Protocol of the Session on March 15, 2018

Selbstverständlich gibt es, wie bei jeder neuen Technologie, nicht zu unterschätzende Risiken, zum Beispiel die Gefahr, ethisch vertretbare Grenzen aufgrund von Technikgläubigkeit und Machbarkeitswahn zu überschreiten. Ich denke, sie dürfen nicht unterschätzt werden, aber wir werden lernen damit umzugehen; denn ob wir wollen oder nicht, wir können uns technologischen Entwicklungen nicht entziehen. Deshalb ist es mit Sicherheit klüger, sich mit diesem Thema wesentlich intensiver und offensiver zu befassen, und zwar mit den Chancen ebenso wie mit den Risiken. Leider ist davon im Freistaat bisher noch nicht besonders viel zu merken. Da es bei diesem Thema insbesondere auch um Geld geht, fange ich damit an.

In der Stellungnahme der Staatsregierung zum Antrag stehen zwei wesentliche Sätze zu Finanzierungsmitteln, die der Freistaat zu E-Health aufbringt. Der eine lautet: „Der Freistaat Sachsen fördert die Digitalisierung im Gesundheitswesen gegenwärtig mit 10 Millionen Euro im laufenden Doppelhaushalt.“

Der zweite Satz heißt: „Aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung stellt der Freistaat darüber hinaus im Zeitraum 2014 bis 2020 Mittel in Höhe von rund 28,6 Millionen Euro für Forschungs- und Entwicklungsmaßnahmen zur Verfügung, mit denen Investitionen in der sächsischen Gesundheits- und Pflegewirtschaft gefördert werden.“

Manche sagen dazu vielleicht: Na ja, das wird sicherlich nicht reichen, aber immerhin ganz stattlich. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal darauf hinweisen, dass meine Kollegin Frau Schaper schon in den Haushaltsberatungen 2015/2016 höhere Investitionen für die Telemedizin gefordert hatte – höhere, als jetzt zur Verfügung stehen –, was aber von Ihnen abgelehnt wurde.

Auf den ersten Blick sehen die Summen relativ hoch aus. Das Problem ist nur: Auf ein einzelnes Jahr bezogen ist das ein sehr kleiner Tropfen auf einen sehr heißen Stein. Warum? Von den eben genannten 28,6 Millionen Euro EFRE-Mitteln entfallen im Jahr 2018 circa 3,9 Millionen Euro auf die entsprechende Richtlinie des SMS. Das ist eine öffentlich zugängliche, aber für die Allgemeinheit durchaus schwer zu findende Angabe aus der Fördermitteldatenbank in Sachsen.

In der Stellungnahme der Staatsregierung steht wenig deutlich: Von diesen 3,9 Millionen Euro wurden schon 1,4 Millionen Euro für NeuroESP, das schon erwähnte Assistenzsystem zur Warnung vor epileptischen Anfällen, aufgewendet. Damit bleiben aus EFRE-Mitteln für 2018 also nur noch 2,5 Millionen Euro übrig.

Ich will damit übrigens keineswegs den Mitteleinsatz kritisieren, sondern lediglich deutlich machen, dass Hochtechnologien sehr kostenintensiv sind, sodass mindestens 10 Millionen Euro oder besser 100 Millio

nen Euro notwendig wären, um tatsächlich spürbare Fortschritte zu erzielen.

So ähnlich sieht es übrigens auch bei den erstgenannten 10 Millionen Euro aus. Zunächst ist also einmal klarzustellen, dass es hier um jährlich nur 5 Millionen Euro geht. Ganz geheimnisvoll wird es dann aber erst, wenn man den Versuch unternimmt, die Förderrichtlinie EHealthSax 2017/2018 in der Fördermitteldatenbank zu finden. Fehlanzeige!

Nun weiß auch ich, dass das Ministerium nicht gezwungen ist, eine Richtlinie zu veröffentlichen, zum Beispiel wenn es dabei tatsächlich nur um einen kleinen, überschaubaren Kreis von potenziell Begünstigten geht.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Aha!)

Aber das kann meiner Ansicht nach bei diesem Thema überhaupt nicht der Fall sein. Sehr viele Akteurinnen und Akteure im Gesundheitswesen haben ein Interesse an der Digitalisierung und an Innovationen. Ich habe also nach einer Erklärung für die Nichtveröffentlichung gesucht.

In der Pressemitteilung des SMS vom 24. Januar 2018 wird über das fünfte Treffen des Fachbeirats zu Fragen der Digitalisierung im Gesundheitswesen, dem sogenannten E-Health-Beirat, berichtet. Dort steht geschrieben: „Im Mittelpunkt des Treffens stand der fachliche Austausch über Förderanträge nach der neuen Richtlinie EHealth Sax des SMS.“ In der Stellungnahme der Staatsregierung zum Antrag hingegen liest sich das etwas anders: „Neben gegenseitigem Erfahrungsaustausch werden

ausgewählte sächsische Projekte der Telemedizin/EHealth erörtert. Der Beirat ist dabei ausschließlich in beratender Funktion tätig und arbeitet nach den Grundsätzen der Vertraulichkeit.“

Diese Aussage lässt nun auch den vorliegenden Antrag in etwas anderem Licht erscheinen. Offensichtlich ist die Arbeit der Staatsregierung zum Thema E-Health eine derart vertrauliche Verschlusssache – und damit intransparent –, dass sich selbst die Koalitionsparteien gezwungen gesehen haben, per Antrag etwas mehr Licht in die Aktivitäten der Exekutive zu bringen.

Aufgrund dieser gutwilligen Interpretation unsererseits werden wir diesem Antrag natürlich zustimmen. Wir denken aber, dass der entsprechende Haushaltsplanentwurf für das Jahr 2019/2020 deutlich aufgestockt werden muss.

Was wir ebenfalls im Blick hatten und haben: Für die im Bericht geforderte schnelle Datenleitung braucht es zusätzlich auch eine finanzielle Ausstattung, um sich Hardware und Software und andere notwendige technische Geräte erst einmal anschaffen zu können. Andernfalls wäre das Resultat, dass wir zwar sehr teuer eingebuddelte Kabel hätten, aber keine E-Health-Möglichkeit im Gesundheitswesen.

Bekanntlich wurde der riesige Investitionsstau im Hinblick auf den Einsatz alter Geräte und zur Beschaffung von IT-Technik von der Krankenhausgesellschaft Sachsen

im letzten November mit mindestens 200 Millionen Euro jährlich beziffert. Für diese Investition ist der Freistaat zuständig. Deshalb brauchen die sächsischen Krankenhäuser im neuen Doppelhaushalt vor allem wesentlich mehr Geld aus der Pauschalförderung.

Zum Schluss noch ein paar grundsätzliche Bemerkungen. Auch wenn ich mich als Vogtländerin und als Mitglied des Krankenhausausschusses natürlich über das Projekt „Telematik-Unterstützung für die Impulsregion Vogtland 2020“ gefreut habe, ist es wichtig, dass nicht vorrangig kleine Kreise oder kleine Krankenhäuser die Modelle entwickeln, sondern dass unsere großen Krankenhäuser in die Lage versetzt werden müssen, als Leuchttürme zu agieren, um anschließend in den ländlichen Raum ausstrahlen zu können, denn es gibt noch so viele Probleme und Fragen zu klären, mit denen kleine Krankenhäuser oft einfach nur überfordert sind.

Angesichts dessen, was im Bereich E-Health technisch notwendig und ethisch noch auszuhandeln ist, können wir im Moment in Sachsen noch nicht einmal von Leuchttürmen, sondern bestenfalls von gut zu hütenden Feuerstellen sprechen. Das sollte allen bewusst sein. Fangen Sie also endlich richtig an, damit alle hier in Sachsen etwas davon haben.

Danke.

(Beifall bei den LINKEN)

Für die AfD-Fraktion spricht Herr Abg. Wendt. Sie haben das Wort, Herr Wendt.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich meine herzlichen Glückwünsche dafür ausrichten, dass das CDU-geführte Bundesgesundheitsministerium es endlich geschafft hat – nach sagenhaften elf Jahren –, die Hardware zur Anbindung der Ärzte an die Telematik-Infrastruktur auszureichen.

(Zuruf von der CDU: Das soll Herr Gauland im Bundestag sagen!)

Nun wird im Jahr 2019 möglich sein, was in der Praxis eigentlich längst schon Normalität sein sollte: Dann soll der elektronische Abgleich von Versicherungsstammdaten, Versichertenstatus und Zuzahlungsbefreiungen

innerhalb der Telematikinfrastruktur möglich sein – mehr aber auch nicht. Dazu hat man also elf Jahre lang gebraucht und rund 2,2 Milliarden Euro verbraten.

Wenn es in diesem Tempo weitergeht, sind wir in den nächsten 20 oder 30 Jahren vielleicht in der Lage, auf elektronischem Wege Befunde und Aufnahmen aus bildgebenden Verfahren abzurufen oder die elektronische Patientenakte zu nutzen, und das dann vielleicht auch für alle Leistungserbringer im Gesundheitswesen und nicht nur für ärztliche Bereiche.

Dass dieses dilettantische Vorgehen nicht gerade zur Akzeptanz des Vorhabens beiträgt, dürfte jedem klar sein.

Es bedarf also – sehr richtig – einer Informationskampagne für die Patienten, denn diese müssen schließlich einwilligen, wenn es um die Speicherung und Nutzung ihrer Daten geht.

Vergessen Sie dabei aber bitte auch die Ärzte nicht. Auch diese haben große Bedenken, die nicht nur der 120. Ärztetag aufzeigte, sondern auch über eine Befragung sächsischer Ärzte ermittelt wurden, die 2017 im „Sächsischen Ärzteblatt“ veröffentlicht wurde. Die größten Bedenken hinsichtlich des Einsatzes telemedizinischer Anwendungen bestehen demnach beim Datenschutz, hinsichtlich des Fernbehandlungsverbots, im Hinblick auf fehlende Hard- und Software und bezüglich der Standards. Zudem ist zu befürchten, dass sich die Investitionen nicht amortisieren werden.

Zum Fernbehandlungsverbot werde ich noch sprechen, wenn ich unseren Änderungsantrag einbringe.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Ach, noch einmal?)

Es gilt also, diese und weitere Bedenken auszuräumen, damit mehr Ärzte den Einsatz telemedizinischer Anwendung planen, denn aktuell sind das gemäß der Befragung nur 10 %.

Eines ist Fakt: Die Telemedizin bietet große Chancen für eine hochwertige Gesundheitsversorgung ländlicher

Regionen. Um diese Chancen nutzen zu können, bedarf es einer adäquaten Breitbandversorgung sowohl für Leistungserbringer als auch für die Patienten.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

In Sachsen gibt es nach wie vor, Herr Gebhardt, gerade in ländlichen Regionen erheblich weiße Flecken, in denen gar keine oder nur sehr langsame Datenraten anliegen. Wir benötigen einen offensiven Breitbandausbau, um die mit der Telematikinfrastruktur und der elektronischen Gesundheitskarte gegebenen Möglichkeiten nutzen zu können.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Das haben Sie ja gestern beantragt!)

Ihr Antrag, werte CDU und SPD, geht leider nicht über das von Ihnen gewohnte Berichten und Prüfen hinaus.

(André Barth, AfD: Genau!)

Wir haben Ihren Antrag daher mit unserem Änderungsantrag aufpoliert, damit etwas passiert. Aber hierzu gleich mehr.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren, nun die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Herr Abg. Zschocke, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Koalition stellt heute einen Berichtsantrag, den die Staatsregierung in der Stellungnahme bereits erfüllt hat. Tenor der Stellungnahme: Vieles sei in Gang gekommen, alles sei auf einem guten Weg,

der Freistaat nehme Geld für die Digitalisierung im Gesundheitswesen in die Hand, die Rahmenbedingungen und die Akzeptanz würden bereits jetzt verbessert usw. Das ist jedenfalls die Einschätzung der Staatsregierung.

Ich möchte diesbezüglich etwas Wasser in den Wein gießen, da eine flächendeckende, funktionierende Telematikinfrastruktur in Deutschland bisher noch Wunschdenken ist. Vieles wird bereits lange diskutiert und steckt aber in den Anfängen fest, zum Beispiel die elektronische Gesundheitskarte, die bis heute nicht mehr als ein Ausweis mit Foto ist. Patientenbezogene Anwendungen bleiben kleine Modelllösungen. Sachsen hat dort wirklich mehrere Baustellen.

Für den aktuellen Doppelhaushalt – die Vorredner haben es angesprochen – stehen insgesamt 10 Millionen Euro für Telemedizin, E-Health, technische Assistenzsysteme zur Verfügung. Dazu kommen noch einmal die 28 Millionen Euro bis zum Jahr 2020 aus den EFREMitteln, die neue Förderrichtlinie ist angesprochen wurden, E-HealthSax, die man irgendwie nicht findet. Ich will mal sagen: Geld hilft nicht automatisch viel. Viel Geld muss nicht immer etwas bewirken; denn man braucht dann auch in der Praxis funktionierende Projekte.

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen hat sicherlich große Potenziale. Durch eine bessere Kommunikation und Koordination von Ärztinnen und Ärzten und anderen Leistungserbringern sowie durch das Teilen von Informationen können Sektorengrenzen überwunden werden. Dazu bräuchte die Staatsregierung aber eine Zukunftsstrategie. Es müssten verlässliche Rahmenbedingungen und Orientierungen geschaffen werden, anstatt die Entwicklung zu großen Teilen – und das höre ich immer wieder – der Selbstverwaltung und der Gesundheitswirtschaft zu überlassen.

Welchen Gestaltungsanspruch haben Sie, Frau Gesundheitsministerin Klepsch, im Bereich E-Health? Das bleibt auch in der Stellungnahme vage und wird nicht deutlich. Doch wer den ländlichen Raum stärken will, der muss eine praxistaugliche Vision entwickeln, wie die Telemedizin dazu beitragen soll, dass beispielsweise die medizinische Versorgung in schrumpfenden Regionen sichergestellt wird.