Protocol of the Session on January 28, 2015

Inzwischen legte auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen ein neues Gutachten vor. Dort forderte er – zum wiederholten Mal im Übrigen – eine nationale Stickstoffstrategie. Der SRU geht davon aus, dass es um eine Halbierung der Stickstoffeinträge gehen muss, wenn wir nationale und europäische Qualitätsziele überhaupt noch erreichen wollen. Das ist tatsächlich ambitioniert.

Ökonomisch ist es weniger oder zumindest nicht zuerst der geizige Verbraucher, der den Bauern das Leben schwer macht. Dafür sind es stärker die ruinöse Preispolitik von Molkereien und Lebensmitteleinzelhandel und die nach wie vor fatale Exportorientierung, die eine nachhaltige Ausrichtung landwirtschaftlicher Produktion verhindert und das Wachsen oder Weichen, das wir auch in Sachsen feststellen müssen, weiter befeuert.

Im Übrigen warte ich auch auf eine politische Antwort bezüglich des Auslaufens der Milchquote. Auch das ist ein sozialer Indikator: Wie nachhaltig gestalten wir landwirtschaftliche Produktion?

Bitte zum Schluss kommen!

Da sollten die SattMacher einmal mehr hinschauen, und sie sollten sich weniger am Weltmarkt und dafür stärker am Wochenmarkt orientieren.

Danke schön.

(Beifall bei den LINKEN)

Die AfD-Fraktion; Herr Abg. Urban, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Landwirtschaft für alle, zukunftsfähig und nachhaltig. Das ist ein ambitionierter Anspruch, der im Moment noch weit von der Realität in unseren sächsischen ländlichen Regionen entfernt ist. Die Strukturen der kollektiven Landwirtschaft prägen auch 25 Jahre nach der Wiedervereinigung maßgeblich die Produktion.

Der überwiegende Teil der ehemaligen LPGs wurde in Agrargenossenschaften umgewandelt, sodass auch heute ein Großteil der Landwirtschaftsflächen von Betrieben mit mehreren Tausend Hektar Betriebsgröße bewirtschaftet wird. Die Dominanz dieser Großbetriebe wirkt sich nicht nur auf die Art der Flächennutzung, sondern auch auf die sozialen Strukturen in den Gemeinden aus. Die Synergieeffekte großer Flächen, aber auch der technische Fortschritt führen dazu, dass immer weniger Menschen in ländlichen Regionen ein auskömmliches Einkommen in der Landwirtschaft finden. Zusätzlich leidet der ländliche Raum an einer infrastrukturellen Benachteiligung, was die Neuansiedlung von Industrie und Handwerk erschwert, sodass auch damit keine neuen Arbeitsplätze auf dem Land entstehen. Mit dem Abwandern junger Menschen, die keine Existenzgrundlage finden, in die Städte oder andere Bundesländer verschärfen sich diese Probleme.

Nicht zuletzt beeinträchtigt die sogenannte Energiewende den ländlichen Raum mit Windrädern und Monokulturen von Energiepflanzen negativ. Die Wohnqualität und die touristische Attraktivität der ländlichen Regionen Sachsens sinken.

(Zuruf von den LINKEN)

In den ländlichen Regionen Sachsens wohnen immer noch zwei Drittel der Bevölkerung. Die gerade beschriebenen negativen Trends stellen eine große Herausforderung dar, der sich die Politik stellen muss. Wenn man diese Trends umkehren will, wird ein „Weiter so!“ nicht genügen. Leider muss die AfD feststellen, dass der Koalitionsvertrag in den Bereichen ländlicher Raum und Landwirtschaft ein wenig wie alte Kartoffeln in neuen Säcken wirkt. Sehr oft finden sich Formulierungen wie „weiter“, „weiterhin“ oder „auf hohem Niveau weiterführen“.

Wenn man einen großen negativen Trend umkehren will, kann man nicht nur auf Breitbandinternet und sanften Tourismus setzen. Man muss auch bereit sein, alle bisherigen Rahmenbedingungen für das Wirtschaften und Leben im ländlichen Raum auf den Prüfstand zu stellen.

Die Landwirtschaft als prägende Kraft des ländlichen Raums unterliegt heute weniger den Bedürfnissen des Nahrungsmittelmarkts, sondern wird leider durch EUSubventionen und das Erneuerbare-Energien-Gesetz

geprägt. Die EU-Agrarsubventionen sind eine Realität, mit der man leben muss. Sie bieten aber der Landespolitik Möglichkeiten, strukturelle Fehltrends zu bremsen und wünschenswerte Entwicklungen zu unterstützen. Leider werden diese Möglichkeiten nicht in ausreichendem Maße genutzt.

Wenn man heute mit der Verpachtung von Maisfeldern für die Biogasproduktion Pachtpreise von über 600 Euro pro Hektar erzielen kann – mitunter sogar über 1 000 Euro pro Hektar –, dann muss man sich fragen, ob solche Maismonokulturen zusätzlich mit Fördermitteln bezuschusst werden müssen oder ob man diese Gelder nicht

für sinnvollere Entwicklungen im ländlichen Raum einsetzen kann.

Wenn man möchte, dass Landwirte Agrarumweltmaßnahmen umsetzen, Blühstreifen säen, Bachufer unbewirtschaftet lassen und Hecken pflanzen, dann müssen die entsprechenden Förderprogramme ausreichende finanzielle Anreize setzen, damit ein Landwirt auf die Produktion verzichtet. Die aktuellen Fördersätze tun das nicht und werden leider kaum auf große Akzeptanz stoßen, sodass Ihre Agrarumweltmaßnahmen wahrscheinlich eine schöne Dekoration für die Berichterstattung bleiben werden.

Die AfD fordert ein Ende der Benachteiligung von Existenzgründern in der Landwirtschaft. Bäuerliche Neueinrichter und Wiedereinrichter werden seit der Wiedervereinigung strukturell benachteiligt. Dabei könnten gerade diese Betriebsgründungen helfen, dem Abwanderungstrend aus den ländlichen Regionen etwas entgegenzusetzen. Wenn die Bundesvermögensverwaltungsgesellschaft heute öffentliche Flächen verkauft, werden prinzipiell die bisherigen Pächter bevorzugt, das heißt, die Nachfolger der DDR-LPGs mit Tausenden Hektar Betriebsfläche. Diese Bevorteilung könnte der Freistaat im Interesse der kleineren Neueinrichter, die den Großbetrieben finanziell unterlegen sind, aufheben.

Auch die Zuteilung der Zahlungsansprüche auf EUSubventionen bevorteilt die etablierten Großbetriebe. Während diese Betriebe die Zahlungsansprüche geschenkt bekommen, müssen Neueinrichter in Zukunft dafür bezahlen – eine klare Benachteiligung, die möglicherweise sogar dem Wettbewerbsrecht widerspricht.

(Beifall bei der AfD)

Nun hat für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herr Abg. Günther das Wort. – Sie sollen gelassen bleiben. – Bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich habe mich eigentlich auf diesen Tagesordnungspunkt gefreut und hatte erwartet, die CDU würde hier mit einem Feuerwerk an Ideen kommen, wie der ländliche Raum entwickelt werden und es in der Landwirtschaft jetzt vorangehen soll. Ich war ein wenig enttäuscht – die fünf Minuten sind sehr wenig Zeit, es ist viel zur Landwirtschaft und den Potenzialen, die dort liegen, zu sagen, auch zu den Aufgaben –, dass der Kollege Heinz sich für Polemik gegenüber den GRÜNEN entschieden hat. Aber gut, mit der Enttäuschung muss ich jetzt leben. Warum ist das für uns GRÜNE ein Thema? – Nicht nur wegen der Massentierhaltung, sondern weil es in erster Linie um die Entwicklung der ländlichen Räume geht.

Wir haben es bereits gehört: Es geht dabei um Wirtschaft, um Bruttowertschöpfung, und dann muss man auch einmal einige Fakten zur Kenntnis nehmen. Dazu gehört, dass der Landwirtschaftsbereich in Sachsen eine Wachs

tumsbremse darstellt. Er hat sich nämlich seit 1990 nicht entwickelt. Die Bruttowertschöpfung liegt dort konstant bei unter 1 Milliarde Euro, während die sonstige Wirtschaftsentwicklung gestiegen ist, und der Anteil an der Bruttowertschöpfung ist in diesem Zeitraum um 40 % am Gesamtaufkommen zurückgegangen; das muss man nicht hinnehmen.

Sachsen hat einen Anteil an der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Deutschland in Höhe von 5,4 %, aber die Bruttowertschöpfung liegt nur bei 4,5 % – die Flächenproduktivität liegt unter 1 000 Euro pro Hektar –, womit Sachsen 17 % unter dem Bundesdurchschnitt liegt – und das, obwohl wir hier mitunter die besten Böden haben.

Offensichtlich sind wir ein Billigland. Wir produzieren billig. Es gelingt uns auch nicht, ausreichend Arbeitsplätze auf dem Land zu schaffen. Da sind andere Länder viel weiter. Das ist insbesondere für uns als Politiker interessant, denn das sind unsere Steuermittel. Wir geben dort Geld hinein, und zwar in Form von Flächensubventionen. Während in Rheinland-Pfalz 1 Euro Subvention 7 Euro Wertschöpfung auslöst, sind es in Sachsen nur 2,66 Euro; der Bundesdurchschnitt liegt bei 3,31 Euro. Wir liegen also auch dort darunter.

Überhaupt liegen die Investitionen, die pro Hektar getätigt werden, im Bundesdurchschnitt bei 568 Euro, in Rheinland-Pfalz – ein Bundesland, mit dem wir uns bezüglich Größe und Bevölkerungszahl gut vergleichen können – bei 727 Euro, in Sachsen aber nur bei 484 Euro.

Noch eine Zahl – weil wir bei der Qualität angelangt sind – zur Biolandwirtschaft: Wir sind zwar bei allem, was Fläche und Bevölkerung betrifft, immer mit ungefähr 5 % beteiligt – bei den Agrarflächen sind es sogar 5,4 % –, aber der Anteil der Biobetriebe in Sachsen macht nur 2,4 % aus, und das ist etwas, bei dem eine hohe Wertschöpfung stattfindet. Wir schaffen es in Sachsen noch nicht einmal, hier die Nachfrage nach Bioprodukten zu befriedigen – und das ist nur eine Sparte.

Wir GRÜNEN wissen, dass es nicht darum geht, 100 % Biolandwirtschaft herzustellen – das sind überhaupt nicht unsere Forderungen –, sondern es geht generell darum, mehr Qualität in die Landwirtschaft einzubringen, und auch darum, Bedürfnisse der Verbraucher zu befriedigen. Es ist einiges schiefgelaufen, gerade in der Tierhaltung; Sie haben es schon angesprochen. Da gibt es Dinge, die bei dem, was jetzt schon rechtlich legal ist, nicht mehr haltbar sind, etwa, dass bei Geflügel bis zu 2 % Sterblichkeit täglich unproblematisch sind. Wenn man das auf 10 000 Stück Geflügel ausrechnet, bedeutet das, dass 200 Stück Geflügel am Tag sterben können – was das pro Jahr bedeutet, kann man sich ausrechnen –, und da braucht niemand einzugreifen.

In einer Anlage in Mittelsachsen – in Doberschwitz, das haben wir mit einer Kleinen Anfrage herausbekommen – werden im Jahr 60 Tonnen tote Tiere herausgetragen. Sie müssen sich einmal vorstellen, wie es den Tieren dabei geht, wenn von den Haltungsbedingungen her dort so viele sterben. Das kann man nicht hinnehmen. Damit sind

Dinge gemeint wie Ferkel, denen die Schwänze abgeschnitten werden, das Kupieren von Schnäbeln.

(Zuruf von der CDU: Das wird doch schon lange nicht mehr gemacht!)

Auch der Platz, den Tiere haben – Geflügel steht eine Fläche von weniger als einer DIN A4-Seite zu –, gehört zu den Themen, an denen wir arbeiten müssen. Das geht nicht von heute auf morgen, und deswegen erwarte ich bzw. hatte ich eigentlich erwartet, hier zu hören, wie wir zu Änderungen kommen, um die Qualität zu steigern; auch für die ganze industrielle Landwirtschaft in der Fläche hat das Folgen.

Wir reden hier immer gern von Heimat und Kulturlandschaft. Das macht das Ganze kaputt. Die Feldwege, die Ackerstreifen, die Säume, die verschwunden sind, das ist alles nicht nur Naturraum, sondern auch Kulturlandschaft, und da gilt es, vieles zurückzugewinnen. Dann sind wir auch beim Imageproblem der Landwirtschaft. Das hat auch etwas damit zu tun, wie die Tierhaltung gestaltet ist und warum Verbraucher auf die Straße gehen und massenhaft demonstrieren.

Die Redezeit ist zu Ende.

Auf dem Land zu leben muss attraktiver werden; das gilt auch für den Beruf Landwirt. Das hat etwas damit zu tun, dass wir dort die Bedingungen ändern und dass wir schwarzen Schafen –

Herr Günther!

– auch ordentlich auf die Finger klopfen.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Heinz, eine Kurzintervention?

Ja, ich möchte zumindest eine Zahl hinterfragen. Wenn jeden Tag von 10 000 Hühnern 2 % sterben dürfen, dann müsste theoretisch nach 50 Tagen – 50 mal zwei sind 100 – der ganze Hühnerbestand tot sein. Zum Beispiel bei der Legehennenperiode dauert eine Legesaison ein knappes Jahr unter den derzeit üblichen Produktionsverfahren. Wie passt denn das zusammen mit dem, was Sie uns hier erzählen?

Eine Frage als Kurzintervention – möchten Sie erwidern, Herr Günther?

Das kann ich kurz erklären: Das ist die gesetzliche Regelung „GeflügelpestVerordnung“. Darauf wird sich berufen; darunter geht man nicht heran. Dort ist innerhalb von 24 Stunden von 2 % Sterblichkeitsrate die Rede. Das kann ich nicht ändern. Natürlich rechnet sich das, auf ein Jahr bezogen,

gewaltig hoch. Das kann aber eben nicht der Maßstab sein.

(Interner Wortwechsel zwischen Andreas Heinz, CDU, und Wolfram Günther, GRÜNE)

Herr Heinz, Sie haben die Möglichkeit, noch einmal in einem Redebeitrag zu reagieren oder, falls sich die Gelegenheit ergibt, eine Zwischenfrage zu stellen. Das wäre jetzt vielleicht das bessere Mittel.

Wir setzen die Aussprache fort. Für die Fraktion der CDU Herr Abg. von Breitenbuch, bitte sehr.