Ein Stichwort – Frau Raether-Lordieck hat es gesagt –: Das Justizministerium soll prüfen, ob die Justizbehörden für LSBTIQ-Themen sensibilisiert werden sollen. Aber gerade mit Blick auf das Amtsgericht Leipzig stellen wir fest: Dort wird eine zumindest fragwürdige Praxis bei Personenstands- und Vornamensänderungen von Transpersonen angewandt, die über das Maß an richterlicher Unabhängigkeit hinauszugehen scheint. Auch ich sehe wirklich Handlungsbedarf – Frau Raether-Lordieck hat es gesagt –, hierfür die Richterinnen und Richter, die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte zu sensibilisieren.
Gleiches gilt für die Polizei. Wenn ich im Aktionsplan lese, dass wegen zu weniger Fallzahlen keine Maßnahmen zur Sensibilisierung und Qualifizierung von Polizeibeamtinnen und -beamten ergriffen werden sollen, dann finde ich das geradezu perfide, haben doch gerade bei der Erstellung des Plans die Betroffenen, die Vereine und Verbände angemerkt, dass sie mangelndes Vertrauen in die sächsische Justiz und die sächsische Polizei haben. Hier besteht wirklich Handlungsbedarf.
Aber insgesamt habe ich, vor allem mit Blick auf die CDU-Ministerien, Zweifel an der Ernsthaftigkeit dieses Vorhabens.
Ein weiteres Problem – wir haben es gehört –: Es gibt keinen Datumsstempel für die Maßnahmen. Keine Ahnung, wann sie konkret umgesetzt werden sollen. Aber wenn man die Fristen auf den Sankt-Nimmerleins-Tag
verlegt, dann braucht man sich nicht zu wundern, wenn es hier zum Stillstand kommt. Wenn die CDU-geführten Ministerien nichts umsetzen, dann brauchen sie noch nicht einmal ein schlechtes Gewissen zu haben.
Dass es anders geht, zeigt der Blick nach Hessen. Dort ist Anfang des Jahres ein Aktionsplan verabschiedet worden. Ich glaube, die CDU in Hessen ist genauso wenig progressiv wie die CDU in Sachsen. Trotzdem hat man dort einen Aktionsplan verabschiedet, der den Namen verdient. Der beste Plan ist doch nichts wert, wenn die Umsetzung dem Zufall überlassen wird.
Deswegen, liebe Frau Köpping: Schauen Sie genau hin, was Ihre Kabinettskollegen machen! Nehmen Sie sie in Verantwortung! Fangen Sie am besten beim Ministerpräsidenten an, der sich gestern noch damit hat zitieren lassen –
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Krauß, Sie machen es sich wirklich zu einfach, wenn Sie hier sagen: „Natürlich sind wir gegen Gewalt und Diskriminierung!“, aber sich im nächsten Schritt schon wieder über Transpersonen lustig machen.
Ich möchte meiner Rede ein Zitat aus einem Erfahrungsbericht voranstellen, um noch einmal deutlich zu machen, worüber wir hier eigentlich reden. „Wir beide standen zitternd da, liefen umher, versuchten, eine sichere Ecke zu finden. Schließlich wurden wir weiter beschimpft. Ich rief um 21:37 Uhr den Notruf. Ich schilderte schnell die Situation. Die Frau vom Notruf meinte: ‚Tja, da können wir nichts machen. Meinen Sie etwa, dass wir Sie abholen?‘ Da stehen wir beide mitten unterm Nazivolk. Wir zitterten und konnten uns nicht anfassen, schauten uns aus Angst nicht zu tief in die Augen, und trotzdem wurden wir weiter schwulenfeindlich angemacht. Wir rannten über den Parkplatz, auf dem sich Hunderte Nazis aufhielten, liefen durch den Tunnel gegen die Laufrichtung der Pegida-Heimkehrer. Der Zug hörte nicht auf. Die erste und die einzige Rettung wurde das Maritim-Hotel.“
Meine Damen und Herren! Das geschilderte Ereignis liegt zwei Jahre zurück und es war ein Montagabend in Dresden, an dem zwei schwule Männer in einen Pulk von
Menschen geraten sind, die von einer Pegida-Demo zurückkamen. Die Szene endet im Maritim Hotel – das habe ich gerade vorgelesen –, also direkt vor den Türen des Landtags hier und es macht eindrücklich deutlich, was in diesem Land furchtbare Realität ist und warum wir einen mutigen Aktionsplan brauchen.
Herr Tillich hat gestern – und da ist Herr Krauß sehr nah dabei – in der „SZ“ überlegt, ob zuviel über Minderheiten gesprochen wird. Er sagte zur Debatte um die Öffnung der Ehe: “Das war für eine bestimmte Gruppe auch wichtig, aber eben nicht für die breite Masse der Bürger, die fühlt sich da nicht mitgenommen bzw. nicht verstanden.“
Herr Tillich, da muss ich Sie doch fragen: Ist das wirklich Ihr Verständnis von Verantwortung in der Gesellschaft, Rücksicht auf die Mehrheit zu nehmen? Ich finde, das ist die falsche Blickrichtung. Es gibt eine sehr interessante Definition von Privilegien, die heißt: Privilegiert sein bedeutet, etwas nicht für ein Problem zu halten, nur weil man dieses Problem nicht selbst hat. Angesichts der geschilderten Ereignisse reicht es eben nicht zu sagen, Akzeptanz kann nicht verordnet werden. Nein, natürlich kann Akzeptanz nicht verordnet werden, aber es bedarf einer klaren Absage an Gewalt und Diskriminierung gegen Homos, Trans- und Interpersonen. Es ist unsere Aufgabe als Politiker, eine eindeutige Position dazu zu beziehen.
In unserer Gesellschaft soll niemand Angst haben, sich frei zu bewegen. Niemand darf aufgrund seiner oder ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität diskriminiert werden. Niemand soll Angst haben vor Gewalt, vor Beleidigung, vor Kündigung, vor Mobbing, vor Benachteiligung, und darum geht es im Landesaktionsplan.
Wir reden hier über unsere Kultur und unsere Werte, die angeblich bedroht sind – wird von einigen gesagt. Ich frage mich nur manchmal: Von wem werden die denn eigentlich bedroht? Ein Klischee deutscher Kultur ist ja häufig das Oktoberfest. Nur falls Sie es nicht gelesen haben: Es ist doch sehr bezeichnend, dass es tatsächlich im Internet Warnhinweise für Schwule und Lesben in diesem Jahr gab, die das Fest besuchen wollen. Man hätte es für einen Scherz halten können, aber es war ernst gemeint. Auf dem Oktoberfestportal wurden folgende Tipps ausgegeben: „Jedoch gilt, als schwules oder lesbisches Paar auf dem Oktoberfest ein bisschen zurückhaltend zu sein. Nicht alle Wies’n-Gänger haben Verständnis für eine offene schwule oder lesbische Lebensweise. Also einfach die Augen und Ohren offen halten, ob ihr für Gesprächsstoff sorgt. Das Bierzelt ist jedenfalls nicht der richtige Ort, um den Menschen Begriffe wie Toleranz und Gleichberechtigung zu erklären.“ Ist das die Kultur, die verteidigt werden soll? Menschen, die sich verstellen oder verstecken müssen, und wenn nicht, dann sind sie selbst schuld, wenn sie Gewalt erfahren? Es ist doch ganz klar: Wenn, dann braucht es Verhaltensweisen für einen respektvollen Umgang gegenüber Schwulen und Lesben,
Es gibt einen Punkt, bei dem ich es besonders bedauerlich finde, das er nicht in den Landesaktionsplan eingegangen ist, die Erinnerungskultur. Es gab im vergangenen Jahr in Dresden eine sehr gelungene Veranstaltung, die der Dresdner Verein Gerede e. V. mit organisiert hat, in der es um das Gedenken an die schwul-lesbischen Opfer im Nationalsozialismus ging. Es gab einen spannenden Festvortrag, bei dem herausgekommen ist, dass das auch in Sachsen kaum historisch aufgearbeitet worden ist. Das wäre mal ein wichtiges Vorhaben für den Aktionsplan gewesen; denn die Erinnerung an diese Verbrechen verdeutlicht, was geschieht, wenn Minderheiten nicht geschützt werden, wenn Homo- und Transfeindlichkeit unwidersprochen bleibt, wenn geduldet wird, dass in unserer Gesellschaft Homos, Trans- und Interpersonen als abnormal und widernatürlich bezeichnet werden. Auch das ist traurige Realität in Sachsen.
Aber das muss nicht so bleiben. Es ist an uns, Akzeptanz und respektvolles Miteinander in der Gesellschaft zu befördern und Sachsen zu einem lebenswerten Ort für alle zu machen. Dafür tragen wir hier im Landtag die Verantwortung. Lassen Sie uns deswegen diesen Aktionsplan konsequent umsetzen. Es ist an der Zeit.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich würde gern noch auf ein paar Punkte aus der Diskussion eingehen, denn wir wollen ja auch ein bisschen diskutieren.
In Richtung AfD: Wenn Sie sich als Hort des Konservativismus darstellen und dann noch auf die Bundestagswahl verweisen, muss ich Ihnen sagen: Sie sind mit einer Spitzenkandidatin ins Rennen gegangen, die alles andere als ein konservatives Familienbild lebt, die in einer homosexuellen Beziehung lebt und dort auch Kinder erzieht. Sie müssen uns beim besten Willen keinen Nachhilfeunterricht geben.
Also deswegen mal ein bisschen vorsichtig, das hat mit konservativ nicht automatisch etwas zu tun, was dort für ein Lebensmodell gelebt wird, jedenfalls nicht mit dem konservativen Begriff, den Sie versucht haben einzuführen.
Der Justizminister ist indirekt im Zusammenhang mit dem Amtsgericht Leipzig angesprochen worden. Ich möchte
mich ganz herzlich bei Ihnen und bei den Richtern bedanken, dass sie sehr genau prüfen, wann eine Namensänderung sinnvoll ist und wann nicht. Ich finde, dass man das Geschlecht oder seinen Namen nicht wechseln kann, wie es einem beliebt, sondern ich finde, dass das mit Nachdenken erfolgen muss und dass sich die Justiz davon überzeugt: Ist das aus einer Bierlaune heraus entstanden oder ein fester Wille,
den man irgendwie verfolgt und haben möchte? Eine Namens- oder Geschlechtsänderung muss hinterfragt werden, und das kann nicht erfolgen wie der Kauf einer Fahrkarte, sondern da muss man genauer prüfen.
Zum Thema Polizei. Natürlich muss die Polizei für dieses Thema sensibel sein. Ich finde, es ist relativ egal, um welche Art von Gewalt es sich handelt, ob es innerfamiliäre Gewalt ist, ob es Gewalt ist, die von Neonazis oder der Antifa ausgeht. Wir sollten alle Gewaltopfer gleich behandeln und können nicht sagen, die eine Gruppe ist uns ganz besonders wichtig und die anderen interessieren uns relativ wenig.
Danke, Frau Präsidentin! Herr Krauß, können Sie dem Hohen Haus ein einziges Beispiel nennen, wo eine so tief greifende persönliche Entscheidung wie eine Namensänderung, die mit umfangreichen Konsequenzen verbunden ist, aus einer Bierlaune heraus entstanden sein soll?
Nein, das kann ich nicht, weil wir in Sachsen die entsprechenden Regelungen haben, die so sind, wie sie sind, damit es nicht aus einer Bierlaune heraus geschieht.
In der Debatte fand ich einen Satz von Frau Buddeberg sehr bemerkenswert, den ich noch einmal zitieren will, also die inhaltliche Aussage: Rücksicht auf die Mehrheit zu nehmen ist die falsche Blickrichtung. Meine sehr geehrten Damen und Herren, was ist denn eigentlich Demokratie?
Geht es nicht darum, dass man versucht Mehrheiten für seine politischen Überzeugungen zu finden? Machen wir hier nicht Politik für die Menschen, also für die Mehrzahl?