Protocol of the Session on March 14, 2018

Aber politische Bildung und demokratische Bildung sind gesamtgesellschaftliche Aufgaben. Schule als öffentliche Einrichtung leistet dabei einen wichtigen Beitrag im Spannungsfeld von Wertegebundenheit und Wertepluralismus. Kinder und Jugendliche müssen schrittweise an demokratisches Handeln und demokratische Teilhabe herangeführt werden. Damit demokratische Grundwerte zu handlungsrelevanten Einstellungen werden, müssen die Jugendlichen demokratische Spielregeln nicht nur ausprobieren, sondern als aktiv Handelnde in die Tat umsetzen.

Eine lebendige Schulkultur mit Gelegenheiten zum Erfahrungshandeln, zu Gemeinschaftserlebnissen und zu Eigenverantwortung trägt dazu bei, Leistungen und Chancen der Demokratie zu erfahren und zu erkennen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU und der SPD)

Dies ist einerseits eine Aufgabe der gesamten Schule und aller Fächer. Einzelne Fächer sind dabei besonders im Fokus. Um diesem Anspruch besser gerecht zu werden, werden die Fächer Gemeinschaftskunde an Oberschulen und Gemeinschaftskunde/Rechtserziehung/Wirtschaft an Gymnasien ab dem Schuljahr 2019/2020 bereits ab Klassenstufe 7 mit einer Wochenstunde unterrichtet.

Im Zusammenhang mit der Umsetzung des Handlungsprogramms „W wie Werte“ werden weitere Schritte zur Stärkung der politischen Bildung erfolgen. Mir ist es wichtig, die Diskussion darüber weiterzuführen, welche Werte und Grundüberzeugungen unsere Gesellschaft zusammenhalten.

Meine Damen und Herren! Die genannten neuen Lerninhalte erfordern auch eine Überarbeitung der Lehrpläne und Stundentafeln. Ich will das hier gern noch einmal betonen, weil das immer falsch dargestellt wird: Verbunden damit ist das Ziel, die überdurchschnittlich hohe Stundenlast der Schülerinnen und Schüler um 4 % zu verringern. Wir nehmen bei der Unterrichtsbelastung bundesweit einen Spitzenplatz ein – deutlich vor anderen Bundesländern und oberhalb der KMK-Standards. Das ist ein Spitzenplatz, auf den wir nicht unbedingt stolz sein können.

In die Stundentafelüberarbeitung sollen alle Fächergruppen einbezogen werden. Die Diskussion ist nicht neu, sie wurde auch hier in der sächsischen Landespolitik schon ganz oft geführt. Umso überraschter war ich, dass einige so getan haben, als hätten sie davon noch nie etwas mitbekommen. Alle diejenigen, die in der Vergangenheit immer wieder gefordert haben – und das ging quer durch das Rund dieses Hohen Hauses –, dass man die Unterrichtsbelastung absenken möge und müsse, bleiben die Antwort schuldig, wo das tatsächlich stattfinden soll.

(Beifall bei der CDU – Zuruf der Abg. Uta-Verena Meiwald, DIE LINKE)

Es gab einen Vorschlag, eine Möglichkeit. Das war keine Vorfestlegung oder gar ein Beschluss, wie einige Medien schon voreilig geäußert haben.

Wir werden noch einmal miteinander in die Diskussion gehen. Wir haben aber recht wenig Zeit; denn wir wollen das Ziel erreichen, die Unterrichtsbelastung für die Schülerinnen und Schüler zum 1. August 2019 um 4 % zu senken.

Es kann nicht sein, dass an allen Ecken und Enden immer wieder neue Unterrichtsfächer in verschiedenen Bereichen gefordert werden. Da kommt die Forderung aus der Wirtschaft. Wir sprechen über das Thema Gesundheit und über gesunde Ernährung. Die neue Ministerin in Berlin fordert jetzt, dass man am besten schon in der Grundschule programmieren können müsse. Das alles sind gute und berechtigte Forderungen; darüber können wir diskutieren – dann aber bitte auch mit der Offenheit, zu sagen, an welcher anderen Stelle wir möglicherweise ein Stück weit reduzieren sollen und inwiefern wir miteinander einen anderen Fokus in unserer Bildung setzen. Da würde ich mich über ein bisschen mehr Ehrlichkeit und Offenheit in der Diskussion freuen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD – Beifall des Staatsministers Prof. Dr. Roland Wöller)

Meine Damen und Herren! Als Politiker können wir nicht tatenlos zusehen, wie ein Bildungssystem wie das unsere in Schieflage gerät. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten von uns entschlossenes Handeln und die Bereitschaft, Dinge zu ändern und neue Wege zu gehen, die tragfähig sind. Die Einigung der Koalitionspartner zum Handlungsprogramm ist ein deutliches Zeichen an die Eltern, an Lehrerinnen und Lehrer, an das Parlament und an die gesamte Öffentlichkeit, dass wir uns unserer Verantwortung bewusst sind und dass wir handeln.

An dieser Stelle möchte ich mich bei allen bedanken, die sich in den letzten Wochen an den intensiven Beratungen beteiligt haben – nicht deshalb, weil es so intensive und harte Beratungen waren, das gehört im Zweifel dazu, sondern weil sie von dem gemeinsamen Willen geprägt sind, das Problem anzugehen und zu lösen. Besonderer Dank gilt dabei den Mitgliedern der Koalitionsfraktionen.

Mit dem Handlungsprogramm „Nachhaltige Sicherung der Bildungsqualität im Freistaat Sachsen“ werden wir – so offen müssen wir miteinander sein – nicht alle Probleme sofort lösen können. Wir kommen unserem Ziel, den Unterricht auch mittel- und langfristig abzusichern, damit jedoch näher. Unser Ziel und auch mein ganz persönliches Ziel ist und bleibt, dass mittel- und langfristig wieder alle Einstellungsbedarfe ausschließlich mit grundständig

ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern gedeckt werden.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD – Beifall des Staatsministers Prof. Dr. Roland Wöller)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das zweigliedrige Schulsystem in Sachsen ist bundesweit anerkannt. Das soll auch so bleiben. Deshalb brauchen wir gut ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer. Wir wollen keine Experimente, wir wollen unser bewährtes und erfolgreiches Schulsystem erhalten. Mit dem Handlungsprogramm können wir auch den nächsten Generationen eine zukunftsfähige Bildung gewährleisten und die Kinder und Jugendlichen optimal auf das Leben vorbereiten.

Ich möchte dahin kommen, dass wir zukünftig weniger über den Mangel reden, sondern lieber wieder intensiv über Bildungspolitik und über Bildungsinhalte diskutieren, auch und gerade hier im Hohen Haus, aber vor allem mit den Menschen in unserem Land.

Der erste Schritt ist mit diesem Handlungsprogramm getan. Die Staatsregierung hat gemeinsam mit allen Betroffenen gehandelt, auch – und das möchte ich noch einmal ausdrücklich betonen – gemeinsam mit dem Finanzminister, dem ich sehr dankbar bin für die Konstruktivität.

(Beifall des Abg. Andreas Nowak, CDU)

Die Koalition hat gehandelt – gemeinsam und zielorientiert.

Meine Damen und Herren, wir starten einen Aufbruch in schwieriger Zeit. Wir setzen neue Impulse in der Bildungspolitik, organisatorisch wie inhaltlich. Lassen Sie uns gemeinsam darin nicht nachlassen. Diejenigen, die jeden Morgen zur Schule gehen – egal ob Schüler oder Lehrer –, sind jede Mühe wert.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Ich danke Herrn Staatsminister Christian Piwarz für seine Fachregierungserklärung.

Wir kommen zur Aussprache. Folgende Redezeiten für die Fraktionen wurden festgelegt: CDU 33 Minuten, DIE LINKE 24 Minuten, SPD 16 Minuten, AfD 12 Minuten, GRÜNE 12 Minuten, fraktionslose MdL je 1,5 Minuten. Die Reihenfolge ist, das möchte ich gleich noch einmal deutlich machen: DIE LINKE, CDU, SPD, AfD, GRÜNE und dann folgende fraktionslose Abgeordnete: Frau Kersten, Herr Wurlitzer, Frau Dr. Muster und Herr Wild.

Wir beginnen mit der Fraktion DIE LINKE. Das Wort hat Frau Kollegin Falken.

(Lothar Bienst, CDU, ist ebenfalls auf dem Weg zum Rednerpult.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! – Herr Bienst, Sie müssen noch einen kleinen Moment warten. So schnell geht es nun doch nicht.

Es ist fünf nach zwölf, hat der Kultusminister in seinem jüngsten Pressestatement festgestellt. Heute hat er es noch einmal wiederholt. In seinem Haus ist es nicht gelungen, den Einstellungsbedarf für den Februar 2018 – 660 Einstellungsstellen standen zur Verfügung – vollständig zu gewährleisten. Zugleich stieg der Anteil der Seiteneinsteiger auf 62 %. Herr Piwarz hat es gerade gesagt: Das ist eine Verdoppelung. Wenn wir uns das genau anschauen, stellen wir fest, dass wir inzwischen in einigen Regionen und in einigen Schularten im Freistaat Sachsen bei 100 % Einstellungen für Seiteneinsteiger sind, das sind keine klassisch ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrer. Das heißt, es gibt einen klaren Qualitätsverlust in der Bildung im Freistaat Sachsen.

Fünf nach zwölf bedeutet: Es ist zu spät, um noch etwas zu bewirken. Die Zeit ist abgelaufen, um den Lehrernotstand noch abzuwenden oder wenigstens zu lindern. In der Tat: Wir stehen in Sachsen vor einem bildungspolitischen Scherbenhaufen. Von einem politischen Neuanfang, wie uns der Herr Ministerpräsident in der letzten Plenarsitzung erzählt hat, sind wir im Bildungsbereich weit, weit, weit entfernt. Alles, was jetzt noch getan werden kann, ist, Schaden zu begrenzen. Die negativen Auswirkungen des Bildungsnotstandes für die sächsischen Schulen heißt, den Unterrichtsausfall so klein wie möglich zu halten. Das ist die vorrangigste Aufgabe des Kultusministers. Ich glaube, Herr Wöller hat es angenommen. Trotzdem: Die Maßnahmen, die jetzt auf dem Tisch liegen, werden a) nicht ausreichend und b) nicht zügig greifen.

(Lothar Bienst, CDU: Piwarz war das! – Zurufe von der CDU – Heiterkeit bei der CDU)

Entschuldigung, Herr Piwarz sagte das. Nein, es ist nicht meine alte Rede. Herr Piwarz, ich glaube, Sie werden das trotzdem anders angehen als der Herr Wöller.

(Staatsminister Christian Piwarz: Wir machen das gemeinsam!)

Sie machen das gemeinsam mit dem Kollegen Wöller. Das ist, glaube ich, auch zwingend an verschiedenen Stellen notwendig.

Schuld an der Misere im Schulbereich, werte Kolleginnen und Kollegen der CDU, sind natürlich ganz klar die sächsischen Christdemokraten.

(Zurufe von der CDU: Nee, nee! – Na, na, na!)

Sie haben in den vergangenen Jahren – jetzt kommt Herr Wöller – das Kultusministerium mit Ihren Ministern besetzt. 2004 übernahm es Herr Flath, 2008 Herr Wöller, 2012 Frau Kurth. Frau Kurth übernahm das Kultusministerium nach Herrn Wöller, dem Amtsvorgänger. Herr Wöller ist gescheitert an der nicht zu bewältigenden Personalpolitik des Freistaates Sachsen im Lehrerbereich.

(Zuruf der CDU: Schon wieder Herr Wöller?)

Auch Frau Kurth – Sie haben es alle erlebt – ist genau an diesem Problem gescheitert. Dieses Schicksal ereilte auch

den Herrn – die peinliche personelle Besetzung, das kleine Intermezzo von Frank Haubitz. Darauf möchte ich gar nicht weiter eingehen.

Aber, Herr Piwarz, Sie sind immer wieder mal Mitglied im Ausschuss für Schule und Sport gewesen. Sie sind seit vielen Jahren Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Fraktion gewesen – wenn ich es richtig gesehen habe, seit 2009.

(Ines Springer, CDU: Danke, den haben wir jetzt genug betrachtet! – Alles Schnee von gestern!)

Viele Maßnahmen an Verantwortung und Ignoranz, Selbstherrlichkeit der Bildungspolitik der Christdemokraten hier im Parlament sind auch durch Ihre Hand gegangen, und demzufolge tragen Sie für diese Misere, die wir hier im Freistaat Sachsen haben, auch eine Verantwortung.

(Beifall bei den LINKEN – Ines Springer, CDU: Das ist Schnee von gestern, und ihr beklatscht das auch noch! – Zurufe von den LINKEN)

Die Schulen kämpfen nicht erst seit heute, sondern über viele Jahre mit finanziellen und personellen Sorgen und Problemen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU, eine Quittung haben Sie bereits für die bildungspolitische Situation bekommen, die wir im Freistaat Sachsen haben. Eine Umfrage, die Sie als CDU-Landtagsfraktion zu Ihrer Klausur im November behandelt und dazu natürlich auch erstellen lassen haben, hat klar gezeigt, dass die Sachsen mit dem Thema Bildung sehr unzufrieden sind. 86 % der Befragten sind mit den Entscheidungen und der Situation im Schul- und Bildungsbereich sehr unzufrieden.

(Dr. Stephan Meyer, CDU: Das war vor dem Pakt!)

Na, das hat sich ja noch nicht ausgewirkt, was wir gerade gehört haben. Also, nicht nur immer ankündigen, sondern auch Taten folgen lassen!

Selbst die Kriminalitätsbekämpfung kommt danach, und auf dem letzten Platz dieser Befragung steht eindeutig der Schuldenabbau – das jetzt für den Finanzminister. Nur 32 % der Befragten trauen der CDU noch zu, im Bildungsbereich wirklich etwas bewegen zu können.