Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Um es in aller Deutlichkeit zu sagen: Das Tragen von Burka oder Nikab widerspricht unserem Frauenbild, erschwert das zwischenmenschliche Miteinander in unserer Gesellschaft und ist ohne Frage ein großes Integrationshindernis.
Gleichwohl fällt das Tragen einer religiös motivierten Gesichtsverschleierung unter den Schutzbereich des Artikels 4 Abs. 2 des Grundgesetzes. Die Religionsfreiheit ist ein hohes Verfassungsgut und unterliegt keinem Gesetzesvorbehalt.
Ein Verschleierungsverbot bedarf deshalb, um nicht verfassungswidrig zu sein, einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Die Religionsfreiheit findet ihre Grenzen in den Grundrechten Dritter und in anderen mit Verfassungsrang ausgestatteten Rechtsgütern.
Solche verfassungsimmanenten Schranken, die ein Verschleierungsverbot rechtfertigen können, sind zum Beispiel der staatliche Bildungsauftrag in Artikel 7 Abs. 1 des Grundgesetzes, das in Artikel 21 und Artikel 28 verankerte Rechtsstaatsprinzip in Bezug auf das Funktionieren der staatlichen Ordnung sowie die sich aus Artikel 2 Abs. 2 ergebende staatliche Schutzpflicht für das Leben und die körperliche Unversehrtheit mit Blick auf Aspekte der inneren Sicherheit. Dabei muss aber in jedem Fall eine Abwägung der Verfassungsgüter unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen.
Vor diesem Hintergrund strebt die CDU-Fraktion für Sachsen ein Verschleierungsverbot nach dem Vorbild des am 1. August in Kraft getretenen bayerischen Gesetzes an, das heißt konkret, ein Verbot von Gesichtsschleiern für Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst, an Schulen und Hochschulen, in Kindertagesstätten und in Wahllokalen.
Zudem soll ein Verbot bei Massenveranstaltungen möglich sein. Dies halten wir unter anderem mit Blick auf die Funktion und die Neutralitätspflicht des öffentlichen Dienstes, auf den Bildungsauftrag des Staates und auf die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit in unserem Land für erforderlich und geboten.
Das ist sehr bedauerlich, aber in einer Koalition können nun einmal nur Vorhaben umgesetzt werden, die beide Partner mittragen.
Nun zum Gesetzentwurf der AfD-Fraktion. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf ist ohne Zweifel verfassungswidrig. Ich habe bereits ausgeführt, dass die Hürden für einen Eingriff in das Grundrecht auf Religionsfreiheit hoch sind. Ein Verschleierungsverbot, das sich undifferenziert auf den gesamten öffentlichen Raum erstreckt, ist verfassungsrechtlich schlichtweg nicht zu rechtfertigen.
Herr Anton, von drei Gutachtern haben zwei Gutachter sehr detailliert ausgeführt, warum die Freiheit der Religionsausübung gar nicht betroffen sei, Artikel 4 überhaupt nicht betroffen sei.
Frau Dr. Muster, wenn Sie sich die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu diesen Fragen anschauen, dann können Sie nicht zu dem Ergebnis kommen, dass der Schutzbereich des Artikels 4 nicht eröffnet sei. Ich werde Ihnen das im Folgenden noch ausführlich erläutern.
bisher über die Verfassungsmäßigkeit des Islam noch keine Ausführungen gemacht hat und diese auch nicht geprüft hat.
(Valentin Lippmann, GRÜNE: Auf was wollen Sie denn rekurrieren! Auf Ihren Sachverständigen, Herrn Schachtschneider!)
Wollen Sie sagen, wenn das Bundesverfassungsgericht noch nicht festgestellt hat, dass der Islam eine Religion sei, dann müsste man daraus schlussfolgern, der Islam sei keine Religion?
Sie sind sich doch durchaus bewusst, Frau Dr. Muster, dass die Hürde hoch ist. Genau deshalb versuchen Sie ja, die Klippe zu umschiffen, indem Sie in Zweifel ziehen, dass eine Gesichtsverschleierung überhaupt in den Schutzbereich des Artikels 4 Abs. 2 des Grundgesetzes fällt. So haben Sie es in Ihrer Gesetzesbegründung geschrieben.
Frau Dr. Muster, in der Tat wird die religiöse Pflicht zur Verschleierung in den einzelnen islamischen Rechtsschulen unterschiedlich bewertet. Die gelebte Praxis weicht in den verschiedenen islamischen Ländern stark voneinander ab. Natürlich spielen dabei auch regionale Traditionen eine große Rolle. Dennoch fällt das Tragen zum Beispiel einer Burka unter den Schutzbereich des Artikels 4 des Grundgesetzes.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem sogenannten Kopftuchurteil klargestellt, dass es eben nicht darauf ankommt, ob und inwieweit eine Verschleierung von Regeln des islamischen Glaubens vorgeschrieben ist. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Verschleierung von der betroffenen Person, die dieses Kleidungsstück trägt, als religiös vorgeschrieben betrachtet wird und für sie Ausdruck ihres religiösen Bekenntnisses ist.
Der Schutzbereich der Religionsfreiheit ist vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts daher zweifelsohne eröffnet.
Frau Dr. Muster, wenn Sie das tatsächlich anders sehen, dann haben Sie offensichtlich einen Schleier vor den Augen.
Meine Damen und Herren! Eigentlich könnte ich an dieser Stelle meine Ausführungen beenden; denn dass wir einem offensichtlich verfassungswidrigen Gesetzentwurf nicht zustimmen können, ist selbsterklärend. Zur handwerklichen Qualität muss ich aber doch noch ein paar Worte verlieren; denn dieser Gesetzentwurf stellt wahrlich einen neuen Tiefpunkt
in der nunmehr fast dreijährigen glanzlosen Geschichte nachlässig erarbeiteter AfD-Gesetzentwürfe dar.
Lassen Sie mich einige Beispiele nennen, um dieses zu verdeutlichen. Erstens, die Definition des öffentlichen Raumes in § 2 des Gesetzentwurfes. Ich zitiere: „Öffentlicher Raum im Sinne dieses Gesetzes ist der gesamte Raum, der nicht dem Schutzbereich des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung unterfällt.“ In der Praxis bedeutet das: In einer Arztpraxis oder einer Fabrik darf man Burka tragen, weil diese vom Schutzbereich des Artikels 13 Abs. 1 Grundgesetz erfasst sind. Wenn Sie einen Laden betreiben, in einem Kaufhaus beispielsweise, dann dürfen sie keine Burka tragen. Das ist doch absurd.
Zweitens. Es ist keine Ausnahme zum Beispiel für Schutzkleidung gegen Nässe und Wind, Arbeitsschutzkleidung, Motorradhelme oder Ähnliches vorgesehen.