Protocol of the Session on February 1, 2018

Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion ist an der Reihe. Frau Abg. Friedel wird sprechen. Bitte sehr, Frau Friedel.

Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist über die Intention, über die Hintergründe und über die Wichtigkeit dieser besonderen Facette historischer und politischer Bildung, welche die Fraktion DIE LINKE in ihrem Antrag anspricht, von meinen Vorrednerinnen schon sehr viel ausgeführt worden – von Frau Junge und vor allem von Frau Firmenich.

Das gibt mir die Gelegenheit, mich etwas genauer mit Ihrem ganz konkreten Antrag zu befassen, weil ich das grundsätzlich hier Vorgetragene sehr teile.

Ihr Antrag hat drei Punkte. Sie möchten, dass der Freistaat Sachsen zweckgebundene Fahrtkostenzuschüsse für

Schulen zu KZ-Gedenkstätten auszahlt, dass die entsprechenden Anträge durch die Bildungsagentur, jetzt durch das LsSuB bearbeitet und beschieden werden sollen und

dass die Schulverwaltung den Schulen hierbei auch eine pädagogisch-didaktische Unterstützung geben soll.

Es sind diese drei Punkte, weswegen wir der Auffassung sind: Das ist nicht der richtige Weg, um das gute Ziel des Antrags umzusetzen.

Wir haben bereits heute im Lehrplan eine sehr intensive Auseinandersetzung der Schülerinnen und Schüler mit dem Thema Diktatur, Unfreiheit und insbesondere mit dem Thema nationalsozialistische Diktatur vorgeschrieben. Natürlich ist es absolut wünschenswert, dass die Art und Weise der Vermittlung so konkret und erlebnisreich wie möglich wird.

Gerade Fahrten zu Gedenkstätten, gerade Exkursionen sind ein ganz ausgezeichnetes Mittel, diese Thematik den Schülern durch sinnliche Erfahrungen etwas näher zu bringen, als es durch einen Text allein oder durch einen Lehrervortrag je gelingen kann.

Solche Fahrten sind jedoch nicht die einzige Möglichkeit, dies zu tun. Wir haben von Frau Firmenich schon Beispiele gehört, und es gibt noch viele weitere.

Wenn es sich an einer Schule anbietet, nun zu genau diesem Thema keine Exkursion durchzuführen, sondern einen Zeitzeugen einzuladen, der vielleicht noch aus dem gleichen Ort kommt, und die Exkursion stattdessen vielleicht nach Marienborn zu unternehmen, zur Gedenkstätte, die sich mit der Teilung Deutschlands beschäftigt: Warum soll man dies der Schule verwehren?

Wir halten es für sinnvoll, das Ziel so zu beschreiben, wie es im Lehrplan der Fall ist, der Schule bei der konkreten pädagogischen Ausgestaltung aber ihre eigene Verantwortung zu lassen.

Die Begleitung und Unterstützung der Schulen findet schon häufig statt, und zwar nicht nur durch das LASUB, sondern vor allem durch die bereits angesprochenen zahlreichen Vereine, Initiativen, Träger, kirchlichen Einrichtungen, die Gedenkstätten selbst. Wir haben ein großes zivilgesellschaftliches Netz an Unterstützern, das bereitsteht, um hier noch mehr zu tun.

Jetzt sind wir beim dritten Punkt, den Kosten. Natürlich ist es für eine Schule immer ein Problem, die Kosten aufzubringen. Wir treffen uns dann in der Intention zu sagen, hier müssen wir aktiv werden und etwas tun. Wir haben schon einen Teil getan. Wir haben in dem letzten Doppelhaushalt nicht nur die bereits angesprochenen Dinge auf den Weg gebracht, sondern zum Beispiel ganz konkret im Einzelplan 5 in der Titelgruppe 74 Fördermittel zum intensiveren Besuch von außerschulischen Lernorten bereitgestellt, unter anderem eben Gedenkstätten. Trotz alledem reicht das nicht, und darauf macht Ihr Antrag mit aufmerksam.

Dazu will ich auf ein grundlegendes Problem eingehen. Wir haben in unseren Schulen viele Ideen und pädagogische Konzepte, die manchmal auch daran scheitern, dass die Sachkosten für ihre Umsetzung nicht zur Verfügung stehen. Das liegt wiederum daran, dass ein großer Teil der

Sachkosten kommunale Angelegenheit ist und wir es als Land gar nicht als Aufgabe haben, diese Sachkosten zur Verfügung zu stellen. Und schon wird der Bereich pädagogische Sachkosten zum Spielball – das ist zu viel gesagt –, aber er wird abhängig von der Finanzausstattung der Kommune, oder wird abhängig von den Prioritäten, die da gerade gesetzt werden.

Wir haben positive Beispiele im Freistaat Sachsen. Die Stadt Chemnitz zum Beispiel hat genau so ein Programm, in dem die Exkursion zu Gedenkstätten finanziert wird. Danke an den Chemnitzer Stadtrat, der das beschlossen hat. Wir müssen aber feststellen, dass das vielleicht nicht reicht, sondern dass wir uns tatsächlich Gedanken machen müssen, ob die Art und Weise, wie wir Schulen mit Sachkosten ausstatten, wirklich den Bedarfen noch angemessen ist. Ist das wirklich dazu geeignet, dass die Schulen selbstverantwortlich einen interessanten Unterricht gestalten können?

Wir haben uns diese Frage schon vor einem Jahr bei der Verabschiedung des Schulgesetzes gestellt. Wir haben nicht umsonst einen Antrag beschlossen, in dem die Koalitionsfraktionen prüfen wollen, ob die getrennte Schulträgerschaft, wie es jetzt eingerichtet ist, wirklich sinnvoll ist, oder ob wir hier nicht Änderungen angehen müssen, die unsere Schulen dazu befähigen, mehr tun zu können. Ich halte es auch für keine kluge Idee, jetzt wieder so ein kompliziertes Antrags- und Zuschusswesen aufzubauen und unser LaSuB, das sich eigentlich der freundlichen und warmherzigen Begrüßung von Bewerbern widmen soll, mit so einem Verfahren zu belasten.

Deshalb an dieser Stelle mein Plädoyer für pauschale Budgets. Das ist die Diskussion, die wir in den nächsten Tagen weiterführen müssen. Diese wurde gestern schon mit der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten eröffnet. Wie schaffen wir es, die Stellen vor Ort, die die konkrete Arbeit machen, ob das Kommunen, Vereine, Schulen oder Kitas sind, so auszustatten, dass sie diese Arbeit in eigener Verantwortung und gut schaffen können. Diese größere Unterstützung des Freistaates werden wir spätestens mit dem Doppelhaushalt 2019/20 auf den Weg bringen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Für die AfD-Fraktion Herr Abg. Dr. Weigand. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie erwarten jetzt einen Dämon, so wie das angekündigt wurde. Frau Junge, ich fand Ihre Rede gut und bewegend, weil es wichtig ist, dass sich die Schüler mit ihrer Geschichte befassen. Deswegen möchte ich mich von meiner Rede etwas abkehren, aber wir sehen in der öffentlichen Debatte, dass das sehr unterschiedlich bewertet wird. Es gibt Für- und Gegenstimmen. Auch in Ihrer Partei gibt es gerade in

Thüringen Stimmen, die sagen: Wir wollen keinen Zwang. Ich würde mich auch dagegen aussprechen, dass wir hier so etwas wie einen Zwang schaffen. Vielmehr sollen sich Lehrer und Schüler individuell Gedenkstätten anschauen und Zeitzeugen verschiedener Epochen einladen – und so viele sind nicht mehr übrig, die den Schülern Auskunft geben können –, denn Lehrer sollen es begreifbar machen. Dafür Mittel nur zweckgebunden einzustellen ist nicht der richtige Weg. Es sollen allgemein Lehrmittel zur Verfügung gestellt und individuell eingesetzt werden. Deswegen werden wir uns der Stimme enthalten.

(Beifall bei der AfD)

Ich rufe die Fraktion GRÜNE auf. Frau Zais, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Was war AuschwitzBirkenau? Im Sommer 2017 gab die Hamburger KörberStiftung eine repräsentative Umfrage in Auftrag, die unter anderem diese Frage stellte. Das Ergebnis: 59 % der deutschen Schülerinnen und Schüler wissen nicht, was Auschwitz-Birkenau war.

Solche Befunde sind es, genauso wie das Verbrennen israelischer Fahnen im Dezember letzten Jahres im öffentlichen Raum in Deutschland, die die Debatte über das Thema Antisemitismus und Gedenkkultur immer wieder aufkommen lassen. Spätestens seitdem wird wieder intensiv über den Besuch von KZ-Gedenkstätten und ihre Bedeutung für die politische und historische Bildung gesprochen. Das ist gut so, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, und ich fand auch die bisherige Debatte zum Antrag der Linksfraktion sehr gut.

Unsere Fraktion wird dem Antrag der LINKEN zustimmen. Wir finden, es gibt keinen vernünftigen Grund, das nicht zu tun. Weder verlangt die LINKE zwangsweise verpflichtende Besuche von Gedenkstätten noch macht sie irgendein bürokratisches Monster auf. Das ist ausdrücklich der Grund, warum wir zustimmen.

Dieser Antrag dient dazu, dass der Besuch einer KZGedenkstätte, eines Gedenkortes, erstens ermöglicht werden soll und dieser Besuch nicht daran scheitern soll, dass zweitens vielleicht die Fahrtkosten nicht zur Verfügung stehen. Das ist in Ordnung so. Und auch der dritte Punkt, den wir teilen – mit einer ganz kleinen Kritik –, ist, dass diese Besuche vor- und nachbereitet werden müssen, dass sie begleitet werden müssen. Dass DIE LINKE diese Aufgabe ausschließlich bei der Landeszentrale für politische Bildung sieht, ist meines Erachtens von zentralistischem Denken geprägt. Meine eigene Erfahrung ist, dass es eine Vielfalt von Vereinen gibt. Einige wurden schon genannt. Eine hervorragende Gedenkarbeit leistet zum Beispiel die Aktion Sühnezeichen. Da gibt es sehr gut vorbereitete Fahrten mit Schülerinnen und Schülern, aber auch das Kulturbüro Sachsen bietet hier Beratung und Begleitung an.

Da das Thema verpflichtender Besuch ja oder nein hier sehr intensiv diskutiert wurde, möchte ich in diesem Kontext den Sprecher der Gedenkstätte Buchenwald, Herrn Dr. Philipp Neumann-Thein, kurz zitieren: „Buchenwald hat schon zu DDR-Zeiten nicht funktioniert als Antifaschismus-Durchlauferhitzer. Ein Zwangsbesuch

wäre auch heute keine wirksame AntisemitismusSchutzimpfung.“ Das müssen wir verinnerlichen.

(Beifall des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE, und der Abg. Sabine Friedel, SPD)

Frau Firmenich hat den richtigen Satz gesagt. Es reicht eben nicht, dass man da hinfährt, das auf sich wirken lässt und dann wieder nach Hause geht, sondern es muss der Kopf dabei sein, das Herz muss geöffnet sein, um das zu erleben. Ich erinnere mich noch an meinen BuchenwaldBesuch. Ich gehöre zu dem Jahrgang, für den der Buchenwald-Besuch verpflichtend war. Das war meine Jugendweihefahrt. Ich war nicht vorbereitet. Ich hatte natürlich „Nackt unter Wölfen“ gelesen, aber ich war überhaupt nicht vorbereitet auf das, was mich in Buchenwald erwartet hat: der Film von der Befreiung des KZ. Er hat mich bis ins Mark erschüttert. Auch danach gab es weder durch die sicher gut gewillten Lehrerinnen und Lehrer noch durch irgendjemand anderen Gespräche, um das wirklich Grauenhafte aufzuarbeiten und zu verstehen.

Ich möchte nicht, dass das zum Beispiel meine Enkelin durchmachen muss. Trotzdem sage ich hier an dieser Stelle: Es gibt es keinen Grund, dem Antrag nicht zuzustimmen.

Ich möchte aber das, was Frau Firmenich mit Blick auf den Doppelhaushalt gesagt hat, noch einmal aufgreifen. Wir werden natürlich genauso wie beim letzten Mal den Antrag einbringen, wieder 60 000 Euro für die Zusammenarbeit mit der Bethe-Stiftung, die Fahrten nach Auschwitz-Birkenau ermöglicht, bereitzustellen, und wir hoffen diesmal, dass es hier zu einer Änderung der Haltung, auch im Kultusministerium, zu diesem Antrag kommen wird.

Wir danken Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Herr Abg. Wurlitzer bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Sehr geehrte Frau Junge, Ihre Rede hat mich vorhin sehr tief beeindruckt. Das muss man ganz klar und deutlich sagen. Es ist wichtig und richtig, was Sie gesagt haben. Ich glaube aber trotzdem, und die Antwort der Staatsregierung sagt das ganz eindeutig – Frau Kurth hat das im Juli 2016 zu Ihrem Antrag mitgeteilt –, dass es genügend Angebote von der Landeszentrale für politische Bildung gibt, einschließlich entsprechender Fördermaßnahmen und Richtlinien, und dass es auch richtig ist, dass diese Klassenfahrten in Eigenverantwortung bei der Schule liegen.

Was mir aber bei dieser ganzen Geschichte zu kurz kommt: Liebe Frau Junge, Sie haben vorhin gesagt, dass es ganz wichtig ist, dass wir über unsere eigene Geschichte sprechen, und dass es ganz wichtig ist, dass wir unsere eigene Geschichte aufarbeiten. Sie haben von menschlichen Katastrophen und Unmenschlichkeit gesprochen, die es in Zukunft zu verhindern gilt. Ich frage mich an der Stelle, wie Sie in Ihrem Antrag bzw. in den Anträgen aus Ihrer Fraktion darauf kommen, dass es Unrecht ist, was der Stalinismus hier letztendlich verbrochen hat; denn nach dem Zweiten Weltkrieg hat es ja auch Unrecht in größeren Formen gegeben; das KZ Buchenwald, das Sie selbst anführen, ist weiter genutzt worden. Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Wichtig wäre, dass man auch darüber spricht.

(Beifall des Abg. Mario Beger, AfD)

Wichtig wäre, dass es dort entsprechende Gedenkstätten gibt, wo man hingehen kann, weil auch das ganz klar Teil unserer Geschichte ist und es meines Erachtens ganz wichtig ist, dass es aufgearbeitet wird.

Wenn Sie, liebe Frau Zais, sagen, dass es jede Menge Jugendliche gibt, die mit Auschwitz-Birkenau nichts anfangen können, dann gibt es mindestens genauso viele, wenn nicht noch wesentlich mehr, und auch eine ganze Menge Erwachsene, die mit dem Unrecht, das es durch den Stalinismus gegeben hat, auch nichts anfangen können. Wenn wir tatsächlich unsere Geschichte wahrhaft aufarbeiten wollen, und wenn wir wollen, dass damit alle ordentlich umgehen, dann müssen wir beide Seiten betrachten.

Vielen Dank.

(Beifall bei den fraktionslosen Abgeordneten und vereinzelt bei der AfD)

Ich gehe jetzt in die zweite Runde. Es beginnt wieder die Fraktion DIE LINKE. Gibt es noch Redebedarf? Ja. – Herr Sodann, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Wurlitzer, ich möchte nur sagen: Der Holocaust war ein singuläres Ereignis der Geschichte. Hier geht es nicht um Gleichmacherei, nicht um Gleichstellerei. Dazu ist unser Antrag wichtig und richtig, besonders in der heutigen Zeit. Ich werde das auch begründen.

(Uwe Wurlitzer, fraktionslos, steht am Mikrofon.)

Eigentlich wollte ich mit etwas für mein Empfinden sehr Positivem beginnen, nämlich mit dem Umstand, dass in diesem Jahr das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus nicht wie 2006 hier in diesem Haus, also an unserem Arbeitsplatz, sondern im ehemaligen Ghetto und Konzentrationslager Theresienstadt begangen wurde.

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