Protocol of the Session on June 22, 2017

(Beifall bei den LINKEN – Christian Piwarz, CDU: Nur Behauptungen, ohne einen Nachweis zu erbringen! – Lebhafte Unruhe)

Frau Falken sprach gerade für die einbringende Fraktion DIE LINKE. Jetzt geht es weiter mit Herrn Kollegen Bienst. Er ergreift jetzt für die CDU-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegin Falken, ich glaube, heute haben Sie den Bogen überspannt.

(Cornelia Falken, DIE LINKE: Nein!)

Hier in diesem Hohen Haus die Forderung nach einem Rücktritt der Kultusministerin zu stellen finde ich einfach nur frech. So etwas kann es nicht geben.

(Beifall bei der CDU)

Wir werden in der Diskussion sicherlich analysieren, warum ich diese Behauptung bzw. Forderung hier anführe, denn es gibt gute Gründe für das, was wir hier im Land momentan vorfinden. Darauf komme ich in meiner Rede zurück. Fakt ist aber eines: Wenn Sie sich hier hinstellen und einfache Parolen raushauen, zum Beispiel „Versagen sieht man an jeder einzelnen Schule in Sachsen“,

(Cornelia Falken, DIE LINKE: Ja!)

dann gehen Sie doch einmal hin zu den Schulen und fragen Sie nach. Ich könnte Ihnen schlagartig Schulen nennen, wo nicht von Versagen gesprochen wird und wo die Kultusministerin eben nicht kritisiert wird. Dann sprechen Sie doch Namen und Adresse dieser Schulen aus, von denen Sie hier sprechen.

Dann möchte ich einen zweiten Punkt anbringen. Wir sind momentan in der Planung des nächsten Schuljahrs. Die Planung ist überhaupt noch nicht abgeschlossen, das heißt also, wir können bei – Sie sagten es bereits, ich komme darauf noch einmal zu sprechen – 1 600 Köpfen nicht bis zum letzten Kopf sagen, wohin jeder gehen kann. Das ist in diesem Planungsprozess doch ganz normal, zumal wir eine Liste A und eine Liste B haben.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Kollege?

Bitte schön.

Bitte, Frau Falken.

Herr Bienst, kennen Sie eine einzige Schule im Freistaat Sachsen, die schon heute weiß, ob der Grundbereich und der Ergänzungsbereich ausgereicht wird?

Wissen Sie, dass in anderen Bundesländern die Lehrerinnen und Lehrer ihre Lehrauftragsverteilung bereits in der letzten Schulwoche bekommen, damit sie sich über die Ferien gut auf das neue Schuljahr vorbereiten können?

Das mag schon sein – ich beginne mit Frage 2 –, dass andere Länder andere Verfahrensweisen haben. Aber wir haben hier in Sachsen eine besondere Situation, auf die ich auch eingehen möchte.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Daran ist doch jemand schuld, Herr Bienst!)

Nein, nein. Darauf komme ich noch zu sprechen.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Ach so, niemand ist schuld?)

Auf die erste Frage werde ich in meiner Rede noch eingehen, wenn Sie gestatten.

Noch einen Hinweis, liebe Frau Falken, wenn Sie jetzt Einzelbeispiele bringen: Solche bringen auch meine Kollgen, und dem gehe ich nach. Diese Einzelfälle gibt es, unbestritten.

(Zuruf des Abg. Marco Böhme, DIE LINKE)

Aber Sie können diese Einzelfälle, und das sage ich hier an dieser Stelle bestimmt schon zum hundertsten Mal, doch nicht als das Schulsystem in Sachsen deklarieren. So geht das doch überhaupt nicht.

Bevor ich jetzt auf Ihren Antrag eingehe, zu dem Sie eigentlich gar nicht gesprochen haben, und die niedergeschriebenen Angriffe und Aussagen sachlich richtigstelle, möchte ich mit meinem Redebeitrag vielleicht positiv beginnen – ohne damit den Ernst der Lage schönreden zu wollen. Positiv deshalb, weil es eine klare Zielsetzung – und damit ist ein Teil Ihrer Frage schon beantwortet – durch den Direktor der SBA, Ralf Berger, gibt.

Es existiert nämlich ein Schreiben vom 12. Juni an die Schulleitungen, das Sie sicherlich kennen. Dort steht – ich möchte den Sachverhalt stichpunktartig wiedergeben –, dass wir eben tatsächlich 1 400 VZÄs benötigen, das sind circa 1 600 Köpfe. Es wird dargestellt, dass an Grundschulen 482, an Oberschulen 485 und an Gymnasien 100 VZÄs notwendig sind. An den beruflichen Schulen sind es 159 VZÄs und an den Förderschulen 175.

Wir sehen, dass die Grundschule und die Oberschule natürlich den größten Bedarf haben. Wir wissen auch, dass das Angebot an Bewerbern mit grundständiger Ausbildung erheblich geringer ist als der Bedarf, logischerweise. Bemerkenswert ist aber trotzdem, dass sich in Sachsen 2 800 Personen beworben haben. Leider sind von

diesen 2 800 Personen aber nur 1 000 grundständig ausgebildete Lehrkräfte. Deshalb ist die Einstellung schulartfremd ausgebildeter Seiteneinsteiger notwendig und unverzichtbar.

Die zentrale Fortbildung für den Schuleinstieg sei bereits konzipiert, schreibt Herr Berger. Ferner schreibt er, das Hauptziel sei die Absicherung des Grundbereichs in allen Schularten zu 100 % – Klammer auf: an Förderschulen haben wir ein Problem, schon über Jahre hinweg.

Das zweite Hauptziel ist, den Ergänzungsbereich – auch das hatten Sie angefragt – an Grundschulen und Oberschulen mit 25 % auszureichen und an Gymnasien und Berufsschulen mit 12,5 %. Das ist das erklärte Ziel. Ich wiederhole es und bringe es auf den Punkt: Er spricht von dem Bestreben eines reibungslosen und gesicherten Starts in das Schuljahr 2017/2018. Das ist Ziel und berechtigter Anspruch von Eltern, Lehrern und Schülern.

Uns allen ist bekannt, dass wir zwar ausreichend Stellen besetzen können, dass wir aber – erstens – im kommenden Schuljahr mehr Schülerinnen und Schüler an öffentlichen Schulen haben, nämlich circa 4 000 zusätzlich.

Zweitens sind von den 1 000 grundständig ausgebildeten Lehrkräften mehr als die Hälfte Gymnasiallehrer, die sich leider schwerpunktmäßig für Dresden und Leipzig bewerben.

Drittens waren – Stand: 12. Juni – 62 % der 1 400 Stellen besetzt. Heute schreiben wir ja bereits den 22. Juni; da sind wir schon weiter.

Viertens wurde der EB verringert, aber gerade an Grundschulen und Oberschulen sind – ich sagte es bereits – höhere Anteile geplant, weil gerade an diesen Schularten mit einer erhöhten Anzahl von schulartfremdem pädagogischen Personal und mit Seiteneinsteigern gerechnet werden muss.

Fünftens, und damit komme ich zu Ihrem nächsten Punkt, befindet sich das von der Koalition verhandelte, zum 1. Januar 2017 in Kraft getretene Maßnahmenpaket in der Umsetzung. Ja, meine Damen und Herren, das Paket beginnt zu greifen, aber es braucht eben noch Zeit. Ich betone noch einmal: Es greifen eben noch nicht alle Maßnahmen, die für die Erhöhung der Attraktivität des Lehrerberufs, aber auch zur Systementlastung gedacht waren.

Nun möchte ich auf den Antrag der LINKEN eingehen und zunächst mit der Antragsbegründung beginnen. Wie Sie sich vielleicht erinnern, haben wir leider erst 2012 die Immatrikulationszahlen von Lehramtsstudenten erhöht. Das war sicher viel zu spät. 2017 haben wir die Zahl noch einmal nachgesteuert und auf nunmehr etwas mehr als 2 300 angehoben. Gehen wir von einer Regelstudienzeit von sieben Jahren aus, stehen die Studenten, die wir seit 2012 mehr ausbilden, erstmals 2019 zur Verfügung.

(Zuruf der Abg. Petra Zais, GRÜNE)

Warum Sie das der Kultusministerin vorwerfen, die für die Entscheidungen vor dem Jahr 2012 nicht verantwortlich ist, ist für mich nicht klar.

(Cornelia Falken, DIE LINKE: Aber Sie als CDU sind verantwortlich!)

Sie haben die Kultusministerin angegriffen. Das habe ich gerade noch einmal betont. Solange wir in der Lage sind, den Grundbereich abzusichern, wird das Schuljahr aus planungstechnischer Sicht reibungslos verlaufen. Aber darüber haben wir schon sehr oft diskutiert. Dass krankheitsbedingte Ausfälle zur Unzufriedenheit bei Eltern, Schülern und Lehrern führen, ist verständlich. Übrigens, die massiven Proteste, von denen Sie in Ihrem Antrag sprechen, hat, glaube ich, die GEW organisiert und nicht die Eltern.

(Sebastian Fischer, CDU: Hört, hört! – Zurufe von den LINKEN)

Ja, auch in diesem Jahr ist es das erklärte Ziel, dass vor jeder Schulklasse zum Schuljahresbeginn eine Lehrerin bzw. ein Lehrer steht.

(Zuruf der Abg. Cornelia Falken, DIE LINKE)

Ob wir dieses Ziel erreichen, darüber werden wir im August diskutieren. Wenn man den Blick auf die anderen Bundesländer ausweitet, sieht man, dass alle vor derselben Herausforderung stehen wie wir. Der Lehrerarbeitsmarkt ist deutschlandweit leer gefegt, wie man so schön sagt. Dass auch andere Bundesländer, von denen man es im ersten Augenblick nicht erwartet, die gleichen Probleme haben, ist, glaube ich, auch bekannt. Ich zitiere eine Überschrift der „Süddeutschen Zeitung“ von gestern, dem 21. Juni: „Schülerboom – zu wenig Lehrer in Oberbayern“. Ähnliche Mitteilungen können Sie für alle anderen Bundesländer ebenfalls nachlesen. Das soll unsere Lage nicht beschönigen, aber vielleicht besser einordnen.

Die Aussage, dass unsere Schulen finanzielle Probleme haben, kann ich nicht nachvollziehen. Die Finanzausstattung ist über das FAG geregelt und mit den Spitzenverbänden vereinbart. Hinzu kommen noch die allgemeinen und aktuell wirksamen Fördermechanismen.

Die letzte Aussage in Ihrer Begründung kann ich ebenso nicht nachvollziehen. Dazu sagt vielleicht Frau Staatsministerin Kurth noch etwas in ihrem Redebeitrag. Jedes Mal, wenn ich in das Arbeitszimmer der Frau Kultusministerin komme, frage ich, ob ich eventuell ein wichtiges Ereignis verpasst habe. Da stehen oft herrliche Blumen auf dem Tisch, die sie – und das sagt sie mir dann – bei ihren Schulbesuchen genau von den Menschen bekommen hat, bei denen laut Ihrer Aussage der Unmut über die verfehlte Bildungspolitik der Kultusministerin wächst.

(Zuruf der Abg. Cornelia Falken, DIE LINKE)

Ich wüsste auch nicht, dass Frau Kurth von den Menschen mit Eiern oder Tomaten beworfen wurde.

(Cornelia Falken, DIE LINKE: Wenn es so weit geht, wäre es schon hart!)

Also, bleiben wir bei der Wahrheit, meine Damen und Herren. Dass die Fehleinschätzung der demografischen Entwicklung in Sachsen, die zu späte Erhöhung der Lehramtsstudenten und die Sogwirkung des sächsischen Schulsystems auf junge Menschen aus anderen Bundesländern nicht eintrifft, führt uns gerade jetzt zu diesen Herausforderungen.

Trotzdem – es tut mir leid, meine Damen und Herren der LINKEN – müssen wir Ihren Antrag ablehnen. Denn erstens ist Ihre Forderung nach einer kurzfristigen Lösung nicht umsetzbar. Ich wiederhole mich: Es fehlen keine Stellen; uns fehlen die Köpfe, also voll ausgebildete Bewerber. Zweitens. Auf der einen Seite soll in Ihrem Antrag die Unterrichtsversorgung sichergestellt werden, auf der anderen Seite sprechen Sie sich gegen Klassenzusammenlegungen aus. Glauben Sie mir, die verantwortlichen Stellen gehen mit Augenmaß bei Klassenzusammenlegungen vor. Lesen Sie das Schulgesetz. Eingangs- und Abgangsklassen sind davon in Zukunft sowieso ausgeschlossen.