Protocol of the Session on December 13, 2017

(Beifall bei den LINKEN – Jörg Urban, AfD: Richtig!)

Mir ist an dieser Stelle wichtig zu sagen, dass das Überleben von Siemens nicht nur mit den Arbeitsplätzen der Siemensianerinnen und Siemensianer zusammenhängt. Das ist es auch, aber die Putzfrau, die Pension in der Nähe, der Mittelstand, die Kneipen, das Lebensgefühl in der Oberlausitz sind sehr davon geprägt, ob wir die Arbeitsplätze haben.

Und wenn mir jemand sagt, die Politik kann nix machen, dann erinnere ich mich mal an etwas anderes. Seit 27 Jahren erleben wir Niedriglohn, Deindustrialisierung, Leuchtturmpolitik und wie trotzdem Kreativität und Ideenreichtum leben. Ich habe erlebt, dass mein Vater seine „eigene“ Gießerei bei Siemens abreißen musste und kurz nach der Wende aus dem Betrieb – ich sage es mal ganz vorsichtig – eher ausgespuckt als gehen gelassen wurde. Da ist viel zerbrochen und trotzdem hat er immer stolz hinter seiner Produktionsstätte gestanden.

Die Leute haben versucht es wieder aufzubauen und zu einem der innovativsten Unternehmen zu machen. Das haben sie nicht nur für sich getan, das haben sie für die ganze Region getan. Das haben sie getan, damit die Leute, wenn sie an dem Backsteinbau auf der Melanchthonstraße vorbeifahren, sagen können, das ist unser Werk, das haben wir sozusagen geschaffen durch alle geschichtlichen Zeiträume hindurch.

Und nun kommt die Unternehmensspitze und sagt, wir machen das einfach mal dicht. Dann sagen viele, die Politik kann nichts machen. Ich sage, doch – sie kann. Erinnern Sie sich an solche Kapitel wie die Bankenrettung? In der Nacht haben wir Millionen in Bewegung gesetzt.

(Zuruf von den LINKEN: Milliarden!)

Wir haben die Commerzbank teilverstaatlicht und andere Dinge getan. Wir haben als Politik reagieren können. Ich erwarte, wenn es um die Millionen geht, die Aktionäre bekommen, wenn es um die Millionen von Banken und Boni geht, dass jetzt mit der gleichen Energie die Arbeits

plätze bei Siemens gerettet werden, mit der gleichen Energie und dem gleichen Engagement wie SiemensArbeiter, die diese Werte überhaupt erst geschaffen haben. Ich erwarte, dass jetzt ihre Produktionsstätte für die Oberlausitz und das Land gesichert wird und wir ganz klar sagen, das Problem mag hier zwar Kapitalismus heißen, aber in erster Linie haben wir sicherzustellen, dass Aktiengewinne hier nicht vor Menschen gehen.

(Beifall bei den LINKEN)

Herr Schultze sprach gerade für die Linksfraktion. Jetzt ist die AfD-Fraktion an der Reihe. Herr Kollege Wippel, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Es ist mir wichtig, dass ich als Görlitzer Landtagsabgeordneter in dieser Debatte sprechen kann. Ich stelle mir in den Tagen vor, wie ein Familienvater mit seinen zwei Kindern und seiner Frau am Abendbrottisch sitzt und grübelt. Er fragt sich: Was wird aus mir? Da ist gar nicht der Punkt, ob er als Ingenieur oder als Zerspanungsmechaniker bei Siemens arbeitet. Er wird sich fragen: Was wird aus mir nach 2023? Werde ich entlassen oder muss ich genauso wie viele andere, die aus der Oberlausitz oder aus Niederschlesien sich andere Arbeit suchen mussten, vielleicht auch in den Westen pendeln und mich Sonntagabend auf überfüllte Autobahnen schmeißen?

Er wird sich fragen: Was habe ich falsch gemacht? Ich arbeite in einem Werk und wir bauen hochinnovative Produkte, mit denen wir teilweise Weltmarktführer sind. Wir haben uns im Team zusammengefunden und haben alle Forderungen des Konzerns, der Sparte PG bei Siemens erfüllt. Und er fragt sich: Was habe ich falsch gemacht. Was muss ich anders machen? Wie wird es weitergehen? Werde ich mein Haus abbezahlen können? Seine Frau arbeitet vielleicht bei einem Discounter an der Kasse und er weiß, es wird nicht reichen. Müssen die Kinder die Schule wechseln?

Das alles sind wichtige Fragen, die sich die Leute letzten Endes stellen. Und nicht nur unserem Familienvater geht es so, sondern diese Frage werden sich um die 920 Mitarbeiter stellen und auch etliche Leute in Zulieferbetrieben. Auch wenn Sie nicht gleich pleitegehen, so werden sie doch ihr Personal anpassen müssen.

Meine Damen und Herren! Wir stehen als AfD für soziale Marktwirtschaft. Im Zuge der Marktwirtschaft ist es auch legitim, dass Konzerne Milliardengewinne machen, von mir aus auch 6,2 Milliarden, wie es Siemens gemacht hat. Das spricht dafür, dass der Konzern wirklich etwas draufhat.

Aber: Wir müssen auch das Soziale einfordern, das Soziale gegenüber den Arbeitern und das Soziale gegenüber einer ganzen Region; denn Eigentum verpflichtet.

(Christian Piwarz, CDU: Warum hat das Herr Urban vorhin nicht gesagt?)

Herr Urban hat das ähnlich gesagt, aber Sie können gern eine Zwischenfrage stellen.

(Christian Piwarz, CDU: Reden Sie eigentlich noch miteinander in der Fraktion?)

Wir reden heute über Siemens in Görlitz und über Siemens in Leipzig, über die ostdeutschen Werke.

(Christian Piwarz, CDU: Hätten Sie doch zuerst gesprochen, es wäre besser gewesen!)

Es könnte auch eine Verlagerung der Produktion in Richtung Indien oder Tschechien geben und vielleicht auch eines Teils nach Mülheim.

Eines sage ich aber auch: Diejenigen, die sich jetzt in Mülheim freuen, dass sie die Produktion von Görlitz überstellt bekommen, damit die Defizite ausgeglichen werden können, die entstanden sind – wegen Ihrer falschen Politik, das hat Herr Urban nämlich gesagt –, werden vielleicht auch nicht unbedingt ewig lachen; denn irgendwann wird die Karawane weiterziehen. Die Karawane wird weiterziehen in Richtung Tschechien. Die sind nämlich auch nicht doof. Die schlafen nicht auf dem Baum. Die werden in Zukunft auch besser produzieren, oder es wird nach Indien weitergehen. Dann haben wir die gleichen Diskussionen in Deutschland noch einmal.

Meine Damen und Herren! Ich sehe, wie meine Heimat ein Stück weit industriell vor die Hunde geht. Das möchte ich nicht. Ich sehe, wie sich die LEAG Gedanken darüber macht, wie die Zukunft aussehen wird, wenn wir jetzt auch noch aus der Braunkohle aussteigen und alles zumachen. Ich sehe, wie Bombardier wackelt. Ich sehe, wie Siemens wackelt. Ich sehe, wie durch die RusslandSanktionen von CDU und SPD – und von Ihnen allen, von den LINKEN und von den GRÜNEN auch mitgetragen –,

(Widerspruch bei den LINKEN – Luise Neuhaus-Wartenberg, DIE LINKE: Hallo! – Zuruf des Abg. Nico Brünler, DIE LINKE)

wie durch diese falsche Politik letzten Endes auch die Gewinne und die Margen bei anderen Unternehmen in der Region einbrechen.

Machen Sie Schluss mit dieser Politik! Machen Sie Schluss mit dieser Deindustrialisierungspolitik! Wir sind als Deutschland Industriestandort. Wir müssen innovativ sein können.

Sorgen wir als Politik dafür, dass die Rahmenbedingungen dafür da sind, dass endlich diese B 178n, dieses Trauerspiel aus dem SPD-Ministerium, fertig gebaut wird. Sorgen wir dafür, dass Görlitz endlich wieder in die Mitte Europas kommt, damit wir auch schnelle Zugverbindungen zwischen Dresden und Breslau haben. Sorgen wir dafür, dass wir auch schnelle Verbindungen nach Berlin haben. Das ist alles Zeit, die wir in der Form heute gar nicht haben. Wir waren vor 100 Jahren schneller gewesen.

Das ist nicht unbedingt eine Auszeichnung für Ihre Politik. Das muss sich ändern.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Herr Wippel sprach für die AfD-Fraktion. Jetzt kommt für die Fraktion GRÜNE erneut Herr Dr. Lippold zu Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Noch ein paar Worte zu Siemens und zur deutschen Energiewende, Herr Urban.

Siemens agiert als Weltkonzern in einer globalen Energiewende. Allein in den Schwellenländern wurde im Jahr 2016 etwa dreimal so viel Umsatz gemacht wie in Deutschland.

Die Energiewelt geht durch eine Transformation, weil Sonne und Wind mittlerweile an vielen Stellen der Welt die mit Abstand kostengünstigsten Energiequellen geworden sind. So geht es für Siemens etwa im Dampfturbinengeschäft eben nicht um die deutsche Kohleausstiegsdebatte.

Der Siemens-Geschäftsbericht benennt die anhaltende Verschiebung von Kohle zu Gas in den USA und den Rückgang der Nachfrage nach Kohlekraftwerkstechnik in China als maßgebliche Einflüsse.

Das Riesenschiff Siemens setzt sich spät in Fahrt, um das global längst gestartete Rennen aufzunehmen, wer als Erster das Neuland erreicht und für sich nutzbar macht.

Derweil allerdings dümpelt der Kahn der Staatsregierung noch immer im Hafen. Der Ausguck ist nicht besetzt. Der Käpt‘n schaut in die falsche Richtung und die Mannschaft putzt die goldene Glocke. Guten Morgen deshalb auch an die Damen und Herren von der Koalition. Willkommen im 21. Jahrhundert!

Wenn wir alle miteinander nicht ganz schnell die Kurve in die neue Energiewelt kriegen, dann wird es Sachsen künftig Standorte, dann Wahlen und dann weitere Standorte kosten.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Kollege?

Ich bin gerade fertig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das war Kollege Dr. Lippold. Er beendete mit seinem Redebeitrag die zweite Runde. Wollen wir jetzt eine dritte Runde eröffnen zu dieser ersten Aktuellen Debatte?

(Sebastian Wippel, AfD, meldet sich zu Wort.)

Es gibt noch Redebedarf aus einer Fraktion,

(Nico Brünler, DIE LINKE, meldet sich zu Wort.)

aber auch aus anderen Fraktionen. Also gehen wir es gleich durch: CDU-Fraktion, dritte Runde? – SPDFraktion? – Aber Kollege Brünler für die Fraktion DIE LINKE.

Ja, sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin nun doch noch einmal verleitet, hier für eine dritte Runde an das Podium zu gehen.

Wir haben in der Debatte sehr viel über soziale Marktwirtschaft und die soziale Verantwortung von Unternehmen gehört.

Herr Kollege Baum, ich glaube, Sie waren es, der vorhin gesagt hat, es rege Sie auf, was Herr Prof. Ragnitz vom Ifo-Institut zur Zukunft von bestimmten Regionen in Sachsen erzählt habe.

Es hat mich auch persönlich ein Stück weit aufgeregt, was Prof. Ragnitz vor wenigen Tagen in einer MDR-Talkshow genau zu dem Problem Siemens gesagt hat. Wenn man es sich aber einmal ganz genau und ganz nüchtern überlegt – dazu muss man kein Freund von Prof. Ragnitz sein –, dann hat er schlichtweg beschrieben, wie Kapitalismus funktioniert. Er hat schlichtweg darauf hingewiesen, wie kapitalistische Unternehmen arbeiten, wie sie funktionieren.