Protocol of the Session on November 15, 2017

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich bin durch.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Zu spät, Klaus! Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben!)

Für die Fraktion DIE LINKE Herr Abg. Brünler. – Eine Kurzintervention? – Herr Brünler, Sie können trotzdem nach vorn kommen.

Vielen Dank, Frau Präsidentin, dann nehme ich eine Kurzintervention vor. Herr Heidan, wenn Sie solche Beispiele wie die Dehoga heranziehen, dann ist Ihnen anscheinend überhaupt nicht bekannt, dass es seit 2006 einen Rahmentarifvertrag mit der Dehoga Sachsen gibt, der auf § 7 des Arbeitszeitgesetzes fußt. Genau das ist die Ausnahmeregelung für bestimmte Branchen, andere Arbeitszeiten vereinbaren zu können.

Meine Kritik ist, dass Sie immer wieder vortragen, wir müssten dort etwas ändern. Ändern Sie doch etwas bei den Mitgliedern der Dehoga, dass sie endlich einen Tarifvertrag mit der Gewerkschaft NGG abschließen. Das ist alles geregelt.

(Beifall bei den LINKEN – Frank Heidan, CDU: Das verbessert die Situation nicht!)

Herr Heidan, wollen Sie darauf antworten?

(Frank Heidan, CDU: Nein!)

Dann bitte, Herr Brünler.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! „Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung und Ergänzung des Rechts der Industrie- und Handelskammern im Freistaat Sachsen sowie weiterer Wirtschaftsgesetze“ – ein langer und sperriger Titel. Kollege Heidan hat es bereits erwähnt und offenkundig inzwischen auch erkannt, worum es eigentlich geht; denn ähnlich lang und sperrig war damals auch der Umgang mit dem Gesetzesvorhaben im Wirtschaftsausschuss. Es wurde auf Wunsch der CDU abgesetzt und neu auf die Tagesordnung gesetzt. Es gab wiederholte Auszeiten.

Dabei ist es doch eigentlich ganz einfach: Mit diesem Gesetzentwurf wird sächsisches Landesrecht dort, wo es unsauber war, an aktuelle, höchstrichterliche Urteile bzw. an Bundesrecht angepasst und in Teilen erst rechtskonform gemacht. Das mag nicht jedem gefallen, zumal, wenn man dabei erwischt wurde, in der Vergangenheit schlecht gearbeitet und gesetzliche Regelungen erlassen zu haben, die von vornherein nicht rechtmäßig waren und die Kompetenzen des Freistaates überstiegen haben – so geschehen bei dem hier auch betroffenen und von der CDU mit ihrem damaligen Koalitionspartner FDP beschlossenen Ladenöffnungsgesetz.

Lassen Sie mich auf diesen speziellen Punkt – denn hier liegt der offenkundige Knackpunkt im vorliegenden Änderungsgesetz – etwas genauer eingehen. Nun haben die Länder grundsätzlich einen Gestaltungsspielraum in der Ausgestaltung der Regelungen zum Ladenschluss. So weit, so gut. Was jedoch nicht geht: Sie können bei einer angestrebten Liberalisierung der Öffnungszeiten nicht gleichzeitig – gewissermaßen im Vorbeigehen und durch die Hintertür – in die Arbeitszeitregelungen eingreifen und Vorschriften zum Schutz der Beschäftigten schreiben.

Hier gilt Bundesrecht – zum Glück, muss man in diesem Punkt sagen. Es gibt klare Grenzen. Sie können nicht den Freistellungsanspruch für mindestens einen arbeitsfreien Samstag pro Monat übergehen. Sie können nicht nach Belieben die Maximalbeschäftigung an 22 Sonn- und Feiertagen pro Jahr erweitern, und Sie können nicht die reguläre Arbeitszeit an Sonn- und Feiertagen beliebig über acht Stunden hinaus ausdehnen oder den Freistellungsanspruch nach Sonntagsarbeit einkassieren.

Ich kann mich noch erinnern, dass die Koalition kurz vor der Bundestagswahl eine Aktuelle Debatte beantragt hatte, in der es um die segensreiche Wirkung der sächsischen Wirtschaftspolitik auch für Familien und Kinder gehen sollte. – Wir haben hier ein Paradebeispiel, wie

CDU-Politik für das Gegenteil gesorgt hat. Die von höchstrichterlicher Stelle angemahnte Korrektur ist im Interesse der Beschäftigten und ihrer Familien überfällig. Die einzige Kritik, die wir an diesem Punkt haben, ist, dass es über 30 Monate dauerte, bis die Staatsregierung die Kraft fand, den offenkundig vorliegenden Rechtsbruch korrigieren zu wollen. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits im Januar 2015 klar gesagt, was hier geht und was nicht.

Wir stimmen der im Gesetzesvorbehalt getroffenen Einschätzung zu, dass es zu der hier vorgesehenen Regelung keine Alternative gibt, und lassen Sie mich auch sagen: Wir stimmen im Interesse der Beschäftigten gern zu.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Für die SPDFraktion Herr Homann, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Durch das heute vorliegende Artikelgesetz werden drei Gesetze geändert: das IHK-Gesetz, das Sächsische Gaststättengesetz und schließlich das Sächsische Ladenöffnungsgesetz.

Mit dem von der Staatsregierung eingebrachten Gesetzentwurf stellen wir Rechtssicherheit und Rechtsklarheit her; denn das nun zur Abstimmung stehende Paket dient der Anpassung der sächsischen Landesgesetze an die aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung im Bund. Es ist deshalb weniger eine politische als vielmehr eine handwerkliche Anpassung an das Geltende.

Ich möchte dies an Artikel 10 Abs. 2 des Sächsischen Ladenöffnungsgesetzes verdeutlichen. Darin geht es um die Beschäftigungszeiten für Verkaufsstellenpersonal. Durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Januar 2015 wurde nun klargestellt, dass die Regelungen und die Ausnahmen, die wir im Sächsischen Ladenschlussgesetz geregelt haben, nicht gelten dürfen, da wir in Sachsen keine eigene Regelungskompetenz haben. Demzufolge muss das Sächsische Ladenöffnungsgesetz angepasst werden. Dies geschieht mit dem vorliegenden Entwurf, der nun auch auf die entsprechenden Bundesgesetze und die dort getroffenen Regelungen verweist. Wenn wir heute dieses Gesetzespaket nicht beschließen, würde die Verfassungsmäßigkeit des Sächsischen Ladenöffnungsgesetzes infrage gestellt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im persönlichen Gespräch mit Vertreterinnen und Vertretern der Wirtschaft, aber auch der Kommunen haben wir gehört, dass gerade bei den verkaufsoffenen Sonntagen Rechtssicherheit ein großes Anliegen ist. Das Sächsische Ladenöffnungsgesetz leistet hier das Seine: vier verkaufsoffene Sonntage, die die Kommunen – begründet – durchführen können – vier verkaufsoffene Sonntage, nicht mehr und nicht weniger.

Trotzdem kommt es vor Ort immer wieder zu Klagen. Dies können wir als Land nicht komplett ausschließen, denn es liegt an den Kommunen, die vier verkaufsoffenen Sonntage zu begründen. Wir als Land können aber die Kommunen dabei unterstützen, ihre Spielräume rechtssicher zu nutzen.

Um diesem Problem Rechnung zu tragen, haben wir im Wirtschaftsausschuss vereinbart, dass das sächsische Wirtschaftsministerium in Zusammenarbeit mit den Industrie- und Handelskammern eine Handreichung erstellen wird, die den Kommunen die rechtmäßige Anwendung der Gesetze erleichtern soll. Dies hat der Wirtschaftsausschuss – im Übrigen in einem einstimmigen Beschluss – auch in seiner Protokollnotiz so fertiggestellt. Ich möchte dem Wirtschaftsministerium und den zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr herzlich danken, dass wir das in einem schnellen, zeitnahen Verfahren hinbekommen, damit die Kommunen an dieser Stelle auch unsere Unterstützung bekommen.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das vorliegende Gesetzespaket ist eine Anpassung der sächsischen Gesetze an die Rechtsprechung des Bundes. Für jene, die beim Thema Ladenöffnung politisch diskutieren, ist es sicherlich der falsche Anlass. Ich kann Ihnen versichern: Wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten würden einer Liberalisierung des Ladenöffnungsgesetzes nicht zustimmen. Wir schützen den Arbeitsschutz, und wir verhindern, dass durch zu viele unregelmäßige und außergewöhnliche Arbeitszeiten die Gesundheit oder das Familienleben der Beschäftigten beeinträchtigt werden. Darauf können sich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land verlassen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Und die AfDFraktion, Herr Abg. Beger.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ein echter Fortschritt, heute zur Kenntnis nehmen zu können, dass die Koalitionsparteien keine erneuten Beratungszeiten für die Abstimmung über einen Gesetzentwurf, der sich bereits seit mehreren Monaten im Geschäftsgang befindet, in Anspruch nehmen mussten. Chapeau kann man da nur sagen, wenn wir an die letzte Ausschusssitzung denken.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Staatsregierung wird höchstrichterliche Rechtsprechung in Gesetzesform gegossen; nicht mehr und nicht weniger. Insoweit werden wir dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen. Über die Kritikpunkte der IHK, insbesondere am neuen § 10 Nr. 5 b des Sächsischen Ladenöffnungsgesetzes und der damit verbundenen Wettbewerbsverschärfung, werden wir in Zukunft noch debattieren müssen. Mit Wettbewerbsverschärfung meine ich, dass bisher Arbeitnehmer an Verkaufsstellen in Kur- in Erholungsorten an 37 Sonn-

und Feiertagen grundsätzlich acht Stunden beschäftigt werden durften. Mit der Neuregelung ist diese Tätigkeit aber nur noch an 22 Sonn- und Feiertagen im Jahr zu je vier Stunden möglich.

Diese gesetzlich verankerten Verschärfungen beruhen allerdings auf bundesgesetzlichen Vorschriften, wie dem Ladenschlussgesetz. Deshalb werden wir als Landesgesetzgeber hier nur einen sekundären Gestaltungsspielraum haben.

Trotzdem stellen sich zwei Fragen: Erstens. Ist eine analoge Anwendung des § 15 des Arbeitszeitgesetzes oder die Übertragung seines Rechtsgedankens auf die neue Vorschrift bzw. dessen Verweisung im Ladenschlussgesetz anwendbar? Dann könnten die Betreiber von Verkaufsstellen in Kur- und Erholungsorten zumindest auf Antrag eine Genehmigung für weitere Öffnungszeiten einholen.

Der § 1 des Arbeitszeitgesetzes sieht vor, dass nach Abs. 1 die Aufsichtsbehörde einen von den §§ 3, 6 Abs. 2 und § 11 Abs. 2 abweichende längere tägliche Arbeitszeit bewilligen kann. Abs. 2 sieht vor, dass die Aufsichtsbehörde über die in diesem Gesetz vorgesehenen Ausnahmen hinaus weitergehende Ausnahmen zulassen kann, soweit sie im öffentlichen Interesse dringend nötig werden.

Zweitens. Hätten wir dieselbe Gesetzeslage, wenn nicht kleine Verkaufsstellen, sondern ein oder zwei DaxKonzerne von den Regeln betroffen wären? Entsprechende Diskussionen darüber möchten wir dann an passender Stelle und nicht hier und nicht heute führen.

Zusammenfassend stimmen wir dem Gesetzentwurf zu, aber nicht, weil das Gesetz so gut ist, sondern weil wir für Rechtssicherheit sind.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Und Herr Dr. Lippold für die GRÜNEN, bitte.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden vor allem Anpassungen des sächsischen Landesrechtes an die aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung vorgenommen. Das betrifft neben den Rahmenbedingungen für die Industrie- und Handelskammern auch das Gesetz über die Gaststätten im Freistaat Sachsen sowie das Gesetz über die Ladenöffnungszeiten im Freistaat Sachsen.

Die Ladenöffnungszeiten waren es dann wohl auch, die im Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr zunächst zu einer Vertagung der Beschlussempfehlung geführt haben, obwohl es lediglich um die Umsetzung eines Verfassungsgerichtsurteils geht. Auch in Sachsen, meine Damen und Herren, darf der Landesgesetzgeber verbindliche Regelungen im Bundesarbeitszeitgesetz und im Bundesladenschlussgesetz nicht unterlaufen. Abweichun

gen von den gesetzlichen Vorgaben sind und bleiben nur dann erlaubt, wenn sie zugunsten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erfolgen.

Ein gesondert erwähnenswerter Punkt im Gesetzentwurf – damit will ich einen anderen Schwerpunkt herausgreifen als meine Vorredner – ist, dass künftig dem Landesrechnungshof ein Prüfrecht hinsichtlich der Industrie- und Handelskammern eingeräumt wird. Das hätte schon lange so sein müssen, denn die Industrie- und Handelskammern sind in Deutschland eine berufständige Körperschaft öffentlichen Rechts.

Der vorliegende Gesetzentwurf kann ein kleiner, erster Schritt sein, um auch in den Industrie- und Handelskammern ein wenig mehr von der Transparenz und infolge auch von der Dienstleistungsorientierung und der demokratischen Kultur auszulösen, die zu einer Interessenvertretung für die überwiegend kleine und mittelständische Wirtschaft in den großen Transformationsprozessen unserer Zeit gehören muss.

Dabei gibt es schon offene Fragen. Das beginnt mit der Hinterfragung der Pflichtmitgliedschaft. Wenn selbst solche Unternehmen nicht austreten können, denen die IHK beispielsweise mit Angeboten unmittelbar Wettbewerb macht, so ist das schwer zu verstehen.

Das Bundesverwaltungsgericht kommt zu der Schlussfolgerung, dass Zwangsverbände nur zulässig sind, wenn sie öffentlichen Aufgaben dienen und ihre Errichtung, gemessen an diesen Aufgaben, verhältnismäßig ist. Es kommt nun offenbar darauf an, genau diese Verhältnismäßigkeit immer wieder zu prüfen.

Dem Recht des Landesrechnungshofes zur Prüfung müssen weitere Schritte folgen. So zum Beispiel auch Transparenz bei den unter anderem aus Pflichtbeiträgen bezahlten Geschäftsführergehältern auf der Grundlage des lange versprochenen Informationsfreiheitsgesetzes. Wenn die Koalition das nicht hinbekommt, dann empfehle ich unser grünes Transparenzgesetz, das liegt bereits auf dem Tisch.

Nach dem ersten Schritt im vorliegenden Gesetzentwurf bedarf es sicherlich weiterer Reformen, denn durch Zwangsmitgliedschaft und Gebietsschutz werden Elemente ausgehebelt, die für ein effizientes wirtschaftliches Handeln und für eine effiziente Interessenvertretung unverzichtbar sind – das Wettbewerbselement – und deutliche Abhängigkeit des eigenen Erfolgs von der tatsächlichen Leistung.