Protocol of the Session on January 31, 2018

eine für die CDU und eine für die SPD. Sagen Sie jetzt nicht, das sei der neue Stil des Umgangs miteinander. Ich denke, Sie brauchen vielleicht schon früh einen Partnertherapeuten, denn professionelles Regieren sieht anders aus.

(Staatsminister Martin Dulig: Da müssten aber fünf aus Ihrer Fraktion reden, damit sie die Meinung Ihrer Fraktion widerspiegeln!)

Herr Dulig, wenn Sie herumpöbeln wollen, dann müssen Sie sich bitte einmal auf die Abgeordnetensitze begeben; denn das dürfen Sie als Regierung nicht.

(Beifall bei den LINKEN)

Der zweite, aber realitätsferne Spruch im Titel der Regierungserklärung heißt: Bildung sichern. Aber darüber, wie das gehen soll, herrscht ein ergebnisloses internes und öffentliches Gezerre in der Koalition, das nun wirklich kein Vertrauen in die Lösungskompetenz dieser Koalition schafft. „Für mich ist wichtig, dass die Verbeamtung eine Rolle spielt“, hat der Ministerpräsident gerade gesagt und uns den Beweis geliefert, dass er ein Mann von vorvorgestern ist. Die Verbeamtung spaltet die Lehrerschaft, schafft neue soziale Ungerechtigkeit und belastet langfristig die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Ein moderner, attraktiver Lehrerberuf in Sachsen braucht wirklich andere Rahmenbedingungen, aber keine Verbeamtung.

(Beifall bei den LINKEN)

Deshalb hat auch der dritte Slogan Ihres heutigen Auftrittes nichts mit der Wirklichkeit zu tun: neue Wege gehen. Das geht nämlich nur, wenn man gemeinsam am selben Startpunkt steht und von diesem dann auch losgeht. Sie aber machen Politik, als würde Martin Dulig im Moritzburger Wald Rad fahren und Michael Kretschmer gleichzeitig im Zittauer Gebirge wandern. Sie könnten sich zwar zwischendurch WhatsApp-Selfies schicken, aber ein gemeinsames Ziel werden Sie so nicht erreichen, meine Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den LINKEN)

Ich möchte Ihnen das an einem eigentlich allen bekannten Beispiel etwas ausführlicher erläutern. Am 6. Dezember verkündete die CDU-Fraktion nach einer Sondersitzung: „Die CDU-Fraktion hat nicht die Verbeamtung von Lehrern beschlossen, sondern die Staatsregierung aufgefordert, bis 31. Januar 2018 sowohl eine Attraktivitätssteigerung im bestehenden tariflichen System als auch für eine befristete Verbeamtung von Neulehrern zu prüfen.“ Am selben Tag verkündete der SPD-Fraktionsvorsitzende: „Bisher gab es weder auf Regierungsseite noch mit der SPD-Fraktion Gespräche zur Verbeamtung von Lehrerinnen und Lehrern in Sachsen. Über das unprofessionelle Kommunikationsverhalten bei dem wichtigen Thema Bildung sind wir zutiefst verärgert. Wer die Lösung des Lehrermangels wirklich will – und die SPD will das ausdrücklich –, sollte erst einmal mit seinem Koalitionspartner sprechen, bevor er auch noch eigene Beschlüsse öffentlich unklar interpretiert.“ – So weit Dirk Panter.

Am 11. Dezember 2017 verkündeten Sie dann in Ihrer Absichtserklärung – um die Wahl des Ministerpräsidenten sicherzustellen –: „Wir wollen bis zum 31. Januar 2018 einen abgestimmten Vorschlag der Staatsregierung mit den Koalitionsfraktionen zur Steigerung der Attraktivität des Lehrerberufs im Freistaat Sachsen vorlegen.“ Kurz vor Ablauf der Frist vom 31. Januar 2018 meldete eine sächsische Tageszeitung, dass es zu einer Einigung zwischen dem CDU-geführten Finanzministerium und dem CDU-geführten Kultusministerium unter anderem zur Verbeamtung gekommen sei. Danach ist wohl jemandem in der CDU aufgefallen: Oh je, wir haben ja noch einen Koalitionspartner oder eine Koalitionspartnerin. Sie wurde dann vor ein paar Tagen informiert und – oh, Wunder! – sie ist jetzt bockig und nicht Ihrer Meinung, weil Sie sich nicht an das gewählte Verhalten vom 11. Dezember gehalten haben.

(Frank Kupfer, CDU: Das ist Kaffeesatzleserei, was Sie da machen!)

Nun ist mir das ja echt egal, wie Sie miteinander in Ihrer Koalition umgehen. Was mir aber nicht egal ist, ist die Arroganz und das politische Unverständnis, unter dem die Sachsens Kinder, Eltern und die Lehrerschaft zu leiden haben, und dass Sie heute Ihren großen Entwurf zur Attraktivitätssteigerung nicht geleistet und dies wieder einmal vertagt haben, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der Koalition.

(Beifall bei den LINKEN)

Ich stelle also jetzt schon einmal fest: Es wird wirklich ein Segen für Sachsen, dass das Kabinett Kretschmer im Herbst nächstes Jahres mit den Landtagswahlen sein natürliches Ende nehmen wird.

(Oh-Rufe von der CDU und der SPD)

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident! Sie haben gerade ein Feuerwerk von Ankündigungen von Änderungen in vielen politischen Bereichen abgebrannt. Da vergeht einem erst einmal Hören und Sehen, bis man merkt: Es ist eben nur ein Feuerwerk – also rasch vorbei und dann wird es wieder dunkel. Genau das ist meine Angst. Warum? – Wenn Sie das alles ernst nehmen, dann müssten Sie Ihre bisherige Politik grundlegend ändern und erklären: Wir haben uns geirrt.

Obwohl – ein Regierungsmitglied hat es ja vor ein paar Tagen mehr als deutlich zum Ausdruck gebracht. „Es waren verlorene Jahre“, hat der neue Innenminister Wöller zutreffend in einer sächsischen Tageszeitung festgestellt. Danke, Herr Wöller, so viel Wahrhaftigkeit sind wir aus den Reihen der CDU-Führungsriege echt nicht gewohnt.

Ja, es waren verlorene Jahre für Sachsen. Die CDU kann es einfach nicht mehr.

(Dr. Stephan Meyer, CDU: Das ist aus dem Zusammenhang gerissen!)

Als Stanislaw Tillich vor zehn Jahren Ministerpräsident wurde, sprach mein Vorvorgänger Peter Porsch über die Herausforderungen zu Beginn der Amtszeit des neuen Regierungschefs. Porsch lobte in seiner Rede das Strategiepapier von Tillich für die Zukunft des ländlichen Raums. Darin geht es um eine Abkehr von der Leuchtturmpolitik hin zu kleineren Wachstumskernen. Außerdem stellte Tillich fest – jetzt hören Sie von der CDU genau zu! –, dass die Grundversorgung auf dem Land in manchen Regionen Sachsens nicht mehr gesichert ist. Das hat der Ministerpräsident Tillich im Jahr 2008 gesagt.

Merken Sie noch was, meine Damen und Herren von der CDU Sachsens? Zehn verlorene Jahre, zehn Jahre, in denen Sie von der CDU den Menschen vor Ort das Blaue vom Himmel versprochen haben! So gut wie keine der Weichenstellungen, die der CDU-Ministerpräsident des Jahres 2008 angekündigt hatte, wurde vorgenommen.

Deshalb kann ich Ihnen, Herr Ministerpräsident, nicht den Gefallen tun, die Passagen Ihrer Regierungserklärung zu loben, in denen Sie etwas versprechen, was schön klingt. Als Stanislaw Tillich Ministerpräsident wurde, waren Sie, Herr Kretschmer, schon dreieinhalb Jahre Generalsekretär der sächsischen Dauerregierungspartei. Auch deswegen werden wir Ihnen die übliche Schonzeit nicht einräumen.

(Beifall bei den LINKEN)

Die Erfahrung der letzten zehn Jahre lehrt uns: Wort und Tat haben bei der sächsischen CDU nichts mehr miteinander zu tun. Die Schere zwischen Reden und Handeln geht bei Ihnen immer weiter auseinander. Das ist das größte Problem und damit haben Sie und Ihre Partei einen enormen Anteil an der zerstörten Glaubwürdigkeit der Politik hier im Freistaat Sachsen.

(Beifall bei den LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU! Das führen Sie bei Ihrem Lieblingsthema, der öffentlichen Sicherheit, mit besonderer Schamlosigkeit vor: Erst fahren Sie die Polizei auf Verschleiß, bauen Polizei und Personal ab, schließen Polizeireviere, dann setzen Sie eine Kommission zur Evaluierung ein, proben etwas Schadenbegrenzung beim Personal und gaukeln der Bevölkerung vor, Sie hätten verstanden.

Nichts haben Sie verstanden. Da werden zum Beispiel regelmäßig mit einer Riesenshow am Wiener Platz in Dresden Kleinstmengen an Betäubungsmitteln sichergestellt und in der Zwischenzeit lachen sich die Drahtzieher organisierter Kriminalität ins Fäustchen. Sie sind noch nicht einmal in der Lage, todbringende Raserei auf den Straßen einzudämmen, weil die Verkehrsüberwachung faktisch zusammengebrochen ist. Ihre Sicherheitspolitik ist ein einziges Sicherheitsrisiko für dieses Land geworden. Dabei wird Ihnen auch nicht die Verlängerung der Wachpolizei im Freistaat Sachsen helfen.

(Andreas Nowak, CDU: Dass die Verkehrstoten aber heruntergegangen sind, haben Sie mitgekriegt?!)

Es hilft den Menschen also nichts, dass der neue Ministerpräsident in den letzten Tagen eine beispiellose Ankündigungsoffensive gestartet hat. Einmal ist es eine sogenannte Dialogoffensive, ein anderes Mal eine Infrastrukturoffensive und heute war es eine Ausbildungsoffensive im öffentlichen Dienst. Noch nie waren die Potemkinschen Dörfer der sächsischen CDU so schön angestrichen wie heute.

Ihre PR hat sich echt verbessert. Nur, die Menschen in Sachsen wollen keine verbesserte PR, sondern sie wollen eine bessere, eine andere Politik, und die ist von Ihnen echt nicht mehr zu erwarten.

(Beifall bei den LINKEN)

Sie wissen ja, wir LINKEN glauben an das Gute im Menschen. Aber ich glaube schon lange nicht mehr an das Gute in Ihrem CDU-Staatsapparat.

Der Aufschrei parteiunabhängiger Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aus dem Erzgebirge hat dem ganzen Land vor Augen geführt: Die von der CDU in 27 Jahren herrschende, geformte Bürokratie lähmt das Land, entzieht der kommunalen Selbstverwaltung die Grundlage und nimmt den Menschen vor Ort die Chance, ihr Gemeinwesen aktiv mitzugestalten.

Sie haben mit Ihrer Politik der Gemeindezusammenschlüsse vielen Menschen ihre regionale Identität gestohlen und erklären heute: „Unser Leitgedanke für die Zukunft ist: kein Zwang zu weiteren Fusionen, sondern Vertrauen in die freiwillige Kooperation.“ Herr Ministerpräsident, diese CDU-Staatsregierung hat noch nie Vertrauen in die kommunale Selbstverwaltung in diesem Land gehabt.

(Widerspruch bei der CDU)

Das Problem sind nicht Ihre einzelnen Fehlentscheidungen – Fehler machen wir alle irgendwie. Das Problem ist eine CDU, die sich einbildet, der Staat sind wir – die sächsische Union, die Schwarzen also –; kein Wunder, dass viele Menschen für ihre Zukunft schwarz sehen.

Unser Konzept ist klar: Die Kommunen vor Ort, die in unserem Gemeinwesen am nächsten an den Menschen dran sind, brauchen für die Menschen mehr finanzielle Mittel und mehr Entscheidungsfreiheit. Das Geld dafür ist da, Milliarden schmoren in den nicht verbrauchten Rücklagen und Sondertöpfen sinnlos und nutzlos vor sich hin.

Was die kommunalpolitisch Verantwortlichen und die Bürgerinnen und Bürger in den Kreisen, Städten und Gemeinden vor allem brauchen, ist der politische Wille, sie wirklich einmal etwas selbst entscheiden zu lassen. Was Ihre heutige Ankündigungspolitik wert ist, werden wir in den nächsten Monaten sehen. Ich glaube Ihnen kein Wort.

Und warum? Weil die CDU wie die SPD die Unkultur der goldenen Zügel pflegt. Das von den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern erwirtschaftete Geld wird gnädig – von oben herab – wieder zurückgegeben, aber streng nach den Regeln der Obrigkeit. Schließlich wollen Sie ja überall

beim Bändchendurchschneiden zeigen und sich vom „Wochenblatt“ über Facebook bis Twitter als vermeintlich spendable Onkel und Tanten abbilden lassen. Solange das so ist, brauchen Sie nichts von Sachsendialog oder Sachsengespräch zu erzählen – dieses Vortäuschen des Mitredens haben die Leute echt satt.

Wir wollen Regionalbudgets – 10 Millionen Euro pro Jahr für jeden Kreis und jede kreisfreie Stadt zur freien Verfügung – und zur Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit der Kommunen im Rahmen des sächsischen Finanzausgleichs 100 Euro pro Einwohnerin und Einwohner pro Jahr zusätzlich. Darüber sind wir zurzeit mit vielen kommunalpolitisch engagierten Menschen im Gespräch und laden herzlich ein zum Dialog.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine aktuelle Umfrage im Auftrag der „Sächsischen Zeitung“ kommt zu dem Ergebnis: Zwei von drei Sachsen fühlen sich als Bürger zweiter Klasse. Wer aber hat Deutschland in 20 von 27 Jahren – und Sachsen die ganze Zeit seit der deutschen Einheit – regiert: die CDU. Sie, meine Damen und Herren von der CDU, tragen die Verantwortung dafür, dass sich zwei Drittel der Menschen in Sachsen quer durch alle Altersgruppen benachteiligt und zurückgesetzt sehen. Auch deshalb wurden Sie, Herr Ministerpräsident, trotz oder gerade wegen Ihrer Bekanntheit in Ihrem Görlitzer Wahlkreis aus dem Bundestag herausgewählt.

(André Barth, AfD: Durch uns, Herr Gebhardt!)

Und was war Ihre Antwort darauf: das Bekenntnis, die CDU sei das Original der AfD und man müsse der AfD die CDU-Positionen abnehmen. So sagten Sie es im Herbst bei einer Konferenz der Verantwortungsträger Ihrer Partei. Wenn Sie dieses schwarz-blaue Irrbild wirklich ernst meinen, dann kann ich nur sagen: Gute Nacht, Sachsen!

(Beifall bei den LINKEN – André Barth, AfD: Dann geht die Sonne auf, Herr Gebhardt!)

Herr Ministerpräsident und liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion, ich hoffe, Sie sind aufnahmefähig. Für Sie will ich noch einmal klarzumachen versuchen, dass nicht die Übernahme von Positionen der AfD erfolgreich sein kann, sondern der einzige Ausweg besteht in einer starken Reduzierung der sich weiter verschärfenden sozialen Ungleichheit auf den unterschiedlichsten Ebenen in diesem Land. Das ist die zentrale Voraussetzung für eine Gesellschaft mit Zukunft. Dafür müssen Sie aber Teilhabe und Selbstbestimmung auch durch geeignete Strukturen und Rahmenbedingungen flankieren und nicht durch die Verschiebung von finanziellen Zuständigkeiten. Davon habe ich in Ihrer Regierungserklärung kein Wort gehört.

Herr Kretschmer, vielleicht schauen Sie sich ja einmal etwas bei Ihrem Thüringer Amtskollegen Bodo Ramelow ab, der für eine Wiederbelebung zum Beispiel der Sozialstaatsgarantie eintritt und zugleich in der Wirtschaftspresse für seine ökonomisch kluge Politik zielgerichteter Investitionen gelobt wird. Es geht also beides miteinander

zu verbinden. Was aber machen Sie? Sie schauen dem beginnenden Fachkräftemangel zu und kämpfen lieber für die Beibehaltung der sachgrundlosen Befristung von Beschäftigungsverhältnissen und wollen das Arbeitszeitgesetz zulasten der Beschäftigten weiter aufweichen. Das schafft massenhaft Verunsicherung, gerade bei jungen Menschen, und schreckt Fachkräfte ab – genauso wie Ihre jahrelange Niedriglohnpolitik. Ihre unsoziale Politik ist das Standortrisiko Nummer eins für Sachsen.

Es ist übrigens auch kein Beitrag für eine gute Zukunft Sachsens, wenn ein in jeder Hinsicht voll integrierter indischer Lehrling an einer Leipziger Autowerkstatt vom Arbeitsplatz abgeholt und unter Protest des Betriebes abgeschoben wird, weil er vor Jahren falsche Angaben zu seinen persönlichen Daten gemacht hat. Leider gibt es viele solcher Beispiele, bei denen erfolgreiche Integration durch einen behördlichen Gewaltakt zerstört wird.

(Zuruf von der CDU: Dann hätte er nicht lügen sollen!)

Sie, Herr Ministerpräsident, wollen ja auch etwas gegen überbordende Bürokratie tun. An dieser Stelle können Sie sich gern engagieren, damit solche sinnlosen Abschiebungen endlich der Vergangenheit angehören.