Protocol of the Session on March 14, 2018

Wir wussten bereits damals, dass wir ab dem Jahr 2017 1 500 bis knapp 2 000 neue Lehrkräfte einstellen und zu ersetzen haben.

Eine weitere Fehleinschätzung war, dass wir in Sachsen mit den in Deutschland über den Bedarf hinaus ausgebildeten Lehramtsabsolventen gerechnet haben, die in unser schönes Sachsen kommen sollten. Leider ist dies nicht eingetroffen, im Gegenteil. Die jungen Menschen, die in Randregionen zu Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thürin

gen oder Bayern lebten, zog es in diese Länder, weil die Angebote dort attraktiver waren.

Die Geburtenrate stieg, es kam eine große Zahl von Flüchtlingen und Asylbewerbern nach Deutschland sowie der steigende Bedarf an Lehrern auch in den anderen Bundesländern verschärfte die Situation in Sachsen. Die Einstellung von Seiteneinsteigern nahm zu: ein nicht zu akzeptierender Zustand.

Und – darüber haben wir im Plenum auch schon oft gesprochen – der ausgeprägte Hang unserer Abiturienten, sich hauptsächlich sogenannte weiche Fachkombinationen auszusuchen und den Fächern, die gebraucht werden, nämlich den MINT-Fächern, also Mathematik, Physik, Informatik, Chemie usw., nicht zuzuwenden, verschärfte und verschärft die Situation in unserer Bildungslandschaft.

Ich möchte auch nicht weiter darüber diskutieren, dass neben den wichtigen und dringend benötigten Fachkombinationen auch Schularten wie Oberschule, Förderschule oder Berufsschule bei den jungen Menschen außer Acht gelassen werden. Hinzu kommt die nachdenklich stimmende Bestehensrate bei Abschlussprüfungen von circa 65 % – die Studierenden für das Lehramt Grundschule möchte ich hierbei ausnehmen; sie sind sehr fleißig und haben eine weitaus höhere Bestehensrate. Die Tatsache, dass circa 50 % aller Lehramtsstudenten aus anderen Bundesländern kommen und dorthin zurückgehen, trägt ebenfalls dazu bei.

Dass die jungen Leute, die in Sachsen bleiben wollen und ihren Dienst möglichst in Großstädten wie Dresden, Leipzig oder Chemnitz aufnehmen wollen, erschwert die schon komplizierte Lage auf dem Lehrerarbeitsmarkt in unserem Freistaat enorm.

Die Initiative zur Attraktivitätserhöhung des Lehrerberufs ist genau die richtige Antwort auf die genannten Herausforderungen. Dafür gebührt Ihnen, Herr Staatsminister Piwarz, aber auch Ihnen, Herr Ministerpräsident

Kretschmer, und dem ganzen Kabinett ein herzlicher Dank und Anerkennung.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Damit haben Sie hoffentlich die Uhr von fünf Minuten nach zwölf angehalten oder vielleicht sogar ein Stück weit zurückgestellt.

(Zuruf von der AfD: Jetzt drehen sie schon die Zeit zurück!)

Ich habe große Hoffnung, dass zum Beispiel mit der Einführung des Beamtenstatus viele sächsische Lehrer, die weggegangen sind, in ihr Heimatland zurückkommen. Ich habe die Hoffnung, dass mit dieser Maßnahme kein junger Lehramtsabsolvent mehr dem Freistaat den Rücken kehrt. Ich hege die Hoffnung, dass sich noch mehr junge Menschen für den Lehrerberuf entscheiden und in unserem Land ihren Lebensmittelpunkt finden und diesen bis ins hohe Alter haben werden. Ganz ehrlich: Der Klebeef

fekt für junge Menschen aus anderen Bundesländern wird sicherlich dadurch noch verstärkt.

Ich möchte nicht alle von Ihnen genannten Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung wiederholen. Aber gestatten Sie mir, zwei Maßnahmen besonders hervorzuheben. Dass Referendare und Lehramtsanwärter im Beamtenfall bis auf Widerruf eingestellt werden und gleichzeitig eine Einstellungsgarantie für bestimmte Schularten bekommen, ist der richtige Schritt.

(Zuruf der Abg. Cornelia Falken, DIE LINKE)

Dass dabei ein Nachteilsausgleich für die jungen Menschen bereitgestellt wird, die das Referendariat in ländlichen Regionen absolvieren, unterstreicht den Willen der Staatsregierung, möglichst viele junge Menschen in die Fläche zu bringen.

Einen zweiten Punkt möchte ich ebenfalls hervorheben, nämlich die Lehrerinnen und Lehrer zu würdigen, die über Jahre hinweg viele Einschnitte und Nachteile hinnehmen mussten. Wir haben gerade diskutiert, für die verantwortungsvolle Arbeit als Grundschullehrer die A13 bzw. die E13 auszureichen und damit zu würdigen. Das ist ein längst überfälliger Schritt.

Alle von Ihnen genannten Maßnahmen, sehr geehrter Herr Staatsminister, haben aus meiner Sicht nur dieses Ziel: Sie dienen der nachhaltigen Sicherung der Bildungsqualität im Freistaat Sachsen. Wir wollen auch in Zukunft wettbewerbsfähig sein und weiter an der Spitze im Länderranking liegen. Weiterhin dienen diese Maßnahmen dazu, mehr Lehrer nach Sachsen zu bekommen, in Sachsen auszubilden und in Sachsen zu behalten.

Ich hoffe, dass die funktionslosen Beförderungsstellen in die E14, das frei aufteilbare Prämienbudget, ihr Übriges tun werden. Wenn es uns gemeinsam gelingt, einen nahtlosen Übergang vom ersten Staatsexamen in die Phase des zweiten Staatsexamens zu organisieren, schulscharfe Ausschreibungen weiterzuentwickeln, die Medienbildung und die Digitalisierung in den Schulen schnell umzusetzen und die politische und demokratische Bildung besser in das Bildungssystem zu implementieren, dann sind wir auf dem richtigen Weg.

Mit der Stärkung der Eigenverantwortung in den Schulen und allen anderen genannten Maßnahmen werden wir in Sachsens Schulen eine neue zukunftsorientierte Bildung entwickeln. Dazu sind alle eingeladen, hier mitzuwirken.

Aber auch diejenigen, die auf ihrem weiteren Lebensweg Bildung erfahren wollen, dürfen wir nicht vergessen. Auch der Erwachsenenbildung müssen wir uns mit neuen Ansätzen widmen. Das ist eine wichtige Reserve in der Bildungslandschaft, die nicht zuletzt der Stärkung unserer sächsischen Wirtschaft dient und Sachsen als Bildungsland besonders würdigt.

Alle in diesem Hohen Haus sind aufgefordert, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und diesen wichtigen Prozess kreativ und konstruktiv zu begleiten. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir – wenn die Maßnahmen voll ihre

Wirksamkeit entfaltet haben – wieder darüber diskutieren können, wie wir Qualität in unserer Bildungslandschaft weiterentwickeln und wie wir uns in der politischen Diskussion wieder mit Bildungsinhalten beschäftigen. Packen wir es gemeinsam an!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Kollege Bienst sprach für seine CDU-Fraktion. Es folgt ihm jetzt Herr Kollege Panter für die Fraktion SPD.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Wenn eine Plenardebatte mit einer Fachregierungserklärung beginnt und dort ein 1,7 Milliarden Euro schweres Handlungsprogramm vorgestellt wird, dann würde ich einmal generell sagen: Es ist ein guter Tag für Sachsen, es ist ein guter Tag für Lehrer, Schüler und Eltern in diesem Freistaat.

(Beifall bei der CDU und der SPD – Ministerpräsident Michael Kretschmer: Sehr richtig! – Staatsminister Prof. Dr. Roland Wöller: So ist es!)

Nach durchaus harten Verhandlungen diskutieren wir heute ein Handlungsprogramm, das eines unserer drängendsten Probleme bekämpfen soll: den Lehrermangel.

Dabei bitte ich, auf die Wortwahl zu achten: Ich sagte „bekämpfen“ und nicht lösen. Wir sind uns fraktionsübergreifend einig, dass dieses Problem zwar gelöst werden muss, aber wir sind uns hoffentlich auch darin einig, dass die Lösung nicht von heute auf morgen vollzogen werden kann.

Die grundständige Ausbildung einer Lehrkraft dauert circa sieben Jahre. Das heißt, wir reden heute über Entscheidungen, die schon im Jahr 2011 getroffen wurden. Oder anders gesagt: Entscheidungen, die wir heute treffen, können ihre volle Wirkung letztlich erst im Jahr 2020 entfalten. Trotzdem müssen wir natürlich alles in unserer Macht Stehende tun, um die Probleme so schnell wie möglich zu lindern und den Lehrerberuf in Sachsen so attraktiv wie möglich zu gestalten.

Mit dem vorliegenden Handlungsprogramm tun wir genau das. Ich hatte schon in meiner Rede zu den Regierungserklärungen von Michael Kretschmer und Martin Dulig Ende Januar gesagt, dass die Koalition eine gemeinsame Lösung vorlegen wird, die den Lehrermangel an den sächsischen Schulen angeht, und zwar eine Lösung, mit der wir den Beruf so attraktiv wie möglich machen, damit wir neue Lehrerinnen und Lehrer nach Sachsen bekommen, gleichzeitig aber auch die Arbeit derjenigen, die seit Jahrzehnten das System tragen, anerkennen.

Wenn wir miteinander um die besten Lösungen ringen, dann war es als SPD-Fraktion unser Ziel, ein grundsätzliches Umsteuern hinzubekommen, um die kleinen und

großen Ungerechtigkeiten anzusprechen und die zugrunde liegenden Probleme langfristig zu lösen.

Dabei ist es immer hilfreich, sich vor Augen zu führen, warum wir das tun und warum wir diese Lösungen suchen. Man könnte ganz banal sagen: natürlich für unsere Kinder. Das ist banal, aber es ist vollkommen richtig. Ich möchte den Blick noch ein wenig weiten: Wir tun es natürlich für alle Sächsinnen und Sachsen.

Die Bürgerinnen und Bürger in diesem Freistaat haben es verdient, in einem funktionierenden Freistaat zu leben und dass es ihnen in diesem Freistaat gut geht. Dazu gehört zweifelsohne ein gutes Bildungssystem, eine Schule, in der vor jeder Klasse eine Lehrerin oder ein Lehrer steht, eine Schule, die unsere Kinder bestmöglich individuell fördert und die zur Chancengleichheit beiträgt. Das ist unser Anspruch.

(Beifall bei der SPD und der Staatsregierung)

Um dies zu erreichen, sind viele verschiedene Maßnahmen notwendig. Für mich steht fest, dass wir als SPDFraktion in dieser Koalition unseren Beitrag dazu leisten. Wir sprechen große und kleine Probleme an. Wir hören zu, wir reagieren, wir ändern und wir erklären. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind gern ein aktiver Part in der „Problemlöserkoalition“, von der der Ministerpräsident schon oft gesprochen hat.

An dieser Stelle möchte ich einen kurzen Blick zurückwerfen – vielleicht ein klein wenig anders als Frau Kollegin Falken, die das natürlich aus einer sehr klaren Oppositionssicht machen muss; keine Frage. Es ist selbstverständlich richtig gewesen zu sagen, dass bis zum Antritt dieser Koalition noch nicht einmal genügend neue Lehrer eingestellt wurden, um die Abgänge zu ersetzen. Es gab keine Lehrerbedarfsprognose, und die Ausbildungszahlen waren offensichtlich zu niedrig angesetzt.

Aber wir haben gemeinsam als Koalition umgesteuert. Wir haben im Koalitionsvertrag das Ruder herumgerissen. Wir haben uns von der strikten Kürzungspolitik abgewandt, es wurden wieder deutlich mehr Lehrerstellen geschaffen, Verträge wurden entfristet und die Lehrerausbildung ist deutlich aufgestockt worden. Wir gehen das auch weiter an. Sie selbst haben von der Lehrerausbildung in Chemnitz gesprochen.

Dass das nicht reichen wird, war uns klar. Aber mit einem ersten Maßnahmenpaket, das nach intensiven Verhandlungen im Jahr 2016 geschnürt wurde, gab es deutliche Verbesserungen für viele Lehrkräfte. Sie selbst haben an die Oberschule und die Verbesserungen dort erinnert. Das neue Schulgesetz von 2017 ist für die Zukunft der schulischen Bildung enorm wichtig gewesen. Wir gehen mit dem Handlungsprogramm einen weiteren großen Schritt. Viele Maßnahmen – es sind kleine und große dabei – werden in Summe zur Attraktivitätssteigerung des Lehrerberufs beitragen.

Ich möchte noch einmal betonen: Wir werden das Problem nicht kurzfristig lösen. Viel wichtiger ist es aber, dass wir eine Perspektive aufzeigen, dass wir eine ehrliche

Bedarfsplanung durchführen, dass wir zusätzlich unterstützendes Personal an die Schulen bringen und dass wir Lehrerinnen und Lehrern mehr Zeit für Unterricht und pädagogische Arbeit mit Kindern einräumen. Das sind ganz wichtige Eckpunkte.

Genau deshalb haben wir einen Kompromiss geschlossen. Es ist kein Geheimnis, dass wir als SPD uns mit dem Thema Verbeamtung nicht einfach getan haben. Wir haben trotzdem zugestimmt, weil wir damit viele weitere wichtige Maßnahmen durchsetzen konnten, die gegen den Lehrermangel helfen und trotzdem die Gerechtigkeit im Lehrerzimmer im Blick haben.

Aber auch das sei gesagt: Gerechtigkeit ist ein abstrakter Begriff. Wir wissen sehr wohl, dass wir mit diesem Handlungsprogramm neue Ungerechtigkeiten erzeugen. Wir sind ja nicht blind. Die Ausbringung von Beförderungsämtern, eines Prämienbudgets und einer Zulage für Tarifbeschäftigte sind der Versuch, Ungerechtigkeiten, die durch die Verbeamtung entstehen, abzumildern.

Unser Anspruch als SPD-Fraktion ist es, dass wir möglichst viele angestellte Lehrerinnen und Lehrer damit erreichen. Darüber wird im Detail noch zu sprechen sein. Klar ist aber jetzt schon, dass für die oben erwähnten Maßnahmen 57 Millionen Euro im Jahr 2019 zur Verfügung stehen. Unterm Strich – das muss man klar sagen – bleiben wir gemeinsam davon überzeugt, dass jede zusätzliche Lehrkraft, die wir in das System bringen, die wir für sächsische Schulen gewinnen, dem gesamten System in dieser schwierigen Phase zugutekommt. Jede Verbesserung für Bestandslehrkräfte stabilisiert das System und erkennt die Leistung derer an, die seit Jahrzehnten unser Bildungssystem tragen. Diese beiden Ziele verfolgt das vorliegende Handlungsprogramm: Attraktivität und Anerkennung.

Kultusminister Piwarz hat das Handlungsprogramm in vielen Details schon vorgestellt. Deshalb kann ich mich auf einzelne Punkte konzentrieren, die uns ganz besonders wichtig sind. Um nur einige zu nennen – es ist schon mehrfach angesprochen worden –: das Thema Grundschullehrkräfte. Wir gruppieren unsere 9 000 Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer zukünftig in die E 13 bzw. in die A 13 ein. Wir setzen an dieser Stelle eine langjährige Forderung der Lehrergewerkschaften um. Ich erinnere an die Kampagne vom November letzten Jahres „JA 13“. Ich sage ja zur E 13. Mit dieser Eingruppierung machen wir ganz deutlich, dass der Start wichtig ist und dass unsere jüngsten Schüler genauso im Fokus stehen. Nach der Hebung der Oberschullehrer in die E 13 und der jetzigen Hebung der Grundschullehrerinnen und -lehrer in die E 13 schließt sich für uns der Kreis. Künftig werden im Freistaat Sachsen alle Lehrerinnen und Lehrer gleich bezahlt.

(Beifall bei der SPD und der Staatsregierung – Zuruf der Abg. Cornelia Falken, DIE LINKE)

Wenn ich „alle“ sage, dann meine ich auch alle; denn ich habe noch mehr im Blick. Wir alle miteinander wissen,