Wie ernst Sie es mit der kommunalen Demokratie nehmen, zeigt auch die Anwendung der Stadtbezirksverfassung, anders als im ursprünglichen Vorschlag der Staatsregierung vorgesehen, nur noch auf die kreisfreien Städte und eben nicht auf Kommunen mit mehr als 50 000 Einwohnern. Dass Sie das zurückgedreht haben, haben Sie grandios damit begründet, dass die Bürgermeister der entsprechenden Gemeinden keinen Bedarf dafür sehen würden. Das ist doch grotesk. Aber Sie würden wahrscheinlich als Koalition demnächst auch die Staatsregierung fragen, ob sie ein starkes Parlament für sinnvoll hält. Das scheint der bedauernswerte Anspruch an Gesetze dieser Technokratenkoalition zu sein.
Aber nicht einmal Technokratie können Sie dann. In ihrer Besessenheit, die Ortschaftsverfassung in den kreisfreien Städten zu verhindern, hat die Staatsregierung einfach gepfuscht und gleich einmal das Kind mit dem Bade ausgeschüttet, indem man auch die Ortschaften im kreisangehörigen Raum traf, die vor 1993 eingemeindet worden sind. Anstatt zuzugeben, dass Sie hier über das Ziel hinausgeschossen sind, haben Sie in Ihrer Kleingeistigkeit die Regelungen so lange verschlimmbessert, bis nun niemand mehr versteht, was Sie eigentlich wollten.
Liebe Koalition, wir GRÜNEN nehmen die kommunale Selbstverwaltung ernst. Wir wollen den Kommunen mehr Demokratie und direktere Entscheidungswege ermöglichen, anstatt diese zu verbauen. Wir haben Vertrauen in
Dazu würde es auch gehören, die Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen zu stärken. Hier hat die Koalition gleich einmal eine Hechtrolle rückwärts hinter den schon weichen Vorschlag der Staatsregierung gemacht, indem sie schlussendlich die Beteiligungsmöglichkeiten wieder deutlich reduziert.
Dazu würde es gehören, die Minderheitenrechte des Stadtrates zu stärken und beispielsweise endlich eine verpflichtende Fraktionsfinanzierung einzuführen. Stattdessen gängeln Sie jetzt die Fraktionen durch die Beschränkung der Zahl der Stellvertreter in den Ausschüssen. Warum eigentlich? Hat die derzeitige Regelung irgendwo geschadet? Diese Frage bleibt offen.
Selbst wenn man den Anspruch an Demokratie und Beteiligung in diesem Gesetzentwurf kleinhält, bleiben neben einer Vielzahl kleiner und sicherlich sinnvoller Änderungen viele weitere Fragen. Einige davon seien genannt: Ist es wirklich sinnvoll, die Anforderungen an den Fachbediensteten für das Finanzwesen derart abzusenken, nur weil man im Ergebnis jahrelanger fehlerhafter Personalpolitik, deren Vorbild offensichtlich der Freistaat war, in den Kommunen jetzt vor Problemen steht? Ist dieses Nullum wirklich die Antwort auf Ihr vollmundiges Versprechen aus dem Koalitionsvertrag, das kommunale Wirtschaftsrecht zu ändern, um die Wettbewerbsfähigkeit kommunaler energiewirtschaftlicher Unternehmen wiederherzustellen? Warum haben Sie es nicht vermocht, das FDP-Relikt der gleichwohl sinnlosen wie überbürokratischen Zwangsanhörung der Kammern bei kommunalen Unternehmensgründungen endlich einmal, wie vielfach gewünscht, zu tilgen?
Werte Kolleginnen und Kollegen! Eine Koalition, die die Kommunen gängeln will und wichtige Herausforderungen nicht angeht, die die Bürgerinnen und Bürger nicht besser beteiligen will, ihre Entscheidungsrechte beschränkt und so die kommunale Demokratie leicht aushöhlt, kann auf unseren Widerspruch zählen, aber keineswegs auf unsere Zustimmung hoffen. Deshalb lehnen wir den Gesetzentwurf ab.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde die Gelegenheit nutzen, auf Herrn Lippmann und Herrn Schollbach kurz zu reagieren.
Herr Lippmann, was das Teufelswerk einer Kammeranhörung sein soll, das müssten Sie gelegentlich einmal
erklären. Diese Kammeranhörung dient nur dazu, dass auf Vorschlag der Gemeindeverwaltung bei der Frage einer zukünftigen privatwirtschaftlich zu erbringenden kommunalen Leistung
der Gemeinderat gleichzeitig diese Kammerstellungnahme hinzuzieht, um Pro und Kontra beurteilungsrelevant abzuwägen, aber sie hat keine Verbindlichkeit.
Die Fraktionsfinanzierung, Herr Lippmann, ist originärer Bestandteil der kommunalen Selbstverwaltung. Natürlich ist es richtig, dass wir darüber diskutieren können. Vor allem sollten es aber die Kreistage, die Gemeinderäte und Stadträte tun, was aus ihrer Sicht erforderlich ist. Denn die Sinnlogik des Haushaltsrechts bedeutet, dass jeder Gemeinderat und Kreistag für sich definieren kann, wie hoch die Fraktionsfinanzierung, die Aufwandsentschädigung ist. In Dresden macht man davon regen Gebrauch, meine sehr geehrten Damen und Herren. Deshalb ist es originärer Kern der kommunalen Selbstverwaltung. Dass wir auch darauf hinwirken müssen, dass es eine Angemessenheit gibt, wo sie nicht stattfindet, sei auch legitim. Aber es bedarf einer solchen Konkretisierung an dieser Stelle nicht.
Herr Schollbach, es ist ja gut, dass wir heute darüber reden und nicht erst morgen Nachmittag; denn dann wären Sie nicht anwesend, weil Sie eine Stadt regieren müssen als heimlicher Oberbürgermeister, als der Sie sich gern verstehen.
Ihre Ausführungen waren relativ dünn. Ich werde mich kurz zum Thema Ausschussbesetzung kaprizieren. Ich muss sagen, an dieser Stelle bewahrheitet sich: Gehe nicht auf die LINKEN ein, dann ersparst du dir irgendwelchen Ärger. Wenn man auf Hinweise eingeht, dann versuchen Sie selbstgefällig, sich wieder hinzustellen, als ob Sie das Klugscheißen im Programm hätten. Nein, das stimmt ja nicht, das haben Sie ja.
Zurück zur Vertretungsregelung. Schon in der Begründung des Gesetzentwurfs ist klargestellt, dass es keine personengebundene Vertretung geben soll. Aber der Hinweis ist tatsächlich richtig gewesen, dass man das im Gesetz noch einmal klarstellen kann. Das haben wir getan. Ich verstehe auch die Diskussionsbedürftigkeiten nicht. Wenn Sie vier oder fünf Sitze in einem Ausschuss haben plus die dreifache Anzahl an Vertretern, dann heißt das bei fünf Sitzen plus 15 Stellvertretern, dass sich 20 Leute in die Ausschussvertretung hineinteilen können. Das muss wahrlich irgendwann genug sein, um entsprechend dafür Sorge zu tragen. Es kann auch der Bürger
erwarten, dass der Gemeinderat, der dort sitzt, eine gewisse Ahnung von dem hat, was er in diesem Moment entscheiden soll. Deshalb denke ich, dass diese Regelung weitestgehend ist. Sie konterkariert sich auch nicht an der Stelle der Spiegelbildlichkeit, denn die Spiegelbildlichkeit der Ausschussbesetzung ist an anderer Stelle auch klar geregelt.
Kommen wir zum Kern Ihrer Problemstellung, sowohl zu Ihnen, Herr Lippmann, als auch zu Ihnen, Herr Schollbach. Herrn Lippmann kann man an dieser Stelle noch eine gewisse Sachlichkeit attestieren. Ich muss mich an Ihrer so einzigartigen Art und Weise etwas abarbeiten.
Das Ortschaftsrecht. Ja, Herr Schollbach, möglicherweise liegt es daran, dass ich als Ortsvorsteher der Einäugige unter den Blinden bin, und so kann ich auch Sie gern daran teilhaben lassen, vielleicht etwas von dem zu verstehen, worüber Sie reden. Nein, es bedarf keiner Privilegierung einer Ortschaft, die schon über den Eingemeindestatus das Ortschaftsrecht gesichert hat. Ich gönne es im Kern jedem, wo es sinnvoll ist.
Ich komme zur Sinnhaftigkeit des Ganzen. Es müssen dies nicht die Polizisten Pallas und Hartmann machen. Vielleicht ist ja hilfreich, dass Herr Jurist Schollbach an dieser Stelle nicht nur selbstgefällig meint, davon etwas zu verstehen, sondern sich die Mühe macht, sich auch damit zu beschäftigen.
Kommen wir zum Kern des Themas. Die jetzige Gemeindeordnung sieht das Stadtbezirksrecht als einen ausschließlichen Beirat vor, der zu Vorlagen, die er übertragen bekommt, auch einmal den Mund aufmachen und Hinweise geben kann. Es ist durchaus die Diskussion– und die führen wir – für mehr Subsidiarität in der Gemeinde berechtigt. Deshalb haben wir gesagt: Das Stadtbezirksrecht soll ausgeweitet werden. Nun gibt es in der Koalition – das ist ein offenes Geheimnis – einen gewissen Dissens, wie sinnfällig eine Direktwahl ist oder nicht.
Ich sage hier ganz deutlich, ich weiß noch nicht, ob sie an der Stelle sinnfällig ist. Meine Auffassung ist, sie ist im Kern nicht erforderlich. Aber wir haben die Möglichkeit dafür eröffnet.
Viel wesentlicher ist: Welche Aufgaben hat ein Stadtbezirksbeirat heute, und welche Aufgaben wird ein Stadtbezirksbeirat mit der Neufassung dieses Bereiches bekommen? Das sind im Wesentlichen in Analogie auch die Aufgaben, die einem Ortschaftsrat zustehen, aber abgeleitet von der Entscheidung des Hauptorgans, nämlich des Gemeinderates oder des Stadtrates, über entsprechende Regelungen in der Gemeindeordnung und so er sie nutzt.
Dann, meine sehr geehrten Damen und Herren von den GRÜNEN und LINKEN, sind Sie Ihres Glückes Schmied auch in der Landeshauptstadt Dresden. Nutzen Sie den Aufgabenkatalog, denn er ist umfänglich, und dann haben Sie auch die Möglichkeit, davon Gebrauch zu machen. Im Übrigen müssten Sie dann auch die entsprechenden Regelungen nutzen, nämlich die Finanzausstattung und
Ähnliches zu gewährleisten. Das können Sie einfach nutzen. Das ist eine wesentliche Veränderung, eine wesentliche Stärkung des Stadtbezirks.
Und Sie, Herr Schollbach, stellen Sie sich doch nicht hier hin – wider besseres Wissen – in Ihrer selbstgefälligen Manier, die zum Schluss hier keiner mehr leiden mag; aber vielleicht muss man sich irgendwann noch einen Knochen um den Hals binden, damit die Hunde mit einem spielen.
Das Ortschaftsrecht in der Landeshauptstadt Dresden ist ganz klar auch durch den Gerichtsentscheid und die gerichtliche Beurteilung dahin gehend klargestellt – und das wissen Sie doch ganz genau –, dass die Fragestellung, ob es so einfach eins zu eins möglich ist, das Stadtbezirksrecht durch das Ortschaftsrecht zu überlagern, gar nicht geklärt ist und dass dort erhebliche rechtliche Bedenken vor dem Gericht stehen. Dazu gibt es ein Urteil in der Stadt Dresden, das lohnt sich auch einmal nachzulesen.
Sie haben durchaus nach jetziger Rechtslage die Möglichkeit, das Ortschaftsrecht in Dresden einzuführen. Die Frage ist, ob es so ohne Weiteres möglich ist, einfach zu sagen, der Ortsamtsbereich Pieschen ist jetzt mal die Ortschaft Pieschen, oder ob Sie dann auf die Gebietsstruktur Kaditz, Mickten, Übigau, Trauchau, Trachenberge zurückgreifen. Über diese Frage ist nicht entschieden.
Jetzt komme ich zur Frage der Gebietsdefinition. Das ist der Kern, der auch der Gemeindeordnung innewohnt. Es ist die Frage, dass wir darüber reden, dass gewachsene Gemeindestrukturen im Rahmen von Gebietsänderungen einer Gesamtgemeinde zugeführt werden, und dass es darum geht, diese Gebietsstrukturen auch im Kern zu erhalten.
Nur muss man ihnen nun doch bitte attestieren – an der Stelle waren die Diskussionen in Chemnitz und Leipzig deutlich weiter; in Leipzig ist ja schon entschieden worden, dass man jetzt vom Ortschaftsrecht keinen Gebrauch machen will, da hat man sich bewusst für das Stadtbezirksrecht entschieden –, dass diese Strukturfrage, dieses gewachsene Gebiet mit einer eigenen Identifikation, einer eigenen kommunalen Bindung in der Stadt Dresden – ob in der Neustadt, in Pieschen, in Hellerau oder anderen Bereichen – in der Form gar nicht mehr besteht und dass es durchaus eine Sinnfälligkeit gibt. Mit Blick auf die Entwicklung der kommunalen Räume in der Fläche macht es durchaus Sinn – das war der Grund unserer Anregung; und das ist der Unterschied zwischen uns, Herr Schollbach: Ich denke nicht nur in Dresdner Kategorien. Aber das müssen Sie vielleicht als Fraktionsvorsitzender mit Ihrer politischen Agenda hier in Dresden so tun.
Ich versuche, in die Regionen hineinzudenken. Es gibt eben Gemeinden, die aus sieben, acht ehemaligen Teilgemeinden bestehen mit einer regionalen Trennung durch
Wald, durch Flur, wo es eine entsprechende Ortsidentifikation gibt und die Eingemeindung schon einige Jahre vor der Wende stattgefunden hat; dort einen Prozess zu eröffnen und den Grundsatz hebeln wir doch gar nicht aus. Wir sagen, es bleibt bei der Regelung Mai 1993, aber wir geben denen die Gelegenheit, die jetzt aufgrund der Rechtslage analysieren, ob sie Bedarf haben, ob sie darauf reagieren. Das ist das Zeitfenster bis 2024, weil es – jetzt Entscheidung, Kommunalwahlen, Umsetzung – genau dieses Zeitfensters auch bedarf.
Tun Sie bitte nicht so selbstgefällig – und das als Fraktionsvorsitzender im Stadtrat. Ich will keine Dresdner Stadtpolitik hineinbringen, ich mache es auch kurz. Aber wenn man sich einmal genau anschaut, wie Sie mit Voten von Ortschaftsräten in Dresden umgehen, dann tun Sie doch bitte nicht so, als ob es Ihnen um Demokratie ginge! Dann befleißigen Sie sich doch erst einmal, mit den Voten so umzugehen, dass es ernst zu nehmen ist!
Sie bringen es dann auch nicht einmal fertig, in Haushaltsverhandlungen die entsprechenden Voten zu berücksichtigen, weil Sie nonchalant schier in Ihrer selbstgegebenen Arroganz einfach die geplanten Sitzungen absetzen, dann kurz vor der Stadtratssitzung eine abschließende Sitzung machen und den Haushalt beschließen.
Nutzen Sie doch einfach die Möglichkeiten, die die Gemeindeordnung heute gibt! Nutzen Sie doch die Gremien, die da sind, und nehmen Sie sie ernst! Stärken Sie das Stadtbezirksrecht, indem Sie die Möglichkeiten nutzen, und fühlen Sie sich doch an der Stelle nicht so beleidigt, weil Ihnen in Ihrer Langweiligkeit und Fantasielosigkeit zum Thema Stadtbezirkserweiterungsrechte nichts anderes eingefallen ist als der hilflose Versuch der Adaption des Ortschaftsrechts über die Gesamtgemeinde, ohne Ursache und Wirkung richtig zu verstehen.
Schlussendlich – und damit komme ich zum Schluss –: Die Ortschaftsverfassung ist ein Instrument, das selbstständig gewachsenen Gebietskörperschaften im Zusammenhang mit dem Zusammenwachsen in Gebietsstrukturen die Möglichkeit geben soll, Ortsidentifikation und tradition zu leben.
Das richtige Instrument für große Städte, wo diese Identifikationspunkte durch Lebenswirklichkeit, durch Veränderung der baulichen Strukturen, den Weg- und Zuzug von Bevölkerung, die völlig veränderte Situation von Ehrenamtsstrukturen, von der Frage sozialer Vernetzung ein Steuerungsinstrument zu geben, ist die Stadtbezirksverfassung. Das sieht man auch schon in der Rechtsregelung, nämlich ähnlich große, strukturierte Gebiete mit einer städtebaulichen Bezugsgröße. Geben Sie denen die entsprechenden Stärkungsrechte.