Wir leben in einer Zeit, in der viele Lebensprozesse, so auch die Strafverfahren, von der analogen zur digitalen Bearbeitung mutieren. Das ist Fakt. Die Vorbereitung der an den Rechtsprozessen, Rechtsakten und Rechtsverfolgungsmaßnahmen Beteiligten darauf ist aber höchst unterschiedlich. Sie steckt in weiten Teilen noch in den Kinderschuhen.
Ich habe am Montag einen mir bekannten hoch versierten, langjährigen Strafrichter gefragt – vorher war er Staatsanwalt im Bereich der organisierten Kriminalität –, wie er die Einrichtung des GKDZ sieht. Er kannte den Begriff noch nicht einmal und wusste gar nicht, dass das auf dem Wege ist!
Bei ihm war nichts angekommen von der laufenden Errichtung dieses Gemeinsamen Kompetenz- und Dienstleistungszentrums der Polizeien von fünf verschiedenen Bundesländern als Einrichtung einer rechtsfähigen Anstalt öffentlichen Rechts, die künftig der Erstwahrnehmer von Sachverhalten ist, die in dieser oder jener Form im laufenden Strafverfahren von ausschlaggebender Bedeutung werden könnten.
Es geht hier um nicht weniger und nicht mehr, als dass die Erstwahrnehmung für alle Beteiligten des Verfahrens nachvollziehbar sein muss. Die Sorge ist höchst berechtigt, dass Endverbraucher in Gestalt erkennender Richter, in Gestalt des verfahrensführenden Staatsanwaltes und insbesondere des mitwirkenden Strafverteidigers, ganz zu schweigen von ehrenamtlichen Richtern, künftig vom eigentlichen Erkenntnisweg, den sie selbst und persönlich nachverfolgen können – was jedes rechtsstaatliche Strafverfahren ziert –, einfach abgeschnitten sind.
Noch einmal: Selbst spezialisierte Strafrichter wissen nichts von der Einrichtung dieses GKDZ. Aber Richter, Staatsanwälte und Strafverteidiger haben alle den Anspruch, die Beweisführung unmittelbar nachzuvollziehen. Es geht nicht an, dass sie in Zukunft den Entstehungspro
zess der Daten, die zur Annahme einer Gefahrensituation oder einer Straftat, zur Anklage und Verurteilung führen können, nicht mehr lückenlos, unberührt und unbereinigt zur Verfügung haben.
Würden Sie mir zunächst einmal recht geben, dass die bloße Feststellung, dass ein bestimmter Personenkreis im Freistaat Sachsen oder aus anderen Bundesländern noch nichts von dem GKDZ gehört hat, erst einmal noch keine qualitative Aussage über Selbiges ist?
Weiterhin würde ich Sie bitten, mir doch einmal zu beschreiben, wie Ihrer Meinung nach jetzt der Erkenntnisweg ist. An welcher Stelle werden in der polizeilichen Organisation bei der Kriminalpolizei die Erkenntnisse über Kommunikationsinhalte, also die Gegenstände der TKÜ, zum ersten Mal wahrgenommen? Ist das die TKÜStelle, also der technische Dienstleister, oder aber der Sachbearbeiter, bei dem es ausgeleitet wird, der zum ersten Mal einen Überwachungsinhalt zur Kenntnis nimmt?
Noch einmal: Wir gehen zur digitalen Bearbeitung der Verfahren über. Diejenigen, die das dann tun müssen, sind Richter, sind Staatsanwälte, sind Rechtsanwälte.
Sie reden immer nur von der polizeilichen Seite, Herr Staatsminister. Hier geht es um knallharte Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit im Strafverfahren. Wir gehen zu dem neuen Verfahren über und müssen natürlich diejenigen, die damit unmittelbar beruflich befasst sein werden, mitnehmen. Wir müssen sie doch wenigstens einmal befragt haben, wie sie es sehen, wie das passt und wie das geht. Wenn sie noch nicht einmal davon wissen, dass wir auf dem Weg sind, dann halte ich das bei der Arbeit als Gesetzgeber für nicht verantwortlich.
(Beifall bei den LINKEN – Staatsminister Markus Ulbig: Das war nicht die Frage, die er jetzt hatte!)
Doch, es war die Frage, ob es Bedeutung hat oder nicht, ob es jemand kennt oder nicht. Das war die Frage.
(Martin Modschiedler, CDU: Sind wir jetzt die erste Gewalt oder nicht? – Zuruf der Abg. Cornelia Falken, DIE LINKE)
(Martin Modschiedler, CDU: Wo ist denn Ihre Ausschusssitzung? Das fällt Ihnen jetzt ein, Herr Bartl! – Zuruf des Abg. Albrecht Pallas, SPD)
Das habe ich in der Anhörung gesagt. Da waren Sie nicht da, Herr Modschiedler. Ich war zur Anhörung, doch Sie nicht. Da konnten Sie es ja nicht hören.
Ich habe genau das gefragt: wie die Verteidiger und Staatsanwälte mitgenommen werden, wo das gesichert und im Gesetz eingebaut ist. Genau das war meine Frage in der Expertenanhörung.
(Mario Pecher, SPD: Die ist beantwortet worden, ich war nämlich auch da! – Heiterkeit bei den LINKEN)
Was? – Das Zweite, Herr Kollege Pallas: Ich weiß ja nun, wie das geht, wenn ich Akteneinsicht beantrage und die Akte bekomme, was ich da sehe. Da ist es eben nicht so, wie es künftig sein wird. Jetzt ist es ja so: Ich bekomme mit der Akte die Anzeige, die Einleitungsverfügung – was es auch immer ist –, und dann bekomme ich im Grunde genommen entweder in der Akte selbst oder in einer Beiakte, der Beweismittelakte, exakt die TKÜProtokolle von Beginn an, –
Moment! – und zwar in der Form, wie derjenige, der die Tatsachen, die Verdachtsmomente aufgenommen hat, sie wahrgenommen hat.
Der Bearbeiter, und in Zukunft ist das eben nicht mehr der Bearbeiter. Der Provider schickt in Zukunft eine Unmenge von Rohdaten, und es wird nie angehen, dass das GKDZ alle Rohdaten nur eins zu eins ländersortiert weiterleitet. Was wäre dann der Wert dieses Geschäfts?
Was ist der Wert dieses Geschäfts, wenn sie die Rohdaten ungefiltert weiterleiten? Man leitet einen unheimlichen Berg von Rohdaten einfach weiter an die jeweiligen Landeskriminalämter. Wo liegt da ein Wert?
Das GKDZ wird bereits filtern, wenn es Sinn machen soll, und es gibt verarbeitungsfähige Daten an den Bearbeiter beim LKA oder an Analysten weiter, die dann davon ausgehen; und genau dort liegt das Problem: Ich habe keine unberührten Daten mehr, sondern bereits vorgefilterte.
Wenn Sie zum Beispiel im Zuge der Gefahrenabwehr die Daten gewinnen, die Sie später für das Verfahren brauchen, liegt doch keine Anordnung des Richters vor.
Das ist überhaupt nicht lächerlich. Deshalb ist der Gesetzgeber gefordert. Ich bin jetzt fertig mit der Beantwortung der Frage.
Deshalb ist der Gesetzgeber gefordert, die mit der Digitalisierung des Strafverfahrens im Bereich des GKDZ eintretenden Veränderungen rechtsstaatlich so auszugestalten, dass nicht nur die Voraussetzungen für das technische Funktionieren geschaffen werden, sondern gewährleistet wird – es geht nicht nur um das technische Funktionieren –, dass die Verfahrensbeteiligten ihre verfassungsmäßige Rolle in diesem sensiblen Bereich der Informationsverarbeitung beweiserheblicher Daten
Wenn Sie mir erklären, Kollege Pallas, dass uns auf die Frage, wie der Staatsanwalt, der Verteidiger bei dem Verfahren mitgenommen wird, in der Anhörung eine Auskunft gegeben worden ist, dann, sage ich, ist das keine ehrliche Auskunft zu diesem Teil. Wir wissen es nicht – umso mehr, als wir in Sachsen reichlich gesegnet – falsch, reichlich geplagt – sind mit Präzedenzfällen fatal unsensiblen Umgangs mit Telekommunikationsüberwachung, Stichworte: „Handygate“ im Februar 2011 im Zusammenhang mit einem der größten Naziaufmärsche in der Landeshauptstadt Dresden, Ausforschung von Handys im Fall Pfarrer König oder, ganz aktuell, die massenhafte Überwachung von Mobilfunkgeräten im Kontext mit Ermittlungen wegen vermeintlicher Bildung einer kriminellen Vereinigung im Umfeld des Fanprojekts Chemie Leipzig mit direkter Betroffenheit von Abgeordneten, Journalisten, Rechtsanwälten usw.
Angesichts dieser Datenausforschungsskandale, die wir schon haben, erwarten wir, dass wir nicht fix und fertig einen bereits vom Innenminister unterzeichneten Vertrag vorgelegt bekommen und diesen dann einfach so, wie er ist, akzeptieren müssen,
sondern wir erwarten schon, dass wir die Chance haben, in diesen wesentlichen Bereichen der Grundrechtswahrung mitzuentscheiden und Einfluss zu nehmen.
Noch einmal: Die Überwachung des im Raum gesprochenen Wortes, die Aufzeichnung und Mitzeichnung sowie die Übertragung von Telefonaten an Dritte wird bei dieser TKÜ-Anlage neuer Generation täglich der Fall sein, und die rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts GKDZ muss mit Sicherheit so funktionieren, dass die Verfah