenwert es ist, sich der Verbesserung der Familienbildung anzunehmen: Es muss darüber hinausgehen, Berichtsanträge zu stellen, Netzwerke ausbauen zu wollen und Datenbanken anzulegen. Das reicht nicht, und es geht an der Realität vorbei; denn sehr hilfreich sind Ihre Vorhaben aus dem Antrag für die genannten Problemlagen leider nicht. Nichtsdestotrotz werden wir Ihrem Antrag zustimmen. Das verwundert Sie vielleicht etwas,
aber es hat einen Grund; denn schließlich steht nichts Falsches und Entbehrliches in dem Antrag, zumal Sie nicht mehr nur von Familie und Ehe sprechen, sondern auch von Partnerschaft. Das ist das erste Mal in einem Ihrer Anträge und immerhin ein bemerkenswerter Fortschritt. Deshalb stimmen wir Ihrem Antrag zu – aber nur deshalb.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es sind bereits viele Worte gefallen, aufgrund dessen habe ich meinen Redebeitrag etwas zusammengekürzt und beginne damit, dass wir dem Antrag von CDU und SPD zustimmen werden. Dennoch gibt es einige wichtige Punkte, die hier zu erwähnen sind.
Wie bereits durch Herrn Krauß angesprochen wurde, ist im Artikel 6 Abs. 1 Grundgesetz zu lesen, dass Ehe und
Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen. Für uns alle sollte dies verpflichtend sein und nicht zur Phrase oder zum Platzhalter verkommen. In der Menschenrechtserklärung spricht man sogar von der Familie als „Grundeinheit der Gesellschaft“. Dem stimmen wir uneingeschränkt zu und möchten unterstreichen, dass sich um die Familie herum alle weiteren Gesellschaftsbereiche entwickeln müssen. Deshalb muss eine fundierte und nach den Bedürfnissen generationenübergreifend ausgerichtete Familienpolitik wieder primär in den Fokus gerückt werden.
Familie hat zunächst eine soziale Verantwortung in der Übernahme von ergänzender Verantwortung füreinander. Neben der wertstiftenden Funktion der Familie gehört die Erziehung der Kinder zu selbstbestimmten, verantwortungsbewussten Mitgliedern zu den Aufgaben unserer Gesellschaft. Wir müssen daher vor allem junge Leute ermutigen, Familien zu gründen und vorhandene Familienbindungen zu pflegen. Dazu gehört auch eine Schwangerenkonfliktberatung, die sich vordergründig dem Lebensschutz verpflichtet fühlt.
Nach Artikel 6 Abs. 2 Grundgesetz obliegen das Recht und die Pflicht zur Pflege der Kinder in erster Linie den Eltern. Es muss zentrale Aufgabe der Familienpolitik sein, die Rahmenbedingungen für die selbstbestimmte Ausübung dieses Rechts zu schaffen, und wie bereits angesprochen worden ist, muss die staatliche Überwachung dieser Pflicht darauf zielen, die Eltern bei der Bewältigung ihrer Aufgaben zu unterstützen, nicht aber, ihnen diese Verantwortung abzunehmen oder ihnen unzumutbare Vorschriften zu machen. Hier müssen Instrumente ausgebaut und geschaffen werden, die den Familien wirtschaftliche Sicherheit und gesellschaftliche Anerkennung geben.
Des Weiteren müssen Familien, die ihrer Pflege- und Erziehungspflicht nicht nachkommen oder nachkommen können, in besonderem Maße unterstützt werden. Das flächendeckende Angebot stellt uns hierbei in Planung und Koordination vor besondere Aufgaben, die wir angehen müssen.
Weiterhin müssen wir uns fragen, wie wir die Angebote bestmöglich kommunizieren, damit von ihnen auch Gebrauch gemacht wird und Eltern im Dschungel der Angebote das ihren Bedürfnissen entsprechende finden, sprich: dass sie im Angebotsdschungel nicht untergehen, sondern das Angebot finden, das für die Familie wichtig ist.
Im Rahmen der Familienbildung muss auch ganz klar herausgestellt werden, dass die Angebote nicht nur der Problembehandlung dienen, sondern von der Bevölkerung als präventive und zugleich neutrale Unterstützungsleistungen angesehen werden. Hierbei ist die Politik gefragt. Wir, meine sehr verehrten Damen und Herren, müssen diese Angebote so gestalten und vor allem auch so benennen, dass sich wirklich alle Familien bzw. alle Familienmitglieder angesprochen fühlen.
Außerdem müssen wir Hemmschwellen, die von den Bürgerinnen und Bürgern als solche wahrgenommen werden, abbauen. Es muss zudem klargemacht werden, dass sich diese Familienangebote an alle richten und sie demzufolge auch für alle da sind. Leider ist beispielsweise die Erreichbarkeit zuständiger Einrichtungen oftmals schwierig. Vor allem die Sprech- bzw. Öffnungszeiten bilden eine gewisse organisatorische Hürde. Daher wird perspektivisch eine Anpassung der Öffnungszeiten an die Familienzeiten nötig sein, damit diese Angebote von allen Familien genutzt werden können.
Ich fordere die Regierungskoalition auf, die im Koalitionsvertrag verankerte Unterstützung für Familien umfassend umzusetzen; denn – diesbezüglich zitiere ich gern eine Passage aus unserem Wahlprogramm: „Alle familienpolitischen Entscheidungen, seien sie positiv oder negativ, haben direkte Auswirkungen auf das gesellschaftliche Leben und die zukünftige Entwicklung in unserem Land.“