Herr Pohle hat eine dritte Rederunde eröffnet. Ich weiß nicht, ob weitere Fraktionen das Wort ergreifen möchten. Haben wir noch eine Kurzintervention? – Es gibt noch eine weitere Kurzintervention von Herrn Kollegen Urban; bitte.
Ich bin direkt angesprochen worden und möchte nicht falsch verstanden werden: Wenn ich von Altparteien spreche, dann spreche ich von den Parteien, die es schon länger gibt. Uns gibt es ja noch nicht so lange. Und ja, natürlich sind die Grenzwerte, die wir heute haben, ein Ergebnis der Beschlüsse in Parlamenten durch die Altparteien, durch wen denn sonst?
(Peter Wilhelm Patt, CDU: Sie haben die Vergangenheit selber aufgebracht! – Zuruf des Abg. Ronald Pohle, CDU)
Dass wir in Sachsen Ansiedlungen von Porsche und VW haben, das ist schön, und daran hat die CDU sicher ihren Anteil; das bestreitet auch niemand. Aber wenn wir heute davon sprechen, mit welchen Grenzwerten wir uns gerade herumschlagen müssen, dann sind das Beschlüsse der Altparteien in diesem Parlament, die zu diesen Gesetzen geführt haben.
(Steve Ittershagen, CDU: Hören Sie doch mal auf, diese Phrasen zu dreschen! Das geht einem doch langsam auf den Geist!)
(Peter Wilhelm Patt, CDU: Sie haben diese Grenzwerte doch erst aufgezäumt, Herr Urban! Sie leugnen Ihre persönliche Vergangenheit als Geschäftsführer der Grünen Liga!)
Gibt es weiteren Redebedarf in der dritten Rederunde, die gerade eröffnet worden ist? – Das kann ich nicht feststellen. Will die CDU eine vierte Rederunde eröffnen? – Das kann ich auch nicht feststellen. Die Redezeit wäre ja da. Somit kommt nun die Staatsregierung zu Wort. Es spricht Herr Staatsminister Schmidt.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ursprünglich sollte in der Debatte mein Kollege Martin Dulig sprechen, der für die Maßnahmen, die zu ergreifen sind, zuständig ist. Er ist jetzt erkrankt. Von dieser Stelle aus die besten Genesungswünsche. Ich übernehme natürlich sehr gern diesen Redebeitrag.
Der Grund für die Debatte liegt reichlich zwei Wochen zurück. Es ist das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes, wodurch Dieselfahrverbote in deutschen Städten grundsätzlich möglich sind. Es ist zwar bisher nur eine Pressemitteilung vorhanden – die Urteilsbegründung steht noch aus –, aber es ist folgerichtig zu sehen, dass auf der Basis der Entscheidung nun bis zu 70 deutsche Städte von den Maßnahmen betroffen sein können. Ausgangspunkt waren die Städte Düsseldorf und Stuttgart, in denen nicht nur die Grenzwertüberschreitungen festgestellt wurden, sondern auch die Maßnahmen, die die Städte ergriffen, als nicht ausreichend bewertet wurden.
Lieber Kollege Böhme, wenn ich in einer Pressemeldung auf Nachfrage sage, dass Sachsen davon nicht betroffen ist, dann ist es für den Moment so. Das heißt doch aber nicht, dass ich das für die Ewigkeit ausschließe und wir uns diesem Thema nicht stellen müssen. Aber derzeit ist es so. Ich kann doch nicht, wenn die Tatsache so ist, erklären, dass es selbstverständlich auch in Sachsen Fahrverbote geben wird. Das wäre doch Unsinn.
Also die Situationsbeschreibung war richtig. Wir wollen dahin wirken, dass das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes dazu führt, dass wir keine großflächig angelegten Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in Sachsen haben werden. Trotzdem akzeptieren wir das Urteil des Gerichtes und wir werden uns – vor allen Dingen das Verkehrsministerium in enger Abstimmung mit dem Umweltministerium – der Thematik stellen.
Drastische Maßnahmen sollten nur dann in Betracht gezogen werden, wenn sie sich als einzig geeignetes Mittel zur Einhaltung von Grenzwerten erweisen. Zudem
sind natürlich auch Übergangsfristen und Ausnahmeregelungen erforderlich. Diese sehen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes auch vor und tragen damit auch zur Verhältnismäßigkeit bei.
Es ist schon viel diskutiert worden, und es ist auch unstrittig, dass Dieselfahrverbote die Mobilität von vielen Einwohnern der Städte sowie von zahlreichen Pendlern sehr stark einschränken würden. Natürlich ist es auch für unsere kleinen und mittleren Unternehmen kaum abschätzbar, welche Belastungen auf sie zukämen: für das Handwerk, für den Handel und für den Mittelstand. Ich möchte an dieser Stelle betonen: Wenn die Aktivitäten des heutigen Landesvorsitzenden der AfD, Urban, damals gegen die Waldschlösschenbrücke erfolgreich gewesen wären, könnte es durchaus sein, dass die Handwerker heute in Dresden viel öfter im Stau stehen würden und die Umweltbelastung dadurch viel größer wäre.
Aber das scheinen Sie alles vergessen zu haben. Ich glaube, dass diese modernen Verkehrsregelungen dazu beitragen werden, dass wir hier auf dem guten Weg sind. Dazu sage ich gleich noch mehr.
Die Dieselfahrverbote werden auch die falschen treffen. Darüber sind wir uns einig. Die Aufgabe der Staatsregierung ist es daher, wirksame Maßnahmen bei den Kommunen, die hierfür zuständig sind, zu unterstützen, um diese Fahrverbote unnötig zu machen. Dies hat Staatsminister Dulig an dieser Stelle bereits vor einem halben Jahr gesagt, als wir im Landtag über das Thema Mobilität im Wandel debattiert haben. Wir sind uns in der Staatsregierung völlig einig darüber, dass es der richtige Weg ist. Das allerletzte Mittel sollten am Ende Dieselfahrverbote sein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erfreulicherweise ist die Luftschadstoffbelastung in sächsischen Städten deutlich geringer als in vielen anderen Bundesländern, insbesondere in den westdeutschen Ballungsräumen, obwohl wir auch sehr dicht besiedelt sind. Es ist eine Tatsache, dass Sachsen in ganz Ostdeutschland, aber auch im Verhältnis zu vielen anderen westdeutschen Bundesländern ein mit am dichtesten besiedeltes Gebiet ist. Der seit dem Jahr 2010 geltende Jahresgrenzwert für Stickoxid von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter wurde zwar an stark befahrenen Straßen in Dresden, in Leipzig und in Chemnitz bis zum Jahr 2016 auch überschritten, aber die Überschreitungen sind zurückgegangen. Im Durchschnitt des Jahres 2017 wurde die Grenzwerte an allen sächsischen Messstellen eingehalten.
Vielen Dank, Herr Präsident! Herr Staatsminister, Sie haben gerade die westdeutschen Ballungszentren angesprochen. Es ist tatsächlich so: In Sachsen drohen die Fahrverbote aufgrund der jetzigen Grenzwerte nicht unmittelbar, aber wir haben sehr viele Sachsen, die in Westdeutschland arbeiten.
Mich würde vor diesem Hintergrund interessieren, ob die Sächsische Staatsregierung plant, diese Grenzwerte, weil sie auch von Wissenschaftlern, unter anderem von Prof. Klinger, angezweifelt werden, einmal infrage zu stellen, und auch plant, an dieser Stelle aktiv zu werden, damit die Grenzwerte, die jetzt von der Wissenschaft infrage gestellt werden, vielleicht auch neu überprüft werden. Haben Sie das vor als Staatsregierung?
Ich glaube, dass wir eine sehr komplexe Betrachtung aller Umwelteinflüsse auf die menschliche Gesundheit, speziell in diesem Fall, aber auch im Klimaschutz brauchen. Wir werden keinesfalls nur einen einzigen Grenzwert isoliert betrachten. Wir als Staatsregierung haben natürlich Urteile zu akzeptieren, Maßnahmen aufzuzeigen und möglichst zu unterstützen, um diese Grenzwerteinhaltung am Ende zu erreichen. Ich denke, die Stickoxidbelastung ist schon eine große Problematik für die Gesundheit des Menschen. Wir müssen sehen, wie man die Stickoxidbelastung auf der einen Seite reduziert und auf der anderen Seite womöglich nicht dazu beiträgt, dass klimaschädliche Gase damit steigen, wie jetzt gerade durch den Umstieg von Diesel auf Benzin und der CO2Ausstoß wieder steigt.
Ich glaube, diese komplexe Betrachtung ist unsere Herangehensweise und es ist nicht zielführend, einzelne Grenzwerte isoliert zu betrachten.
Laut unserem Koalitionsvertrag unterstützt die Staatsregierung die Kommunen fachlich bei der Aufstellung und Fortschreibung der Luftreinhaltepläne. Es ist bekannt, dass Leipzig und Dresden diese Luftreinhaltepläne inzwischen vorgelegt haben. Die Öffentlichkeitsbeteiligung ist in Leipzig derzeit im Gange. In Dresden ist sie bereits abgeschlossen und wird ausgewertet. Bei der Umsetzung aller in den Planentwürfen enthaltenden Maßnahmen von der Förderung des Fuß- und Radverkehrs bis hin zu straßenverkehrsrechtlichen Maßnahmen wird von einer vollständigen Einhaltung der Grenzwerte in allen Straßenabschnitten bis zum Jahr 2020 ausgegangen.
Es bleibt festzustellen, dass der Bund, die Länder und die Kommunen gemeinsam in der Verantwortung stehen, die Mobilität der Bevölkerung und des Wirtschaftsverkehrs im Interesse der Freizügigkeit und der Wirtschaftskraft in Deutschland und in Europa zu gewährleisten. Es gibt viele Ansätze und es ist nicht so, dass hier nichts getan wird. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an das Sofortprogramm des Bundes „Saubere Luft 2017 bis
2020“, um die betroffenen Städte zu unterstützen. Dieses Programm umfasst drei Schwerpunkte: Digitalisierung kommunaler Verkehrssysteme, Elektrifizierung des
Verkehrs und Nachrüstung von Dieselbussen im ÖPNV. Allein dafür stellt der Bund schon 1 Milliarde Euro zur Verfügung.
Aber auch die Sächsische Staatsregierung setzt sich mit ganzer Kraft dafür ein, damit sich der umweltfreundliche und ressourcenschonende ÖPNV, insbesondere in den Ballungsräumen, zu einer echten Alternative zum motorisierten Individualverkehr entwickelt.
Im laufenden Jahr wollen die hiesigen Verkehrsunternehmen und Kommunen ÖPNV-Investitionsvorhaben mit einem Gesamtfördervolumen von fast 137 Millionen Euro umsetzen. Der Freistaat stellte die hierfür erforderlichen Finanzmittel zur Verfügung. Allein 35 Millionen Euro Fördermittel sind im Jahr 2018 für die ÖPNV-Fahrzeugförderung vorgesehen, wovon mehr als 24 Millionen Euro für die Straßenbahnbeschaffung zur Verfügung gestellt werden.
Ich denke, das sind klare Maßnahmen und klare Antworten, denen sich die Staatsregierung, hier im speziellen Fall das Wirtschaftsministerium, stellt, um dazu beizutragen, die Grenzwerte zukünftig stabil einzuhalten.
Darüber hinaus wird der Freistaat in diesem Jahr wieder die Anschaffung von mehr als 100 Omnibussen fördern. Bedingung für die Busförderung ist der Erwerb von Fahrzeugen der sehr sauberen Abgasnorm Euro 6. Der Einsatz moderner Busse kann den Schadstoffausstoß in den Ballungräumen entscheidend beeinflussen. Auch das wurde in der Debatte deutlich, und auch das unterstützt die Staatsregierung.
Die Stärkung des Radverkehrs ist noch ein Punkt, den ich nennen möchte. Auch das war im Koalitionsvertrag verankert und hat für uns große Bedeutung, ein landesweites Radnetz für den Alltags- und touristischen Verkehr weiterzuentwickeln und auszubauen.
Grundlage der Radverkehrsaktivitäten des Freistaates Sachsen ist die Radverkehrskonzeption 2014, die Aufgaben, Ziele und Maßnahmen definiert. Zur weiteren Verbesserung der verkehrlichen Belange im Freistaat Sachsen wird derzeit der Landesverkehrsplan 2030 aufgestellt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Gesundheit des Menschen ist ein hohes Gut. Dem stellt sich die Staatsregierung mit großer Intensität. Viele Maßnahmen sind bereits im Gange. Viele Fördermittel werden ausgereicht. Weitere Konzeptionen werden entwickelt. Dafür ist federführend das Wirtschafts- und Verkehrsministerium zuständig und wird von uns in ganz enger Zusammenarbeit unterstützt. Das ist ein großes Anliegen der gesamten Staatsregierung. Wir stellen uns nicht nur der Debatte, sondern der Herausforderung und werden hier im Interesse unserer Sachsen vieles in Zukunft noch erreichen.
Für die Staatsregierung hatte gerade Herr Staatsminister Schmidt das Wort. – Jetzt sehe ich Herrn Urban. Die Kurzinterventionen sind alle verbraucht.
Persönliche Erklärungen sind nur vor Abstimmungen möglich. – Wir können das gleich noch einmal klären.