Meine Damen und Herren, das war die erste Runde. Gibt es aus den Reihen der Fraktionen Redebedarf für eine zweite Runde? – Den kann ich nicht feststellen. Ich frage die Staatsregierung: Wird das Wort gewünscht? – Für den Verkehrsminister spricht heute Frau Staatsministerin Dr. Stange. Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist ein spannendes Thema, und ich vertrete gern meinen Kollegen Dulig, der sich hoffentlich jetzt erholen kann.
Liebe Frau Meier, mit der Kleinen Anfrage, Drucksache 6937, im Deutschen Bundestag hat sich die Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bereits Ende 2015 umfassend über die Zuständigkeit, über den Stand der Technik und den Umfang des staatlichen Handelns im Bereich des Fußverkehrs informiert. In der heute hier zu besprechenden Großen Anfrage vom 12. März dieses Jahres haben Sie einige der damaligen Fragen der Sächsischen Staatsregierung noch einmal gestellt.
Mit insgesamt 152 Einzelfragen sind Sie dieses Mal wesentlich tiefer eingedrungen, und ich schließe daraus, dass Ihre Fraktion dem Thema eine außerordentliche Bedeutung beimisst. Seien Sie sicher, dass das gleichermaßen sowohl das Wirtschafts- und Verkehrsministerium, mein Kollege Dulig, als auch ich tun. Wir wissen, wenn es um Verkehr geht, wird meist über Autos und Straßen und über Eisenbahn und gelegentlich auch über den Radverkehr gesprochen. Aber natürlich werden für kurze Wege zu Fuß sichere und komfortable Verkehrsanlagen benötigt. Das ist selbstverständlich. Dass es selten thematisiert wird, hat vielleicht etwas damit zu tun, dass es so selbstverständlich ist.
Die Sächsische Staatsregierung sieht den Fußverkehr als wichtigen Bestandteil der Mobilität unserer Bürger an – mit all den positiven Nebenwirkungen wie Förderung der Gesundheit, Reinhaltung der Luft oder Ressourcenschonung. Das wurde hier schon mehrfach angesprochen. Zum Teil haben Sie diese Punkte auch durch Ihre Fragestellung schon als erstrebenswert dargestellt. Ich glaube nicht, dass man dazu wirklich noch vertiefende Studien benötigt.
Nun hat die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nach der Lektüre der Antwort vier Ansatzpunkte zur Kritik gesehen und nimmt in der Presse die Staatsregierung dafür in die Pflicht. Aber sprechen Sie dabei wirklich über Aufgaben und Befugnisse des Freistaates? Warum erhebt der Freistaat keine flächendeckenden Daten zum Fußgängerverkehr und ermittelt keinen Modal Split, bei dem letztlich jeder Fußweg zum Bäcker mit der Urlaubsreise über die Malediven in eine Kennzahl gepresst wird? Warum befasst sich im SMWA kein Mitarbeiter ausschließlich mit dem Thema Fußverkehr? Warum wissen
wir nicht, wie viele Bänke oder öffentliche Toiletten es in Sachsen gibt? Und zu guter Letzt: Warum weisen wir Ihren Entschließungsantrag zurück?
Warum das so ist, können Sie unter anderem in der Antwort nachlesen. Zuständig für die Anlage des Fußverkehrs sind in Sachsen wie überall in Deutschland die Kommunen. Dort sind diese Aufgaben auch in den richtigen Händen. An dieser Stelle sei mir abweichend vom Manuskript des SMWA gestattet, einen Einwurf aus eigenem Erleben im Wahlkreis zu machen.
Ich finde, es ist richtig, dass sich die Kommunen damit beschäftigen. Über 14 Jahre wurde über einen kleinen Abschnitt einer Straße in Dresden gestritten, dass sie endlich zur autofreien Zentralhaltestelle wird. 14 Jahre lang haben sich Autofahrer, Gewerbetreibende, Mobilitätseingeschränkte, Fahrradfahrer und ÖPNV miteinander gestritten, was der richtige Weg ist. Jetzt wird diese Zentralhaltestelle ein autofreier Boulevard werden, weil es zufälligerweise im Stadtrat bei der Beschlussfassung eine Stimme mehr gab.
Ich erwähne dieses Beispiel, weil ich es für richtig halte, dass diese Auseinandersetzung vor Ort geführt wird, auch wenn sie mühsam und langfristig und manchmal etwas nervend ist. Aber am Ende des Tages sind alle Argumente ausgetauscht. Wie fatal wäre es, wenn in dem Fall von Dresden für Dresden, aber von Dresden meinetwegen für Löbau oder Zittau entschieden würde, was für die Kommune und die Bürger in dieser Kommune gut ist und was in dem Aushandlungsprozess in der Kommune zwischen den verschiedenen Akteuren das Richtige ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Angesichts der üblicherweise zu Fuß zurückgelegten Wege hätte es überhaupt keinen Sinn, landesweite Gehwegnetze zu planen. Ich habe gerade ein Beispiel genannt. Aufgrund unserer gesetzlichen Grundlage wäre der Freistaat dazu auch nicht berechtigt; denn die Kommunen würden das völlig zu Recht als Eingriff in ihre eigenen Aufgaben zurückweisen. Thomas Baum hat schon deutlich gemacht, wie empfindlich die Kommunen reagieren, wenn wir in ihre Handlungsfreiheit eingreifen.
Das hört sich jetzt nach einer Abwertung des Themas an, von dem ich anfangs sagte, dass es mir, aber auch dem Ministerium am Herzen liegt; und es täuscht, wenn das so sein sollte. Es ist keine Abwertung dieses Themas. Der Freistaat leistet für den Fußverkehr das, was im Rahmen seiner Aufgaben möglich ist, was angemessen und zielgerichtet ist. Wir unterstützen die Kommunen dabei, in ihrer Zuständigkeit fußgängergerechte Planungen umzusetzen. Das geschieht unter anderem durch unsere Förderstrategien und unsere eigenen Planungen im Verkehr.
In der "Richtlinie für die Förderung von Straßen- und Brückenbauvorhaben kommunaler Baulastträger", die Ende 2015 neu ausgerichtet wurde, sind Gehwege gleich
berechtigter Fördergegenstand. Die Gewährleistung der Barrierefreiheit, auf die heute nur wenig eingegangen wurde, die aber aus meiner Sicht ungeheuer wichtig ist, wenn wir über Fußverkehr reden, ist selbstverständlich eine Fördervoraussetzung. Ebenso verhält es sich mit den Förderrichtlinien für den ÖPNV.
Es wurde schon erwähnt, dass für die Dörfer und Kleinstädte im Rahmen der LEADER-Förderung das SMUL Mittel bereitstellt, mit denen zum Beispiel vitale Dorfkerne fußgängerfreundlich gestaltet werden können. Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, auch ich ärgere mich an der einen oder anderen Stelle, wenn in den Gemeinden ein solcher Fußweg nicht zur Verfügung steht. Vielleicht sollte man dann aber in dieser Gemeinde darüber nachdenken, ob es nicht notwendig ist, für Schülerinnen und Schüler, für ältere Menschen, für die Bevölkerung oder auch für Touristen einen Fußweg anzulegen. Das wird sicherlich ein spannender Konflikt mit dem Autoverkehr werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Plant der Freistaat Ortsdurchfahrten von Bundes- oder Staatsstraßen, werden Anlagen des Fußgängerverkehrs als integraler Bestandteil sicherer und angemessener Verkehrsanlagen berücksichtigt, wiederum in Abstimmung mit den jeweiligen Städten und Gemeinden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch bei der Aufgabe der Verkehrserziehung und der Verkehrssicherheitsarbeit umfassen die Aktivitäten im Land weit mehr als nur das, was der Freistaat selbst durchführt. Die Landesverkehrswacht Sachsen e. V., der Sächsische
Fahrlehrerverband und weitere Partner werden dabei vom Freistaat unterstützt. Mit einer Förderrichtlinie des Innenministeriums werden Jugendverkehrsschulen und weitere Maßnahmen der Verkehrserziehung mitfinanziert, und auch das ist gut und wichtig.
Es hat sich herumgesprochen, dass auch die personelle Ausstattung der Polizei verbessert wird. Im Ergebnis einer umfassenden Evaluierung soll auch die polizeiliche Prävention als wichtige Teilaufgabe neu bewertet werden und Poldi hoffentlich auch noch lange bei den Schülerinnen und Schülern die Verkehrserziehung begleiten. Durch die Zusammenarbeit der Polizei mit den Verkehrsbehörden und Kommunen in den örtlichen Unfallkommissionen ist auch bisher schon gewährleistet, dass Unfallschwerpunkte und Gefahrenstellen erkannt und beseitigt werden. Daran halten wir weiterhin fest.
Als Fußgängerin – die ich zugegebenermaßen nur selten bin, aber dennoch um die Probleme weiß –, fühle ich mich in Sachsen sicher. Ich habe vorhin darauf hingewiesen, dass an der einen oder anderen Stelle die Sicherheit sicherlich, vor allen Dingen in kleineren Kommunen, erhöht werden kann. Weil ich auch Familienverantwortung trage, schaue ich mit wachen Augen auf die Verhältnisse, wie sie sich aus Sicht der schwächsten Verkehrsteilnehmer darstellen; sie sind angesprochen worden: Das sind Kinder, ältere Bürger und mobilitätseingeschränkte
Selbstverständlich gibt es Defizite. Es gibt Handlungsbedarf. Kommunen und Verkehr entwickeln sich selbstverständlich weiter. Wir alle sind vor Irrtümern nicht immer sicher. Ich hatte vorhin schon angesprochen, dass die Konflikte im öffentlichen Verkehr vorprogrammiert sind. Die Zuständigkeit der Akteure vor Ort und die Unterstützung ihrer Arbeit durch den Freistaat halte ich für geeignet, um Schritt für Schritt und an den Stellen, an denen es gefährlich ist, die Bedingungen für unsere Fußgänger etwas schneller zu verbessern.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. Ich möchte mich auch bei den GRÜNEN für die Anregung bedanken, über den Fußverkehr im öffentlichen Raum zu sprechen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum Abschluss der Behandlung der Großen Anfrage beraten und stimmen wir über einen Entschließungsantrag ab, der Ihnen als Drucksa
che 6/10565 vorliegt, eingebracht von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Er wird jetzt noch einmal von Frau Abg. Meier begründet.
Herzlichen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich sage auch einen ganz herzlichen Dank an Sie, Frau Stange. Es hat mir wirklich große Freude gemacht, Ihnen zuzuhören.
Folgendes ist nicht klar geworden, da ist es ein wenig am Thema vorbeigegangen: Uns ist selbstverständlich klar, dass die Kommunen die Verantwortung tragen. Wir glauben aber, dass die Kommunen eine stärkere Unterstützung durch das SMWA und LASuV brauchen. Ich darf Sie an Folgendes erinnern: Es gibt keine einzige Mitarbeiterin und keinen einzigen Mitarbeiter, die und der sich mit dem Fußverkehr beschäftigt. Beim Radverkehr sieht es nicht sehr viel besser aus. Genau deswegen fordern wir eine Koordinierungsstelle für die Kommunen, die beraten soll.
Außerdem ist es wirklich notwendig, den Model Split getrennt zu erheben, um Zahlen zu erhalten. Ich kann Sie nur ermutigen, dies zu machen und darauf aufbauend für Sachsen eine Nahmobilitätsstrategie zu entwickeln.
Des Weiteren fordern wir in unserem Entschließungsantrag, dass endlich, dies steht sogar im Koalitionsvertrag, die Arbeitsgemeinschaft „Fahrradfreundliche Städte“ gegründet wird. Herr Nowak, wir möchten vernetzt denken. Deswegen möchten wir sie um den Fußverkehr ergänzen. Ich fände es großartig, wenn Sie die AGFS, so wie in Ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, etablieren und den Fußverkehr mit aufnehmen. Es gilt, die Kommunen zu unterstützen. Es gilt, den Wissenstransfer zu organisieren, die Kommunen bei der Grundlagenforschung zu unterstützen, Weiterbildung und Fachkonferenzen für die kommunalen Akteure anzubieten. In anderen Bundeslän
dern gibt es das, wie gesagt, schon. Dort funktioniert es hervorragend. Wenn Sie ein ernsthaftes Interesse daran haben, dass es bald eine AGFS gibt, dann bitte ich Sie, noch einmal Ihre Strategie zu überdenken. Bisher haben die Kommunen lediglich einen lapidaren Brief vom Städte- und Gemeindetag erhalten, ob sie Interesse an einer solchen AGFS haben. Im gleichen Brief wurde ebenfalls mitgeteilt, dass dies Geld kosten solle. Man könnte das alles etwas proaktiver und bejahender für die Kommunen gestalten, dann würde sicherlich dabei auch etwas herumkommen.
Außerdem fordern wir in unserem Antrag explizit nicht, Mittel bereitzustellen, weil wir wissen, dass wir uns nicht in den Haushaltsverhandlungen befinden. In den Haushaltsverhandlungen, die nächstes Jahr anstehen, werden wir selbstverständlich, das möchte ich sagen, Haushaltsmittel für den Fußverkehr beantragen.
Sie erinnern sich, dass ich aus dem Koalitionsvertrag zitiert hatte: Kommunikationsmaßnahmen und Modellprojekte für den Fußverkehr. Bisher gibt es diese nicht. Bisher wurden diese in Sachsen nicht umgesetzt. Sie haben dafür noch zwei Jahre Zeit. Es könnte heute und von hier ein gutes Signal ausgehen, wenn Sie unserem Antrag zustimmen würden.
Vielen Dank, Frau Meier. Meine Damen und Herren! Gibt es hierzu Wortmeldungen? – Herr Abg. Nowak, bitte sehr.
Wir werden diesen Entschließungsantrag ablehnen. Er greift aus unserer Sicht die fachlichen und vor allen Dingen verwaltungstechnischen Realitäten nicht ausreichend auf.
Ein flächendeckendes Tempo 30 – das schafft mehr Probleme, als es löst. Der Vorschlag wird nicht dadurch besser, dass man ihn permanent wiederholt. Deswegen ist das für uns nicht zustimmungsfähig.
Meine Damen und Herren! Ich möchte zum Entschließungsantrag einmal etwas Grundsätzliches sagen: Im Gegensatz zu den LINKEN schaffen es zwar die GRÜNEN, wenigstens eine Begründung anzuhängen. Sie reichen ihm terminlich aber so ein, dass man sich nicht ordentlich darauf vorbereiten kann. Dieses Mal geschah es drei Stunden bevor der Antrag behandelt wird.
(Valentin Lippmann, GRÜNE: Das ist Usus bei einem Entschließungsantrag! Das macht Ihre Fraktion nicht anders!)
Doch, wir haben unseren Entschließungsantrag beim letzten Mal zwei Tage vorher eingereicht. Wir möchten
Ihnen gerade sagen, dass das vernünftiger ist und dass Sie sich einmal ein Beispiel an uns nehmen sollen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Ich denke, es ist auch in meinem vorherigen Redebeitrag deutlich geworden, dass das Thema nicht belanglos ist. Über einige Punkte unter Punkt II kann man sicherlich diskutieren, über andere Punkte aus unserer Sicht eher nicht.