Meine Damen und Herren! Es wird nicht funktionieren. Diese Leute werden unsere Rentensysteme nicht sichern. So wird auch die Integration nicht funktionieren. Die SPD kann sich freuen, weil die Türken in Deutschland prozentual die größte SPD-Wählergruppe sind.
Welche Folgen wird das haben? Es wird Folgen haben. Wenn wir den Sozialstaat in Deutschland für jeden Erdenbürger offenhalten, der es irgendwie hierher schafft, dann wird er überdehnt und wird zerfallen; denn man kann mit begrenzten Ressourcen nicht unbegrenzte Ergebnisse erwirtschaften. Das ist Mathematik. Dafür muss man noch nicht einmal in der Schule sein, um das zu verstehen. Wenn diese Leute nicht in Arbeit kommen, wenn sie bei uns auch nicht ankommen, werden sie frustriert sein. Sie werden radikalen Predigern auf den Leim gehen. Sie werden sich radikalisieren. Sie werden sich ihren gesellschaftlichen Rückhalt in Parallelstrukturen, in Parallelgesellschaften suchen. Das sehen wir nun schon in den westdeutschen Großstädten. Machen Sie doch nicht die Augen zu vor dem leider Offensichtlichen.
Herr Wippel, würden Sie mir recht geben, dass die Gefahr von Radikalisierung und sozialem Abrutschen bei allein hier lebenden Personen größer ist, als wenn sie auf ein familiäres Umfeld zurückgreifen könnten?
Herr Kollege Pallas, möglicherweise könnte das so sein. Aber da wir die Erwartung haben, dass diese Leute nach Hause gehen, wenn der Krieg vorbei ist, und wir sie dann auch im Notfall nach Hause begleiten wollen, und das auch gegen ihren Willen, sehe ich diese Gefahr tatsächlich nicht, wenn die AfD ihr Konzept umsetzen könnte.
Sehen wir aber einmal, dass durch so etwas Clan-Strukturen gestärkt werden könnten. Wir haben jetzt schon in Deutschland Friedensrichter. Es gibt No-go-Areas für die Polizei. Es gibt in Berlin die Scharia-Polizei.
Das wird mir sogar von Leuten erzählt, die grundsätzlich erst einmal unpolitisch sind. Sie sagen, sie fühlen sich nicht mehr wohl. Wir haben die Fehden, es gibt die Blutrache, und unseren Richtern wird nichts mehr erzählt. Unseren Staatsanwälten wird nichts erzählt. Damit überfordern wir unseren Rechtsstaat. Wir überfordern den Rechtsstaat und den Sozialstaat. Das ist der Grund, warum unser Land erfolgreich ist, warum wir diese Ressourcen im Moment überhaupt haben, um Menschen helfen zu können. Sie ziehen uns hier den Boden unter den Füßen weg mit Ihrer Politik, wenn sich da nichts ändert. Wir wollen das ändern und wir wollen, um Peter Scholl-Latour einmal zu bemühen, nicht Kalkutta werden.
Das war Herr Kollege Wippel. Er sprach für die einbringende AfD-Fraktion. Gibt es noch weiteren Redebedarf in der gerade eröffneten zweiten Runde? – Das kann ich nicht erkennen. Dann hat die Staatsregierung jetzt das Wort. Es ergreift Herr Staatsminister Ulbig.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Im Moment haben wir offenkundig inflationär viele Anträge bzw. Tagesordnungspunkte, die sich mit diesem Themenkomplex beschäftigen. Unsere unterschiedlichen Positionen müssen wir dann regelmäßig bei diesen Tagesordnungspunkten austauschen. Das gehört zu einer Debatte. Ich will meinen Beitrag als Staatsminister nutzen, um ein paar Fakten und ein bisschen Licht in das ganze Zahlengewirr zu bringen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der AfD, beim Thema Zuwanderung und Familiennachzug differenzieren wir in Deutschland sehr wohl. Wenn ich mir die Zahlen anschaue, die die BAMF-Statistik für Sachsen für das erste Halbjahr 2017 dokumentiert, dann haben wir im Freistaat Sachsen insgesamt 13 163 Entscheidungen über Asylanträge vom BAMF bekommen. Von diesen wurden 82 Personen als politisch Verfolgte im engeren Sinne, 1 936 Personen als Flüchtlinge, 1 582 als subsidiär Schutzberechtigte anerkannt, für 774 Personen Abschiebungsverbote festgestellt, 2 715 Verfahren eingestellt und 6 074 Anträge abgelehnt – also, meine sehr verehrten Damen und Herren, fast die Hälfte der Anträge, die im ersten Halbjahr 2017 gestellt worden sind.
Das bedeutet: Wer als Asylbewerber einen temporären Aufenthaltstitel bekommt, der gehört entweder erstens zu der sehr kleinen Gruppe derer, die vor politischer Verfolgung durch ein Unrechtssystem geflüchtet sind, zweitens zu der deutlich größeren Gruppe der Flüchtlinge im
Definitionssinne, die beispielsweise aufgrund von Hautfarbe oder Religionszugehörigkeit unterdrückt wurden, und drittens zu der Gruppe der subsidiär Schutzberechtigten und damit meist zu denjenigen, die aus Bürgerkriegen wie in Syrien zu uns kommen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Regelung, den Familiennachzug zumindest in der letzten Gruppe, die ich gerade angesprochen habe, also der subsidiär Schutzberechtigten, im Rahmen des Asylpaketes II befristet auszusetzen, war faktisch begründet und aus meiner Sicht eine richtige Entscheidung. Sie gilt noch bis März 2018.
Ich habe versucht, die Zahlen, die mir zugänglich sind, zugrunde zu legen, um die 390 000, die gestern in einer großen Boulevard-Zeitung die Runde gemacht haben, irgendwie zu sortieren. Ich habe die BAMF-Statistik der Jahre 2015 und 2016 hergenommen. Aus dem Herkunftsland Syrien sind 1 923 als Asylberechtigte und 265 000 als Flüchtlinge anerkannt worden. 121 000 – das sind immer gerundete Zahlen – haben den subsidiären Schutz bekommen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das sind in der Summe 389 280. Das dürften die 390 000 sein. Das sage ich, um das ein bisschen anhand von offiziellen Statistiken einzuordnen.
Deshalb ist es wichtig, dass die Regelung, die im März 2018 bezogen auf die subsidiär Schutzberechtigten ausläuft, noch einmal genauer angeschaut wird. Das ist eine Aufgabe der neuen Bundesregierung. Die Bundeskanzlerin hat bereits erklärt, dass das notwendig ist. Aus meiner Sicht kann ich nur sagen, dass ich eine Verlängerung dieser Regelung für sinnvoll halte.
Klar ist aber auch. Eine solche Regelung nicht nur für die subsidiär Schutzberechtigten, sondern auch für die anerkannten Flüchtlinge zu treffen, ist weder mit der Genfer Konvention noch mit dem Völkerrecht vereinbar und deshalb nicht möglich, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Damit sind wir beim problematischen Teil Ihres Antrages. Ich will es noch einmal deutlich für Sie sagen: Sachsen gehört nach wie vor zur Bundesrepublik und ist damit Teil der EU. Das heißt, Europarecht, Asylgesetz und Genfer Konvention sind für uns eben nicht nur Floskeln, sondern selbstverständlich bindend. Deshalb verbietet sich eine generelle Ungleichbehandlung von Ausländern in diesem Punkt.
Vor diesem Hintergrund empfehle ich Ihnen als Vertreter der Staatsregierung, diesen Antrag abzulehnen.
Herr Staatsminister Ulbig sprach für die Staatsregierung. Jetzt hat die einreichende Fraktion AfD die Möglichkeit eines Schlusswortes. Bitte, Herr Wippel.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete! Wir haben festgestellt, dass der Sozialstaat Grenzen und einen Rechtsstaat bedingt. All das wollen wir mit diesem Antrag schützen. Das ist die Aufgabe der Politik. Die Aufgabe der Politik wird es auch sein, auf Bundesebene die entsprechenden Regelungen herbeizuführen. Da muss man eben mit der Europäischen Union verhandeln. Vielleicht muss man einmal schauen, ob die Genfer Flüchtlingskonvention heutzutage noch in der Form aktuell ist, wie sie geschrieben wurde.
Was mich wirklich freut, ist die Aussage des Innenministers bezüglich der geringen Anerkennung von Asylanträgen. Was ist allerdings die Folge? Das muss man dann auch ganz klar formulieren. Sie tun ja so, als würden die Leute dann alle abgeschoben werden. Faktisch ist es aber so, dass in einem Monat so viele Menschen nach Deutschland kommen, wie wir in sechs Monaten abschieben. Das ist ein krasses Missverhältnis. An dieser Stelle muss man sagen: Aufgabe verfehlt.
Unser Antrag steht natürlich nicht allein, sondern ist eingebettet in ein Konzept, dass die AfD hat. Wir haben
schon einige Aspekte davon in diesem Landtag besprochen. Wir wollen die Kriege beenden. Wir wollen, dass den Menschen vor Ort geholfen wird. Wir wollen, dass die Mittelmeerroute dichtgemacht wird. Wir wollen unsere deutschen Grenzen unabhängig davon schützen. Wir wollen auch, dass Asylanträge nach Möglichkeit schon in den Herkunftsstaaten bearbeitet werden. Wir haben im letzten Plenum darüber gesprochen.
Meine Damen und Herren! Wenn Sie das auch wollen und wenn Sie ein Deutschland wollen, in dem auch Deutsche in Zukunft gut und gern leben, dann stimmen Sie unserem Antrag zu. Haben Sie den Mut zu Deutschland. So schlimm ist es nicht. Die Schimpfe der „Mutti“ wird nicht allzu laut sein. Der Minister hat ja schon gesagt, dass sie eigentlich dasselbe will.
Meine Damen und Herren! Ich stelle nun die Drucksache 6/10386 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltungen. Damit ist die Drucksache 6/10386 nicht beschlossen und der Tagesordnungspunkt beendet.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Stellen Sie sich vor, Sie lernen eine junge Frau kennen.
Diese junge Frau erzählt Ihnen ihre Geschichte. Sie berichtet Ihnen von ihrem Leben in einem Flüchtlingscamp im Nordirak. Sie erzählt, dass sie Versklavung, Vergewaltigung, Folter und Demütigung durch den IS erlebt hat, und Sie können es kaum fassen, dass sie diese Torturen überlebt hat. Die Geschwister und die Eltern wurden vom IS getötet. Die junge Frau sagt Ihnen, wie glücklich sie sei, jetzt in Deutschland, in Sicherheit zu sein und diese Hölle hinter sich gelassen zu haben.
Das ist keine erfundene Geschichte, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen. Die Schilderungen sind Realität, und die Frau hat einen Namen: Sie heißt Nadia Murad. Sie konnte über ein von Baden-Württemberg eingerichtetes Sonderkontingent für schutzbedürftige Frauen und
Kinder aus dem Nordirak nach Deutschland einreisen. Nachdem sie hier in Sicherheit war, sprach sie immer wieder öffentlich über das Erlebte und das Schicksal der Jesidinnen und Jesiden, auch vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Am 16. September 2016 wurde sie in New York vom UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon zur Sonderbotschafterin für die Würde der Überlebenden von Menschenhandel ernannt.
Baden-Württemberg hat im Oktober 2014 die Aufnahme von 1 000 Frauen und Kindern aus dem Nordirak beschlossen, die aufgrund des Massakers am 3. August 2014 traumatisierende Gewalt erfahren und engste Angehörige verloren hatten. Dank der späteren Beteiligung von Niedersachsen und Schleswig-Holstein konnten schließlich sogar insgesamt 1 100 Frauen und Kinder, überwiegend Angehörige der nichtmuslimischen Minderheiten der Jesiden und Christen, aus dem Nordirak nach Deutschland geholt werden.
Das Programm ist seit Januar 2016 abgeschlossen. Die Bundesregierung hat ihm die nötige Zustimmung erteilt. Es wurde von Baden-Württemberg finanziert, organisiert