Protocol of the Session on June 22, 2017

(Uwe Wurlitzer, AfD: Das war Herr Schily 2004!)

Aktuell laufen die Verhandlungen der EU mit despotischen Regimes vor allem im afrikanischen Raum auf Hochtouren. Ziel ist es, diesen Staaten finanzielle Anreize zu geben, sich an der Migrationsabwehr der EU zu beteiligen. Die Bundesrepublik ist in diesen Verhandlungen ganz klar Motor. Das ist das Erschreckende. Diese Logiken stehen ganz nahe zusammen.

Das Perfide ist: Diese schmutzigen Deals werden als Fluchtursachenbekämpfung deklariert. In Wirklichkeit schmälern sie die Chancen der Menschen, die in Freiheit und Würde leben wollen, und stärken Regimes, die Fluchtbewegungen durch wirtschaftliches Missmanagement, durch Korruption und Menschenrechtsbewegungen verursachen.

Wie gesagt, in dieser derzeit durch die offizielle Regierung offensiv betriebenen Logik bewegt sich der Antrag der AfD.

(Zuruf von der AfD: Aha!)

Menschen sollen in unmittelbarer Nachbarschaft zu Krisenherden festgehalten werden, um nicht nach Europa vorzudringen.

Mit Ihrem Vorschlag werden nicht nur internationale Übereinkommen über die Gewährung von Asyluntergrabung begründet, dieser Vorschlag wird – in der Begrün

dung kann man das nachlesen – dann auch noch mit einem unverhohlenen Rassismus – –

(Uwe Wurlitzer, AfD: Was?)

Es geht nicht mehr um Schutz, um Menschenwürde, um Dinge, die uns Genfer Flüchtlingskonvention, UN, Menschenrechtskonvention usw. vorgeben, sondern es geht – das muss ich ablesen – um Kulturkreise, um Gebräuche und Sitten, aus denen Sie die Menschen nicht herausreißen wollen.

(Zuruf von der AfD: Ja!)

Schutzsuchende aus außereuropäischen Kulturkreisen könnten sich nicht anpassen. Das ist der Subtext Ihrer Antragsbegründung. Das ist einfach widerwärtig.

Grundsätzlich ist die Identität eines Menschen nicht in Stein gemeißelt, und zudem verleugnen die Damen und Herren der AfD damit, dass Menschen sehr oft aus der Enge der religiösen Zwänge aus Unfreiheit fliehen und ein neues Leben beginnen wollen.

Wenn wir beim Krieg in Syrien bleiben – und die Länder, die Sie da vorschlagen, sind genau die Anrainerstaaten oder Syrien nahen Staaten – und uns die Zahlen und Folgen des Krieges in Syrien anschauen, dürfte sich aus meiner Sicht der menschenverachtende Vorschlag, der uns hier angeboten wird, mehr oder weniger in Luft auflösen.

Sie waren in Jordanien, Sie haben es zitiert. Kollegen aus meiner Fraktion waren ebenfalls in Jordanien. Wahrscheinlich sind die Wahrnehmungen etwas verschieden.

Ich möchte mit Zahlen argumentieren. Der seit 2011 in Syrien wütende Krieg hat etwa die Hälfte der Bevölkerung zur Flucht gezwungen. Fast 7 Millionen Syrerinnen und Syrer sind innerhalb des Landes vertrieben. Fast fünf Millionen syrische Flüchtlinge hat UNHCR bisher in den Nachbarländern Jordanien, Libanon, Irak, Türkei und auch Nordafrika registriert. Etwa die Hälfte davon sind Kinder.

Die meisten der Geflüchteten – das widerspricht vielleicht Ihren Wahrnehmungen, vielleicht ist es andernorts nicht so sonnig und schön, wie es in Jordanien war – sind nahezu mittellos und dringend auf Hilfe angewiesen. Die Versorgung mit dem Nötigsten ist nicht gesichert. Medizinische Hilfe ist prekär. Die hygienischen Zustände sind teilweise unhaltbar, ganz zu schweigen – das haben Sie selbst erwähnt – vom Zugang zur Schulbildung, der eben nicht für diese vielen Kinder in den Staaten gewährleistet ist.

Frau Nagel, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Jetzt würde ich gern weiterreden.

(Uwe Wurlitzer, AfD: Das war klar!)

Nur ein kleiner Teil der aus Syrien Geflüchteten ist tatsächlich in Europa angekommen. Schauen wir die

Zahlen für Deutschland an, dann sind es über eine halbe Million. Das macht 12 % der insgesamt Geflüchteten aus. Das zeigt, über welche Dimensionen, über welche Verhältnisse und Vergleichszahlen wir hier sprechen. Es ist ein Bruchteil der Menschen, die geflohen sind.

Der vorliegende Antrag wäre tatsächlich lächerlich, wie ihn Herr Hartmann hier auch konnotiert oder kommentiert hat, wenn er nicht eine traurige, weil bodenlos antihumanistische Denkweise in sich tragen würde. Das Schlimmste daran ist – ich habe es anfangs erwähnt –: Er ist gar nicht so weit davon entfernt, was gerade auf Bundesebene betrieben wird und was auch beim G-20-Gipfel in Hamburg eine gewisse Rolle spielen wird.

Als LINKE schließen wir uns stattdessen Forderungen diverser NGOs an: Es braucht legale Einreisewege in die Europäische Union statt Abschottung. Es braucht einen garantierten Zugang zum Asylverfahren, den Sie mit Ihrem Antrag unterminieren wollen. Anstelle von Entwicklungshilfe als Erpressung brauchen wir faire Wirtschafts- und Handelspolitiken zwischen globalem Norden und globalem Süden. Statt Rüstungsexporten aus Europa brauchen wir zivile Konfliktmechanismen.

Wir lehnen Ihren Antrag selbstverständlich ab.

(Beifall bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion; Herr Abg. Pallas. Bitte sehr, Herr Pallas.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte etwas voranstellen, weil Kollege Wurlitzer vorhin die Ernsthaftigkeit dieser Debatte moniert hat.

Natürlich haben es die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, aber auch die Personen, um die es hierbei geht, nämlich die Zuwanderer, verdient, dass sich dieser Sächsische Landtag mit den Problemen rund um das Thema Zuwanderung, Asyl, Migration und Integration ernsthaft befasst. Ich möchte ausdrücklich sagen, dass ich diesen Antrag nicht für eine ernsthafte Beteiligung an dieser Debatte halte. Aber es ist dennoch ein sehr interessanter Antrag.

Er kommt als sachlicher Vorschlag zum Umgang mit Migration in und nach Deutschland einher. Es drängt sich – wahrscheinlich nur mir – der Gedanke auf, dass die Antragsteller eigentlich etwas ganz anderes wollen. Sie trauen sich nur nicht, es offen auszusprechen.

Ich möchte mit einem Blick in den Antragstext beginnen, denn der Text selbst wirft eine ganze Reihe von Fragen auf. Ihr Antragsziel laut Begründung, um es kurz zusammenzufassen: „Asylsuchende sollen für die Dauer ihres in Deutschland laufenden Asylverfahrens in Unterkünften nahe ihrer Heimat untergebracht werden“, also in anderen Ländern. „Währenddessen soll trotzdem das Asylverfahren in Deutschland geführt werden.“

Ich stelle zunächst fest, dass Sie hier einen sächsischen Alleingang inklusive der Verhandlung internationaler Staatsverträge wollen. Die Antragssteller sagen aber nichts zur aktuellen Reform des gemeinsamen europäischen Asylsystems. Sie sagen nicht, wie sich ein solcher sächsischer Alleingang mit dem Ziel verträgt, dass Europa vor allem gegenüber Drittstaaten mit gemeinsamer Stimme bei der Flüchtlingspolitik sprechen muss.

Ein weiteres Problem, zu dem sich der Antrag ausschweigt, ist, dass sächsische Behörden künftig hoheitliche Aufgaben auf exterritorialem Gebiet wahrnehmen sollen; denn an der Zuständigkeit Sachsens für die Unterbringung und die Versorgung der an unser Bundesland verteilten Asylsuchenden soll laut Ihrem Antrag nichts geändert werden.

Auch das sächsische Innenministerium hat in der Stellungnahme deutlich gemacht, dass diese Idee rechtlich höchst problematisch ist. Aber auch aus praktischen Gründen ist das völlig abwegig. So sollen nach Ihren Vorstellungen das Innenministerium, die Landesdirektionen, die Landkreise und die kreisfreien Städte reihenweise Mitarbeiter in die einzelnen Einrichtungen in diversen Ländern entsenden, damit sie ihre weiterhin bestehende Zuständigkeit ausüben können. Meinen Sie das wirklich ernst?

Mit einer einzigen exterritorialen Einrichtung ist es nicht getan, wenn man es mit der heimatnahen Unterbringung ernst nimmt. Auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge soll eingeladen werden, in den Einrichtungen der „sächsischen Überseegebiete“ zu arbeiten. Diese sollen dort in Deutschland gestellte Asylanträge bearbeiten. Dabei kommen sicherlich viele Flüge und Spesen für den Auslandseinsatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der sächsischen Ausländerbehörden und des BAMF zusammen.

Auch in Bezug auf den Umgang mit den Asylsuchenden selbst mutet das von den Antragsstellern intendierte Verfahren eher wie ein Konjunkturpaket für klamme Fluggesellschaften an. Wir haben nicht nur unzählige Beschäftigte der zuständigen Behörden, sondern auch Antragsteller, die unter Umständen mehrmals hin- und hergeflogen werden müssen. Vielleicht jeweils mit entsprechenden Eskorten durch sächsische oder Bundesbedienstete? Im Ernst: Ich halte es mit dem in Deutschland geltenden Rechtsstaatsprinzip für unvereinbar, dass Asylsuchende auf exterritoriales Gebiet verbracht, dort eingesperrt werden und dort deutschem und sächsischem Ausländerrecht unterworfen sein sollen.

(Zuruf von der AfD)

Diese Menschen können dort nicht auf den kundigen Rechtsbeistand mit Zulassung für die deutsche Verwaltungsgerichtsbarkeit zurückgreifen. Das kenne ich so nur von Guantánamo. Dort ging es um mutmaßliche Terroristen und nicht um Männer, Frauen und Kinder, die vor Krieg, vor Gewalt oder Armut geflüchtet sind und uns um Hilfe ersuchen.

(Zuruf von der AfD: Das ist unfassbar!)

Ihr Antrag ist unfassbar, Herr Kollege!

Schon aus diesen Punkten kann Ihr Antrag nur abgelehnt werden. Er geht an den wirklichen Problemen, die wir in Sachsen, in Deutschland und in Europa lösen müssen, völlig vorbei.

Für die SPD-Fraktion kann ich folgende Punkte als besonders wichtig identifizieren:

Erstens. Deutschland muss mit seinen europäischen Partnern dafür sorgen, das gemeinsame europäische Asylsystem weiterzuentwickeln.

Zweitens. Wir müssen die europäische Außengrenze besser schützen, aber gleichzeitig legale Einreisewege schaffen. Dabei geht es mir vor allem darum, das Sterben im Mittelmeer zu beenden, aber auch darum, die Einwanderung nach Europa und nach Deutschland besser zu ordnen.

Drittens. Mit stärkerem Nachdruck als bisher müssen wir gegen den Widerstand in einigen europäischen Mitgliedsstaaten eine faire Verteilung von Zuwanderern organisieren. An der Stelle spreche ich mich persönlich klar dafür aus, hier die europäischen Förderprogramme stärker daran auszurichten, wie viele Zuwanderer in den Ländern aufgenommen werden.

Viertens. Auch in Deutschland müssen wir handeln, liebe Kolleginnen und Kollegen; denn viele Menschen entscheiden sich für einen Asylantrag, obwohl sie offenkundig keine Asylgründe vorweisen können und wir keine transparenten und praktikablen Zuwanderungsregeln in Deutschland haben. Hierbei hilft nur ein deutsches Zuwanderungsgesetz, in dem wir die Regeln festlegen und zusammenfassen, unter denen Migrantinnen und Migranten nach Deutschland zuwandern können.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Da soll die SPD mal eins vorlegen!)

Wir haben eins vorgelegt, Herr Kollege. Da müssen Sie mal Ihre Hausaufgaben machen, Herr Gebhardt!

Ehrlich gesagt, bin ich es langsam leid, solche Vorwürfe zu hören, die völlig hanebüchen sind. Aber ich bin es vor allem leid, dass es die Konservativen im Bund sind, die seit Vorliegen der Ergebnisse der Süssmuth-Kommission dieses wichtige Vorhaben beharrlich ablehnen. Ich sage es ganz deutlich: Egal, wer ab Herbst in Deutschland regiert, wir brauchen ein Zuwanderungsgesetz in Deutschland.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU: Aber nicht eures, sondern eins!)

Ich komme jetzt zu der anderen Seite des Antrags, die Sie nicht offen ansprechen wollen. Das Papier strotzt so sehr vor Fehlern und inneren Widersprüchen, dass es jedem deutlich werden muss. Ihnen geht es doch darum, Zuwanderung generell zu verhindern. Sie wollen eine schöne homogene und reinblütige Gesellschaft, eine Volksge