Protocol of the Session on December 13, 2017

Der von den Koalitionsfraktionen geänderte Gesetzentwurf steht nun zur Abstimmung, und natürlich dient die Debatte auch dazu, zu klären, was eigentlich geändert wird. Mein Kollege Volkmar Winkler wird in der zweiten Runde noch einen Überblick aus sozialdemokratischer Sicht geben. Ich möchte mich zunächst auf ein Schwerpunktziel konzentrieren, das Sie bereits im Koalitionsvertrag finden: den Ausbau der Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte in den Kommunen.

(Zuruf des Abg. André Schollbach, DIE LINKE)

Ich habe Ihnen auch zugehört, Herr Schollbach. Jetzt kommen Sie mal wieder runter und seien Sie ein bisschen anständig.

(Beifall bei der SPD)

Dabei mussten wir natürlich die Vielfalt der kommunalpolitischen Realität in Sachsen berücksichtigen, und diese bewegt sich nun einmal zwischen kreisfreien Städten mit parlamentarisierten Stadträten und kleinen Kommunen, in denen die Gemeinderäte überhaupt keine Fraktionen bilden und viel konsensualer arbeiten. Dies reicht von Gemeinden, die aus einer Vielzahl von ehemals selbstständigen Ortsteilen bestehen, bis zu mittleren und großen Städten, deren Gebiet über Jahrzehnte, teilweise über Jahrhunderte überformt wurde, sodass die ehemaligen Orte überhaupt nicht mehr erkennbar oder im Bewusstsein der Bevölkerung sind.

Es geht natürlich auch um einen sinnvollen Ausgleich zwischen den Interessen von Verwaltung und Gemeinderäten, aber auch zwischen lokalen Gremien und der Gesamtgemeinde. All diesen Gemeinden in ihrer Vielfalt mussten wir bei den Vorschlägen gerecht werden. Natürlich ist es dabei nicht leicht, immer Kompromisse zu finden; aber ich empfinde es so, dass wir an den entscheidenden Stellen gute Kompromisse finden konnten.

Wir werden die Mitwirkungs- und Beteiligungsmöglichkeiten auf ganz unterschiedlichen Wegen verbessern. Nur beispielhaft sei die Aufnahme der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in Gemeinde- und Landkreisordnungen erwähnt. Dies stand schon im Koalitionsvertrag, und wir schreiben es jetzt in beide Gesetze hinein. Natürlich gibt es bereits Kommunen, die ganz vorbildlich arbeiten, aber die Änderungen werden landesweit zu mehr Beteiligung von Kindern und Jugendlichen führen.

Mit dem Gesetzentwurf werden auch die Rechte von Gemeinderäten und Fraktionen erweitert, und, mein lieber Herr Schollbach, ich habe eine ganz andere Sicht auf das, was im Innenausschuss passiert ist. Sie haben das hämisch kritisiert und herabgewürdigt, was wir in der Beratung gemacht haben. Sie haben es gering geschätzt;

ich, im Gegenteil, bezeichne es als gelebte parlamentarische Demokratie. Sie haben einen berechtigten Änderungshinweis gebracht. Wir haben ihn als Koalition aufgegriffen und in den Entwurf hineingeschrieben.

Was ist das anderes als gelebte parlamentarische Demokratie?

(Beifall bei der SPD – Zurufe der Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE, und André Schollbach, DIE LINKE)

Ja, warum nicht? – Nun zum Herzstück der Reform der örtlichen Beteiligung in Ortschaften und in Stadtbezirken.

Diese Vorschläge haben die meisten Diskussionen ausgelöst, denn sie werden die Realität der lokalen Beteiligung, in großen wie in kleinen Gemeinden, am nachhaltigsten verändern. Insgesamt – das sage ich aus voller Überzeugung – wird es sich zum Positiven verändern. Bei der Ortschaftsverfassung geht es im Kern um eine Stärkung der Position von Ortschaften gegenüber dem Gemeinderat bzw. der Gesamtgemeinde. Es geht aber auch um eine Rückbesinnung auf den eigentlichen Sinn dieser örtlichen Organisationsform. Ich meine damit die Begleitung von Eingemeindungsprozessen, damit das Hineinwachsen von ehemals selbstständigen Ortsteilen in die aufnehmende Gemeinde erleichtert wird. Das ist aber auch ein endlicher Prozess.

Auch der konkrete Vorschlag mit der Stichtagsregelung hat Diskussionen ausgelöst. Es wird zukünftig Kommunen geben, die in einigen Ortsteilen keine Ortschaftsverfassung einführen können. Deshalb war es uns wichtig, eine sehr komfortable Übergangsfrist zu schaffen, in der alle Gemeinden in Ruhe überlegen können, ob sie die Ortschaftsverfassung einführen oder nicht. Die Frist endet in sieben Jahren, und zwar am 31. Dezember 2024. Somit wird es genügend Gelegenheiten geben, die Diskussion vor Ort in Ruhe zu führen. Mit dieser Regelung schaffen wir auch einen Bestandsschutz für alle dann bestehenden Ortschaften jenseits von Eingemeindungen.

Ein Ausbau der örtlichen Beteiligung sollte aber nur so weit erfolgen, wie die Gesamtgemeinde noch funktionsfähig ist; denn kommt es zu Kleinstaaterei oder unnötiger Verzögerung von dringenden Entwicklungsprozessen durch eine überbordende Beteiligung, kann das schnell kontraproduktiv werden und zusätzlichen Frust auslösen.

Als SPD-Fraktion wollen wir beides ermöglichen: Wir wollen einen Ausbau der Beteiligungsmöglichkeiten vor Ort und die Sicherung der Funktionsfähigkeit der Gesamtgemeinde. Das führt uns zwangsläufig zu der Erkenntnis, dass die Ortschaftsverfassung für die größeren Städte nicht das beste Instrument ist. Das ist nicht neu und auch nicht erst im Zuge der Novelle entstanden. Dafür wollen wir eine starke Ausweitung der Stadtbezirksverfassung als Ziel, was wir bereits im Koalitionsvertrag vereinbart hatten.

Ich halte es auch nicht für eine Lex Dresden, nur weil die Stadt Dresden schon einige Zeit eine Diskussion darüber führt. Sie wissen offensichtlich nicht, dass auch in Leipzig

und in Chemnitz Diskussionen darüber geführt werden und dass es dort sehr wohl einen sehr konstruktiven Diskussionsprozess im Zusammenhang mit der jetzigen Kommunalrechtsnovelle gab.

Wir machen das, wir schaffen für die kreisfreien Städte eine neue Stadtbezirksverfassung. Im Gesetzentwurf stand noch ein größerer Kreis – das ist richtig –, aber letztendlich muss man sich auch den aktuellen Diskussionen stellen und Kompromisse finden, wenn es nicht akzeptiert wird. Das zeigt, wie ernst wir die Perspektive der Kommunen in diesem Prozess nehmen.

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Ich kann mir gut vorstellen, dass perspektivisch auch große kreisangehörige Städte dieses Instrument nutzen können. Das wird aber dann im Zuge zukünftiger Kommunalrechtsnovellen zu klären sein.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Ha!)

Was wird in den Stadtbezirken künftig möglich sein? All das, was sich viele Kommunal- und Lokalpolitiker aus einer der kreisfreien Städte für die örtliche Beteiligung wünschen, wird ermöglicht. Wir werden die Direktwahl der Stadtbezirksbeiräte ermöglichen. Es wird Aufgaben, ähnlich denen der Ortschaften, aber ohne die gesamtstädtische Infrastruktur, für diese Stadtbezirksbeiräte geben. Natürlich werden sie auch das nötige Geld zur Erfüllung ihrer Aufgaben bekommen.

Selbstverständlich haben die Stadträte der kreisfreien Städte das Recht, die Elemente für die Mitwirkung in ihren Stadtbezirken optimal zusammenzustellen. Damit ermöglichen wir weit mehr lokale Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte, ohne die Arbeitsfähigkeit der Gesamtstadt zu gefährden.

Meine Damen und Herren! In den letzten Wochen ist viel über die politische Situation in Sachsen diskutiert worden. Zwei Dinge sind dabei klar geworden: In unseren Kommunen kommen viele gesellschaftliche Probleme als Erstes an, egal, wo die Ursachen liegen. Die Politik des Freistaates Sachsen war in der Vergangenheit zu oft davon geprägt, die Kommunen in ihren Handlungsspielräumen einzuschränken. Das muss sich grundlegend ändern.

Mit Blick auf die Vereinbarung innerhalb der Koalition, welche gestern unterzeichnet wurde, wird sich das auch in Zukunft ändern. Unsere Aufgabe besteht in Zukunft viel stärker darin, die sächsischen Kommunen mit einer neuen gemeinsamen Herangehensweise bei der Lösung dieser Probleme und bei den Zukunftsaufgaben zu unterstützen. Der Beschluss der Kommunalrechtsnovelle am heutigen Tag ist dafür ein wichtiger Schritt.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Die AfD-Fraktion, Herr Abg. Wippel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Wir sprechen jetzt über die Anpassung der sächsischen Kommunalverfassung. Aus unserer Sicht ist festzustellen, dass sie sich grundsätzlich bewährt hat, und die Reform lässt sie auch im Wesentlichen unangetastet. Sie nimmt aber an einer Vielzahl von Stellen überwiegend kleinere Änderungen vor, auf die jetzt alle einzugehen nicht möglich ist. Es ist aber auch nicht nötig. Deshalb beschränke ich mich auf einige für uns sehr wichtige Punkte.

Gut ist aus unserer Sicht, dass Klarheit geschaffen wird, was Ortschaften und was Stadtbezirke sind. Dazu gehört auch die Klarheit, dass kreisfreie Städte zwar eine Stadtbezirksverfassung haben können, nicht aber Stadtbezirke einfach zu Ortschaften erklärt werden können und im gesamten Stadtgebiet die Ortschaftsverfassung quasi eingeführt werden kann. Das ist eine wichtige Klarstellung für die kreisfreien Städte, insbesondere für Dresden.

Der Gesetzentwurf stärkt die Stellung der Ortschaftsräte gegenüber der Einheitsgemeinde. Aus unserer Sicht ist das einer der wichtigsten Punkte. Zugleich begrüßen wir die neu eingeführte Möglichkeit, Stadtbezirksbeiräte wie Ortschaftsräte direkt vom Volk wählen zu lassen sowie ihnen weitgehend – wenn auch nicht vollständig – die gleichen Kompetenzen wie einem Ortschaftsrat einzuräumen. Aber wo Licht ist, ist auch Schatten: Wir halten es für problematisch, dass Gemeinden die Rechnungsprüfung bei Beteiligungsgesellschaften der dritten Beteiligungsstufe mittels Widerspruch gegenüber der örtlichen Prüfungseinrichtung einfach verhindern können. Diese Vorschrift ist geradezu eine Einladung an Gemeinden, Enkelgesellschaften von Unternehmen der Gemeinden zu gründen, um so der Prüfung entgehen zu können.

Der Sachverständige des Sächsischen Rechnungshofes hat sich in der Anhörung folgerichtig klar gegen diese Bestimmung ausgesprochen. Es wäre ein erheblicher Eingriff in die Unabhängigkeit der örtlichen Prüfungseinrichtungen, wenn auf diese Weise plötzlich eine solche Prüfung verhindert werden könnte. Dass von unterschiedlichen Gremien geprüft wurde, müssen Unternehmen aushalten. Wenn es die Aufsichtsräte nicht beauftragen, dann sei eben auch mal eine örtliche Prüfung erforderlich. Unser Änderungsantrag zielt deshalb auch auf die Streichung dieses Passus.

Deutlich besser wäre der Gesetzentwurf gewesen, wenn die Ideen aufgegriffen worden wären, die die AfDFraktion zur Reform der Gemeindeordnung und der Landkreisordnung als Gesetzentwürfe bereits eingebracht hat.

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Die Aufhebung der derzeitigen Regelung, wonach ein Bürgermeister nicht gleichzeitig Bürgermeister einer anderen Gemeinde sein kann, ist weiterhin sinnvoll. Die gleichzeitige Wahrnehmung von mehreren Bürgermeisterämtern in unterschiedlichen Gemeinden hätte ermöglicht werden sollen. Ebenso hätte die Staatsregierung die Idee

unserer Fraktion aufgreifen sollen, dass hauptamtliche Bürgermeister von Gemeinden nicht gleichzeitig Kreisräte eines Kreises werden können, dem sie angehören.

Auch wenn wir als AfD-Fraktion mit unseren diesbezüglichen Gesetzentwürfen in diesem Hohen Haus keine Mehrheit haben, so hätte es der Staatsregierung dennoch gut angestanden, sie aufzugreifen und zum Bestandteil der Reform des Kommunalrechts zu machen. Für die von uns vorgeschlagene Änderung der Landkreisordnung sprechen vor allem gewichtige demokratietheoretische Gründe.

Als gute Demokraten akzeptieren wir aber selbstverständlich, dass dies von der Staatsregierung und der Mehrheit dieses Parlaments offenbar anders gesehen wird, und stimmen Ihrem Gesetzentwurf vorbehaltlich der Annahme unseres Änderungsantrages zu.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Die Fraktion GRÜNE; Herr Lippmann, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Man fragt sich derzeit mit Blick auf die inhaltsleere Absichtserklärung vom Montag, woran man erkennen könnte, dass die SPD in diesem Land überhaupt regiert.

Insoweit sind meine Erwartungen an eine SPD in dieser Koalition generell gering. Allerdings wagte ich bei einem Thema, nämlich bei dem Thema Demokratie, auf eine Partei zu hoffen, die in ihrer rühmlichen Geschichte unter anderem einen Kanzler vorweisen kann, der mit jener Verpflichtung gewordenen Aufforderung in die Geschichte einging, mehr Demokratie zu wagen. Ich wagte daher zu hoffen, dass mit der einzig großen Kommunalrechtsnovelle in dieser Legislaturperiode die Devise lauten würde: mehr Beteiligung, mehr Mitbestimmung und weniger Klein-Klein.

Nur allein mit dem Gesetzentwurf, über den wir heute diskutieren, haben Sie, werte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, die Hoffnung zerstört, dass in diesem Land mit einer schwarz-roten Koalition eine umfassende Demokratisierung der Kommunen eintritt, die gerade jetzt so zwingend notwendig wäre.

Der Gesetzentwurf ist nichts weiter als ein Machwerk visionsloser Technokratie, verbunden mit einem Schlag gegen die so häufig von der CDU gepriesene kommunale Selbstverwaltung.

Neben der notwendigen Behebung von Mängeln des Kommunalrechts und sicherlich sinnvollen Umsetzung aktueller Anpassungsbedarfe bleibt am Ende eine einzige wesentliche Änderung, die durch dieses Gesetz erfolgt, stehen: Sie verhindern die Einführung der Ortschaftsverfassung in den kreisfreien Städten. Mit dieser Lex Dresden soll eine umfassende Demokratisierung der Ortsteile in Zukunft verhindert werden. Sie tun das, nachdem nun mittlerweile selbst die Landesdirektion die Einführung der

Ortschaftsverfassung in Dresden als zulässig erkannt hatte, und Sie tun das vor allem ohne Not, ohne Sinn und ohne Verstand. Diesen Affront gegen die kommunale Demokratie versuchen Sie dann durch einen zahnlosen Tiger aufgewerteter Stadtbezirksbeiräte zu kaschieren.

Haben Sie, werte Kolleginnen und Kollegen der CDU, und Sie, sehr geehrter geschäftsführender Innenminister, so viel Angst vor den demokratischen Strukturen in der Landeshauptstadt, dass Sie einen solch immensen Aufwand betreiben müssen und alles dafür geben, die Ortschaftsverfassung in Dresden verhindern zu können? Haben Sie eigentlich einmal bedacht, dass die kreisfreien Städte vor einer Unzahl neuer Probleme stehen werden? Haben Sie sich eigentlich im Ansatz die komplette Anwendung des zweiten Abschnitts des Kommunalwahlrechts für die Wahl von Stadtbezirksbeiräten mit allen umfassenden Anforderungen und mit großen Hürden, insbesondere für nicht parteilich organisierte Wählervereinigungen, durchdacht?

Und das Ganze wofür? Für nichts. Am Ende bleibt es nämlich bei den derzeitigen Stadtbezirksbeiräten mit marginal mehr Rechten, die zwar zukünftig gewählt werden können, aber kaum wirklich eine Entscheidung treffen können. Sie entwerten so den Wahlakt als eine Delegation von Entscheidungsbefugnissen und erweisen damit schlussendlich auch der Demokratie einen Bärendienst.

Wie ernst Sie es mit der kommunalen Demokratie nehmen, zeigt auch die Anwendung der Stadtbezirksverfassung, anders als im ursprünglichen Vorschlag der Staatsregierung vorgesehen, nur noch auf die kreisfreien Städte und eben nicht auf Kommunen mit mehr als 50 000 Einwohnern. Dass Sie das zurückgedreht haben, haben Sie grandios damit begründet, dass die Bürgermeister der entsprechenden Gemeinden keinen Bedarf dafür sehen würden. Das ist doch grotesk. Aber Sie würden wahrscheinlich als Koalition demnächst auch die Staatsregierung fragen, ob sie ein starkes Parlament für sinnvoll hält. Das scheint der bedauernswerte Anspruch an Gesetze dieser Technokratenkoalition zu sein.