Protocol of the Session on August 31, 2017

(Zuruf des Abg. Patrick Schreiber, CDU)

Dazu haben wir immer wieder entsprechende Anträge eingebracht. Ich würde es gern noch einmal aufzählen:

Wir stellten einen Antrag zur Erstellung eines Lebenslagenreportes, der das Problem in die gesellschaftlichen Umstände einbettet. Dafür wollten Sie kein Geld ausgeben.

Wir wollten einen runden Tisch zur Bekämpfung von Kinderarmut, verbunden mit der Forderung, sich auf Bundesebene für eine eigenständige Kindergrundsicherung und für ein höheres Kindergeld einzusetzen. Sie lehnten dies mit der Begründung ab, Sie seien dafür nicht zuständig, und verwiesen auf den Bund.

In Ihrem Koalitionsvertrag kündigten Sie an, eine Sozialberichterstattung – ich gehe gar nicht so weit, wie es der Kollege Zschocke zum Handlungskonzept ausgeführt hat –, die bei Weitem keinen Lebenslagenreport ersetzen kann, Ende 2016 vorzulegen. Wir haben August 2017 und bislang immer noch nichts Handfestes zu sehen bekommen, abgesehen davon, dass Kleine Anfragen auch halbherzig beantwortet werden.

Armer Leute Sache gilt nichts, sagt der Volksmund. Auf Sie trifft das offenkundig zu. Sie leugnen sogar, dass es Armut in dem Ausmaß gibt, wie sie im Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung angegeben ist, indem Sie versuchen, die Quote schönzurechnen, oder den Appell an uns richten, Ruhe zu bewahren, weil wir die Debatte angeblich überziehen würden, um paradoxe Wirkung zu erlangen. Verantwortungsvolles Regierungshandeln sieht unseres Erachtens anders aus.

Heute geben wir Ihnen mit diesem Antrag erneut die Möglichkeit, das Thema auf die Agenda zu setzen und endlich Verantwortung für die vielen von Armut betroffenen Menschen in Sachsen zu übernehmen. Ich würde Sie wirklich bitten, überwinden Sie Ihre Ignoranz.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Frau Kollegin Schaper hat gerade die zweite Runde eröffnet. Als Nächstes könnte die CDU-Fraktion das Wort ergreifen. Besteht Redebedarf? – Gibt es Redebedarf aus einer weiteren Fraktion heraus in dieser zweiten Runde? – Das sehe ich nicht. Frau Kollegin Schaper, möchten Sie für Ihre Fraktion eine dritte Rederunde eröffnen?

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Soll ich noch einmal? – Nein! – Heiterkeit des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Sie können immer. Sie haben noch Redezeit.

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Ich kann immer! Das stimmt!)

Gut. Das kann ich jetzt nicht erkennen. Damit hat die Staatsregierung das Wort. Das Wort ergreift jetzt Frau Staatsministerin Klepsch.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Für jeden ist eine der wichtigsten Fragen, wie wir unseren Lebensunterhalt bestreiten können. Die Frage von Einkommen und Vermeidung von Armutsrisiken ist deshalb seit jeher ein wichtiger Politikbereich der Sächsischen Staatsregierung.

Ja, es ist auch nicht verwunderlich, dass diese Themen wiederholt im politischen Raum aufgegriffen werden. Herr Abg. Zschocke hatte bereits auf die Anfrage zur Kinderarmut in Sachsen und auf die Große Anfrage zu Lebenslagen von alleinerziehenden Eltern und ihren Kindern hingewiesen. Auch heute Vormittag haben wir das Thema in der Aktuellen Debatte „Starke Wirtschaft, starke Löhne – weniger Kinder in Armut“ diskutiert. Wir sind uns – glaube ich – alle einig, dass die Teilhabe am Arbeitsleben der Faktor zur Vermeidung von Armutsrisiken ist.

Aber in der Debatte heute Vormittag wurde auch reflektiert, dass trotz der positiven Entwicklung am Arbeitsmarkt noch Herausforderungen für Langzeitarbeitslose und Alleinerziehende bestehen. Das Projekt „Tandem“, das uns der Wirtschaftsminister im Rahmen der Debatte vorgestellt hat, ist eine gute Initiative. Mein Haus hat bereits vielfältige Projekte zur Vermeidung von Armutsrisiken initiiert. Zum Beispiel fördern wir gute Arbeit der Jobcenter und der zugelassenen kommunalen Träger bei den Bemühungen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt. Wir koordinieren die Bemühungen im Bereich der beruflichen Hilfen für junge Menschen. Wir fördern zugleich vielfältige Projekte aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds. Dazu gehören – einige Beispiele möchte ich aufzählen – „Lokales Kapital für soziale Zwecke“, die Produktionsschulen, Projekte für die Jugendberufshilfe, das Projekt „Schritt für Schritt“ und Projekte im allgemeinen sozialen Bereich. Sie sehen, das sind Themen, die Einkommen und Vermeidung von Armutsrisiken eben nicht nur in Worten, sondern auch in Taten präsentieren.

Die besondere Wichtigkeit der Vermeidung von Armutsrisiken und die Möglichkeiten der Teilhabe am Arbeitsleben haben auch CDU und SPD aufgegriffen; sie haben es im Koalitionsvertrag verankert. Sie haben sich darauf verständigt, in dieser Legislaturperiode eine Konzeption zur Vermeidung von Armutsrisiken, insbesondere für ältere Menschen, Alleinerziehende und Kinder zu erstellen. Dazu hat die Staatsregierung eine interministerielle

Arbeitsgruppe eingerichtet, damit auch sichergestellt wird, dass alle Ressorts an der Erarbeitung dieser Konzeption beteiligt werden. Meine Vorredner haben sehr deutlich gemacht, dass viele Themenbereiche, wie Bildung, Wohnen, Arbeit, eine große Rolle spielen.

(Volkmar Zschocke, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Es ist wichtig, dass unterschiedliche Ursachen und Ausgangspunkte berücksichtigt werden. Das sind persönliche Lebenssituationen, unverhofft eingetretene Krankheit, Verlust des Arbeitsplatzes, strukturelle Veränderungen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Staatsministerin?

Ja, bitte.

Bitte, Herr Zschocke.

Vielen Dank. Frau Staatsministerin, Sie haben von einer Konzeption gesprochen, die Sie auf der Grundlage des Auftrages im Koalitionsvertrag jetzt interministeriell erarbeiten. Wann wird diese Konzeption vorliegen? Inwiefern werden die Schlussfolgerungen, die Sie aus dieser Konzeption ziehen, noch in dieser Legislatur Wirkung entfalten?

Die Arbeitsgruppe tagt das nächste Mal im Oktober. Ich kann Ihnen natürlich von den Schlussfolgerungen, die in einer Gruppe erarbeitet werden und die Wirkung entfalten sollen, heute noch nicht konkret sagen, wann dies sein wird. In dieser Legislaturperiode soll natürlich die Konzeption erarbeitet werden. Die interministerielle Arbeitsgruppe tagt und das Ergebnis soll vorliegen. Aber die enthaltenen Ergebnisse und die Wirkung daraus können sich logischerweise erst anschließen.

Um auf diese interministerielle Arbeitsgruppe zurückzukommen: Natürlich wird auch der Fünfte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung ein wesentliches Grundlagendokument für die Tätigkeit dieser Arbeitsgruppe sein.

Ich möchte Folgendes kurz skizzieren, damit die Frage deutlicher wird, die der Abg. Zschocke gestellt hat: Die interministerielle Arbeitsgruppe wird zunächst Handlungsfelder und -möglichkeiten zur Armutsprävention beschreiben. Auf dieser Grundlage werden in einem weiteren Schritt konkrete Handlungsmöglichkeiten und -vorschläge entwickelt. Natürlich werden auch dort die jeweiligen Zuständigkeiten – sie wurden schon kurz reflektiert: Europäische Union, Bundesrepublik Deutschland, Freistaat Sachsen und auch die Kommunen – sowie das persönliche Engagement der Bürgerinnen und Bürger zu berücksichtigen sein. Ich bin aber davon überzeugt, dass wir mit der Tätigkeit der interministeriellen Arbeitsgruppe einen weiterführenden Beitrag zur Prävention von Armut und zur Vermeidung von Ausgrenzung erbringen

können. Ich halte das ebenfalls für sehr wichtig. Die Vermeidung von Armutsrisiken ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Es braucht auch das Bemühen eines jeden Einzelnen in der Sache selbst. Ich glaube, auch das ist selbstredend.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Das war die Staatsregierung. Frau Staatsministerin Klepsch kam zu Wort.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir kommen jetzt zum Schlusswort. – Sie wollen es nicht halten, Frau Abg. Schaper? Gut. Dann kommen wir zur Abstimmung.

Meine Damen und Herren, ich stelle nun die Drucksache 6/10440 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist die Drucksache 6/10440 nicht beschlossen und der Tagesordnungspunkt ist beendet.

Meine Damen und Herren! Wir kommen nun zum

Tagesordnungspunkt 12

Verfassungskonformität gleichgeschlechtlicher Ehe prüfen lassen

Drucksache 6/10457, Antrag der Fraktion AfD

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge ist in der ersten Runde: AfD, CDU, DIE LINKE, SPD, GRÜNE, Staatsregierung, wenn gewünscht.

Die einbringende Fraktion AfD hat jetzt das Wort. Frau Kollegin Dr. Petry, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 30. Juni dieses Jahres stimmten 393 von 623 Abgeordneten des Deutschen Bundestages für die sogenannte Ehe für alle. Das waren nahezu zwei Drittel der Abgeordneten, nachdem Angela Merkel ungeachtet der Tatsache, dass ihr dies als Kanzlerin nicht zustand, den sogenannten Fraktionszwang für die Unionsabgeordneten aufgehoben hatte. Dieser Beschluss war der vorläufige Höhepunkt einer Entwicklung, in der das Privileg der grundgesetzlich geschützten Ehe und Familie immer wieder attackiert wurde.

Was aber sagt das Bundesverfassungsgericht zum Begriff der Ehe? Es führt wie folgt aus: Es stellt fest, dass das Grundgesetz im Artikel 6 Abs. 1 Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stellt. Damit garantiert das Grundgesetz nicht nur das Institut der Ehe, sondern gebietet als verbindliche Werteentscheidung für den gesamten Bereich des Ehe und Familie betreffenden privaten und öffentlichen Rechts einen besonderen Schutz durch die staatliche Ordnung. Die Ehe allein, so das Bundesverfassungsgericht, ist als Verbindung zwischen Mann und Frau eben diesen ein vorbehaltenes Institut und erfährt durch das Grundgesetz einen eigenständigen verfassungsrechtlichen Schutz. Um

diesem Schutzauftrag Genüge zu tun, ist es insbesondere die Aufgabe des Staates, alles zu unterlassen, was die Ehe beschädigt oder sonst beeinträchtigt, und sie durch geeignete Maßnahmen zu fördern.

Nur, um es auch hier klar zu sagen: Homosexualität ist ein zu respektierender Teil menschlicher Normalität. Sie bedarf – wie jede andere sexuelle Orientierung – keiner

Bewertung und duldet auch keine Diskriminierung. Daraus erwachsende Lebensformen haben ein Recht auf Akzeptanz, soweit sie Grenzen nicht überschreiten, sie das Recht auf Schutz oder auf Selbstbestimmung anderer tangieren. Um diesem gesellschaftlichen Selbstverständnis Ausdruck zu verleihen, gibt es jedoch bereits seit August 2001 das Gesetz über die eingetragene Lebenspartnerschaft, kurz: das Lebenspartnerschaftsgesetz.

Das heißt, in tatsächlicher Hinsicht ist durch dieses 2001 beschlossene Gesetz eine rechtliche Gleichstellung von eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern mit Ehegatten erfolgt. Der einzig nennenswerte Unterschied bestand im Adoptionsrecht. Selbst da wurde im Jahr 2005 nach § 9 dieses Gesetzes die sogenannte Stiefkindadoption möglich und seit 2014 die sogenannte Sukzessivadoption. Für eine weitere Ausweitung des Ehebegriffes gab und gibt es daher keinerlei gesellschaftliche Notwendigkeit.

(Beifall bei der AfD)

Der Bundestag jedoch stellt die sogenannte Ehe für alle Beziehungen, die natürlicherweise nicht darauf angelegt sind, Leben in der nächsten Generation weiterzugeben, ohne Not auf eine Stufe mit Beziehungen, die grundgesetzlich geschützt sind und die das in der Regel leisten können und wollen.

Dies halten wir für nicht gerechtfertigt, und wir haben darüber hinaus juristische Bedenken; denn es geht in der Sache nicht um einen Begriff, sondern es geht um den Schutz einer Institution, einer Institution, die deutlich älter ist als der Staat, nämlich jener, die die Grundstrukturen unserer Gesellschaft maßgeblich mitbestimmt, Strukturen, die notwendigerweise für den Fortbestand einer Gesellschaft auf Dauer angelegt sein müssen und damit den Wert dieser Gesellschaft maßgeblich beeinflussen. Die gefestigte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts weist der Ehe dieses klare Strukturprinzip zu. Die Ehe ist die Verbindung von Mann und Frau und grundsätzlich auf Lebenszeit angelegt.

(Unruhe im Saal)

Nun soll das hier beanstandete Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts diese unserer Gesellschaft zugrunde liegende Struktur ändern. Ein solch gravierender Eingriff in die Werteordnung des Grundgesetzes ist jedoch, meine Damen und Herren, durch einfaches Gesetz formell nicht vorgesehen. Daher halten wir dieses Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts für mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.