Protocol of the Session on June 22, 2017

um die Vor-Ort-Begleitung zu organisieren.

Ah, der König der Zwischenrufe meldet sich, vielleicht gelegentlich mit einem sinnvollen!

Was passiert eigentlich mit denjenigen Flüchtlingen, die aus den Asylcamps nahe ihrem Heimatort fliehen, wie es schon heute Praxis ist, nur dass diese Camps durch das UNHCR, das IRK und andere Hilfsorganisationen betrieben werden? Dann geschieht das ja durch die Bundesländer, wie wir Punkt 2 entnehmen können. Erhalten die Flüchtlinge dann in diesen neuen Camps Rückflugtickets, damit sie nach Antragstellung in Deutschland wieder zurückkommen können? So ganz verstehe ich das System in der Tat noch nicht. Sie sagen, dass während der Antragstellung de facto die Abschiebung ausgesetzt wird. Insoweit dürften sie sich im Bundesgebiet frei bewegen.

Unter Punkt 3 schlagen Sie genau das vor, nämlich möglichst viel Asylsuchende in Aufnahmeeinrichtungen in deren Heimatnähe unterzubringen und zu versorgen. Im Klartext: Sie wollen möglichst viele Asylsuchende in die Flüchtlingscamps aus Deutschland ausfliegen und neue gar nicht erst hereinlassen, und das bei gleichzeitig verbessertem Schutz vor Abschiebung. Ehrlicherweise fehlt mir die Fantasie, wie dieses Verfahren vonstatten gehen soll. Aber auch da könnten Sie uns am Erhellungsprozess teilhaben lassen.

Unter Punkt 4 fordern Sie, dass das Bundesamt für Flüchtlinge und Migration in den Flüchtlingscamps Außenstellen betreibt, um vor Ort die Asylverfahren abzuwickeln. Da es sich dabei um eine hoheitliche Aufgabe handelt, bin ich gespannt, wie Sie dies rechtssicher auf exterritorialem Gebiet regeln wollen, da deutsches Recht dort keine Anwendung findet. Oder beabsichtigen Sie die Besetzung entsprechender Gebiete durch die Bundeswehr? Das wäre dann ein Folgeantrag, den wir noch zu erwarten hätten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielleicht wollen Sie auch die Botschaftsgebiete ausweiten.

Unter Punkt 5 setzen Sie noch einen obendrauf. Abschiebungen sollen unmittelbar vom jeweiligen Camp vor Ort vollzogen werden. Wie haben Sie sich das vorgestellt? Tag der offenen Tür – Tür auf, alle los und schönen Tag noch? Die Begeisterung der in Betracht kommenden Unterbringungsstaaten über die vielen neuen Illegalen kann ich mir jetzt schon lebhaft vorstellen, die Rahmenbedingungen, die damit verbunden sind, ebenso. Andernfalls müssten Abschiebungen durch eine erhebliche Zahl an sächsischen Polizeivollzugsbediensteten begleitet werden, um die Verbringung der Abzuschiebenden an einen in Betracht kommenden Flughafen oder die jeweilige Landesgrenze abzusichern. Aber auch hier fehlt mir die Fantasie, wie das in der Praxis funktionieren kann und wie sich die Unterbringungsstaaten gegenüber der Vielzahl von uniformierten und bewaffneten Polizeieinheiten verhalten, die dann im Auftrag der deutschen Regierung hoheitliche Aufgaben in fremder Staaten Territorium übernehmen.

Die Forderung, das Ganze nach einjähriger Praxis zu evaluieren, setzt diesem köstlichen Antrag noch die Sahnekirsche obenauf. Dafür möchte ich mich ehrlich bedanken. Trotz der Ernsthaftigkeit des Themas habe ich schon lange nicht mehr so herzlich gelacht. Ich finde es erfrischend, dass Sie das gesamte Plenum an dieser kabarettistischen Qualität teilhaben lassen. Ernst nehmen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der AfD, kann ich diesen Antrag nicht. Ich möchte Sie aber bitten, solche kabarettistischen Einlagen künftig ein paar Meter elbaufwärts vorzutragen. Der Theaterkahn ist sicherlich dankbar und bietet den Rahmen für vielfältige dieser Veranstaltungen.

Wir werden den Antrag ablehnen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Herr Wurlitzer?

Ich möchte gern eine Kurzintervention machen.

Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Hartmann, die Arroganz, mit der Sie das gerade vorgetragen haben, ist wirklich beispiellos. Dass Ihnen manchmal die Fantasie fehlt, kann ich mir durchaus vorstellen. Wir haben genügend Vorarbeit geleistet.

Wir haben im Dezember 2014 einen Antrag zur Erhöhung der Anzahl der Beamten im BAMF gestellt, um die Anträge schneller zu bearbeiten. Dazu habe ich hier einen ähnlichen Redebeitrag gehört. Jeder hat sich lustig ge

macht. Sieben Monate später hat die Staatsregierung genau das übernommen.

Wir haben einen Antrag zur Kinderehe gestellt. Darüber hat sich das ganze Plenum lustig gemacht. Wir haben einen Antrag zur Vollverschleierung gestellt. Das Plenum hat sich darüber lustig gemacht, die Fantasie hat gefehlt, und es hat keine Rechtsgrundlage gegeben. Trotz alledem sind all diese Dinge jetzt auf Bundesebene umgesetzt worden.

Ich hoffe, dass Ihnen auch in Zukunft die Fantasie fehlt und wir weiter die Arbeit machen können, die Sie ganz offensichtlich nicht machen. – Danke schön.

(Beifall bei der AfD)

Herr Hartmann.

Ich glaube, dass wir nicht den Anspruch auf Arroganz gepachtet haben. Das ist aber auch nicht das Thema.

Mit Verlaub: Ich versuche Anträge ernst zu nehmen. Sie machen es einem mit diesem Antrag schwer. Jetzt versuchen Sie einmal, die Ebenen zu sortieren. Forderungen nach Personalsteigerungen des Bundesamtes für Flüchtlinge und Migration, die Frage der Regelung deutscher Rechte – zum Beispiel Gesetzesänderungen für Vollverschleierungen – sind alles Souveränitätsrechte dieses Landes. Ich habe mich hinsichtlich Ihrer Anträge auch in einer gewissen Zurückhaltung geübt.

Was Sie hier vorschlagen, ist ein Widerspruch in sich. Vielleicht machen Sie sich einmal die Mühe, Ihren Antrag sinnlogisch zu durchdenken und fragen sich, wie Sie das eine mit dem anderen in Einklang bringen wollen, und dann versuchen Sie mir noch zu erklären, wie Sie im internationalen Recht die zukünftige Erstaufnahmeeinrichtung des Freistaates Sachsen in Jordanien in der Steuerung der Zuständigkeit der Sicherungsverantwortung des Sächsischen Staatsministeriums des Innern, in der Koordinierung des Bundesamtes für Flüchtlinge und Migration, in der Verantwortung des Souveränitätsrechtes des Landes erklären wollen. Dann viel Spaß!

An der Stelle, an der Sie vernünftige Anträge stellen, werde ich Ihnen auch mit der notwendigen Ernsthaftigkeit begegnen. Ansonsten bleibt mir wirklich nur, Ihre seltsame Art von Humor auch mit meiner eigenen, seltsamen Art von Humor zu begleiten, denn sonst passt es einfach nicht zusammen.

(Beifall bei der CDU – Uwe Wurlitzer, AfD: Dann hoffe ich in aller Deutlichkeit, dass sich dieser Antrag auf bundesdeutscher Ebene wiederfindet!)

Meine Damen und Herren! Wir setzen mit der Aussprache fort. Es ist die Fraktion DIE LINKE aufgerufen. Bitte sehr, Frau Nagel.

Danke. Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist jetzt

sehr schwer, nach dem sehr richtig getroffenen Redebeitrag zu sprechen. Ich setze mit meiner Rede aber auch einen anderen Schwerpunkt.

Heimatnahe Unterbringung Asylsuchender – das haben wir jetzt gehört – auf den Weg bringen, das begehrt die AfD-Fraktion mit ihrem Antrag. Auf Twitter wurde der Antrag mit dem Hashtag Weltflüchtlingstag versehen, in die Welt hinausgestoßen, was schon perfide ist. Denn der Weltflüchtlingstag steht bekanntermaßen im Zeichen des Menschenrechts auf Asyl. Das wollen Sie mit dem Antrag ja irgendwie antasten.

Die Grundforderungen, welche die Damen und Herren von ganz rechts außen hier stellen, bedeuten nichts anderes als die faktische Abschaffung oder Unterminierung des Grundrechts auf Asyl.

Frau Nagel, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Wippel.

Danke schön, Frau Nagel. Sie haben eben einen ominösen Twittereintrag benannt. Wer hat das denn getwittert? In wessen Namen? Ich kann Ihnen sagen: Ich war es nicht, und diese Fraktion war es auch nicht.

Ich kann es gern heraussuchen und Ihnen zur Verfügung stellen. Ich habe es auf Twitter herunterlaufen sehen.

Vielen Dank.

Das können wir noch klären.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Sie machen immer Dinge, die …! – Weitere Zurufe)

Jetzt diskutieren andere, genau.

Frau Nagel, bitte setzen Sie Ihren Redebeitrag fort.

Ich denke, Sie hätten einfach schreiben können, dass Sie wollen, dass Deutschland die Genfer Flüchtlingskonvention aufkündigen und den Artikel 16 a aus dem Grundgesetz schmeißen will, anstatt diese fehlerhaften – Herr Hartmann hat es sehr gut dargestellt – und auch unlogischen Schlüsse in Ihrem Antrag darzulegen.

Beispielsweise sollen nach Ziffer 1 a des Antrages die Aufenthaltsgestattungen für die Zeit des Asylverfahrens abgeschafft und durch einen reinen Abschiebeschutz ersetzt werden – so zumindest verstehe ich das. Hier soll der Weg dann für die folgende Auslagerung der Aufnahme von Geflüchteten aus Deutschland geebnet werden.

(Sebastian Wippel, AfD: Richtig!)

Das Recht auf einen Aufenthalt im Bundesgebiet zur Durchführung des Asylverfahrens allerdings ergibt sich unmittelbar aus § 16 a des Grundgesetzes.

(Uwe Wurlitzer, AfD: Artikel!)

Wer das Bundesgebiet erreicht und sein Asylbegehren zum Ausdruck bringt, muss aufgenommen werden und erhält die Gelegenheit, das Asylverfahren nach Asylantragstellung zu durchlaufen. Dies bekräftigt auch die EUVerfahrensrichtlinie, die Sie damit ebenfalls unterminieren.

Wir als LINKE stehen zum uneingeschränkten Menschen- und Grundrecht auf Asyl und stehen eher für erweiterte, verstärkte Garantien im Asylverfahren. Das Grundrecht auf Asyl muss, entgegen Ihren Vorschlägen, bestärkt statt weiter dementiert werden, genau wie die rechtsstaatlichen Garantien für Menschen.

Was die Kernintention des Antrages aber eigentlich ist – nach dem Vorgeplänkel in Punkt 1 – sind die Ziffern 2 bis 6. In den Ziffern 2 und 3 kann man es sozusagen im Kern lesen. Darin werden – das ist mein anderer Punkt – die aktuellen Bemühungen der Bundesrepublik Deutschland, also der Regierung dieses Landes, Migrations- und Fluchtbewegungen aus der EU fernzuhalten, noch auf die Spitze getrieben. Ich erinnere hier – Herr Hartmann, Sie können da zuhören – an den Vorschlag Ihres Bundesinnenministers mit Ihrem Parteibuch, Aufnahmezentren in Tunesien zu errichten. So ganz fremd ist die eine Sache der anderen nicht.

(Uwe Wurlitzer, AfD: Das war Herr Schily 2004!)