Es ist aber natürlich nicht unentdeckt geblieben, dass Ihre Kommunalpolitiker in letzter Zeit zufällig bei den Tafeln auftauchen und fragen, was es für Probleme gebe. Wissen Sie was, die fragen nicht, was die Probleme der Betroffenen vor Ort sind, sondern sie fragen: Haben Sie Probleme mit Ausländern? Ich weiß auch, wie die Antwort der meisten dort vor Ort ist oder eigentlich aller, bei denen Sie jetzt waren: Sie haben kein Problem. Unsere sächsischen Tafeln können gut alles abdecken.
Ich möchte nur einmal sagen, mit Ihrer Debatte, die Sie hier aufmachen, versuchen Sie wieder einmal, die Schwachen gegeneinander auszuspielen. Das Spiel machen wir natürlich nicht mit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Ich möchte die verquere Debatte heute etwas ordnen. An erster Stelle möchte ich natürlich den Dank an alle Mitarbeiter und Ehrenamtlichen der Tafeln senden und ihnen sagen, dass ohne ihre Arbeit so manches nicht möglich wäre. Ich glaube, dieser Dank ist auch einen Applaus wert.
In den vergangenen Jahren waren mehr Menschen bei den Tafeln. Die Nachfrage ist gestiegen. Das allein mit Sozialkürzungen oder Ähnlichem zu erklären, würde aber wohl weit ab von dem sein, wie es wirklich ist.
Natürlich haben wir den Zuzug von geflüchteten Menschen. Diese werden natürlich auch dort bedient, da sie in
In den vergangenen Wochen gab es viel Empörung über die Diskussion zu den Tafeln. Im Zusammenhang mit bedürftigen Migranten hat es jetzt sogar die AfD-Fraktion bewogen, eine Debatte anzusetzen.
Ziel dieser Aufmerksamkeitsdebatte scheint zu sein, möglichst erst einmal schnell draufzuhauen ohne jeglichen Lösungsansatz.
Folge: Es hat zum Teil abstruse Diskussionen gegeben, zum Beispiel, ob jemand mit SGB-II-Leistung sich nun arm nennen darf oder nicht. Wenn man jetzt nur auf die Altersarmut blickt, ist zumindest diese Frage schnell geklärt. Arm ist nach EU-Definition jemand, der 60 % des mittleren Einkommens hat. Das bedeutet für Sachsen derzeit 866 Euro. In Dresden kommen alleinstehende Hilfeempfänger derzeit mit Wohnleistungen auf 846 Euro, das liegt also offiziell unter der Armutsschwelle. Diese empörte und reflexartige Diskussion blendet aber bei Weitem die lebenslang spezifischen Dimensionen von Armut aus, obwohl genau diese Debatte geführt werden sollte, zum Beispiel darüber, warum arme Menschen sieben bis zehn Jahre früher versterben.
Kurz zurück zum Regelsatz, der Armutsberechnung und dem Paradox des Sozialstaates. Das momentan statistische Berechnungsmodell ist sicher anpassungsbedürftig. Meiner Meinung nach müsste sauberer gerechnet werden. Nach Berechnungen der Caritas würde der statistische Fehler im Monat zwischen 60 und 70 Euro betragen, und würde man den Regelsatz für Hilfeempfänger um diese 70 Euro anheben, dann hätte man neben der Verbesserung der Leistung aber sofort eine Ausweitung der Zahl der Hilfeempfänger. Das heißt, nach Schätzungen wären das bis zu 800 000 Menschen mehr. Im Ergebnis einer Verbesserung der Hilfe würden mehr Menschen als bedürftig zu den Tafeln kommen und nach Lesart der AfD wäre der Sozialstaat noch mehr am Versagen.
Deshalb sollten wir bei der Debatte über die Armut in der Gesellschaft darüber reden, wie wir es schaffen, der Einkommensarmut zu begegnen und dieser Ausgrenzung zuvorzukommen, wie wir Teilhabe sicherstellen und Chancengleichheit erreichen. Wir müssen auf die Lebenslagen schauen, konkrete Teilhabe sicherstellen, bei Senioren, aber besonders auch bei Kindern und Jugendlichen. Dafür brauchen wir eine Grundsicherung bei Kindern, weil Kinder unsere Zukunft sind. Das sollte Grund genug sein zu investieren. Gleichzeitig müssen wir niedrigschwellige Zugänge zu Bildung, Kultur und Gesundheit schaffen. Wir brauchen ehrliche Regelansätze und
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Diskussion um die Tafeln offenbart, dass die Regelsätze im Bereich Hartz IV angehoben werden müssen. Und ich sage es deutlich: Asylbewerber müssen die gleichen Leistungen erhalten, weil sozialstaatliche Leistungen allen Bedürftigen, egal welcher Herkunft, ein menschenwürdiges Leben ermöglichen müssen.
Das ist mit den aktuellen Regelsätzen – und das wissen wir – eben nur schwer möglich. Frau Pfau hat es angesprochen: Versuchen Sie mal, ein Kind davon einen Tag lang gesund zu ernähren. Das funktioniert nicht. Im Asylbewerberleistungsgesetz ist der Satz noch niedriger. Doch aus Sicht der AfD-Fraktion gefährden höhere HartzIV-Sätze den Sozialstaat. Sie verpassen keine Gelegenheit, uns hier ständig die hohen Ausgaben für Geflüchtete vorzurechnen, und im Debattentitel beklagen Sie jetzt staatliches Versagen. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Sie offenbaren hier ständig das sozialpolitische Versagen der AfD.
Meine Damen und Herren! Zu den Tafeln kommen Wohnungslose, Alte, prekär Beschäftigte, Alleinerziehende, Erwerbslose und Geflüchtete. Diese Gruppen dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Die Zahl derer, bei denen Einkommen und Sozialleistung nicht ausreichen, wächst ständig. Die Ehrenamtlichen von der Tafel in Essen haben auf die Grenzen ihres Handelns aufmerksam gemacht; denn wenn immer mehr Menschen Hilfe brauchen, dann können natürlich auch Konflikte unter den Hilfebedürftigen zunehmen. Aber anstatt sich um Lösungen für diese Konflikte zu bemühen, wie dies die Tafeln überall dort tun, wo solche Konflikte auftreten, missbrauchen Sie diese Konflikte für Ihre Propaganda, dass Ausländer den deutschen Bedürftigen sogar noch das Essen wegnehmen.
Herr Wendt, Sie laden auf Ihrer Facebook-Seite – ich muss das hier mal so deutlich sagen – regelrecht dazu ein, Geflüchtete übel zu beschimpfen. Ich zitiere das mal: „… Verbrecherpack, was sowieso nur auf unsere Kosten lebt“ oder „Weg damit, kein Tafelessen mehr für diese dummfrechen Schmarotzer“. Auf demselben Portal unseres nett und freundlich lächelnden Sozialausschussvorsitzenden schreibt ein weiterer Facebook-Freund über nicht deutsche Tafelbesucher: „Ist ja auch kein Wunder, wenn einer von der Müllkippe ins Hilton wechselt. Da sind die kleinen Parasiten eben überfordert und das zeigen sie dann an ihrem Benehmen. Und ich dachte eigentlich, im 21. Jahrhundert hätte man diese Spezies längst ausgerottet.“ Auf Ihrer Facebook-Seite!
Herr Wendt, Aufwiegeln von Menschen gegen Menschen kann, darf und wird niemals Teil des demokratischen Meinungsspektrums sein.
(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU, den LINKEN und der SPD – André Wendt, AfD, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)
Natürlich werden umgehend solche Kommentare von mir gelöscht, keine Frage. Diese Kommentare kommen logischerweise nicht von mir, das ist ganz klar. Sind Sie der gleichen Meinung wie ich, dass man sich seine „Freunde“ nicht aussuchen kann und dass solche Personen auf jeden Fall nicht dem Freundeskreis eines Parlamentariers angehören sollten?
(Sarah Buddeberg, DIE LINKE: Seine Familie kann man sich nicht aussuchen, aber Freunde kann man sich aussuchen!)
Herr Wendt, Sie sind für Ihre öffentlichen Publikationen verantwortlich und Sie müssen sich das anschauen und sich darum kümmern, dass auf Ihren Portalen – und dass ist ja nicht nur bei Ihnen so – diese Hetze beendet wird.
Meine Damen und Herren! Die Tafeln reagieren auf regional verschiedene Lebenslagen und auch auf Risikogruppen. An den Tafeln in Sachsen wird zum Beispiel Altersarmut mehr und mehr sichtbar. Das ist auch schon gesagt worden. Das Engagement der Tafeln verdient wirklich großen Respekt. Die Empathie der vielen Ehrenamtlichen beeindruckt, aber die Sicherung einer menschenwürdigen Existenz auch im Alter ist Aufgabe des Sozialstaates und nicht von privaten und ehrenamtlichen Initiativen.
Ich möchte ganz deutlich sagen, aufgeregte Empörung über diese Entwicklung nutzt den Armen genauso wenig wie dieses kalte Relativieren á la Jens Spahn. Wir brauchen hier eine Diskussion über konkrete politische Schritte, die an den Lebenslagen der verschiedenen Risikogruppen ausgerichtet werden. Wir GRÜNEN haben dafür eine ganze Reihe an Konzepten vorgelegt, zum Beispiel die Garantierente gegen Altersarmut, die Kindergrundsiche
Wenn ich allerdings in das AfD-Programm schaue, dann erkenne ich schnell: Ihre Partei war und ist keine soziale Partei, nicht mal für Deutsche. Besser konnte doch das sozialpolitische Versagen der AfD gar nicht demonstriert werden als zum Beispiel gestern von Herrn Barth, als er hier die soziale Arbeit und die Berufsgruppen der sozialen Arbeit schlechtgemacht hat.
In Bezug auf die Herausforderungen, die an den Tafeln in Deutschland deutlich werden, ist die AfD ein sozialer und – ich muss auch sagen – menschlicher Totalausfall. Das Gegenteil von dem, was notwendig wäre, um Armut und Spaltung in unserer Gesellschaft zu überwinden, heißt AfD.
(Jörg Urban, AfD: Bla, bla, bla, AfD! – Sarah Buddeberg, DIE LINKE: Den Eindruck haben wir auch, Herr Urban! – Valentin Lippmann, GRÜNE: Führen Sie Selbstgespräche?)